Oberlandesgericht Hamm Urteil 2 UF 254/12, Facebook, Gewaltschutzanordnung, GewSchG

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Aktenzeichen: 2 UF 254/12
25.04.2013

Oberlandesgericht Hamm

Beschluss


Tenor

1. Auf die als Beschwerde auszulegende Eingabe der Antragsgegnerin vom 27.11.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gladbeck vom 16.11.2012 insoweit abgeändert, als die darin unter Ziffer 1 und Ziffer 2 getroffenen Anordnungen bis zum 16.11.2014 einschließlich befristet werden.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin zu 1) ist die Tochter der Frau M und Mutter des Antragstellers zu 2). Die Antragsgegnerin lebte früher in H. Sie ist eine Bekannte der Antragsteller. Frau M ist auch die Mutter des Herrn B. Herr B soll sich nach Behauptungen der Antragsteller betrügerischen Verhaltens schuldig gemacht haben, indem er Bestellungen im Namen Dritter an die Anschrift der Antragstellerin zu 1) und der Frau M veranlasst habe.

Die Antragsteller haben behauptet, die Antragsgegnerin habe bereits im Oktober 2011 über das Internetprofil bei Facebook der Frau M Nachrichten beleidigenden Inhalts übersandt und entsprechend beleidigende Einträge auf dem Facebookprofil hinterlassen. In den Nachrichten habe die Antragsgegnerin die Antragsteller als "deine fette Tochter und ihren hässlichen Sohn" bezeichnet. Überdies habe sie Drohungen gegen sie, die Antragsteller, ausgestoßen. Am 22.12.2011 habe die Antragsgegnerin auf dem Facebookprofil der Frau M erneut beleidigende Nachrichten und konkrete Drohungen ausgesprochen. Sie, die Antragstellerin zu 1) sei als "Mongo-Tochter" der Frau M und der Antragsteller zu 2) als "dreckiger Ben" seitens der Antragsgegnerin bezeichnet worden. Am 24.12.2011 habe die Antragsgegnerin auf dem Facebookprofil angekündigt, ihn, den Antragsteller zu 2), "kalt zu machen". In der Folgezeit habe sie gedroht, jemanden aus ihrer, der Antragsteller, Familie "kalt zu machen" und den Antragsteller zu 2) zu nehmen, damit die anderen litten. Sie habe auch angekündigt, den Antragstellern tagelang aufzulauern und dann dem Antragsteller zu 2) einen Stein an den Kopf zu werfen, in der Hoffnung, diesen dadurch für den Rest seines Lebens zu beschädigen. Am 16.8.2012 habe sie, die Antragstellerin zu 1), eine Nachricht von der Antragsgegnerin unter dem Profilnamen "...#" erhalten, in dem es wörtlich - auszugsweise - geheißen habe:

"Na Mongofresse... bald komme ich vorbei deine Spastikind zu töten...du Ratte!!.

Deine verhurte Mutter und du ihr seid total verkokst inne Birne...du dreckige du.

Wenn ich schon dein face sehe...könnt ich dich so anspucken...du wirst niemals Ruhe finden...denn bald wirst du bereuen, was du getan hast...denn ein Ben wird drunter leiden.---Glaub mir ich werde kommen...du wirst noch weinen und um Gnade weinen und.!!!

...

Dein Sohn wird sterben."

Die Antragsteller haben beantragt,

1 der Antragsgegnerin zu verbieten, sich im Umkreis von weniger als 100 m um ihre Wohnung aufzuhalten,

2 der Antragsgegnerin zu verbieten, sich im Umkreis von 30 m um sie aufzuhalten oder im Falle eines zufälligen Zusammentreffens unverzüglich entsprechenden Abstand wiederherzustellen,

3 der Antragsgegnerin jede Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin zu 1), insbesondere über elektronische Medien, wie E-Mail und die Kommunikationsplattform Facebook zu verbieten.

Die Antragsgegnerin hat den Antrag anerkannt und behauptet, es hätte tatsächlich Streit zwischen ihr und den Antragstellern gegeben, weil der Bruder der Antragstellerin in betrügerische Aktivitäten verwickelt gewesen sei. Auch ihre Tochter habe sich von der Antragstellerin bedroht gefühlt. Als Reaktion darauf habe sie tatsächlich unter dem Profil "Xxx" kurz vor Weihnachten ebenfalls Bedrohungen an die Antragstellerin geschrieben. Zunächst hatte sie behauptet, dass das unter dem Profil "...#" zugeordnete Schreiben nicht von ihr gestammt habe; auf Ansprache des Gerichts hat die Antragsgegnerin indes erklärt, sie sehe ein, dass es nicht korrekt gewesen sei, Bedrohung auszusprechen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 16.11.2012 der Antragsgegnerin verboten, sich der Wohnung der Antragsteller mehr als 100 m zu nähern, sich den Antragstellern mehr als 30 m zu nähern, mit den Antragstellern - auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmittel, insbesondere per E-Mail oder über die Kommunikationsplattform Facebook - Verbindung aufzunehmen und im Falle eines zufälligen Zusammentreffens dafür zu sorgen, dass sie sofort einen gebührenden Abstand herstelle. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Antragsgegnerin eingeräumt habe, aus Rache den Antragsteller zu 2) über das Profil "Xxx" bei Facebook, adressiert an die Antragstellerin zu 1), beleidigt und bedroht zu haben. Vor diesem Hintergrund sei der Antrag anerkannt worden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Eingabe vom 27.11.2012. Sie behauptet, sie habe niemals versucht, die Antragstellerin zu 1) ausfindig zu machen. Sie habe auch nicht unter einem falschen Profil versucht, die Antragsteller zu bedrohen. Im Gegenteil habe die Antragstellerin zu 1) andere Leute beauftragt, ihre Telefonnummer herauszufinden und sie sei von der Familie auch mit dem Tode bedroht worden; auch ihre Tochter sei beleidigt und bedroht worden.

Die Antragsteller verteidigen den angefochtenen Beschluss. Sie meinen, dass bereits das unstreitig gestellte Geschehen den Erlass der Schutzmaßnahmen rechtfertige.

II.

Die als Beschwerde auszulegende Eingabe der Antragsgegnerin ist zwar zulässig, indes weitestgehend unbegründet. Allein soweit das seitens des Amtsgerichts ausgesprochene Näherungs- und Kontaktverbot keine Befristung enthält, ist die Beschwerde begründet.

1.

Auf der Grundlage des unstreitig gestellten Vorbringens der Antragsteller ist die getroffene Gewaltschutzanordnung gerechtfertigt.

a)

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG hat das Gericht auf Antrag die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn eine widerrechtliche Drohung mit der Verletzung der Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit erfolgt ist. Unter Drohung ist das - ausdrückliche, schlüssige oder versteckte - Inaussichtstellen einer künftigen Verletzung der bezeichneten Rechtsgüter zu verstehen, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt; der Bedrohte muss diese Drohung ernst nehmen (vgl. Reinken, in: Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar BGB, § 1 GewSchG Rn 32).

Soweit die die von der Antragsgegnerin unstreitig gestellten Nachrichten unter ihrem Profilnamen "Xxx" betroffen sind, genügen bereits diese, um das vom Amtsgericht ausgesprochene Näherungs- und Kontaktverbot zu tragen. Die Antragsgegnerin hat unstreitig unter dem 24.12.2011 entsprechend schwerwiegende Drohungen gegen das Leben des Antragstellers zu 2) und mit der Drohung, jemanden aus der antragstellerischen Familie "kalt zu machen", auch gegen die Antragstellerin zu 1) ausgestoßen. Dass wegen vorangehender möglicher gegen sie, die Antragsgegnerin, oder gegen ihre Tochter gerichteter Straftaten eines Dritten diese Drohungen erfolgt sein könnten, lässt die Widerrechtlichkeit unberührt.

b)

Dass die Drohungen im Zeitpunkt des Beschlusserlasses knapp ein Jahr zurücklagen, hindert den Erlass der Schutzanordnungen nicht. Maßnahmen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewSchG sind zwar nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zulässig. Vorliegend war ein Kontaktverbot aber erforderlich, um künftige Rechtsgutsverletzungen durch die Antragsgegnerin zu verhindern. Auch wenn für die Schutzmaßnahmen eine Befristung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 GewSchG grundsätzlich vorgesehen ist, weil aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt, dass die Maßnahme zu wählen ist, die eine Wiederholungsgefahr am ehesten ausschließt und zugleich in die Rechte des Täters am wenigsten eingreift, so dass aus diesem Grund regelmäßig die Schutzmaßnahmen zu befristen sind, ist der Erlass der Schutzmaßnahmen als solcher nicht zu beanstanden.

§ 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG geht zwar von der Vermutung aus, dass in den Fällen, in denen es bereits zu Gewalttaten gekommen ist, weitere Taten zu erwarten sind (vgl. Reinken, a.a.O., § 1 GewSchG Rn 19). Ob erst nach 1 ½-jähriger Verfahrensdauer aus länger zurückliegenden Verletzungshandlungen ohne weiteres auf eine fortbestehende Wiederholungsgefahr geschlossen werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 06.02.2009 - 15 UF 154/08 - FamRZ 2009, 1751), mag vorliegend für die Frage der grundsätzlichen Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen dahinstehen, da dies vorliegend allein für die Frage der Dauer der Befristung erheblich ist.

Damit aber rechtfertigen allein die unstreitigen im Jahre 2011 ausgesprochenen Drohungen die erlassenen Schutzmaßnahmen.

2.

Soweit die Antragsgegnerin bestritten hat, dass die E-Mail-Nachricht vom 16.08.2012 von ihr stammte, kann diese Nachricht nicht zur Begründung der angeordneten Schutzmaßnahmen herangezogen werden.

a)

Dabei geht der Senat zu Gunsten der Antragsgegnerin davon aus, dass sie mit ihrer in der Verhandlung am 16.11.2012 gemachten Behauptung dass die Bedrohungen nicht korrekt gewesen seien, sich allein auf die unter dem Profil "Xxx" gemachten Angaben bezogen hat. Damit aber ist davon auszugehen, dass sich ihr Eingeständnis, dass die Bedrohungen nicht korrekt gewesen seien, sich allein auf die unter dem Profil "Xxx" gemachten Drohungen bezog.

b)

Sie hat weiter bestritten, dass das Profil "...#" ihr zuzurechnen sei. Dass sie den Antrag anerkannt hat, ist insoweit nicht geeignet, das Gegenteil als feststehend anzusehen. Nach § 26 FamFG gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, so das allein das Anerkenntnis nicht von der entsprechend sicheren Feststellung im Wege der Beweisaufnahme entbindet. Obwohl die Antragsteller zutreffend darauf verweisen, dass bereits die Diktion eine Urheberschaft der Antragsgegnerin jedenfalls nahelegt, weil bereits in den Nachrichten vom 22.12.2011 die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1) als "Mongo-Tochter" bezeichnet hat und in der Nachricht vom 16.08.2012 diese Begrifflichkeit gleich zweifach auftaucht und überdies auch die Bezeichnung "verhurt" sich sowohl in der Nachricht vom 22.12.2011 als auch in der Nachricht vom 16.08.2012 findet, kann allein hieraus nicht sicher auf die Urheberschaft der Antragsgegnerin geschlossen werden. Auch die Antragsteller haben insoweit allein eine Vermutung geäußert.

Damit kann die Nachricht vom 16.08.2012 nicht als von der Antragsgegnerin stammend angesehen und zur Grundlage der Verhängung von Schutzmaßnahmen gemacht werden.

3.

Die Beschwerde erweist sich jedoch deswegen als zum Teil begründet, weil die angeordneten Schutzmaßnahmen ohne Befristung angeordnet worden sind.

Für die Schutzmaßnahmen ist im angefochtenen Beschluss eine Befristung, wie sie nach § 1 Abs. 1 Satz 2 GewSchG grundsätzlich zu erfolgen hat, nicht vorgesehen. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt, wie bereits ausgeführt, dass die Maßnahme zu wählen ist, die eine Wiederholungsgefahr am ehesten ausschließt und zugleich in die Rechte des Täters am wenigsten eingreift, so dass aus diesem Grund regelmäßig die Schutzmaßnahmen zu befristen sind. Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Beschluss die Ablehnung einer Befristung nicht begründet.

Bei der Bestimmung der Frist sind die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Bei entsprechender Schwere der Drohung oder wiederholten, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Verletzungshandlungen können auch längerfristige Schutzmaßnahmen getroffen werden. Allein im Ausnahmefall kann eine unbefristete Gewaltschutzanordnung gerechtfertigt sein. Ein solcher Ausnahmefall ist etwa dann anzunehmen, wenn besonders schwere Gewaltdelikte vorangegangen sind. Dann kann ausnahmsweise auch eine unbefristete Anordnung in Betracht kommen, um das Opfer wegen der Unzumutbarkeit des Umgangs mit dem Täter zu schützen, wofür auch die Gesetzesmaterialien streiten, denen zufolge der Gesetzgeber zumindest die Möglichkeit eines unbefristeten Verbotes nicht ausgeschlossen sehen wollte (BT-Drucks. 14/5429, S. 28). Ein solcher Ausnahmefall ist aber nicht feststellbar. Unter Zugrundelegung des Umstands, dass nicht feststellbar ist, dass die Antragsgegnerin die Urheberin der Nachricht vom 16.08.2012 war, ist damit allein davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin die Drohungen im Dezember 2011 ausgestoßen hat. Dann aber ist es seit diesem Zeitpunkt nicht mehr zu feststellbaren Drohungen seitens der Antragsgegnerin gekommen.

Mithin kommt allein eine Befristung in Betracht. Einerseits ist die Schwere der ausgestoßenen Todesdrohungen, andererseits aber auch zu beachten, dass die Antragsgegnerin nicht mehr in H wohnt und jedenfalls nicht feststellbar ist, dass sie nach Dezember 2011 Drohungen ausgestoßen hat. Insofern kommt eine Befristung für zwei Jahre in Betracht. Die möglich Befürchtung der Antragsteller, dass die Antragsgegnerin nach Ablauf der Befristung sie erneut bedrohen könnte, ist verständlich; den Antragstellern bleibt es indes unbenommen, zu gegebener Zeit - sollte die Antragsgegnerin wieder an frühere Verhaltensweisen anknüpfen - auf eine Verlängerung des ergangenen Beschlusses anzutragen.

Nach alledem waren die in dem angefochtenen Beschluss getroffenen Maßnahmen zeitlich für zwei Jahre zu befristen.

III.

Der Senat hat von einer erneuten mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz absehen, weil hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), zumal die Beteiligten keine neuen streitigen Gesichtspunkte vorgetragen haben, die für die Sachdienlichkeit erneuter Anhörung sprechen. Hierauf hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 26.03.2013 verwiesen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beschwerde der Antragsgegnerin überwiegend erfolgslos geblieben ist. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 FamGKG.

   
(Unterschriften)