Aktenzeichen: 15 U 46/16 Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 O 156/15
Urteil
vom: 09.
März 2017
Oberlandesgericht
Köln
Im Namen
des Volkes
Urteil
Tenor
Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Landgerichts
Köln vom 24.2.2016 (28 O 156/15) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 1).
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger, ein bekannter deutscher Sänger, nimmt die
Beklagte zu 1) als Verantwortliche der Internetseite www.ööööö.de auf
Unterlassung der Veröffentlichung eines Videos in Anspruch,
welches am 23.12.2014 auf der dieser Internetseite eingestellt wurde.
Das Video zeigt einen Zwischenfall am Flughafen L, bei dem der
Kläger sich in einer Auseinandersetzung mit zwei Fotoreportern
(sog. Paparazzi) befindet. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser
Filmsequenz wird auf die Anlage K 1, hinsichtlich der Einzelheiten des
erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie der gestellten
Anträge auf das angefochtene Urteil (Bl. 371 d.A.) Bezug
genommen.
Das Landgericht hat der gegen die Beklagte zu 1) sowie die beiden
Reporter – die früheren Beklagten zu 2) und 3)
– gerichteten Klage mit Urteil vom 24.2.2016 stattgegeben und
zur Begründung ausgeführt, bei der
streitgegenständlichen Bildberichterstattung handele es sich
nicht um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, welches
gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne
Einwilligung des Klägers veröffentlicht werden
dürfe. Zwar liege der für die Gewichtung der
geschützten Interessen maßgebliche Anlass der
Berichterstattung durchaus im öffentlichen Interesse, weil
hier über die körperliche Auseinandersetzung eines
prominenten Sängers mit Fotoreportern berichtet werde. Bei
Würdigung der Mittel, mit denen die Berichterstattung von den
Beklagten zu 2) und 3) verfolgt worden sei, ergebe sich jedoch ein
überwiegendes schutzwürdiges Interesse des
Klägers. In dem Video werde die Auseinandersetzung –
im Vergleich zum Gesamtablauf – wesentlich verkürzt
dargestellt, weswegen sie relevante Informationen nicht enthalte. Die
Berichterstattung erfolge zudem einseitig und vermittle dem Zuschauer
der Wahrheit zuwider den Eindruck, der Kläger sei anlasslos
auf die Beklagten zu 2) und 3) zugegangen, um sie körperlich
anzugreifen. Dagegen enthalte die Berichterstattung nicht die
Information, dass vor der körperlichen Auseinandersetzung
versucht worden sei, die Aufnahmen zu unterbinden und der Beklagte zu
3) den Anschein erweckt habe, dennoch (weiter) Filmaufnahmen machen zu
wollen. Das Video zeige nur die Situation der körperlichen
Auseinandersetzung, dagegen würde keine Informationen zu der
Situation im Vorfeld vermittelt, in welcher der Beklagte zu 2)
angefangen habe, den Kläger und seine beiden Begleiter zu
fotografieren und sodann der Begleiter des Klägers versucht
habe, dies durch das Vorhalten seines Laptops vor die Linse des
Fotoapparates zu verhindern. Auch sei in der Berichterstattung nicht
mitgeteilt worden, dass der Kläger oder sein Begleiter
zunächst „Keine Bilder! Wir sind privat
hier!“ gerufen hatten. Die einseitige Darstellung der
Gesamtsituation werde dadurch verstärkt, dass auch die
körperliche Auseinandersetzung nur punktuell wiedergegeben
werde.
Aber auch bei Annahme eines zeitgeschichtlichen Ereignisses stehe dem
Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, weil in
diesem Fall seine berechtigten Interessen nach § 23 Abs. 2 KUG
verletzt würden. Im Rahmen der vorzunehmenden
Abwägung sei neben dem Anlass und den Mitteln der
Berichterstattung zugunsten des Klägers zu
berücksichtigen, dass diese in seine Privatsphäre
eingreife, weil es bei lebensnaher Betrachtung nahe liege, dass eine
Reise drei Tage vor Heiligabend aus privatem Anlass erfolgt sei.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte zu 1) Berufung eingelegt und
verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Sie macht geltend, das Landgericht habe der überragenden
Prominenz des Klägers kein ausreichendes Gewicht beigemessen.
Mit seinen Wertvorstellungen und seiner Lebenshaltung erfülle
er Leitbild- oder Kontrastfunktion, so dass es für die
öffentliche Meinungsbildung von Bedeutung sei, wie er mit
Fotoreportern umgehe, wenn er sich von diesen belästigt
fühle. Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, das aggressive
Verhalten des Klägers sei weder objektiv erforderlich noch von
einem Verteidigungswillen getragen gewesen. Auf die damit
völlig unverhältnismäßige Reaktion
müsse sie aufgrund ihrer Stellung als „Wachhund der
Öffentlichkeit“ kritisch hinweisen. Bei Bewertung
des öffentlichen Informationsinteresses sei weiter zu
berücksichtigen, dass der Kläger
„Wiederholungstäter“ sei, nachdem er
bereits im Jahre 2000 einem Pressefotografen die Kamera vom Hals
gerissen und zu Boden geworfen habe. Die Befugnis zur
Veröffentlichung des Videos ergebe sich auch aus einem Recht
auf Gegenschlag, weil der Kläger in einer gezielten
Medienkampagne die Beklagten zu 2) und 3) diffamiert habe.
Die Verbreitung des Videos sei zudem die einzige Möglichkeit,
der lügenhaften Darstellung des Vorfalls entgegenzutreten, wie
sie der Kläger in mehreren Interviews öffentlich
verbreitet habe. Die Aufnahmen belegten, dass er nicht bloß
versucht habe, „die Fotografen körperlich
wegzudrängen“, sondern dass er sie vielmehr
geschlagen habe. Gegen den Beklagten zu 2) sei der Schlag zwar nicht
mit den Händen, aber dafür mit einem
gefährlichen Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2
StGB, nämlich der mindestens 2.370 g schweren Ledertasche
ausgeführt worden, die der Kläger dem Beklagten zu 2)
am langen Schultergurt mit Wucht gegen den Kopf geschlagen habe. Danach
habe er ihn mit der linken Hand von hinten schräg am Hals
gepackt, fest zugedrückt und gewaltsam herunter
gedrückt. Den Beklagten zu 3) habe der Kläger mit der
linken Hand gegen den Kopf geschlagen, so dass diesem die Kamera aus
der Hand gerutscht sei. Aufgrund der abweichenden Darstellung des
Geschehens durch den Kläger in der Öffentlichkeit sei
jedenfalls eine Beweisaufnahme erforderlich, um zu klären, ob
das Video den Kläger der öffentlichen Lüge
entlarve oder aber die Beklagten zu 2) und 3) Verletzungshandlungen
behauptet hätten, die es tatsächlich nicht gegeben
habe.
Das Landgericht habe bei Abwägung der gegenseitigen Interessen
darüber hinaus verkannt, dass sich der Vorfall im
öffentlich zugänglichen Bereich eines belebten
Flughafens zugetragen habe, so dass nicht die Privat-, sondern nur die
Sozialsphäre des Klägers betroffen sei. Durch sein
auffälliges und zugleich strafrechtlich relevantes Verhalten
sei er selbst von der Privatsphäre in die
Sozialsphäre getreten. Die streitgegenständliche
Berichterstattung betreffe gerade nicht die private Reise des
Klägers oder seiner Begleitpersonen, sondern allein seinen
Angriff auf die beiden Pressefotografen.
Schließlich rechtfertigten auch die Mittel, mit denen die
Berichterstattung verfolgt worden sei, nicht deren Verbot. Das
für die Beurteilung der Situation relevante Kerngeschehen
werde in dem Video zutreffend wiedergegeben. Für den
Durchschnittsrezipienten sei ohne weiteres erkennbar, dass der
Kläger nicht anlasslos auf den Beklagten zu 3) losgegangen
sei, sondern vielmehr aus dem Grunde, weil er von diesem gegen seinen
Willen gefilmt wurde. Dies erschließe sich bereits aus dem
Verhalten des Klägers, der dem Beklagten zu 2) wüst
schimpfend („Fuck off!“) die Kamera aus der Hand
geschlagen und im Anschluss gerufen habe: „Ich bin privat
hier, du Affe!“. Auch hinsichtlich des Beklagten zu 2) ergebe
sich aus der Berichterstattung, dass der Kläger diesen nicht
anlasslos, sondern aufgrund der Anfertigung von Fotos mit seiner Tasche
geschlagen habe. Denn dass der Beklagte zu 2) eine Kamera in der Hand
gehalten habe, sei trotz der Verpixelung im Video erkennbar; der
Kläger habe ihn zudem angefahren: „Was willst Du
hier? Geht nach Hause!“. Schließlich sei
für den Durchschnittsrezipienten auch erkennbar, dass
– trotz der pointierten Heraushebung des Schlages mit der
Tasche zu Beginn der Berichterstattung – diese dem Angriff
auf den Kameramann zeitlich nachfolge. Dies ergebe sich schon aus dem
Laufweg des Klägers, der sich vom Beklagten zu 3), dem
Kameramann, wegbewege und dieser nach dem kurzzeitigen Verlust der
Kontrolle über seine Kamera zunächst habe
herauszoomen und scharfstellen müssen.
Für die Bewertung der Situation durch die Zuschauer sei es
schließlich unerheblich, dass das Video nicht zeige, wie der
Beklagte zu 2) den Kläger und seine Begleiter
zunächst überholt, sich vor sie gestellt und dann
angefangen habe zu fotografieren. Spätestens nachdem der
Beklagte zu 2) seine Kamera gezückt habe, sei dem
Kläger bewusst gewesen, dass es sich nicht um einen
– von ihm angeblich befürchteten –
Anschlag handelte. Nachdem der Kläger dies erkannt habe, sei
er, wie in dem Video dokumentiert, sogleich zum Angriff auf die
Beklagten zu 2) und 3) übergegangen. Dabei habe er zu keinem
Zeitpunkt versucht, ihnen die Kamera zuzuhalten oder wegzunehmen,
woraus deutlich werde, dass es ihm nicht um die Abwehr einer
Persönlichkeitsrechtsverletzung gegangen sei, sondern darum,
den beiden eine möglichst schmerzhafte Lektion zu erteilen.
Die Berichterstattung sei auch nicht deshalb unzulässig, weil
nicht mitgeteilt werde, dass der Sohn des Klägers dem
Beklagten zu 2) zugerufen habe: „Keine Bilder! Wir sind
privat hier!“. Denn der Beklagten zu 3) habe erst dann zu
filmen begonnen, als der Kläger wutentbrannt und Beleidigungen
ausstoßend auf ihn zu gestürmt sei. Ob die
streitgegenständliche Wiedergabe der körperlichen
Auseinandersetzung tatsächlich der Wahrheit zuwider
impliziere, dass der Kläger den Beklagten zu 3) mit der linken
Hand am Kopf oder Körper getroffen habe und dem Beklagten zu
3) daraufhin die Kamera aus der Hand gerutscht sei, sei vom Landgericht
fälschlicherweise unterstellt worden; dies müsse
jedoch durch eine Beweisaufnahme geklärt werden.
Die Beklagte zu 1) ist schließlich der Ansicht, die
Ausführungen des Landgerichts zu § 23 Abs. 2 KUG
seien nicht nachvollziehbar, weil insofern lediglich angeführt
werde, dass ein Eingriff in die Privatsphäre des
Klägers erfolgt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Köln vom 24.2.2016 (28 O 156/15)
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft seine
erstinstanzlichen Ausführungen. Er bestreitet weiterhin, den
Beklagten zu 2) und 3) die von diesen behaupteten Verletzung
beigebracht zu haben. Den Beklagten zu 3) habe er überhaupt
nicht berührt und den Beklagten zu 2) lediglich im Nacken
gehalten, um ihn vom Fotografieren abzuhalten. Die Darstellungen der
Beklagten zu 2) und 3) zum Verletzungsgeschehen sei unwahr, was sich
auch aus den von ihm eingeholten medizinischen und videotechnischen
Gutachten ergebe, auf deren Basis – insofern unstreitig
– das Amtsgericht Köln im Ermittlungsverfahren gegen
die Beklagten zu 2) und 3) eine Durchsuchung angeordnet habe (vgl.
Anlage K 21). Die angeblichen Verletzungen hätten sich die
Beklagten zu 2) und 3) nach dem Vorfall selbst beigebracht.
Der Kläger ist der Ansicht, die Aufnahmen stellten keine
Bildnisse der Zeitgeschichte dar, weil seine Reise kurz vor Weihnachten
– insofern nicht bestritten –
ausschließlich einem privaten Anlass gedient habe. Er sei
auch nicht durch ein angeblich strafrechtliches Verhalten aus der
Privatsphäre hinaus in die Sozialsphäre getreten,
weil er in Ausübung seines Notwehr-/Nothilferechts gehandelt
habe.
Auch die Mittel der Berichterstattung habe das Landgericht zutreffend
gewürdigt. Das Video sei so zusammengeschnitten worden, dass
es den Sachverhalt entstellt wiedergebe und schon von daher kein
Berichterstattungsinteresse bestehe. Es werde der Eindruck vermittelt,
er sei anlasslos auf die Beklagten zu 2) und 3) zugegangen und weiter
werde dem Zuschauer vorenthalten, dass er zuvor versucht habe, die
Aufnahmen mit anderen Mitteln zu unterbinden. Hätte die
Beklagte zu 1) den Zuschauer mitgeteilt, dass es zuvor mehrere
Begegnungen zwischen den Beklagten zu 2) und 3) und ihm – in
Begleitung seiner Familie – auf der Rolltreppe und der
Toilette gegeben hatte, hätte dies zu einer gänzlich
anderen Ausgangslage für die Beurteilung der Situation
geführt.
Die Beklagte zu 1) könne die Zulässigkeit der
Bildberichterstattung auch nicht darauf stützen, dass diese
erforderlich sei, um seiner „lügenhaften
Darstellung“ entgegen zu treten. Diese sei schon nicht
Berichtsgegenstand, weil die Beklagte zu 1) das betreffende Video mit
dem angegriffenen Inhalt schlicht ins Netz gestellt habe und dabei
nicht über angeblich unzutreffende Darstellungen des
Geschehens seinerseits berichtet worden sei. Der Kläger ist
weiter der Ansicht, sein Verhalten gegenüber den Beklagten zu
2) und 3) sei durch Notwehr gerechtfertigt gewesen, weil er einen
gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff auf sein Recht am
eigenen Bild habe abwehren müssen. Schon aus diesem Grunde
verbiete sich eine Berichterstattung, weil andernfalls sein Notwehr-
bzw. Nothilferecht leer laufen würde. Erschwerend komme hinzu,
dass es sich von Seiten der Beklagten zu 2) und 3) um einen geplanten
Angriff gehandelt habe, der eine überzogene Reaktion
seinerseits habe provozieren sollen. Die Zulassung einer solchen Form
der Berichterstattung würde dazu führen, dass die
Presse vermehrt Provokationen vornehmen werde, um sich entsprechende
Anlässe einer Berichterstattung selbst zu schaffen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die im
Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Staatsanwaltschaft Köln hat das Ermittlungsverfahren gegen
den Kläger wegen Verdachts der (gefährlichen)
Körperverletzung und Nötigung am 30.6.2016
eingestellt (vgl. Anlage BB1).
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) ist
unbegründet.
Das Landgericht hat zu Recht einen Unterlassungsanspruch des
Klägers gegen die angegriffene Bildberichterstattung analog
§§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m.
§§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG
bejaht. Denn selbst wenn aufgrund eines möglichen, in der
Berichterstattung gezeigten Notwehrexzesses des Klägers ein
zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1
KUG bejaht werden würde, werden durch die konkrete Form der
streitgegenständlichen Veröffentlichung jedenfalls
die berechtigten Interessen des Klägers
gemäß § 23 Abs. 2 KUG verletzt.
1.
Die Zulässigkeit der Veröffentlichung der
streitgegenständlichen Videoaufnahmen, auf denen der
Kläger eindeutig identifizierbar ist und die daher Bildnisse
im Sinne von § 22 KUG darstellen, ist nach dem abgestuften
Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (vgl. BGH NJW 2009,
3032) unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen
Vorgaben (vgl. BVerfG NJW 2008, 1793) und der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum
Schutzgehalt des Art. 8 Abs. 1 EMRK zu beurteilen (vgl. EGMR NJW 2004,
2647). Danach dürfen Bildnisse einer Person
grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden
(§ 22 S. 1 KUG). Ohne eine solche Einwilligung, die hier
unstreitig nicht vorliegt, dürfen Bildnisse aus dem Bereich
der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG)
veröffentlicht werden, es sei denn, durch die
Bildveröffentlichung werden berechtigte Interessen des
Abgebildeten verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG).
a.
Dabei erfordert bereits die Frage, ob Bildnisse aus dem Bereich der
Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegen,
eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1
Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten
der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK anderseits (vgl.
BGH, Urt. v. 27.9.2016 – VI ZR 310/14, juris Rn. 5; BGH, Urt.
v. 19.6.2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135; BGH, Urt. v. 21.4.2015 -
VI ZR 245/14, VersR 2015, 898; v. Pentz, AfP 2013, 20, 23 f.).
Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis
aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des
Zeitgeschehens, der nicht zu eng verstanden werden darf. Im Hinblick
auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht
nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern
ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem
gesellschaftlichem Interesse. Zum Kern der Presse- und der
Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb
der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem
sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was
öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im
Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von
öffentlichem Interesse ist, wobei auch unterhaltende
Beiträge davon nicht ausgenommen sind.
b.
Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos, vielmehr
wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des
Abgebildeten durch den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit begrenzt, wobei es
einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden
Rechtspositionen bedarf. Die Belange der Medien sind dabei in einen
möglichst schonenden Ausgleich zum
Persönlichkeitsschutz des von einer Berichterstattung
Betroffenen zu bringen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs der
Privatsphäre, der in Form der Gewährleistung des
Rechts am eigenen Bild sowie der Garantie der Privatsphäre
teilweise auch verfassungsrechtlich fundiert ist. Bei der Gewichtung
des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden
Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der
Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist
insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von
öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen
erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums
erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung
beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen
Ereignis - lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten
Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen. Der
Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in
den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter
Berücksichtigung der zugehörigen
Textberichterstattung. Daneben sind für die Gewichtung der
Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der
Berichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit
einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist
bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er
dargestellt wird (vgl. BGH, Urt. v. 27.9.2016 – VI ZR 310/14,
juris Rn. 8 ff. m.w.N.).
2.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt die
streitgegenständliche Bildberichterstattung jedenfalls einen
Eingriff in die Privatsphäre des Klägers dar.
a.
Zwar weist die Beklagte zu 1) zutreffend darauf hin, dass die Aufnahmen
im öffentlichen und damit für jedermann
zugänglichen Bereich des Flughafens L aufgenommen wurden.
Jedoch ist auch in Ansehung dessen vorliegend der thematische Bereich
der Privatsphäre eröffnet, weil der Kläger
sich mit seinem Sohn und seiner Lebensgefährtin unstreitig auf
einer privaten Reise befand – selbst die Beklagte zu 1) macht
in diesem Zusammenhang nicht geltend, dass die Ankunft des
Klägers auf dem Flughafen beruflich motiviert war. Allein die
Art der Örtlichkeit, an der die Aufnahmen gefertigt wurden,
vermag indes keine Betroffenheit nur der Sozialsphäre zu
begründen. Zwar wissen Prominente, dass ihr Privatleben stets
von der Presse beobachtet wird und müssen auch damit rechnen,
dass bei jeder sich bietenden Gelegenheit für die
Berichterstattung verwendbare Fotos gemacht werden. Es würde
aber eine erhebliche Einschränkung des Rechts auf freie
Entfaltung der Persönlichkeit darstellen, wenn jeder, der
einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist, sich in der
Öffentlichkeit nicht unbefangen bewegen könnte, weil
er auch bei privaten Gelegenheiten jederzeit widerspruchslos
fotografiert und mit solchen Fotos zum Gegenstand einer
Berichterstattung gemacht werden dürfte (vgl. BGH, Urt. v.
17.2.2009 – VI ZR 75/08, juris Rn. 13; EGMR, Urt. v.
24.6.2004 - 59320/00, NJW 2004, 2647; BVerfG, Beschl. v. 26.2.2008
– 1 BvR 1602/07, juris Rn. 91 ff.).
b.
Der Kläger hat den Bereich der Privatsphäre auch
nicht dadurch verlassen, dass er sich gegen die Tätigkeit der
Beklagten zu 2) und 3) körperlich zur Wehr gesetzt hat. Denn
selbst wenn dieses Verhalten letztlich strafrechtlich relevant gewesen
sein sollte, ist bei der Frage, welche Sphäre des
klägerischen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, auf
den Beginn des Geschehens und damit auf die (rein) private Ankunft am
Flughafen abzustellen. Soweit der Kläger dann im weiteren
Verlauf der Auseinandersetzung mit den Beklagten zu 2) und 3)
gegebenenfalls einen Notwehrexzess gezeigt haben sollte, führt
dies nicht dazu, dass der gesamte Vorgang der Sozialsphäre
zuzurechnen ist, sondern nur dazu, dass hinsichtlich der privaten
Ankunft des Klägers auf dem Flughafen ein
öffentliches Informationsinteresse bejaht und in die
Abwägung im Rahmen von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG
eingestellt werden kann.
3.
Diesem Eingriff in die Privatsphäre des Klägers steht
auf Seiten der Beklagten zu 1) ein öffentliches
Berichterstattungsinteresse gegenüber.
Dieses Interesse kann sich zwar nicht allein auf die von der Beklagten
reklamierte hohe Prominenz des Klägers gründen. Denn
auch dieser hat ein schützenswertes Interesse, in seinem
privaten Alltag in Ruhe gelassen zu werden, weil von
Prominenten nicht erwartet werden kann, sich im Privatleben vor den
Medien zu verstecken. Insoweit überwiegt das berechtigte
Anliegen des Klägers, sich in der betreffenden
Alltagssituation am Flughafen unbefangen und ohne eine
Belästigung durch Fotoreporter bewegen zu können. Ein
öffentliches Berichterstattungsinteresse besteht jedoch im
Hinblick auf die Art und Weise, wie sich der Kläger als
Prominenter gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) verhalten und
wie er auf die Anfertigung der ihn und seine Begleiter betreffenden
Bilder reagiert hat. Unabhängig von der Frage eines
möglichen strafbaren Verhaltens erfüllt der
Kläger als prominente Person Leitbild- und Kontrastfunktionen
und kann dem Rezipienten Orientierung bei eigenen
Lebensentwürfen bieten (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 26.2.2008
– 1 BvR 1602/07, juris Rn. 60). In Kombination damit
begründet der Umstand, dass er mit verbaler und zum Teil auch
tätlicher Aggressivität auf die Aufnahmen reagiert
hat, grundsätzlich ein Geschehen, an dem ein erhebliches
Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Auch
die Art und Weise, wie Fotos bzw. Filmmaterial von Prominenten aus
deren Privatleben gefertigt werden bzw. ob und wie sich Prominente
gegen Paparazzi zur Wehr setzen, interessiert die Rezipienten (vgl.
dazu KG, Urt. v. 2.3.2007 – 9 U 212/06, juris Rn. 63).
4.
Ob bei Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen das
von der Beklagten zu 1) befriedigte Informationsinteresse die
persönlichkeitsrechtlichen Belange des Klägers
überwiegen würde, wenn die Berichterstattung zeigte,
wie der Kläger das ihm zustehende Notwehrrecht im Sinne eines
Notwehrexzesses überschritten hat und die Videosequenz damit
ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr.
1 KUG abbildet, kann letztlich offen bleiben.
a.
Auch bei Unterstellung des Vortrags des Klägers, dass der
Schlag mit der Schultertasche sowie das Herunterdrücken des
Beklagten zu 2) dazu dienen sollten, ein weiteres Fotografieren seiner
Lebensgefährtin zu verhindern, könnte einiges
dafür sprechen, einen Notwehrexzess des Klägers zu
bejahen. Denn jedenfalls das Schleudern der Tasche ist keine
erforderliche Notwehrhandlung, um den gegenwärtigen Angriff
auf das Recht am eigenen Bild abzuwehren. Gerade aufgrund des
Umstandes, dass die Tasche wegen ihrer Größe und
ihres (Leer-)Gewichts in ihrer konkreten Flugbahn kaum zu berechnen
war, bestand die erkennbare und naheliegende Gefahr, den Beklagten zu
2) damit zu verletzen. Da der Kläger jedoch sowohl
körperlich als auch nach den sonstigen Umständen in
der Lage gewesen wäre, dem Beklagten zu 2) die Kamera
wegzunehmen oder auch aus der Hand zu schlagen, könnte es sich
bei der – ausweislich der streitgegenständlichen
Videosequenz von einer gewissen Aggression getragenen –
Vorgehensweise um eine gewisse Überschreitung der rechtlich
zulässigen Verteidigungshandlung handeln.
b.
Jedoch stünde selbst die Bejahung eines solchen
Notwehrexzesses dem vorliegend geltend gemachten Unterlassungsanspruch
des Klägers nicht entgegen, da durch die
Veröffentlichung des streitgegenständlichen Videos
jedenfalls seine berechtigten Interessen verletzt werden und die
Bildberichterstattung damit nach § 23 Abs. 2 KUG
unzulässig ist.
Zwar kann in diesem Zusammenhang nicht die Behauptung des
Klägers berücksichtigt werden, dass es sich um eine
„Falle“ handelte. Denn die angebliche Absprache
zwischen den Beklagten zu 2) und 3), den Kläger so lange zu
provozieren, bis dieser „ausrastet“, um dann
entsprechende Bilder anfertigen zu können, hat der
Kläger nicht unter Beweis gestellt. Auch für das
angeblich durch „I“ belauschte Gespräch
der Beklagten zu 2) und 3) auf der Flughafentoilette (vgl. Anlage K3)
gibt es von Seiten des Klägers keinen Beweisantritt. Jedoch
ergibt sich die Unzulässigkeit der Berichterstattung
gemäß § 23 Abs. 2 KUG vorliegend darauf,
dass es sich bei der von der Beklagten zu 1) veröffentlichten
Fassung des Filmmaterials um eine unvollständige,
verkürzte und in der Reihenfolge geänderte
Darstellung handelt, die insgesamt ein unzutreffendes Bild von den
Geschehnissen zeichnet und den Kläger dadurch in der
öffentlichen Wahrnehmung in erheblichem Maße
herabwürdigt.
aa.
Bei den von der Beklagten zu 1) veröffentlichten Bildsequenzen
handelt es sich zunächst um eine verkürzte und damit
bewusst unvollständige Darstellung des Geschehens am
Flughafen. Der Rezipient erfährt weder durch die Bild-, noch
durch die begleitende Wortberichterstattung, welche Vorfälle
den gezeigten aggressiven Verhaltensweisen des Klägers
vorangingen. Die Beklagte zu 1) berichtet weder darüber, dass
die beiden Fotoreporter den Kläger auf der Rolltreppe
beobachtet haben und einer von ihnen ihm bis auf die Toilette gefolgt
ist, noch davon, dass sie zunächst begonnen hatten, Fotos von
ihm und seinen Begleitern in einer offenkundig privaten Situation
anzufertigen und auf die eindeutige verbale und gestische (Laptop)
Abwehr jedenfalls nicht mit einem Einpacken der Kamera und einem
Sich-Entfernen reagiert haben.
Diese bewusst unvollständige bildliche Darstellung des
Geschehens ist wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, weil
sie dem Zuschauer ein Geschehen vorführt, aus dem er
– schon aufgrund der nur spärlichen Kommentare der
begleitenden Wortberichterstattung – eigene
Schlussfolgerungen ziehen soll, dabei jedoch wesentliche Tatsachen
verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben und
deren Kenntnis für die Bildung eines im Kern zutreffenden
Urteils unerlässlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2005
– VI ZR 204/04, NJW 2006, 601 m.w.N.; vgl. auch zu
Manipulationen an fotografischen Abbildungen: BVerfG, Beschl. v.
14.2.2005 – 1 BvR 240/04, NJW 2005, 3271; BGH, Urt. v.
8.11.2005 – VI ZR 64/05, NJW 2006, 603).
Zwar ist für den durchschnittlichen Rezipienten aus dem von
der Beklagten zu 1) veröffentlichten Bildmaterial (noch)
erkennbar, dass der Kläger sich gegen die Beklagten zu 2) und
3) nicht völlig grundlos, sondern deshalb zur Wehr setzt, weil
diese von ihm Foto- bzw. Filmaufnahmen anfertigen. Allein das Wissen um
den Grund für diese Reaktionen des Klägers vermittelt
dem Rezipienten allerdings nicht das Wissen um den konkreten Anlass
für sein Vorgehen, auf den es hier in entscheidendem
Maße ankommt. Während der durchschnittliche
Rezipient beim Anblick des Videos in seinem
streitgegenständlichen Zuschnitt davon ausgehen muss, dass der
Kläger schon allein aufgrund des Anblicks einer Kamera
„ausrastet“, die ein scheinbar unbeteiligt am Rand
stehender und als solcher nur an der Kamera zu erkennender Reporter in
der Hand hält, ging diesem Verhalten des Klägers in
Wahrheit ein längeres Geschehen voraus, welches für
die Bewertung durch den Zuschauer von erheblicher Bedeutung ist. Denn
das im Video gezeigte Verhalten des Klägers würde vom
Zuschauer maßgeblich anders beurteilt und bewertet werden,
wenn er erführe, dass der Kläger vor den gezeigten
Attacken zunächst von den Beklagten zu 2) und 3) auf der
Rolltreppe und der Herrentoilette wahrnehmbar beobachtet wurde, der
Beklagte zu 2) sodann begann, ihn und seine Begleiter trotz der
offenkundigen Privatheit der Situation zu fotografieren und
schließlich auch die verbalen bzw.
passiv-körperlichen Abwehrversuche („Keine Bilder!
Wir sind privat hier!“ bzw. Hochhalten eines Laptops vor die
Kameralinse) jedenfalls nicht dazu geführt hatten, dass die
Beklagten zu 2) und 3) ihre Aufnahmegeräte einpackten und sich
vom Kläger entfernten. Vielmehr liegt es nahe, aus den von der
Beklagten zu 1) zum streitgegenständlichen Video
zusammengefügten Bildsequenzen den Schluss zu ziehen, der
Kläger sei allein aufgrund des Vorhandenseins einer Kamera
übermäßig aggressiv geworden. Diese
Schlussfolgerung erscheint bei Mitteilung des gesamten Geschehens
jedoch weniger naheliegend, womit durch das Verschweigen dieser
Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Eindruck
entsteht. Insofern hat die Beklagte zu 1) mit dem Vorgeschehen, das
eine nicht unerhebliche Belästigung und
Beeinträchtigung des Klägers durch die Beklagten zu
2) und 3) beinhaltete, gerade diejenigen Fakten verschwiegen, deren
Mitteilung beim Zuschauer zu einer dem Kläger
günstigeren Beurteilung des Gesamtvorgangs geführt
hätte.
bb.
Des weiteren hat die Beklagte zu 1) auch durch die im Video
gegenüber dem wahren Geschehen von ihr veränderte
Reihenfolge der Ereignisse die Situation zu Lasten des Klägers
verfälschend dargestellt. Aus Sicht des durchschnittlichen
Rezipienten beginnt das Aufeinandertreffen zwischen dem Kläger
und den Fotoreportern am Flughafen damit, dass ersterer dem Beklagten
zu 2) seine Schultertasche gegen den Kopf schleudert. Dies stellt aber
unstreitig nicht den Beginn des Aufeinandertreffens, sondern vielmehr
nahezu den Schlusspunkt der Auseinandersetzung da; der Kläger
hat sich nach diesem Schlag und dem anschließenden
Herunterdrücken des Beklagten zu 2) abgewendet und den Gang
– seinen Begleitern folgend – verlassen.
Soweit die Beklagte zu 1) sich darauf beruft, dass die chronologisch
unzutreffende Wiedergabe der Ereignisse für den Zuschauer klar
erkennbar sei, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Denn in diesem
Zusammenhang darf nicht auf einen Zuschauer abgestellt werden, der sich
– wie der Senat und die Prozessbevollmächtigten der
Parteien – nicht nur die streitgegenständliche
Videosequenz mehrfach, sondern daneben auch das Rohmaterial des Films
angeschaut hat, wobei durchaus zu konstatieren ist, dass sich die
chronologisch unrichtige Einordnung der
„Taschenszene“ dabei auflöst und die
„richtige“ Reihenfolge erkennbar wird. Vielmehr ist
insoweit auf den durchschnittlichen Rezipienten abzustellen, der das
streitgegenständliche Video lediglich ein- oder zweimal abruft
und dabei bei der zu erwartenden oberflächlichen
Betrachtungsweise nicht erkennen kann, dass die Reihenfolge der
Ereignisse verändert wurde und weiter auch nicht erkennen
kann, in welcher Reihenfolge sich das Geschehen tatsächlich
abgespielt hat.
Vor dem Hintergrund dessen, dass der in der Bildsequenz dreimal zu
sehende Schlag des Klägers mit der Tasche gleichsam den
Höhepunkt der Auseinandersetzung darstellt, dieser aber direkt
zu Beginn des Aufeinandertreffens mit den Beklagten zu 2) und 3) mit
der Tasche geschlagen hat oder zwischen den Beklagten zu 2) und 3)
mehrfach hin- und herlief, um Aggressionen zu zeigen, liegt in dieser
Darstellung – mag es auch grundsätzlich der
publizistischen Freiheit der Beklagten zu 1) entsprechen, eine markante
Szene am Anfang als „Aufmacher“ zu zeigen
– eine unter den vorliegenden Umständen nicht
hinnehmbare Beeinträchtigung der Rechte des Klägers.
cc.
Schließlich hat die Beklagte zu 1) das betreffende
Videomaterial so geschnitten und zusammengefügt, dass die das
Bild des Klägers in der Öffentlichkeit besonders
stark beeinträchtigende Szene des Schlages mit der Tasche
nicht nur – entgegen der zutreffenden chronologischen
Reihenfolge der Ereignisse – gleichsam als
„Aufmacher“ direkt zu Beginn der Berichterstattung
gezeigt, sondern darüber hinaus noch zweimal wiederholt wird,
einmal davon in Zeitlupe, was dem Zuschauer den schlagenden
Kläger in besonders eindrucksvoller Art vor Augen
führt. Dies stellt eine Form der Berichterstattung dar, die in
plakativer Weise die Spitze der Eskalation in den Mittelpunkt stellt
und durch anprangernde Wiederholungen zu demjenigen Umstand macht, den
der Zuschauer in erster Linie wahrnimmt und im Gedächtnis
behalten wird.
dd.
Auch die weiteren im Rahmen der Abwägung nach § 23
Abs. 2 KUG zu berücksichtigenden Umstände sprechen
nicht dagegen, dass die streitgegenständliche
Berichterstattung das berechtigte Interesse des Klägers
verletzt.
(1)
Zugunsten des Klägers ist zunächst zu
berücksichtigen, dass schon der von der Beklagten zu 1)
zugestandene Verlauf des Geschehens den Schluss rechtfertigt, dass das
Handeln der Beklagten zu 2) und 3) die Unbefangenheit des
Klägers erheblich beeinträchtigt sowie dessen
Bewegungsfreiheit in einem nicht hinnehmbaren Umfang
eingeschränkt hat. Jedenfalls einer der Beklagten hat den
Kläger auf der Rolltreppe überholt und dabei
gemustert, der andere ist ihm bis auf die Toilette gefolgt und hat ihn
dort ebenfalls in eindeutiger Weise beobachtet. Subjektiv durfte der
Kläger dies zumindest als Belästigung empfinden und
als offenkundigen Beginn eines offensichtlich unzulässigen
– wie auch immer gearteten – Eingriffs in seine
Privatsphäre. Insofern ist keine Beweisaufnahme über
das vom Kläger behauptete Ansprechen auf der Rolltreppe
(„Dich kenn ich doch“) sowie die angeblichen
starren Blicke auf der Toilette erforderlich. Denn schon unter
Berücksichtigung des unstreitigen Geschehensverlaufs, wonach
die Beklagten nach den oben beschriebenen Manövern und trotz
der Abwehrversuche („Keine Bilder! Wir sind privat
hier“ sowie Hochhalten des Laptops) immer weiter fotografiert
bzw. gefilmt haben, liegt eine nicht hinnehmbare Belästigung
des Klägers und seiner Begleiter vor. In diesem Zusammenhang
kann sich die Beklagte zu 1) auch nicht darauf berufen, dass der
Kläger gerade ein neues Album herausgebracht hatte und bei
anderer Gelegenheit öffentlich aufgetreten war, um dieses zu
vermarkten. Denn die von den Beklagten zu 2) und 3) angefertigten
Aufnahmen waren unstreitig darauf angelegt, ihn in seinem privaten
Bereich in Begleitung seiner Lebensgefährtin und seines Sohnes
zu fotografieren, die beide bis zu diesem Zeitpunkt weder in der
Öffentlichkeit aufgetreten noch fotografisch dargestellt
worden waren. Eine berufliche Veranlassung der Bilder ist insofern
nicht erkennbar.
(2)
Auch die Verletzungen der Beklagten zu 2) und 3) stehen der Annahme
eines berechtigten Interesses des Klägers im Sinne von
§ 23 Abs. 2 KUG nicht entgegen. Denn selbst wenn man zu ihren
Gunsten unterstellt, dass die Verletzungen tatsächlich durch
den Kläger herbeigeführt wurden, so handelt es sich
zum einen letztlich um Bagatellverletzungen (Hämatome) und zum
anderen ist in Rechnung zu stellen, dass beide Beklagte die
Möglichkeit gehabt hätten, durch Einstellung der
Fotoaufnahmen diesen Verletzungen zu entgehen. Indem sie sich aber
„sehenden Auges“ auf eine Auseinandersetzung mit
dem Kläger einließen bzw. eine solche durch ihr
fortgesetztes Fotografieren erst provozierten, wiegt der Umstand ihrer
Verletzung gegenüber den berechtigten Interessen des
Klägers nicht allzu schwer.
(3)
Auch können sich die Beklagten zu 2) und 3) weder auf ein
Recht zum Gegenschlag bzw. auf Rehablitierung noch darauf berufen, dass
es sich bei dem Kläger um einen Wiederholungstäter
handelt.
Das sog. Recht zum Gegenschlag ist eine vornehmlich für den
verbalen Schlagabtausch entwickelte Rechtsfigur, die unter bestimmten
Voraussetzungen überzogene Äußerungen als
Reaktion auf vorangegangene Diskussionsbeiträge gestattet
(vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage
Kap. 6 Rn. 21 und Kap. 10 Rn. 67; OLG Köln, Urt. v. 3.7.2012
– 15 U 205/11, juris Rn. 68). Vorliegend war jedoch die
Bildberichterstattung der Beklagten zu 1) der eigentliche
Auslöser für die dann folgende Reaktion des
Klägers in den von ihm gegebenen Interviews. Insofern stellt
es keinen zulässigen Gegenschlag dar, wenn die Beklagte zu 1)
nunmehr auf diese Reaktionen des Klägers ihrerseits wiederum
damit reagieren will, dass sie das in seiner konkreten Ausgestaltung
rechtswidrig in die Persönlichkeitsrechte des Klägers
eingreifende Bildmaterial weiterhin zeigt.
Auch ein vermeintlicher Anspruch der Beklagten zu 2) und 3) auf
Rehabilitierung kann die weitere Veröffentlichung des
streitgegenständlichen Videos nicht rechtfertigen. Denn da
dieser Zusammenschnitt von Bildsequenzen des betreffenden Geschehens
keine wirkliche Aufklärung der Geschehnisse bieten kann,
sondern vielmehr nur – wie oben dargelegt – eine
verkürzte, unvollständige und inhaltlich
verfälschte Darstellung enthält, ist er kein
taugliches Mittel, um einen solchen vermeintlichen Anspruch
durchzusetzen. Vielmehr sind die Beklagten zu 2) und 3), wie auch der
Kläger im vorliegenden Verfahren, auf die Geltendmachung von
Unterlassungsansprüchen angewiesen, wenn und soweit der
Kläger unwahre oder ehrverletzende Tatsachenbehauptungen
über sie aufstellt.
Schließlich kann auch der Umstand, dass es sich nach dem
Vorbringen der Beklagten zu 1) beim Kläger um einen
„Wiederholungstäter“ handeln soll, weil er
vor 16 Jahren einem Reporter die Kamera entrissen und diese zu Boden
geworfen hat, keine abweichende Beurteilung im Rahmen von § 23
Abs. 2 KUG rechtfertigen. Denn die angegriffene Bildberichterstattung
befasst sich mit diesem früheren Vorfall überhaupt
nicht, sondern zeigt – ohne Erörterung der Frage
einer eventuellen Gewaltbereitschaft des Klägers oder anderen
die Öffentlichkeit interessierenden Themen –
schlicht den Vorfall am Flughafen.
5.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der
Kosten aus § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der
vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO. Die
Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder
grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des
Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung und im Übrigen auf den
Einzelfallumständen beruht. Höchstrichterlich noch
nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur,
die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein
könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu
entscheiden.
6.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000 Euro
festgesetzt. Abweichend von der Festsetzung des Landgerichts, welches
im Hinblick auf den gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachten
Unterlassungsanspruch von einem Wert in Höhe von 8.000 Euro
ausgegangen ist, hält der Senat diesen höheren Wert
für angemessen, um den nach § 48 Abs. 2 GKG
maßgeblichen Umständen des Einzelfalls, insbesondere
des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und
Einkommensverhältnisse der Parteien gerecht zu werden.