Oberlandesgericht
Nürnberg, Beschluss, Adel, Adelsname, Nachname, Artikel 123
Grundgesetz GG, Artikel 109 Weimarer Reichsverfassung WRV
Oberlandesgericht
Nürnberg
BESCHLUSS
Leitsätze:
1. Der
Anwendungsbereich von Art. 48 EGBGB ist auf Fälle des
Namenserwerbs im Zusammenhang mit familienrechtlichen
Vorgängen wie Geburt, Eheschließung oder Adoption
beschränkt.
2. Die freie Wahl eines
Namens, wie sie im englischen Rechtsbereich zulässig ist (deed
poll), kann zumindest dann nicht nach Art. 48 EGBGB anerkannt werden,
wenn der gewählte Name eine Adelsbezeichnung enthält.
Die Anerkennung wäre in einem solchen Fall mit wesentlichen
Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar.
Tenor
I. Die
Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts
Nürnberg vom 13. August 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin
trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Verfahrenswert
des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde
wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin
wurde am 4. April 1983 in Erlangen geboren, ihre Geburt mit den Namen
Silke N. (Vornamen) Vo. (Familien- bzw. Geburtsname) vom Standesamt E.
unter der Nr. 537/1983 registriert. Sie verlegte ihren Wohnsitz am 1.
September 1999 nach London/Großbritannien, wo sie an der
„Royal Academy of Dance“ eine dreijährige
Berufsausbildung absolvierte und im Sommer 2002 mit einem Diplom als
„Student Teacher“ abschloss. In der Folgezeit war
sie als selbstständige Diplom-Ballettlehrerin u. a. in
England, der Schweiz und Deutschland - u. a. für
Angehörige des amerikanischen Militärs -
tätig. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt war, durch einen
am 31. Mai 2013 ergänzten Mietvertrag vom 1. Februar 2005
belegt, durchgehend in England. Am 31. Oktober 2011 erwarb die
Antragstellerin durch Einbürgerung zusätzlich die
britische Staatsangehörigkeit. Am 19. Dezember 2011 - sie gab
ihre Anschrift dabei mit „. Walk, London.“ an -
änderte sie während eines beruflichen Aufenthalts in
der Schweiz durch Erklärung gegenüber der britischen
Botschaft in Bern ihren Namen in „Silia Va. M.
Gräfin von Fürstenstein“. Unter diesem
Namen heiratete sie am 21. Mai 2013 in T. G. M. S./Cornwall Herrn
„G. W.“ (laut Heiratsurkunde Sohn des H. W.). Die
Eheschließung wurde mit diesen Daten in das britische
Heiratsregister eingetragen. Am 17. April 2013 wurde ihr auf den neuen
Namen ein britischer Reisepass ausgestellt. Am 15. August brachte sie
in London die Zwillinge R. J. F. und V. L. A. zur Welt, die beide mit
dem Familiennamen „Graf von Fürstenstein“
(mit Umlaut!) im örtlichen Register für Geburten und
Sterbefälle eingetragen wurden.
Mit Anwaltsschriftsatz
vom 25. Februar 2014 erklärte die Antragstellerin
gegenüber dem Standesamt E. in öffentlich
beglaubigter Form unter Berufung auf Art. 48 EGBGB, der von ihr nach
britischem Recht gewählte Name solle in das deutsche
Personenstandsregister eingetragen werden. Das Standesamt bezweifelte
zunächst seine Zuständigkeit, dann den Aufenthalt der
Antragstellerin in Großbritannien. Schließlich
wurde darauf verwiesen, dass es in England keine, von Art. 48 EGBGB
geforderte Namenseinträge in Personenstandsregistern gebe -
der Heiratseintrag diene nicht dazu den Namen einer Person verbindlich
festzulegen. Das Bayerische Staatsministerium des Innern
schließt in seinem, vom Standesamt in Bezug genommenen
Schreiben vom 3. April 2014, vom Fehlen eines Namensregisters in
England auf die Unanwendbarkeit von Art. 48 EGBGB in Fällen
des dortigen Namenserwerbs. Im Übrigen widerspreche die
Möglichkeit schrankenlos freier Namenswahl wesentlichen
Grundsätzen deutschen Rechts.
Mit Schreiben vom 2.
Juni 2014 an das Amtsgericht Nürnberg beantragte die
Beteiligte zu 1) daraufhin, das Standesamt E. anzuweisen, den sie
betreffenden Geburtseintrag dahin fortzuschreiben, dass der Vorname
„Silia Va. M.“ und der Familienname
„Gräfin von Fürstenstein“ lautet.
Die Voraussetzungen der Vorschrift lägen vor. Sie habe dem
neuen Namen die in England geforderte „reputation“,
das heißt Publizität und Anerkennung auf
gesellschaftlicher Ebene verschafft.
Das Standesamt Erlangen
trat dem Antrag entgegen.
Das Amtsgericht
Nürnberg wies mit Beschluss vom 13. August 2014, auf den wegen
der Einzelheiten verwiesen wird, den Antrag zurück. Zur
Begründung verwies es vor allem auf die Besonderheit, dass in
England der Name, jedenfalls soweit es um den durch reine
Willenserklärung erworbenen gehe, als etwas rein Privates
betrachtet werde. Der Geburtsname im Sinne des deutschen
Personenstandsrechts werde dadurch nicht berührt. Im
Übrigen widerspreche die von der Antragstellerin
gewünschte Beurkundung dem deutschen ordre public.
Der Beschluss ist der
Zustellungsbevollmächtigten der Antragstellerin am 20. August
2014 zugestellt worden. Am 19. September 2014 ist die hiergegen
gerichtete Beschwerde beim Amtsgericht Nürnberg eingegangen,
der nicht abgeholfen worden ist.
Die
Beschwerdeführerin macht geltend, ein Familienname
könne Geburts- oder Ehename sein, die vor ihrer Verehelichung
erfolgte Namensänderung könne also nur den
Geburtsnamen betroffen haben. Im Übrigen sei mittlerweile die
Geburt ihrer Kinder in England mit dem gewählten Namen
registriert worden. Entscheidungen des OLG Dresden aus der Zeit vor
Inkrafttreten des Art. 48 EGBGB zeigten, dass die Anerkennung von im
Wege des „deed poll“ erworbenen Namen keineswegs
dem deutschen ordre public widersprächen.
II.
Die Beschwerde ist
zulässig (§ 51 Abs. 1 PStG, §§ 58ff
FamFG), hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1) Die deutschen
Gerichte sind nach § 51 Abs. 1 PStG, § 105 FamFG
international zuständig, da nach § 50 Abs. 2 PStG das
Amtsgericht Nürnberg für das Standesamt E., das die
begehrte Amtshandlung vornehmen soll, örtlich
zuständig ist.
2) Die in Art. 48 EGBGB
normierten Voraussetzungen für die begehrte Namenswahl sind,
wenn man nur den Wortlaut des Gesetzes zugrunde legt und die besondere
ordre public-Klausel im letzten Halbsatz zunächst
unberücksichtigt lässt, gegeben (so auch Wall, StAZ
2015, 41/45f). Nach Art. 48 Satz 1 EGBGB kann eine Person, deren Name
deutschem Recht unterliegt, durch Erklärung gegenüber
dem Standesamt den während eines gewöhnlichen
Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen
Union erworbenen und dort in ein Personenstandsregister eingetragenen
Namen wählen.
Der Name der
Antragstellerin unterliegt nach Art. 10 Abs. 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 1
Satz 2 EGBGB deutschem Recht, weil sie auch deutsche
Staatsangehörige ist und diese Rechtsstellung ihrer
Rechtsstellung als britische Staatsangehörige vorgeht. Sie
hatte seit 1999 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
Großbritannien und hat während dieser Zeit den Namen
erworben, dessen Eintragung in das Geburtsregister des Standesamts E.
sie nun wünscht. Die Art des Namenserwerbs wird vom
Gesetzestext nicht näher eingegrenzt, so dass gerichtliche,
behördlich und privatautonome Namensänderungen
erfasst sind (MünchKomm-BGB/Lipp, 6. Aufl. Art. 48 EGBGB Rn.
13; Wall StAZ 2013,69/70; Mankowski, StAZ 2014, 97/103). Nach den
vorliegenden Urkunden zur Heirat der Antragstellerin und der Geburt
ihrer Kinder, nicht zuletzt auch nach ihrem britischen Pass wird der
neue Name in England als der rechtlich maßgebliche angesehen.
Eine weitergehende Nachprüfung der
Rechtmäßigkeit des Namenserwerbs findet nicht statt
(Staudinger/Hepting/Hausmann (2013) Art. 48 EGBGB Rn. 15ff). Der Name
ist auch in ein Personenstandsregister im Sinne von Art. 48 EGBGB
eingetragen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs C-208/09, StAZ
2011,77 RN 77), die der deutsche Gesetzgeber in Art. 48 EGBGB umsetzen
wollte, genügen Eintragungen in anderen behördlichen
Dokumenten wie Personalausweisen, Reisepässen oder
Führerscheinen, aber auch im Handelsregister oder
Sozialversicherungsakten (Hepting/Hausmann a. a. O. Rn. 14;
einschränkend Freitag, StAZ 2013, 69/70). Das Ziel des
Gesetzes verbietet es jedenfalls, die Namenswahl daran scheitern zu
lassen, dass es im Aufenthaltsstaat keine Personenstandsregister gibt;
zumindest die Eintragung in dasjenige Register, das im betroffenen
Staat Auskunft über die Namensführung gibt, muss
genügen (Freitag a. a. O.; Lipp a. a. O. Rn. 14).
3) Der Senat ist mit dem
Amtsgericht der Überzeugung, dass der von der
Beschwerdeführerin beanspruchte Phantasiename nicht dem
Geburtsnamen im Sinne des deutschen Personenstands- und Namensrechts
entspricht und ihr Antrag schon deshalb keinen Erfolg haben kann. Im
Anschluss an die im angefochtenen Beschluss zitierten Entscheidungen
der OLGe Hamburg (StAZ 1980,285) und München (StAZ 2009, 108)
sieht er als Geburtsname vielmehr den von der
Beschwerdeführerin bei ihrer Geburt erworbenen Namen Vo. an,
der bereits im Personenstandsregister eingetragen ist. Die
Ausführungen von Wall (StAZ 2015, 41/44), wonach zwar bei
ausschließlich englischem Namensstatut, wie es den zitierten
Entscheidungen zugrunde gelegen habe, der im Wege des „deed
poll“ erlangte Name nicht als Geburtsname eingetragen werden
könne, dies jedoch bei Doppelstaatern anders zu beurteilen
sei, überzeugt nicht. Es erschließt sich nicht, wie
das Hinzutreten der deutschen Staatsangehörigkeit der
Beschwerdeführerin die Natur des im Wege des „deed
poll“, eines Rechtsinstituts des englischen Rechts,
erworbenen Namens ändern soll.
4) Der so verstandene
Wortlaut des Art. 48 EGBGB ist jedoch in Bezug auf die hier
interessierende Frage, welche Arten des Namenserwerbs zur
Begründung eines Wahlrechts im Inland führen, zu weit.
Auch insoweit
hält der Senat die Begründung des angefochtenen
Beschlusses für zutreffend. Die Vorschrift ist nach ihrem
Zweck dahin auszulegen, dass isolierte Namensänderungen, die
allein auf der freien Entschließung der Betroffenen beruhen,
nicht erfasst sind. Dies gilt insbesondere für die hier
gegebene Namensänderung durch „deed poll“.
Dabei kann offen bleiben, ob der Begriff des
„Erwerbs“ soweit restriktiv ausgelegt werden kann,
dass Vorgänge wie der verfahrensgegenständliche nicht
erfasst sind, oder ob es einer teleologischen Reduktion bedarf. Im
letztgenannten Fall wird die Norm auf einen Sachverhalt, der unter
ihren Wortlaut fällt, aber vom Normzweck nicht erfasst wird,
nicht angewendet. Auch die teleologische Reduktion ist
verfassungsrechtlich zulässig (BVerfG NJW 1993, 2861; 1997,
2230) und wird nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Umsetzung von
Vorgaben aus dem Bereich des Europarechts angewandt (BGH NJW 2009, 427
zu § 439 Abs. 3, 4 BGB).
Die Wortbedeutung ist
zwar Ausgangspunkt jeder Gesetzesauslegung (Palandt/Sprau, BGB 74.
Aufl. Einl Rn. 40). Der Rechtsgedanke des § 133 BGB, nach dem
nicht am buchstäblichen Ausdruck zu haften, sondern auf den
Sinn der Norm abzustellen ist, gilt jedoch auch hier und führt
dazu, auch den auch aus der Entstehungsgeschichte zu ermittelnden
Gesetzeszweck zu berücksichtigen (BGH Z 2, 176/184; 13, 28;
NJW 2003, 290). Die teleologische Auslegung ist grundsätzlich
für das Auslegungsergebnis entscheidend (Palandt/Sprau a. a.
O. Rn. 46 m. w. Nachw.).
Die Begründung
zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10.08.2012 (BR-Drucks.
468/12, S.13f) verweist lediglich auf die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14.10.2008 in der Sache
„Grunkin Paul“ (StAZ 2009, 9) und sagt, dass Art.
48 EGBGB in Fällen, die dem vom EuGH entschiedenen Sachverhalt
entsprechen, im deutschen Namensrecht eine Rechtsgrundlage für
die Eintragung eines im EU-Ausland erworbenen und dort in ein
Personenstandsregister eingetragenen Namens bieten soll. Der vom EuGH
entschiedene Sachverhalt war dadurch gekennzeichnet, dass deutsche
Eltern ihrem, während ihres Aufenthalts in Dänemark
geborenes Kind einen nach dänischem, nicht aber nach deutschem
Recht zulässigen, aus den Namen der Eltern gebildeten
Doppelnamen gegeben hatten. Der EuGH hatte in den die Eintragung dieses
Doppelnamens in deutsche Personenstandsbücher verhindernden
Regeln des deutschen Rechts „unter Bedingungen wie denen des
Ausgangsverfahrens“ einen Verstoß gegen Art. 18 EGV
bzw. Art 21 Abs. 1 AEUV gesehen.
Der Bundesrat hatte in
seiner Gegenäußerung die Streichung der
vorgeschlagenen Regelung beantragt, u. a. weil die vorgeschlagene
Regelung Probleme bzw. Fragen u. a. nach der Geltung für
(erg.: isolierte) öffentlich-rechtliche
Namensänderungen aufwerfe. Die zu regelnden Fallgestaltungen
sollten zunächst gesammelt und aufbereitet werden, um im
Anschluss daran, an die rechtliche Umsetzung zu gehen, die
sachgerechter im Kontext des Art. 10 EGBGB anzusiedeln wäre,
da es sich bei hinkenden Namensverhältnissen um ein
kollisionsrechtliches Problem handele (BT-Drucks. 17/11049, S. 15). Die
Gegenäußerung der Bundesregierung hob erneut hervor,
dass es um die Lösung derjenigen Sachverhalte gehe, die vom
EuGH entschieden seien, und verwies die Bedenken des Bundesrats in ein
künftiges Rechtsvereinheitlichungsprojekt (BT-Drucks. a. a. O.
S. 17). Das Gesetzgebungsverfahren spricht mithin dafür, dass
nur die Vorgaben des EuGH umgesetzt werden sollten, nicht mehr (so auch
Freitag, StAZ 2013, 69/70; Mankowski, StAZ 2014, 97/98). Die Verweisung
auch des vom Bundesrat in seiner Stellungnahme aufgezeigten Problems
öffentlich-rechtlicher Namensänderungen in ein
künftiges europäisches Gesetzgebungsverfahren, zeigt
mit der nötigen Klarheit, dass solche von Art. 48 EGBGB nicht
geregelt werden sollen.
Zwar wird trotz dieser
Gesetzgebungsgeschichte vertreten, es sei teleologisch gerechtfertigt,
auch isolierte Namensänderungen nach Art. 48 EGBGB zu
behandeln, weil die Freizügigkeit der Unionsbürger
und die angestrebte Einnamigkeit über die Anlassfälle
hinaus gingen (Mankowski a. a. O. 105; Wall, StAZ 2013, 237/240; ders.
StAZ 2015,41/45). Der Senat vermag sich dieser Auffassung jedoch nicht
anzuschließen, da in den zitierten Stellungnahmen
offenbleibt, warum die europarechtlich gewährleistete
Freizügigkeit den nationalen Gesetzgeber verpflichten soll,
auch freiwillig gewählte hinkende Namensverhältnisse
und selbst geschaffene Hindernisse für die
Freizügigkeit zu beseitigen. Isolierte
öffentlich-rechtliche Namensänderungen mögen
aus europarechtlichen Gründen in den Anwendungsbereich des
Art. 48 EGBGB einzubeziehen sein, wenn sie ohne oder gegen den Willen
der Betroffenen erfolgt sind. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht
vor.
Die vom EuGH zu
beurteilenden Sachverhalte - neben „Grunkin Paul“
sind die Entscheidungen vom 2.10.2003 „Garcia
Avello“ (StAZ 2004, 40) und vom 22.12.2010
„Sayn-Wittgenstein“ (StAZ 2011, 77) zu nennen -
unterscheiden sich von dem verfahrensgegenständlichen dadurch,
dass es hier um die Berücksichtigung eines isolierten,
unabhängig von einem familienrechtlichen Vorgang wie Geburt
oder Adoption erfolgten Namenserwerb geht. Dagegen hatte der EuGH mit
Sachverhalten zu tun, die einen Namenswerwerb im Zusammenhang mit einem
familienrechtlichen Vorgang betrafen, sei es den erstmaligen
Namenserwerb im Zusammenhang mit der Geburt (Grunkin Paul und Garcia
Avello), sei es eine Namensänderung im Gefolge einer Adoption
(Sayn-Wittgenstein).
Der Senat ist nach allem
der Überzeugung, dass der Gesetzgeber in Art. 48 EGBGB dem
Namensträger nur ein Recht eingeräumt hat, selbst
darüber zu entscheiden, ob er den in einem anderen
Mitgliedstaat zuerst registrierten oder den aus deutscher Sicht
maßgeblichen Namen führen will (so
Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Rn. 541).
5) Die Beschwerde hat
auch deswegen keinen Erfolg, weil die Berücksichtigung eines
frei gewählten Namens im deutschen Rechtskreis mit
wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich
unvereinbar ist. Dies gilt erst recht in Fällen, in denen es,
wie hier um die Anerkennung der Wahl eines Namens geht, der eine
Adelsbezeichnung enthält.
a) Auch der EuGH erkennt
an, dass die Nichtanerkennung eines im EU-Ausland erworbenen Namens im
Einzelfall gerechtfertigt sein kann. Voraussetzung ist das Vorliegen
objektiver Gründe sowie die Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit, d. h. die
Beeinträchtigung der Freizügigkeit muss in einem
angemessenen Verhältnis zu dem vom nationalen Recht verfolgten
Zweck stehen (EuGH v. 14.10.2008 „Grunkin Paul“; v.
22.12.2010 „Sayn-Wittgenstein“
Staudinger/Hepting/Hausmann (2013) Art. 10 EGBGB Rn. 512). In der
Entscheidung „Sayn-Wittgenstein“ sieht der EuGH im
ordre public des Anerkennungsstaates einen solchen besonderen
Rechtfertigungsgrund. Er akzeptiert die Nichtanerkennung durch die
österreichischen Behörden, weil die Führung
von Adelstiteln gegen die österreichische Verfassung
verstoße. Das österreichische Verbot von
Adelsbezeichnungen folge aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (EuGH a. a.
O. Rn. 90f; Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Rn. 515).
b) Ähnlich
liegt es in Deutschland. Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem nach Art.
123 Abs. 1 GG als einfaches Bundesrecht weiter geltenden Artikel 109
Absatz 3 Satz 2 WRV die erkennbare Zielrichtung verfolgt,
zwar die
Adelsrechte abzuschaffen (Satz 1), nicht aber auch die
Adelsbezeichnungen, die als Namensbestandteil nach Satz 2 der
Vorschrift gerade erhalten bleiben sollten. Wie §§ 1,
4 des österreichischen Adelsaufhebungsgesetzes dient die
Vorschrift der Verwirklichung der Gleichheit aller Bürger.
Dies folgt aus ihrer systematischen Stellung hinter dem allgemeinen
Gleichheitssatz in Art.109 Abs. 1 WRV und dem
Programmsatz des Art.
109
Abs. 3 Satz 1 WRV, wonach öffentlich-rechtliche
Vorrechte oder
Nachteile der Geburt oder des Standes aufzuheben sind. Diesen Aspekt
übersieht das OLG Dresden in seinen Beschlüssen vom
12.10.2007 - 3 W 937/07, 22.02.2010 - 3 W 647/09 und 6.7.2011 - 17 W
465/11). Der Gleichheitsgrundsatz ist auch in Art. 20 der
Europäischen Grundrechtecharta niedergelegt; das Ziel, ihn zu
wahren ist daher mit dem Unionsrecht vereinbar.
Die Abschaffung des
Adelsstandes durch Artikel 109 Absatz 3 WRV führte jedoch
zwangsläufig dazu, dass keine neuen Adelsbezeichnungen
erworben werden konnten. Nur bestehende und bei Inkrafttreten der
Weimarer Reichsverfassung im Jahre 1919 namensähnlich
verwendete (OLG Düsseldorf, StAZ 1997, 177) Adelsbezeichnungen
konnten als Namensbestandteile weiterverwendet werden.
Adelsbezeichnungen konnten seither nur aufgrund eines
familienrechtlichen Vorgangs weitergegeben werden. Das mit dieser
Regelung verbundene Verbot der Verleihung von Adelsbezeichnungen gilt
auch für die Gewährung eines Adelstitels als
Namensbestandteil im Wege der Namensänderung (OLG Naumburg
StAZ 2014, 338; BVerwG, NJW 1997, 1594; Wall, StAZ 2015, 41/48).
Könnten auf dem Weg über Art. 48 EGBGB frei
gewählte oder erfundene Adelsbezeichnungen ebenfalls zu
Namensbestandteilen werden, würde diese Grundsatzentscheidung
des Gesetzgebers gegen die Möglichkeit des Neuerwerbs von
Adelstiteln konterkariert. Auch wenn danach Adelsbezeichnungen dem
deutschen Namensrecht nicht völlig fremd sind, erscheint es
doch nicht unverhältnismäßig, das Ziel der
Wahrung des Gleichheitssatzes dadurch zu fördern, dass
wenigstens der isolierte Neuerwerb von Adelsbezeichnungen verboten wird.
Der seitens der
Beschwerdeführerin gewählte Name widerspricht daher
dem deutschen ordre public (so auch Mansel/Thorn/Wagner, IPrax
2015,1/4; a. A. OLG Dresden a. a.O.).
Das Geschlecht derer von
Fürstenstein war im Übrigen 1919 schon seit mehr als
100 Jahren ausgestorben; ihr Adelstitel wurde daher zum
maßgeblichen Zeitpunkt schon lange nicht mehr
namensähnlich verwendet.
c) Der Antrag kann
unabhängig von der Frage der Adelsbezeichnung auch deswegen
keinen Erfolg haben, weil die freie Wahl des Namens, jedenfalls bei
Wahl eines reinen Phantasienamens ohne jede Beziehung zu der
betroffenen Person oder ihrer Familie, gegen wesentliche
Grundsätze des deutschen Namensrechts
verstößt.
Es gehört zu
den Grundlagen des deutschen Namensrechts, dass Namen nicht frei
wählbar sind, sondern von der Rechtsordnung verbindlich
zugewiesen werden, und Namensänderungen, von den
Sonderfällen des NamÄndG abgesehen, nur im
Zusammenhang mit statusrechtlichen Veränderungen
möglich sind (BVerfG NJW 2002, 1256; OLG Naumburg a. a. O. Rn.
26.) Dagegen sind Namen aus der Sicht des englischen Rechts etwas
Privates; sie können vom Namensträger jederzeit
unabhängig von einer familienrechtlichen
Statusänderung durch Erklärung („deed
poll“) geändert werden, sofern nur der
Namensträger dem neuen Namen eine
„reputation“, d. h. Publizität und
Anerkennung auf gesellschaftlicher Ebene, verschafft
(Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Vorbem. zu Art. 10 Rn. 35; OLG
München, FamRZ 2009, 1581).
Die
öffentlich-rechtliche Ordnungsfunktion des Namens
zählt zum deutschen ordre public. Diese Funktion kann der Name
nur erfüllen, wenn er sich nur ausnahmsweise ändert.
Die Namenswahl bedarf daher gesetzlicher Regeln, nach denen der Name
bestimmt wird oder ausgewählt werden kann (OLG Naumburg a. a.
O.; OLG Köln FamRZ 2003, 1773; Wall a. a. O., 49;
Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Vorbem. zu Art. 10 Rn. 37). Auch
dieser Aspekt wird vom OLG Dresden (a. a. O.) nicht erörtert.
Die Frage, ob die Wahl
eines Namens anzuerkennen wäre, wenn sie in irgendeiner Form
sachlich begründet werden kann, muss hier nicht beantwortet
werden. Denn die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben
weder eine Verbindung mit dem 1806 ausgestorbenen Grafengeschlecht von
Fürstenstein, den an dessen Stelle mit der Herrschaft
belehnten Grafen Le Camus von Fürstenstein oder deren
westfälischen Herrschaftsgebiet noch mit dem
niederschlesischen Schloss Fürstenstein
Der
Beschwerdeführerin kann die Ablehnung ihres Wunsches, das
Prinzip der Einnamigkeit durch umfassende Anerkennung ihres
neugewählten Namens zu verwirklichen, zugemutet werden, weil
sie das hinkende Namensverhältnis selbst geschaffen hat (Wall,
a. a. O. 50; a. A. Mankowski a. a. O.). Sie hat immer noch die freie
Entscheidung darüber, ob sie dieses Prinzip durch
Wiederannahme des Namens Vo. auch für den englischen
Rechtskreis verwirklicht oder die mit dem hinkenden
Namensverhältnissen verbundenen Unannehmlichkeiten hinnimmt,
um in England weiter als Gräfin auftreten zu können.
6) Die Entscheidung des
Senats steht nicht im Widerspruch zu höherrangigem
europäischem Recht.
a) Zwar folgert der EuGH
aus der Freizügigkeit von Unionsbürgern (Art. 21
AEUV), dass diejenigen Namen anzuerkennen sind, die
Unionsbürger in amtliche Register anderer Mitgliedstaaten
haben eintragen lassen. Aus hinkender Namensführung
erwüchsen zwangsläufig Nachteile, sobald es im
täglichen Leben darum gehe, die Identität im
öffentlichen oder privaten Bereich nachzuweisen. Ziel ist
Einnamigkeit dergestalt, dass ein Unionsbürger denselben Namen
überall in der Gemeinschaft führen kann. Das
Kontinuitätsinteresse des Namensträgers an der
Fortführung seines Namens wird zum dominierenden Moment.
Höchstens der zweitstaatliche ordre public vermöchte
eine Grenze zu ziehen (Mankowski a. a. O. m. w. Nachw.).
b) Die Besonderheiten
der verfahrensgegenständlichen Fallkonstellation
führen dazu, dass die Nichtanerkennung des im Wege des
„deed poll“ erlangten Namens nicht im Widerspruch
zu den europarechtlichen Vorgaben steht. Denn die
Beschwerdeführerin hat die Kontinuität ihrer
Namensführung selbst freiwillig beendet. Sie änderte
ihren Namen und zeigte damit, dass sie daran kein Interesse hat.
Für sie war das Kontinuitätsinteresse kein
dominierendes Moment. Sie hätte auch nach ihrer
Einbürgerung in England ihren deutschen Namen
weiterführen können, ihrer Einnamigkeit stand nichts
im Wege. Sie gab die Einnamigkeit auf, indem sie sich in England und
für den dortigen Gebrauch einen anderen Namen wählte.
Sie sah in dem so entstehenden hinkenden Namensverhältnis
offenbar kein Problem. Da der EuGH an keiner Stelle von einem
durchzusetzenden Zwang zur Einnamigkeit spricht, kann es dabei bleiben.
c) Auch das
Prioritäts- oder Ersteintragungsprinzip spricht
dafür, dass die von der Beschwerdeführerin
beanstandete Eintragung nicht im Widerspruch zu europäischem
Recht steht. Dieses Prinzip liegt der Entscheidung des EuGH in Sachen
„Grunkin Paul“ zugrunde. So ist nicht nur in der
Entscheidungsformel ausdrücklich (nur) von der Verpflichtung
die Rede, eine Namensgebung im Geburts- und Aufenthaltsstaat
anzuerkennen. Der Gerichtshof führt auch in den
Gründen seiner Entscheidung bei RN 22 aus, „die
Verpflichtung in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit
der Betroffene besitzt, einen anderen Namen als den zu führen,
der bereits im Geburts- und Wohnsitzmitgliedstaat erteilt und
eingetragen wurde, kann aber die Ausübung des Rechts aus Art.
18 EG behindern“. Bei RN 31 heißt es: „So
berechtigt diese Gründe, die für die
Anknüpfung der Bestimmung des Namens einer Person an deren
Staatsangehörigkeit angeführt werden, ., verdient es
doch keiner von ihnen, ., dass er . die Weigerung der
zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats
rechtfertigen könnte, den Nachnamen eines Kindes anzuerkennen,
der bereits in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen
wurde ...“. Wenn Art. 48 EGBGB getreulich das objektive
Prioritätsprinzip verwirklicht (so Mankowski a. a. O.; Wall,
StAZ 2013, 237/243), dürfte es weder unmittelbar nach der
Geburt ein Wahlrecht hinsichtlich des Eintragungsstaats geben noch
dürfte eine später herbeigeführte Eintragung
eines abweichenden Namens ein Recht zur Änderung der
früheren Eintragung vermitteln. Der Sicht desjenigen
Mitgliedstaats soll der Vorrang eingeräumt werden, durch
dessen Behörden der Name eines Unionsbürgers
erstmalig (rechtmäßig) registriert worden ist. Das
Ersteintragungsprinzip verhindert hinkende Namensverhältnisse
und Brüche in der Namenskontinuität, weil der einmal
erworbene Name in jedem anderen Mitgliedstaat weitergeführt
werden kann (so Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Rn. 524ff m. w.
Nachw.). Wendet man dieses Prinzip auf den
verfahrensgegenständlichen Fall an, gebührt dem
deutschen Namensrecht der Vorrang, da die deutschen Behörden
den Namen der Beschwerdeführerin erstmals
rechtmäßig registriert haben. Damit sind die vom
EuGH aufgestellten Erfordernisse erfüllt, die
Freizügigkeit ist nicht beeinträchtigt, weil die
Beschwerdeführerin ihren in Deutschland erworbenen Namen in
England weiterführen darf. Die englischen Behörden
wären gehalten gewesen, den deutschen Namen ohne weiteres
„anzuerkennen“ und bei Bedarf in ihre Register
einzutragen.
Das
Ersteintragungsprinzip befriedigt (natürlich) nicht das
Bedürfnis nach einer Anpassung an das Recht des neuen sozialen
Umfelds nach einem Aufenthaltswechsel. Es ist jedoch weder ersichtlich,
dass ein Name, wie ihn die Beschwerdeführerin seit Geburt
trug, ihre Anpassung an das soziale Umfeld in London behindert
hätte noch, dass ihr neuer - immer noch deutsch klingender -
Name dieser Anpassung dienlich ist. Im Übrigen hat die
Beschwerdeführerin jederzeit das Recht, im
Zweitregistrierungsstaat England einen anderen Namen zu führen
als im Erstregistrierungsstaat Deutschland. Man kann aber nicht beides
zugleich haben, verschiedene, an verschiedene soziale Lebensumfelder
angepasste Namen und zugleich einen einzigen Namen zur Erleichterung
des Grenzübertritts. Art. 21 AEUV enthält jedenfalls
kein Verbot, in verschiedenen Ländern verschiedene Namen zu
führen (Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Rn. 529f).
Nach allem bewirkt auch
in diesem Zusammenhang die Besonderheit der Fallgestaltung eine
besondere rechtliche Wertung.
d) Der Senat
hält eine Vorlage an den EuGH nicht für geboten, da
seit der Entscheidung des EuGH in Sachen
„Sayn-Wittgenstein“ geklärt ist, dass die
Anwendung der ordre public - Klausel die Beschränkung des
Rechts auf Freizügigkeit rechtfertigen kann. Hier kommt hinzu,
dass es anders als in der Sache „Sayn-Wittgenstein“
nicht um eine Namensänderung infolge Adoption, sondern um eine
isoliert und freiwillig herbeigeführte Namensänderung
geht. Der ordre public-Einwand wiegt in einem solchen Zusammenhang, wie
ausgeführt, schwerer.
7) Der Senat
lässt die Rechtsbeschwerde wegen der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache und zur der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zu (§ 70 FamFG).
Es existiert bisher
keine veröffentlichte Rechtsprechung zur Reichweite der Art.
48 EGBGB, insbesondere in Bezug auf in anderen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union zulässigerweise frei
gewählte Phantasienamen mit Adelsbezeichnungen. Die oben
zitierte Rechtsprechung des OLG Dresden kommt - vor Inkrafttreten des
Art. 48 EGBGB - bei der Prüfung eines Verstoßes
gegen den ordre public zu abweichenden Ergebnissen.
Die Kostenentscheidung
beruht auf § 84 FamFG. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben.
Die Höhe des
Verfahrenswerts ergibt sich aus § 36 Abs. 3 GNotKG.
Unterschriften
vgl. zu historischen
Versuchen, den Namen "Fürst zu Schaumburg-Lippe" zu
führen, folgende Dokumente: