Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss, Adel, Adelsname, Nachname, Artikel 123 Grundgesetz GG, Artikel 109 Weimarer Reichsverfassung WRV
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Aktenzeichen:    11 W 2151/14
(AG Nürnberg, Beschluss vom 13.08.2014 – UR III 58/14)
(
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 14.11.2018 – XII ZB 292/15)
Verkündet am:
28.05.2015



Oberlandesgericht Nürnberg

BESCHLUSS

Leitsätze:

1. Der Anwendungsbereich von Art. 48 EGBGB ist auf Fälle des Namenserwerbs im Zusammenhang mit familienrechtlichen Vorgängen wie Geburt, Eheschließung oder Adoption beschränkt.
2. Die freie Wahl eines Namens, wie sie im englischen Rechtsbereich zulässig ist (deed poll), kann zumindest dann nicht nach Art. 48 EGBGB anerkannt werden, wenn der gewählte Name eine Adelsbezeichnung enthält. Die Anerkennung wäre in einem solchen Fall mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar.

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 13. August 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wurde am 4. April 1983 in Erlangen geboren, ihre Geburt mit den Namen Silke N. (Vornamen) Vo. (Familien- bzw. Geburtsname) vom Standesamt E. unter der Nr. 537/1983 registriert. Sie verlegte ihren Wohnsitz am 1. September 1999 nach London/Großbritannien, wo sie an der „Royal Academy of Dance“ eine dreijährige Berufsausbildung absolvierte und im Sommer 2002 mit einem Diplom als „Student Teacher“ abschloss. In der Folgezeit war sie als selbstständige Diplom-Ballettlehrerin u. a. in England, der Schweiz und Deutschland - u. a. für Angehörige des amerikanischen Militärs - tätig. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt war, durch einen am 31. Mai 2013 ergänzten Mietvertrag vom 1. Februar 2005 belegt, durchgehend in England. Am 31. Oktober 2011 erwarb die Antragstellerin durch Einbürgerung zusätzlich die britische Staatsangehörigkeit. Am 19. Dezember 2011 - sie gab ihre Anschrift dabei mit „. Walk, London.“ an - änderte sie während eines beruflichen Aufenthalts in der Schweiz durch Erklärung gegenüber der britischen Botschaft in Bern ihren Namen in „Silia Va. M. Gräfin von Fürstenstein“. Unter diesem Namen heiratete sie am 21. Mai 2013 in T. G. M. S./Cornwall Herrn „G. W.“ (laut Heiratsurkunde Sohn des H. W.). Die Eheschließung wurde mit diesen Daten in das britische Heiratsregister eingetragen. Am 17. April 2013 wurde ihr auf den neuen Namen ein britischer Reisepass ausgestellt. Am 15. August brachte sie in London die Zwillinge R. J. F. und V. L. A. zur Welt, die beide mit dem Familiennamen „Graf von Fürstenstein“ (mit Umlaut!) im örtlichen Register für Geburten und Sterbefälle eingetragen wurden.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 25. Februar 2014 erklärte die Antragstellerin gegenüber dem Standesamt E. in öffentlich beglaubigter Form unter Berufung auf Art. 48 EGBGB, der von ihr nach britischem Recht gewählte Name solle in das deutsche Personenstandsregister eingetragen werden. Das Standesamt bezweifelte zunächst seine Zuständigkeit, dann den Aufenthalt der Antragstellerin in Großbritannien. Schließlich wurde darauf verwiesen, dass es in England keine, von Art. 48 EGBGB geforderte Namenseinträge in Personenstandsregistern gebe - der Heiratseintrag diene nicht dazu den Namen einer Person verbindlich festzulegen. Das Bayerische Staatsministerium des Innern schließt in seinem, vom Standesamt in Bezug genommenen Schreiben vom 3. April 2014, vom Fehlen eines Namensregisters in England auf die Unanwendbarkeit von Art. 48 EGBGB in Fällen des dortigen Namenserwerbs. Im Übrigen widerspreche die Möglichkeit schrankenlos freier Namenswahl wesentlichen Grundsätzen deutschen Rechts.

Mit Schreiben vom 2. Juni 2014 an das Amtsgericht Nürnberg beantragte die Beteiligte zu 1) daraufhin, das Standesamt E. anzuweisen, den sie betreffenden Geburtseintrag dahin fortzuschreiben, dass der Vorname „Silia Va. M.“ und der Familienname „Gräfin von Fürstenstein“ lautet. Die Voraussetzungen der Vorschrift lägen vor. Sie habe dem neuen Namen die in England geforderte „reputation“, das heißt Publizität und Anerkennung auf gesellschaftlicher Ebene verschafft.

Das Standesamt Erlangen trat dem Antrag entgegen.

Das Amtsgericht Nürnberg wies mit Beschluss vom 13. August 2014, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, den Antrag zurück. Zur Begründung verwies es vor allem auf die Besonderheit, dass in England der Name, jedenfalls soweit es um den durch reine Willenserklärung erworbenen gehe, als etwas rein Privates betrachtet werde. Der Geburtsname im Sinne des deutschen Personenstandsrechts werde dadurch nicht berührt. Im Übrigen widerspreche die von der Antragstellerin gewünschte Beurkundung dem deutschen ordre public.

Der Beschluss ist der Zustellungsbevollmächtigten der Antragstellerin am 20. August 2014 zugestellt worden. Am 19. September 2014 ist die hiergegen gerichtete Beschwerde beim Amtsgericht Nürnberg eingegangen, der nicht abgeholfen worden ist.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, ein Familienname könne Geburts- oder Ehename sein, die vor ihrer Verehelichung erfolgte Namensänderung könne also nur den Geburtsnamen betroffen haben. Im Übrigen sei mittlerweile die Geburt ihrer Kinder in England mit dem gewählten Namen registriert worden. Entscheidungen des OLG Dresden aus der Zeit vor Inkrafttreten des Art. 48 EGBGB zeigten, dass die Anerkennung von im Wege des „deed poll“ erworbenen Namen keineswegs dem deutschen ordre public widersprächen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 51 Abs. 1 PStG, §§ 58ff FamFG), hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1) Die deutschen Gerichte sind nach § 51 Abs. 1 PStG, § 105 FamFG international zuständig, da nach § 50 Abs. 2 PStG das Amtsgericht Nürnberg für das Standesamt E., das die begehrte Amtshandlung vornehmen soll, örtlich zuständig ist.

2) Die in Art. 48 EGBGB normierten Voraussetzungen für die begehrte Namenswahl sind, wenn man nur den Wortlaut des Gesetzes zugrunde legt und die besondere ordre public-Klausel im letzten Halbsatz zunächst unberücksichtigt lässt, gegeben (so auch Wall, StAZ 2015, 41/45f). Nach Art. 48 Satz 1 EGBGB kann eine Person, deren Name deutschem Recht unterliegt, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworbenen und dort in ein Personenstandsregister eingetragenen Namen wählen.

Der Name der Antragstellerin unterliegt nach Art. 10 Abs. 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB deutschem Recht, weil sie auch deutsche Staatsangehörige ist und diese Rechtsstellung ihrer Rechtsstellung als britische Staatsangehörige vorgeht. Sie hatte seit 1999 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Großbritannien und hat während dieser Zeit den Namen erworben, dessen Eintragung in das Geburtsregister des Standesamts E. sie nun wünscht. Die Art des Namenserwerbs wird vom Gesetzestext nicht näher eingegrenzt, so dass gerichtliche, behördlich und privatautonome Namensänderungen erfasst sind (MünchKomm-BGB/Lipp, 6. Aufl. Art. 48 EGBGB Rn. 13; Wall StAZ 2013,69/70; Mankowski, StAZ 2014, 97/103). Nach den vorliegenden Urkunden zur Heirat der Antragstellerin und der Geburt ihrer Kinder, nicht zuletzt auch nach ihrem britischen Pass wird der neue Name in England als der rechtlich maßgebliche angesehen. Eine weitergehende Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Namenserwerbs findet nicht statt (Staudinger/Hepting/Hausmann (2013) Art. 48 EGBGB Rn. 15ff). Der Name ist auch in ein Personenstandsregister im Sinne von Art. 48 EGBGB eingetragen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs C-208/09, StAZ 2011,77 RN 77), die der deutsche Gesetzgeber in Art. 48 EGBGB umsetzen wollte, genügen Eintragungen in anderen behördlichen Dokumenten wie Personalausweisen, Reisepässen oder Führerscheinen, aber auch im Handelsregister oder Sozialversicherungsakten (Hepting/Hausmann a. a. O. Rn. 14; einschränkend Freitag, StAZ 2013, 69/70). Das Ziel des Gesetzes verbietet es jedenfalls, die Namenswahl daran scheitern zu lassen, dass es im Aufenthaltsstaat keine Personenstandsregister gibt; zumindest die Eintragung in dasjenige Register, das im betroffenen Staat Auskunft über die Namensführung gibt, muss genügen (Freitag a. a. O.; Lipp a. a. O. Rn. 14).

3) Der Senat ist mit dem Amtsgericht der Überzeugung, dass der von der Beschwerdeführerin beanspruchte Phantasiename nicht dem Geburtsnamen im Sinne des deutschen Personenstands- und Namensrechts entspricht und ihr Antrag schon deshalb keinen Erfolg haben kann. Im Anschluss an die im angefochtenen Beschluss zitierten Entscheidungen der OLGe Hamburg (StAZ 1980,285) und München (StAZ 2009, 108) sieht er als Geburtsname vielmehr den von der Beschwerdeführerin bei ihrer Geburt erworbenen Namen Vo. an, der bereits im Personenstandsregister eingetragen ist. Die Ausführungen von Wall (StAZ 2015, 41/44), wonach zwar bei ausschließlich englischem Namensstatut, wie es den zitierten Entscheidungen zugrunde gelegen habe, der im Wege des „deed poll“ erlangte Name nicht als Geburtsname eingetragen werden könne, dies jedoch bei Doppelstaatern anders zu beurteilen sei, überzeugt nicht. Es erschließt sich nicht, wie das Hinzutreten der deutschen Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin die Natur des im Wege des „deed poll“, eines Rechtsinstituts des englischen Rechts, erworbenen Namens ändern soll.

4) Der so verstandene Wortlaut des Art. 48 EGBGB ist jedoch in Bezug auf die hier interessierende Frage, welche Arten des Namenserwerbs zur Begründung eines Wahlrechts im Inland führen, zu weit.

Auch insoweit hält der Senat die Begründung des angefochtenen Beschlusses für zutreffend. Die Vorschrift ist nach ihrem Zweck dahin auszulegen, dass isolierte Namensänderungen, die allein auf der freien Entschließung der Betroffenen beruhen, nicht erfasst sind. Dies gilt insbesondere für die hier gegebene Namensänderung durch „deed poll“. Dabei kann offen bleiben, ob der Begriff des „Erwerbs“ soweit restriktiv ausgelegt werden kann, dass Vorgänge wie der verfahrensgegenständliche nicht erfasst sind, oder ob es einer teleologischen Reduktion bedarf. Im letztgenannten Fall wird die Norm auf einen Sachverhalt, der unter ihren Wortlaut fällt, aber vom Normzweck nicht erfasst wird, nicht angewendet. Auch die teleologische Reduktion ist verfassungsrechtlich zulässig (BVerfG NJW 1993, 2861; 1997, 2230) und wird nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Umsetzung von Vorgaben aus dem Bereich des Europarechts angewandt (BGH NJW 2009, 427 zu § 439 Abs. 3, 4 BGB).

Die Wortbedeutung ist zwar Ausgangspunkt jeder Gesetzesauslegung (Palandt/Sprau, BGB 74. Aufl. Einl Rn. 40). Der Rechtsgedanke des § 133 BGB, nach dem nicht am buchstäblichen Ausdruck zu haften, sondern auf den Sinn der Norm abzustellen ist, gilt jedoch auch hier und führt dazu, auch den auch aus der Entstehungsgeschichte zu ermittelnden Gesetzeszweck zu berücksichtigen (BGH Z 2, 176/184; 13, 28; NJW 2003, 290). Die teleologische Auslegung ist grundsätzlich für das Auslegungsergebnis entscheidend (Palandt/Sprau a. a. O. Rn. 46 m. w. Nachw.).

Die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10.08.2012 (BR-Drucks. 468/12, S.13f) verweist lediglich auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14.10.2008 in der Sache „Grunkin Paul“ (StAZ 2009, 9) und sagt, dass Art. 48 EGBGB in Fällen, die dem vom EuGH entschiedenen Sachverhalt entsprechen, im deutschen Namensrecht eine Rechtsgrundlage für die Eintragung eines im EU-Ausland erworbenen und dort in ein Personenstandsregister eingetragenen Namens bieten soll. Der vom EuGH entschiedene Sachverhalt war dadurch gekennzeichnet, dass deutsche Eltern ihrem, während ihres Aufenthalts in Dänemark geborenes Kind einen nach dänischem, nicht aber nach deutschem Recht zulässigen, aus den Namen der Eltern gebildeten Doppelnamen gegeben hatten. Der EuGH hatte in den die Eintragung dieses Doppelnamens in deutsche Personenstandsbücher verhindernden Regeln des deutschen Rechts „unter Bedingungen wie denen des Ausgangsverfahrens“ einen Verstoß gegen Art. 18 EGV bzw. Art 21 Abs. 1 AEUV gesehen.

Der Bundesrat hatte in seiner Gegenäußerung die Streichung der vorgeschlagenen Regelung beantragt, u. a. weil die vorgeschlagene Regelung Probleme bzw. Fragen u. a. nach der Geltung für (erg.: isolierte) öffentlich-rechtliche Namensänderungen aufwerfe. Die zu regelnden Fallgestaltungen sollten zunächst gesammelt und aufbereitet werden, um im Anschluss daran, an die rechtliche Umsetzung zu gehen, die sachgerechter im Kontext des Art. 10 EGBGB anzusiedeln wäre, da es sich bei hinkenden Namensverhältnissen um ein kollisionsrechtliches Problem handele (BT-Drucks. 17/11049, S. 15). Die Gegenäußerung der Bundesregierung hob erneut hervor, dass es um die Lösung derjenigen Sachverhalte gehe, die vom EuGH entschieden seien, und verwies die Bedenken des Bundesrats in ein künftiges Rechtsvereinheitlichungsprojekt (BT-Drucks. a. a. O. S. 17). Das Gesetzgebungsverfahren spricht mithin dafür, dass nur die Vorgaben des EuGH umgesetzt werden sollten, nicht mehr (so auch Freitag, StAZ 2013, 69/70; Mankowski, StAZ 2014, 97/98). Die Verweisung auch des vom Bundesrat in seiner Stellungnahme aufgezeigten Problems öffentlich-rechtlicher Namensänderungen in ein künftiges europäisches Gesetzgebungsverfahren, zeigt mit der nötigen Klarheit, dass solche von Art. 48 EGBGB nicht geregelt werden sollen.

Zwar wird trotz dieser Gesetzgebungsgeschichte vertreten, es sei teleologisch gerechtfertigt, auch isolierte Namensänderungen nach Art. 48 EGBGB zu behandeln, weil die Freizügigkeit der Unionsbürger und die angestrebte Einnamigkeit über die Anlassfälle hinaus gingen (Mankowski a. a. O. 105; Wall, StAZ 2013, 237/240; ders. StAZ 2015,41/45). Der Senat vermag sich dieser Auffassung jedoch nicht anzuschließen, da in den zitierten Stellungnahmen offenbleibt, warum die europarechtlich gewährleistete Freizügigkeit den nationalen Gesetzgeber verpflichten soll, auch freiwillig gewählte hinkende Namensverhältnisse und selbst geschaffene Hindernisse für die Freizügigkeit zu beseitigen. Isolierte öffentlich-rechtliche Namensänderungen mögen aus europarechtlichen Gründen in den Anwendungsbereich des Art. 48 EGBGB einzubeziehen sein, wenn sie ohne oder gegen den Willen der Betroffenen erfolgt sind. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Die vom EuGH zu beurteilenden Sachverhalte - neben „Grunkin Paul“ sind die Entscheidungen vom 2.10.2003 „Garcia Avello“ (StAZ 2004, 40) und vom 22.12.2010 „Sayn-Wittgenstein“ (StAZ 2011, 77) zu nennen - unterscheiden sich von dem verfahrensgegenständlichen dadurch, dass es hier um die Berücksichtigung eines isolierten, unabhängig von einem familienrechtlichen Vorgang wie Geburt oder Adoption erfolgten Namenserwerb geht. Dagegen hatte der EuGH mit Sachverhalten zu tun, die einen Namenswerwerb im Zusammenhang mit einem familienrechtlichen Vorgang betrafen, sei es den erstmaligen Namenserwerb im Zusammenhang mit der Geburt (Grunkin Paul und Garcia Avello), sei es eine Namensänderung im Gefolge einer Adoption (Sayn-Wittgenstein).

Der Senat ist nach allem der Überzeugung, dass der Gesetzgeber in Art. 48 EGBGB dem Namensträger nur ein Recht eingeräumt hat, selbst darüber zu entscheiden, ob er den in einem anderen Mitgliedstaat zuerst registrierten oder den aus deutscher Sicht maßgeblichen Namen führen will (so Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Rn. 541).

5) Die Beschwerde hat auch deswegen keinen Erfolg, weil die Berücksichtigung eines frei gewählten Namens im deutschen Rechtskreis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dies gilt erst recht in Fällen, in denen es, wie hier um die Anerkennung der Wahl eines Namens geht, der eine Adelsbezeichnung enthält.

a) Auch der EuGH erkennt an, dass die Nichtanerkennung eines im EU-Ausland erworbenen Namens im Einzelfall gerechtfertigt sein kann. Voraussetzung ist das Vorliegen objektiver Gründe sowie die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, d. h. die Beeinträchtigung der Freizügigkeit muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem vom nationalen Recht verfolgten Zweck stehen (EuGH v. 14.10.2008 „Grunkin Paul“; v. 22.12.2010 „Sayn-Wittgenstein“ Staudinger/Hepting/Hausmann (2013) Art. 10 EGBGB Rn. 512). In der Entscheidung „Sayn-Wittgenstein“ sieht der EuGH im ordre public des Anerkennungsstaates einen solchen besonderen Rechtfertigungsgrund. Er akzeptiert die Nichtanerkennung durch die österreichischen Behörden, weil die Führung von Adelstiteln gegen die österreichische Verfassung verstoße. Das österreichische Verbot von Adelsbezeichnungen folge aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (EuGH a. a. O. Rn. 90f; Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Rn. 515).

b) Ähnlich liegt es in Deutschland. Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem nach Art. 123 Abs. 1 GG als einfaches Bundesrecht weiter geltenden Artikel 109 Absatz 3 Satz 2 WRV die erkennbare Zielrichtung verfolgt, zwar die Adelsrechte abzuschaffen (Satz 1), nicht aber auch die Adelsbezeichnungen, die als Namensbestandteil nach Satz 2 der Vorschrift gerade erhalten bleiben sollten. Wie §§ 1, 4 des österreichischen Adelsaufhebungsgesetzes dient die Vorschrift der Verwirklichung der Gleichheit aller Bürger. Dies folgt aus ihrer systematischen Stellung hinter dem allgemeinen Gleichheitssatz in Art.109 Abs. 1 WRV und dem Programmsatz des Art. 109 Abs. 3 Satz 1 WRV, wonach öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes aufzuheben sind. Diesen Aspekt übersieht das OLG Dresden in seinen Beschlüssen vom 12.10.2007 - 3 W 937/07, 22.02.2010 - 3 W 647/09 und 6.7.2011 - 17 W 465/11). Der Gleichheitsgrundsatz ist auch in Art. 20 der Europäischen Grundrechtecharta niedergelegt; das Ziel, ihn zu wahren ist daher mit dem Unionsrecht vereinbar.

Die Abschaffung des Adelsstandes durch Artikel 109 Absatz 3 WRV führte jedoch zwangsläufig dazu, dass keine neuen Adelsbezeichnungen erworben werden konnten. Nur bestehende und bei Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung im Jahre 1919 namensähnlich verwendete (OLG Düsseldorf, StAZ 1997, 177) Adelsbezeichnungen konnten als Namensbestandteile weiterverwendet werden. Adelsbezeichnungen konnten seither nur aufgrund eines familienrechtlichen Vorgangs weitergegeben werden. Das mit dieser Regelung verbundene Verbot der Verleihung von Adelsbezeichnungen gilt auch für die Gewährung eines Adelstitels als Namensbestandteil im Wege der Namensänderung (OLG Naumburg StAZ 2014, 338; BVerwG, NJW 1997, 1594; Wall, StAZ 2015, 41/48). Könnten auf dem Weg über Art. 48 EGBGB frei gewählte oder erfundene Adelsbezeichnungen ebenfalls zu Namensbestandteilen werden, würde diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers gegen die Möglichkeit des Neuerwerbs von Adelstiteln konterkariert. Auch wenn danach Adelsbezeichnungen dem deutschen Namensrecht nicht völlig fremd sind, erscheint es doch nicht unverhältnismäßig, das Ziel der Wahrung des Gleichheitssatzes dadurch zu fördern, dass wenigstens der isolierte Neuerwerb von Adelsbezeichnungen verboten wird.

Der seitens der Beschwerdeführerin gewählte Name widerspricht daher dem deutschen ordre public (so auch Mansel/Thorn/Wagner, IPrax 2015,1/4; a. A. OLG Dresden a. a.O.).

Das Geschlecht derer von Fürstenstein war im Übrigen 1919 schon seit mehr als 100 Jahren ausgestorben; ihr Adelstitel wurde daher zum maßgeblichen Zeitpunkt schon lange nicht mehr namensähnlich verwendet.

c) Der Antrag kann unabhängig von der Frage der Adelsbezeichnung auch deswegen keinen Erfolg haben, weil die freie Wahl des Namens, jedenfalls bei Wahl eines reinen Phantasienamens ohne jede Beziehung zu der betroffenen Person oder ihrer Familie, gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Namensrechts verstößt.

Es gehört zu den Grundlagen des deutschen Namensrechts, dass Namen nicht frei wählbar sind, sondern von der Rechtsordnung verbindlich zugewiesen werden, und Namensänderungen, von den Sonderfällen des NamÄndG abgesehen, nur im Zusammenhang mit statusrechtlichen Veränderungen möglich sind (BVerfG NJW 2002, 1256; OLG Naumburg a. a. O. Rn. 26.) Dagegen sind Namen aus der Sicht des englischen Rechts etwas Privates; sie können vom Namensträger jederzeit unabhängig von einer familienrechtlichen Statusänderung durch Erklärung („deed poll“) geändert werden, sofern nur der Namensträger dem neuen Namen eine „reputation“, d. h. Publizität und Anerkennung auf gesellschaftlicher Ebene, verschafft (Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Vorbem. zu Art. 10 Rn. 35; OLG München, FamRZ 2009, 1581).

Die öffentlich-rechtliche Ordnungsfunktion des Namens zählt zum deutschen ordre public. Diese Funktion kann der Name nur erfüllen, wenn er sich nur ausnahmsweise ändert. Die Namenswahl bedarf daher gesetzlicher Regeln, nach denen der Name bestimmt wird oder ausgewählt werden kann (OLG Naumburg a. a. O.; OLG Köln FamRZ 2003, 1773; Wall a. a. O., 49; Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Vorbem. zu Art. 10 Rn. 37). Auch dieser Aspekt wird vom OLG Dresden (a. a. O.) nicht erörtert.

Die Frage, ob die Wahl eines Namens anzuerkennen wäre, wenn sie in irgendeiner Form sachlich begründet werden kann, muss hier nicht beantwortet werden. Denn die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben weder eine Verbindung mit dem 1806 ausgestorbenen Grafengeschlecht von Fürstenstein, den an dessen Stelle mit der Herrschaft belehnten Grafen Le Camus von Fürstenstein oder deren westfälischen Herrschaftsgebiet noch mit dem niederschlesischen Schloss Fürstenstein

Der Beschwerdeführerin kann die Ablehnung ihres Wunsches, das Prinzip der Einnamigkeit durch umfassende Anerkennung ihres neugewählten Namens zu verwirklichen, zugemutet werden, weil sie das hinkende Namensverhältnis selbst geschaffen hat (Wall, a. a. O. 50; a. A. Mankowski a. a. O.). Sie hat immer noch die freie Entscheidung darüber, ob sie dieses Prinzip durch Wiederannahme des Namens Vo. auch für den englischen Rechtskreis verwirklicht oder die mit dem hinkenden Namensverhältnissen verbundenen Unannehmlichkeiten hinnimmt, um in England weiter als Gräfin auftreten zu können.

6) Die Entscheidung des Senats steht nicht im Widerspruch zu höherrangigem europäischem Recht.

a) Zwar folgert der EuGH aus der Freizügigkeit von Unionsbürgern (Art. 21 AEUV), dass diejenigen Namen anzuerkennen sind, die Unionsbürger in amtliche Register anderer Mitgliedstaaten haben eintragen lassen. Aus hinkender Namensführung erwüchsen zwangsläufig Nachteile, sobald es im täglichen Leben darum gehe, die Identität im öffentlichen oder privaten Bereich nachzuweisen. Ziel ist Einnamigkeit dergestalt, dass ein Unionsbürger denselben Namen überall in der Gemeinschaft führen kann. Das Kontinuitätsinteresse des Namensträgers an der Fortführung seines Namens wird zum dominierenden Moment. Höchstens der zweitstaatliche ordre public vermöchte eine Grenze zu ziehen (Mankowski a. a. O. m. w. Nachw.).

b) Die Besonderheiten der verfahrensgegenständlichen Fallkonstellation führen dazu, dass die Nichtanerkennung des im Wege des „deed poll“ erlangten Namens nicht im Widerspruch zu den europarechtlichen Vorgaben steht. Denn die Beschwerdeführerin hat die Kontinuität ihrer Namensführung selbst freiwillig beendet. Sie änderte ihren Namen und zeigte damit, dass sie daran kein Interesse hat. Für sie war das Kontinuitätsinteresse kein dominierendes Moment. Sie hätte auch nach ihrer Einbürgerung in England ihren deutschen Namen weiterführen können, ihrer Einnamigkeit stand nichts im Wege. Sie gab die Einnamigkeit auf, indem sie sich in England und für den dortigen Gebrauch einen anderen Namen wählte. Sie sah in dem so entstehenden hinkenden Namensverhältnis offenbar kein Problem. Da der EuGH an keiner Stelle von einem durchzusetzenden Zwang zur Einnamigkeit spricht, kann es dabei bleiben.

c) Auch das Prioritäts- oder Ersteintragungsprinzip spricht dafür, dass die von der Beschwerdeführerin beanstandete Eintragung nicht im Widerspruch zu europäischem Recht steht. Dieses Prinzip liegt der Entscheidung des EuGH in Sachen „Grunkin Paul“ zugrunde. So ist nicht nur in der Entscheidungsformel ausdrücklich (nur) von der Verpflichtung die Rede, eine Namensgebung im Geburts- und Aufenthaltsstaat anzuerkennen. Der Gerichtshof führt auch in den Gründen seiner Entscheidung bei RN 22 aus, „die Verpflichtung in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Betroffene besitzt, einen anderen Namen als den zu führen, der bereits im Geburts- und Wohnsitzmitgliedstaat erteilt und eingetragen wurde, kann aber die Ausübung des Rechts aus Art. 18 EG behindern“. Bei RN 31 heißt es: „So berechtigt diese Gründe, die für die Anknüpfung der Bestimmung des Namens einer Person an deren Staatsangehörigkeit angeführt werden, ., verdient es doch keiner von ihnen, ., dass er . die Weigerung der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats rechtfertigen könnte, den Nachnamen eines Kindes anzuerkennen, der bereits in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde ...“. Wenn Art. 48 EGBGB getreulich das objektive Prioritätsprinzip verwirklicht (so Mankowski a. a. O.; Wall, StAZ 2013, 237/243), dürfte es weder unmittelbar nach der Geburt ein Wahlrecht hinsichtlich des Eintragungsstaats geben noch dürfte eine später herbeigeführte Eintragung eines abweichenden Namens ein Recht zur Änderung der früheren Eintragung vermitteln. Der Sicht desjenigen Mitgliedstaats soll der Vorrang eingeräumt werden, durch dessen Behörden der Name eines Unionsbürgers erstmalig (rechtmäßig) registriert worden ist. Das Ersteintragungsprinzip verhindert hinkende Namensverhältnisse und Brüche in der Namenskontinuität, weil der einmal erworbene Name in jedem anderen Mitgliedstaat weitergeführt werden kann (so Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Rn. 524ff m. w. Nachw.). Wendet man dieses Prinzip auf den verfahrensgegenständlichen Fall an, gebührt dem deutschen Namensrecht der Vorrang, da die deutschen Behörden den Namen der Beschwerdeführerin erstmals rechtmäßig registriert haben. Damit sind die vom EuGH aufgestellten Erfordernisse erfüllt, die Freizügigkeit ist nicht beeinträchtigt, weil die Beschwerdeführerin ihren in Deutschland erworbenen Namen in England weiterführen darf. Die englischen Behörden wären gehalten gewesen, den deutschen Namen ohne weiteres „anzuerkennen“ und bei Bedarf in ihre Register einzutragen.

Das Ersteintragungsprinzip befriedigt (natürlich) nicht das Bedürfnis nach einer Anpassung an das Recht des neuen sozialen Umfelds nach einem Aufenthaltswechsel. Es ist jedoch weder ersichtlich, dass ein Name, wie ihn die Beschwerdeführerin seit Geburt trug, ihre Anpassung an das soziale Umfeld in London behindert hätte noch, dass ihr neuer - immer noch deutsch klingender - Name dieser Anpassung dienlich ist. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin jederzeit das Recht, im Zweitregistrierungsstaat England einen anderen Namen zu führen als im Erstregistrierungsstaat Deutschland. Man kann aber nicht beides zugleich haben, verschiedene, an verschiedene soziale Lebensumfelder angepasste Namen und zugleich einen einzigen Namen zur Erleichterung des Grenzübertritts. Art. 21 AEUV enthält jedenfalls kein Verbot, in verschiedenen Ländern verschiedene Namen zu führen (Staudinger/Hepting/Hausmann a. a. O. Rn. 529f).

Nach allem bewirkt auch in diesem Zusammenhang die Besonderheit der Fallgestaltung eine besondere rechtliche Wertung.

d) Der Senat hält eine Vorlage an den EuGH nicht für geboten, da seit der Entscheidung des EuGH in Sachen „Sayn-Wittgenstein“ geklärt ist, dass die Anwendung der ordre public - Klausel die Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit rechtfertigen kann. Hier kommt hinzu, dass es anders als in der Sache „Sayn-Wittgenstein“ nicht um eine Namensänderung infolge Adoption, sondern um eine isoliert und freiwillig herbeigeführte Namensänderung geht. Der ordre public-Einwand wiegt in einem solchen Zusammenhang, wie ausgeführt, schwerer.

7) Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu (§ 70 FamFG).

Es existiert bisher keine veröffentlichte Rechtsprechung zur Reichweite der Art. 48 EGBGB, insbesondere in Bezug auf in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zulässigerweise frei gewählte Phantasienamen mit Adelsbezeichnungen. Die oben zitierte Rechtsprechung des OLG Dresden kommt - vor Inkrafttreten des Art. 48 EGBGB - bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den ordre public zu abweichenden Ergebnissen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben.

Die Höhe des Verfahrenswerts ergibt sich aus § 36 Abs. 3 GNotKG.

Unterschriften

vgl. zu historischen Versuchen, den Namen "Fürst zu Schaumburg-Lippe" zu führen, folgende Dokumente: