OLG
Braunschweig, Nachweis Zugang Abmahnung
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Aktenzeichen: 2 W 101/04 |
Verkündet
am:
13.08.2004
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
OLG
Braunschweig
BESCHLUSS
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin
wird das
Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Braunschweig vom 28.4.2004 abgeändert: Der
Verfügungsbeklagte
trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der
Kosten
des Beschwerdeverfahrens.
Wert des
Beschwerdeverfahrens: Wertstufe bis 1500 €.
Gründe
Die
Verfügungsklägerin hat den
Verfügungsbeklagten im
einstweiligen Verfügungsverfahren wegen eines
unzulässigen
Räumungsverkaufs „wegen
Sortimentsumstellung“ in
Anspruch genommen. Der Verfügungsbeschluss vom 12.12.2003 ist
dem
Verfügungsbeklagten am 13.12.2003 zugestellt worden. Mit
Schreiben
seiner Rechtsanwälte vom 26.1.2004 und 3.2.2004 gab der
Verfügungsbeklagte unter Ausnahme der Kostenfrage eine
Abschlusserklärung
ab.
Mit
Schriftsatz
vom 26.1.2004 legte der Verfügungsbeklagte einen auf die
Kostenentscheidung beschränkten Widerspruch gegen den
Verfügungsbeschluss ein. Er habe das von der
Verfügungsklägerin vorgelegte Abmahnschreiben vom
28.11.2003
nicht erhalten, was er der Verfügungsklägerin auch
schon mit
Schreiben vom 19.12.2003 mitgeteilt habe. Die
Verfügungsklägerin hat eine eidesstattliche
Versicherung
ihrer Mitarbeiterin C. vorgelegt, wonach diese das Abmahnschreiben am
28.11.2003 ordnungsgemäß frankiert als Normalbrief
zur Post
gegeben habe.
Das
Landgericht
hat in dem angefochtenen Urteil den Verfügungsbeschluss vom
12.12.2003 hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben und die
gesamten Kosten des Verfahrens der Verfügungsklägerin
auferlegt, weil die Verfügungsklägerin nicht nur die
Beweislast für eine ordnungsgemäße
Absendung des
Abmahnschreibens sondern auch die Beweislast für den Zugang
des
Abmahnschreibens trage. Es gebe die Möglichkeit, das
Abmahnschreiben als Einwurfeinschreiben zu versenden. Hinsichtlich der
Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gründe des
angefochtenen
Urteils.
Gegen
das ihr am
29.4.2004 zugestellte Urteil hat die
Verfügungsklägerin mit
Schriftsatz vom 10.5.2004 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der
Auffassung, dass es genüge, wenn sie die Absendung eines
ordnungsgemäßen Abmahnschreibens glaubhaft mache.
Der
Verfügungsbeklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Die
sofortige
Beschwerde der Verfügungsklägerin ist gegen das auf
den
Kostenwiderspruch ergangene Urteil entsprechend § 99 II ZPO
zulässig und in der Sache begründet. Entgegen der
Ansicht des
Landgerichts liegt hier kein sofortiges Anerkenntnis
gemäß
§ 93 ZPO vor, so dass der Verfügungsbeklagte die
Kosten des
Verfahrens gemäß § 91 ZPO zu tragen hat.
Die
Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass sie
das
Abmahnschreiben vom 28.11.2003, das den Anforderungen an ein
Abmahnschreiben genügt und richtig adressiert ist,
ordnungsgemäß frankiert mit Normalpost abgesandt
hat.
Für den von dem Verfügungsbeklagten bestrittenen
Zugang des
Abmahnschreibens trägt sie nicht die Beweislast.
Die
Abmahnung
ist ein im Wettbewerbsrecht und im Recht der gewerblichen Schutzrechte
entwickeltes Mittel zur vorgerichtlichen Durchsetzung von
Unterlassungsansprüchen, das heute ganz allgemein, mindestens
kraft Gewohnheitsrecht, anerkannt ist. Sie ist keine
Prozessvoraussetzung, ihre Unterlassung kann jedoch zu Kostennachteilen
bei dem Gläubiger führen. Die Rechtsnatur der
Abmahnung
ist
umstritten. Sie hat eine Doppelnatur (vgl. dazu Teplitzky
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl.
Kapitel 41
Rn. 1 ff., insbesondere 5 ff. m.w.N.).
Zum
einen
enthält sie ein Angebot zum Abschluss eines
Unterwerfungsvertrages
und kann besondere Pflichten wie Aufklärungs- und
Antwortpflichten
begründen. Für diese Funktionen der Abmahnung
ist ein
Zugang
der Abmahnung
erforderlich, der im Fall des Bestreitens auch von
demjenigen nachzuweisen ist, der daraus Rechte herleitet (vgl. dazu
Teplitzky Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8.
Aufl.
Kapitel 41 Rn. 1 ff., insbesondere 5 ff. m.w.N.).
Daneben
hat sie
die Funktion einer im Schuldnerinteresse erforderlichen Warnung und
Aufforderung zur außergerichtlichen Streitbeilegung durch
Unterwerfung. In dieser Hauptfunktion als Warnung und Aufforderung
insbesondere im Hinblick auf § 93 ZPO ist die Abmahnung
keine
Willenserklärung. Ihre Wirksamkeit setzt nach der
Rechtsprechung
des Senats (vgl. Beschluss vom 27.5.1998 - 2 W 84/98) und der
überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung (vgl. Teplitzky
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl.
Kapitel 41
Rn. 1 ff., insbesondere 6 ff. m.w.N.; OLG Karlsruhe WRP 1997, 477 f.;
OLG Stuttgart WRP 1996, 477 ff.; OLG Jena OLG-NL 1998, 110 f.; OLG
Frankfurt OLGR 1996, 42 ff.; a.A.: OLG Düsseldorf 20. ZS OLGR
1996, 279 ff.; OLG Düsseldorf 2. ZS OLGR 2000, 476 f. =
GRUR-RR
2001, 199 f. als obiter dictum als Ankündigung einer
Änderung
seiner bisherigen Rechtsprechung; OLG Dresden WRP 1997, 1201 ff.,
Rechtsprechung jetzt aufgegeben: vgl. Marx WRP 2004, 971) daher nicht
den Nachweis des Zugangs beim Adressaten voraus.
Zwar
kann auch
die Warnwirkung, auf die es bei dieser Funktion der Abmahnung
ankommt,
nur dann erreicht werden kann, wenn der zu Warnende die Abmahnung
tatsächlich erhält. Es geht jedoch bei der Warnung
nur um
eine Obliegenheit des Verletzten eines Wettbewerbsverstoßes,
dem
im Interesse des Verletzers Handlungspflichten auferlegt werden, wobei
eine Interessenabwägung erforderlich ist. Zusätzliche
Benachteiligungen des Gläubigers zugunsten des Abgemahnten
sind
nur begrenzt zumutbar (vgl. Teplitzky Wettbewerbsrechtliche
Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. Kapitel 41 Rn. 1 ff.,
insbesondere 6 ff. m.w.N.; OLG Karlsruhe WRP 1997, 477 f.; OLG
Stuttgart WRP 1996, 477 ff.; OLG Jena OLG-NL 1998, 110 f.; OLG
Frankfurt OLGR 1996, 42 ff.).
Auch
sonst ist
die für § 93 ZPO maßgebliche Frage der
Klageveranlassung seitens des Beklagte aus Sicht des Klägers
zu
beurteilen. Der Beklagte trägt für das Vorliegen des
Ausnahmetatbestandes des § 93 ZPO die Beweislast (vgl.
Teplitzky
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl.
Kapitel 41
Rn. 1 ff., insbesondere 6 ff. m.w.N.; OLG Karlsruhe WRP 1997, 477 f.;
OLG Stuttgart WRP 1996, 477 ff.; OLG Jena OLG-NL 1998, 110 f.; OLG
Frankfurt OLGR 1996, 42 ff.; so auch für die
grundsätzliche
Verteilung der Beweislast bei § 93 ZPO, aber anderer Ansicht
hinsichtlich des Zugangs der Abmahnung
: Zöller/ Herget
§ 93
ZPO „Beweislast“ und
„Wettbewerbsstreitigkeiten“).
Es
ist auch zu
berücksichtigen, dass ein effektiver Rechtsschutz bei
Wettbewerbsverstößen, insbesondere bei zeitlich
begrenzten
Sonderaktionen wie hier, nur bei einem schnellen Vorgehen des
Verletzten zu erreichen ist. Wenn dem Verletzten schon im Interesse des
Verletzers zugemutet wird, diesen unter Setzung einer angemessenen
Frist abzumahnen und die Frist abzuwarten, bevor er das Gericht anruft,
so dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden.
Es darf
für den Verletzer nicht die Möglichkeit bestehen,
seinen
Wettbewerbsverstoß ungehindert fortsetzen zu können,
weil
der Verletzte zu seinen Gunsten zunächst den Zugang der
Abmahnung
sicher stellen muss, wobei auf Seiten des Verletzers die
Möglichkeit der Vereitelung des Zugangs besteht.
Wenn
man dem
Verletzten auch den Nachweis des Zugangs der Abmahnung
aufbürdet,
würde das zu Verzögerungen führen, die
wiederum in
zahlreichen Fällen, in denen nach der hier vertretenen Ansicht
nur
eine kurze Frist zur Beantwortung der Abmahnung
gesetzt werden muss,
dazu führen würden, von dem Erfordernis einer
Abmahnung
ganz
abzusehen (vgl. OLG Stuttgart WRP 1996, 477 ff.; so im Ergebnis auch
als Folge seiner Ansicht, dass der Zugang bewiesen werden muss, in
besonders dringlichen Fällen wie
Räumungsverkäufen:
Zöller/ Herget § 93 ZPO
„Wettbewerbsstreitigkeiten“).
Die
Frage, ob
der Verletzte den Zugang der Abmahnung
beim Verletzer im
Bestreitensfall nachweisen muss, ist auch nicht deshalb anders zu
beurteilen, weil es nunmehr die Möglichkeit gibt, die
Abmahnung
per Einwurfeinschreiben zu versenden. Damit kann zwar erreicht werden,
dass nicht nur die Absendung sondern auch der Zugang nachgewiesen
werden kann. Den Beleg für den Zugang der Sendung
erhält der
Postkunde bei dieser Versandart jedoch nur auf telefonische Nachfrage
in dem Call-Center der Post AG oder durch eine entsprechende
Online-Abfrage. Eine Antwort erhält er bei beiden
Vorgehensweisen
jedoch erst, wenn der Beleg des Postzustellers über den
Einwurf
des Einschreibens postintern verarbeitet und in der entsprechenden
Datei aufgenommen ist, was einige Zeit dauert. Insbesondere bei
(zulässigen) kurzen Fristen wie hier (Absendung am Freitag,
letzter Tag der Frist der folgende Montag) ist nicht sicher gestellt,
dass der Zugang der Abmahnung
rechtzeitig festgestellt werden kann.
Die
Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf
§
97 ZPO. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens bemisst sich nach der
Höhe der Kosten erster Instanz.