Oberlandesgericht
Nürnberg
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Aktenzeichen: 3 U 348/13 |
03.
Dezember
2013 |
Oberlandesgericht
Nürnberg
Im
Namen des Volkes
Urteil
In
dem Rechtsstreit
........................................
-
Klägerin -
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
gegen
........................................
- Beklagte -
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom
31.01.2013 abgeändert.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
A.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird
gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 Abs. 1 S.
1 ZPO abgesehen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Denn die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist
missbräuchlich, weshalb die Unterlassungsklage als
unzulässig abzuweisen ist. Die zulässige Klage
hinsichtlich der Abmahnkosten ist demgemäß
unbegründet.
I. Die Unterlassungsklage ist unzulässig.
1. Bei missbräuchlicher gerichtlicher Geltendmachung eines
Unterlassungsanspruchs ist die Klage wegen fehlender Klage- und
Prozessführungsbefugnis als unzulässig abzuweisen
(BGH GRUR 1999, 509 - Vorratslücken; BGH GRUR 2002, 357 -
Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; Köhler/Bornkamm,
UWG, 31. Auflage, § 8 UWG Rdnr. 4.3).
2. Gemäß § 8 Abs. 4 UWG ist die
Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn
sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände
missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu
dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von
Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
Vorliegend ist von einer missbräuchlichen Geltendmachung eines
Unterlassungsanspruches auszugehen.
a) Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der
Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde,
für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und
Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das
beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (BGH GRUR 2000,
1089 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgungen; BGH GRUR 2001,
260 - Vielfachabmahner).
Das Vorliegen eines Missbrauchs ist jeweils im Einzelfall unter
Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen.
Dies erfordert eine sorgfältige Prüfung und
Abwägung. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der
Geltendmachung des Anspruchs, die sich aber in der Regel nur aus
äußeren Umständen erschließen
lassen. Dazu gehören: Art und Umfang des
Wettbewerbsverstoßes und Verhalten des Verletzten nach dem
Verstoß; Verhalten des Anspruchsberechtigten bei der
Verfolgung dieses oder anderer Verstöße; Verhalten
sonstiger Anspruchsberechtigter; Art und Schwere des
Verstoßes und Verhalten des Schuldners nach dem
Verstoß. Im Rahmen der gebotenen Interessensabwägung
ist auch zu fragen, ob Interessen der Allgemeinheit eine
Rechtsverfolgung rechtfertigen (Köhler/Bornkamm, a.a.O.,
§ 8 UWG, Rdnr. 4.11 mit Nachweisen der Rechtsprechung,
insbesondere der des BGH). Als typisches Beispiel nennt das Gesetz die
Geltendmachung eines Anspruchs, die vorwiegend dazu dient, gegen den
Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder
Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Dies gilt jedoch in
gleicher Weise für das Interesse, Anspruche auf Zahlung z.B.
von Vertragsstrafen entstehen zu lassen. Davon ist auszugehen, wenn der
Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder
wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann.
Maßgebend ist dabei die Sichtweise eines wirtschaftlich
denkenden Unternehmers. Ein Indiz dafür ist freilich nicht
schon eine umfangreiche Abmahntätigkeit. Vielmehr ist eine
Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller
Umstände des Eit:lzelfalls vorzunehmen. Ein Missbrauch ist
dann anzunehmen, wenn die Abmahntätigkeit sich
verselbständigt, d.h. in keinem vernünftigen
Verhältnis zvr gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden
steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter
Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes
wirtschaftliches Interesse außer dem
Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann, zumal wenn es sich
um geringfügige und/oder leicht zu ermittelnde
Verstöße handelt oder wenn der Mitbewerber, obwohl
er finanziell schwach ist, Abmahnungen in großer Zahl
ausspricht oder trotz umfangreicher Abmahntätigkeit in keinem
Fall den Anspruch gerichtlich durchzusetzen versucht
(Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rdnr. 4.12 mit Nachweisen der
Rechtsprechung).
b) Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist die
Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die K1ägerin
rechtsmissbräuchlich.
aa) Anhaltspunkte dafür, dass der Beispielsfall des §
8 Abs. 4 UWG erfüllt sein könnte, dass also
insbesondere die Geltendmachung dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden
einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der
Rechtsverfolgung entstehen zu lassen, liegen nicht vor.
bb) Jedoch ist das Verhalten der Klägerin aus sonstigen
Gründen rechtsmissbräuchlich.
(1) Vorliegend hat die Klägerin in einem Zeitraum von wenigen
Tagen im August 2012 (08.08. bis 16.08) unstreitig mindestens 199
Abmahnungen (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 19.08.2013, S.
30 = Bl. 172 d.A.) gegen vermeintliche Mitbewerber im IT-Bereich wegen
Verletzung der Impressumsverpflichtung gemäß
§ 5 TMG ausgesprochen. Der Vorwurf beruhte darauf, dass auf
den Facebookauftritten der Mitbewerber kein den Vorgaben des §
5 TMG entsprechendes Impressum enthalten war und insbesondere Angaben
zum Geschäftsführer bei juristischen Personen und
weitere Handelsregisterdaten fehlten. Soweit diese Angaben nach
mehreren Links auf der Homepage des Mitbewerbers aufgerufen werden
konnten, entsprach dies nach Ansicht der Klägerin nicht den
Vorgaben des § 5 TMG, wonach die Informationen leicht
erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig
verfügbar zu halten seien.
(2) Diese "Abmahnwelle" stand in keinem vernünftigen
Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit der
Klägerin.
Diese hat Abmahnungen in großer Zahl ausgesprochen, obwohl
sie finanziell schwach war. Sie wurde mit einem Stammkapital von
25.000,00 Euro durch Gesellschaftsvertrag vom 29.07.2011 gegrundet und
am 16.08.2011 ins Handelsregister eingetragen. Im Zeitpunkt der
Abmahnungen bestand sie gerade ein Jahr.
Die Bilanz für 2011 weist für die Klägerin
einen Jahresfehlbetrag von 20.421,44 Euro auf, an Forderungen und
Guthaben sind 9.429,86 Euro ausgewiesen, bei Verbindlichkeiten in
Höhe von 10.719,50 Euro. Der Rohertrag betrug 11.860,00 Euro.
Im Jahr 2012 wurden insgesamt Umsätze in Höhe von
brutto 187.350,12 Euro erzielt, wobei die
Geschäftstätigkeit erst nach Umzug der
Klägerin in Räume in Regenstauf im Februar 2012
begann. Die Umsätze umfassen ausweislich der vorgelegten
Rechnungen Dienstleistungen und Warenverkäufe. Aus den
Umsätzen mussten fünf Mitarbeiter bezahlt werden,
sowie bei Warenverkäufen die Anschaffungskosten. Daneben
mussten die Büroräume unterhalten werden. Bis zu den
Abmahnungen im August 2012 waren Rechnungen erstellt, die
Bruttoerlöse von weniger als 50.000,00 Euro,
Nettoerlöse in Höhe von knapp 41.000,00 Euro zum
Inhalt hatten (vgl. Rechnungskonvolut Kläger bis Rechnung 2012
- 0053). Dem stehen angefallene Kosten allein für die
Abmahnungen in Höhe von 52.874,30 Euro (199 x 265,70 Euro)
gegenüber. Das heißt, den bis zu den Abmahnungen in
Rechnung gestellten Forderungen standen allein Forderungen des
Prozessbevollmächtigten der KJägerin aus den
Abmahnungen in Höhe von über 52.000,00 Euro
gegenüber, was für sich allein schon auf
Rechtsmissbräuchlichkeit schließen lässt.
Dabei ist das Prozesskostenrisiko aus negativen Feststellungsklagen
bzw. aus selbständig weiterverfolgten Ansprüchen noch
nicht berücksichtigt. Das Prozesskostenrisiko für
eine einzige Unterlassungsklage für eine Instanz beliefe sich
auf mindestens 1.250,00 Euro, bei annähernd 200 Verfahren
wären dies 250.000,00 Euro. Selbst aus den
Umsatzerlösen für das gesamte Jahr 2012 wäre
dieses Risiko nicht zu bestreiten gewesen.
Die von der Klägerin geltend gemachte weit höhere
Umsatzerwartung ist nicht zu berücksichtigen. Geltend gemacht
wird hier insbesondere eine beabsichtigte Geschäftsverbindung
mit einer Rechtsschutzversicherung, die zu Jahresumsätzen von
über 1.000.000,00 Euro führen sollte. Dieser Vertrag
hätte nach Klägerangaben vorgesehen, dass pro Monat
mindestens 10.000 Datensätze a 10,00 Euro abgenommen worden
wären, was einem Umsatz von 100.000,00 Euro pro Monat
entsprochen hätte. Hinzu komme, dass für jeden
Kunden, der den sogenannten ...-Rechtsschutz abgeschlossen
hätte 10,00 Euro bezahlt worden wären. Das
jährliche Kundenvolumen hätte geschätzt
zwischen 50.000 und 100.000 Kunden gelegen. Der Umsatz hätte
sich also noch einmal um bis zu 1.000.000,00 Euro erhöht (vgl.
Klägerschriftsatz vom 15.07.2013, S. 5 = Bl. 199 d.A.).
Die bloße Erwartung eines Auftrages kann jedoch vorliegend
nicht berücksichtigt werden. Der Vertrag ist jedenfalls nicht
zustande gekommen. Solange der Vertrag aber eine Umsatzerwartung nicht
begründete, ist diese Umsatzerwartung auch im Hinblick auf
Abmahntätigkeiten nicht
berücksichtigungsfähig.
Im Übrigen ist der oben genannte Vortrag unsubstantiiert, weil
aus diesem Sachverhalt nicht nachvollziehbar ist, wie diese
Geschäftstätigkeit aussehen sollte und wer
Geschäftspartner werden sollte. Die hierzu übergebene
Leistungsbeschreibung war nur für das Gericht bestimmt und
sollte nicht an den Gegner gelangen. Da dieser sich hierzu nicht
äußern konnte, ist der Sachverhalt insoweit auch
nicht zu berücksichtigen.
Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang auch, ob die Gesellschafter
der Klägerin mit einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts (...) in den Jahren 2010 bis 2012 Gewinne in erheblicher
Höhe erzielten. Denn Anspruchstellerin war die
Klägerin und es waren nicht die Gesellschafter als
natürliche Personen. Auf die Frage, ob die insoweit
vorgelegten betriebswirtschaftlchen Auswertungen der Beklagten zur
Verfügung zu stellen sind oder nicht, kommt es somit nicht an.
Schließlich ist es unerheblich, dass vor den Abmahnungen mit
Vertrag vom 06.08.2012 die Geschäftsführer der
Klägerin die persönliche Haftung für die
Gebührenforderung des Rechtsanwalts ... übernahmen,
soweit diese von den Abgemahnten nicht übernommen wurden. Denn
zunächst war Kostenschuldnerin allein die Klägerin.
Sie war es auch, die die geltend gemachten Verstöße
verfolgte.
(3) Weiteres Indiz für das rechtsmissbräuchliche
Verhalten der Klägerin ist, dass diese bis auf die beiden beim
Senat anhängigen Verfahren unstreitig keinen
Unterlassungsanspruch weiter gerichtlich verfolgt hat. Hinzu kommt.
dass die Verfolgung in den beiden Verfahren erst in die Wege geleitet
wurde, als die angeblichen Verletzer ihrerseits negative
Feststellungsklage erhoben hatten. Die Klagen dienten damit in erster
Linie auch dazu, nach Verzicht auf die Klagerücknahme diese
Klagen unzulässig werden zu lassen. Ausweislich der von der
Beklagten vorgelegten Liste, die von der Klägerin nicht
bestritten wurde, wurden in einigen Fällen lediglich die
Abmahnkosten im Mahnbescheidsverfahren geltend gemacht. Zumindest in
einem Verfahren ist zwischenzeitich nach einem behaupteten
Vertragsverstoß die Vertragsstrafe geltend gemacht.
(4) Hinzu kommt, dass die Klägerin eine erhebliche Anzahl von
Abmahnungen (mindestens 199) innerhalb eines Zeitraumes von nur wenigen
Tagen versandt hat.
(5) Die behaupteten Verstöße selbst wurden ohne
großen Aufwand durch eine von der Klägerin
entwickelten Suchsoftware innerhalb eines Arbeitstages festgestellt
(vgl. Aussage des Zeugen ... vom 17.01.2013). Der
Geschäftsführer ... der Klägerin
erklärte hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht Regensburg, dass das Programm der Klägerin 3,5
Millionen Rechtsverstöße im Internet, davon 30.000
Verstöße bei Facebook festgestellt habe. Insoweit
handelt es sich um ein massenhaftes systematisches Durchforsten (vgl.
BGH GRUR 2001, 260 - Vielfachabmahner). Auch dies ist ein weiteres
Indiz für den Rechtsmissbrauch (Senat, Urteil vom 15.06.2004 -
Az.: 3 U 643/03).
(6) Als weiteres Indiz kommt hinzu, dass die Klägerin an der
Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein
nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann. Bei den
Verstößen handelt es sich um
Formalverstöße. Dass durch das Unterlassen eines
vollständigen Impressums auf der Facebookseite der Abgemahnten
der Klägerin nennenswerte Wettbewerbsnachteile entstehen
können, ist nicht ersichtlich.
(1) Eine Gesamtwürdigung aller Indizien unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ffihrt
dazu, dass die Verfolgung der Ansprüche durch die
Klägerin rechtsmissbräuchlich ist.
3. Auf die Frage, ob die Klage auch deshalb unzulässig ist,
weil die Unterlassungsanträge nicht bestimmt genug seien
(§ 253 Abs. 2 S. 2 ZPO), braucht der Senat daher nicht mehr
einzugehen.
4. Weil die Klage unzulässig ist, ist über ihre
Begründetheit, also insbesondere darüber, ob ein
Verstoß gegen § 5 TMG gegeben ist, nicht mehr zu
entscheiden.
II. Die zulässige Klage auf Ersatz der Abmahnkosten ist nicht
begründet.
Denn die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist
rechtsmissbräuchlich. Damit ist auch ein Anspruch aus
§ 12 Abs. 1· S. 2 UWG auf Erstattung der
Abmahnkosten in Höhe von 265,70 Euro nicht gegeben, weil die
Abmahnung nicht berechtigt war.
III. Kosten: § 91 ZPO.
IV. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr.
10, 711, 713 ZPO.
V. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision
gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht
vor.