Mit
dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Delmenhorst dem
Antragsteller die begehrte Prozesskostenhilfe für die
beabsichtigte Klage auf Unterlassung ehrverletzender
Äußerungen versagt.
Die
hiergegen eingelegte Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg; denn
das Amtsgericht hat zu Recht die Erfolgsaussicht der beabsichtigten
Klage verneint.
Die
beabsichtigte Klage ist
unzulässig.
Nach
§ 1 Abs. 1 S. 1 Niedersächsisches Gesetz zur
obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung
(Niedersächsisches Schlichtungsgesetz - NSchlG) ist in den in
Absatz 2 genannten Streitigkeiten die Erhebung einer Klage vor den
Amtsgerichten erst zulässig, nachdem vor einem Schiedsamt nach
dem Niedersächsischen Schiedsämtergesetz
(NSchÄG) als Gütestelle versucht worden ist, die
Streitigkeit zwischen den Parteien einvernehmlich beizulegen
(obligatorische Streitschlichtung).
In
Abs. 2 Nr. 4 dieses Gesetzes ist als Streitigkeit
aufgeführt:
"wegen
Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder
Rundfunk begangen worden ist."
Eine
solche Streitigkeit liegt hier vor. Die Parteien wohnen unter derselben
Anschrift. Gleichwohl nutzten sie das soziale Netzwerk "Facebook",
nachbarschaftliche Differenzen auszutragen. Der Meinungsaustausch
eskalierte sodann, indem der Antragsgegner den Antragsteller mehrfach
mit Verbalinjurien sexuellen Inhalts bedachte und in einem Beitrag
äußerte: "…ich wünsche dir und
deiner Rasse den tot".
Derartige
Äußerungen stellen eine reine Ehrverletzung dar. Die
Ehre ist ein Unterfall des durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete
Persönlichkeitsrechts. Ginge die Verletzungshandlung
über die Ehrverletzung hinaus und läge eine
weitergehende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
vor, hinderte das NSchÄG nicht die sofortige Klage vor dem
Zivilgericht.
Die von dem
Antragsgegner geäußerten Schimpfworte stellen eine
Formalbeleidigung i.S. des § 185 StGB dar und sind
zivilrechtlich als reine Ehrverletzung zu
behandeln. Die Todesdrohung
könnte sich hingegen gegen die auch durch das
Gewaltschutzgesetz geschützten weiteren Rechtsgüter
Leben, Körper und Gesundheit richten und damit über
die Ehrverletzung hinausgehen.
In
einem solchen Fall ist zu prüfen, ob eine solche
Äußerung als Bedrohung oder als Beleidigung gemeint
und aufzufassen ist.
Aus dem
Kontext der gesamten Aussagen ist nicht zu entnehmen, dass der
Antragsgegner den Antragsteller körperlich attackieren will.
Unter diesem Blickwinkel ist der Tod einerseits als Wunsch formuliert
und zum anderen beleidigend gemeint. Es sollte die Missachtung
ausgedrückt werden: Die "Rasse" des Antragstellers habe kein
Recht auf Leben und nichts anderes als den Tod
verdient.
Handelt es sich
somit bei den Äußerungen des Antragsgegners um
Ehrverletzungen, fände das NSchÄG gleichwohl keine
Anwendung, wenn diese "in Presse oder Rundfunk" begangen worden
wären.
Äußerungen
in "Facebook"
sind dem nicht gleichzustellen. Der zivilrechtliche
Rundfunkbegriff wird in Niedersachsen von § 2 Staatsvertrag
für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag - RStV)
definiert. Mitteilungen in Facebook würden nach § 2
Abs. 3 RStV nicht als Rundfunk gelten. Danach sind Angebote kein
Rundfunk, die weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen
Empfang angeboten werden (Nr. 1), ausschließlich
persönlichen oder familiären Zwecken dienen (Nr. 3)
oder nicht journalistisch-redaktionell gestaltet sind (Nr.
4).
Mindestens das Letzte
wäre hier der Fall.
Der
vom Bundesverfassungsgericht verwendete Rundfunkbegriff geht weiter. So
heißt es im Beschluss vom 27.03.1987 (BVerfGE 74, 297, Rn
132):
"Soll
die
Rundfunkfreiheit in einer sich wandelnden Zukunft ihre normierende
Wirkung bewahren, dann kann es nicht angehen, nur an eine
ältere Technik anzuknüpfen, den Schutz des
Grundrechts auf diejenigen Sachverhalte zu beschränken, auf
welche diese Technik bezogen ist, und auf diese Weise die
Gewährleistung in Bereichen obsolet zu machen, in denen sie
ihre Funktion auch angesichts der neuen technischen
Möglichkeiten durchaus erfüllen
könnte."
Unter diesem
Blickwinkel kann das Internet unter den Rundfunkbegriff subsumiert
werden.
Das gilt jedoch nicht
für die Auslegung des Rundfunkbegriffs im NSchÄG.
Dort geht es um die gerichtliche Zuständigkeit. Für
den ähnlichen Fall der richterlichen Zuständigkeit
des Einzelrichters in Zivilsachen hatte der Gesetzgeber im
Gesetzgebungsverfahren unter der Ziff. a) in § 348 Abs. 1 ZPO
- Streitigkeiten in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen - die
herausgehobene öffentliche Bedeutung dieser
Rechtsstreitigkeiten im Auge (BT-Drucks. 14/4722 S.
88).
Facebook-öffentlich
ausgetragene Meinungsverschiedenheiten genießen nicht diese
öffentliche Bedeutung. Die Kammer verwendet daher für
die hier zu entscheidende Zuständigkeitsfrage die Abgrenzung
des § 2 Abs. 3 RStV. Hier handelt es sich um eine
persönliche Auseinandersetzung die zudem nur
Facebookmitgliedern zugänglich
ist.
Facebookseiten sind auch
nicht als Presse zu verstehen. Unter "Presse" werden in erster Linie
periodisch erscheinende Werke verstanden, es können aber auch
Bücher, Flugblätter oder Plakate darunter fallen
(Schiwy/Schütz/Dörr, Medienrecht, 5. Aufl., Stichwort
"Pressefreiheit", S. 424). Nach dem Schutzzweck können
Äußerungen der hier in Rede stehenden Form dem nicht
gleichgestellt werden.