2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens nach einem Wert
von € 50.000,-- zu tragen.
Gründe
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine von der Antragsgegnerin
verbreitete Berichterstattung. Die Antragsgegnerin ist für die
Satiresendung „ extra 3“ verantwortlich. Gegenstand
in deren Ausgabe vom 27.04.2017 war der Parteitag der A.. Die
Antragstellerin wurde auf diesem Parteitag zur Spitzenkandidatin der A.
gewählt. Im Anschluss an ihre Wahl hielt sie eine Rede, in der
es u.a. heißt: „Es muss endlich Schluss damit sein,
dass diejenigen, die auf die Missstände in unserem Land
hinweisen, härter bekämpft werden, als die
Missstände selbst. Und wir werden uns als Demokraten und
Patrioten trotz dessen nicht den Mund verbieten lassen. Denn die
politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der
Geschichte“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Anlage Ast 1 verwiesen.
In der Sendung „ extra 3“ wurde zunächst
diese Sequenz eingespielt, die dann vom Moderator mit den Worten
„Jawoll, Schluss mit der politischen Korrektheit! Lasst uns
alle unkorrekt sein, da hat die Nazi-Schlampe doch recht. War das
unkorrekt genug ? Ich hoffe!“ kommentiert wurde (vgl. Anlage
ASt 4).
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Bezeichnung als
„Nazi-Schlampe“.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht
gemäß §§ 823, 1004 BGB (analog) in
Verbindung mit Artt. 1 und 2 GG begründet. Eine andere
Anspruchsgrundlage kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Bei der Äußerung handelt es sich zweifelsohne, was
auch die Antragstellerin nicht in Abrede nimmt, um Satire. Für
die Antragsgegnerin dürfte zwar nicht die Kunstfreiheit
gemäß Art. 5 Abs. 3 GG streiten. Da nicht jede
Satire Kunst ist, reicht allein das Vorliegen von Satire für
den Schutz von Art. 5 Abs. 3 GG nicht aus. Aber die Antragsgegnerin
kann sich jedenfalls auf die Meinungsfreiheit gemäß
Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Diese steht im Rahmen der vorzunehmenden
Abwägung dem begehrten Erlass entgegen.
Satire kann einen großen Freiraum beanspruchen. Auch eine
Satire verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Betroffenen dann, wenn die von ihrer satirischen Umkleidung freigelegte
Aussage die Würde des Betroffenen in ihrem Kernbereich trifft.
Zur Ermittlung des Aussagekerns ist die satirische Einhüllung
zu entfernen und festzustellen, ob herabsetzende
Äußerungen verbreitet werden, die das
Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen. Der
Aussagekern ist von der Einkleidung zu trennen und beides gesondert zu
prüfen. Dabei ist zu beachten, dass auch die "entkleidete"
Aussage die Eigenart einer satirischen Inszenierung behält
(vgl. BVerfG, NJW 1987, 2661). Hierbei dürfen die Einzelteile
nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind im Gesamtzusammenhang zu
bewerten. Dieser für die Ermittlung des Aussageinhalts
entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für die
Beurteilung der Einkleidung. Denn andernfalls könnte bei einer
isolierten Betrachtung einzelner Teile der Einkleidung der Schutz des
Grundrechts versagt werden mit der Folge, dass die gesamte Satire
unzulässig wäre. Eine derart "sezierende
Betrachtungsweise" würde jedoch den Gestaltungsspielraum des
Äußernden in grundrechtswidriger Weise verengen. Zu
berücksichtigen ist zudem, dass die
Maßstäbe für die Beurteilung der
satirischen Einkleidung im Regelfall weniger streng sind als die
für die Bewertung des Aussagekerns (vgl. BGH, AfP 2004, 51).
Enthält der satirische Beitrag eine unrichtige
Tatsachenbehauptung, so kommt es für die rechtliche
Beurteilung auch darauf an, ob für den Empfänger
erkennbar ist, dass es sich dabei um eine für die Satire
typische Verfremdung oder Übertreibung handelt, er sie also
für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann, oder ob er
zu der irrigen Einschätzung kommen kann, die Aussage sei
tatsächlich wahr (vgl. BGH, GRUR-Prax 2017, 126).
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes hat die
Antragstellerin die in Rede stehende Bezeichnung in ihrem konkreten
Kontext hinzunehmen.
Sie steht als Spitzenkandidatin der A. im Blickpunkt der
Öffentlichkeit. Anlass für die Beschäftigung
mit ihrer Person war ihre Wahl zur Spitzenkandidatin. Als
„public figure“, die in der Öffentlichkeit
für eine Partei steht, muss sie indes auch
überspitzte Kritik hinnehmen. Anlass für die
satirische Auseinandersetzung ist zudem gerade ihre
Äußerung in ihrer Dankesrede nach der Wahl.
Die umstrittene Äußerung enthält zum einen
den Bezug zu dem Begriff „Nazi“ und zum anderen zu
dem Begriff „Schlampe“. Dem Zuschauer wird indes
deutlich, dass dieser Bezug nicht etwa deswegen hergestellt wird, weil
die Antragstellerin hinter dem Leitbild des Nationalsozialismus stehen
würde oder sie Anlass für die Bezeichnung als
„Schlampe“ gegeben hätte. Denn der
Moderator nimmt ausdrücklich Bezug auf ihre
Äußerung, dass politische Korrektheit auf den
Müllhaufen der Geschichte gehöre. Er wählt
evident eine bereits wegen der besonders scharfen Wortwahl im
Allgemeinen politisch - und auch sonst - nicht akzeptierte
Formulierung, um zu zeigen, wohin eine solche Forderung der
Antragstellerin führen könnte. Da die Antragstellerin
eine solche Forderung aufstellte, spricht er sie mit der Formulierung
direkt an.
Die Kammer kann nicht feststellen, dass die Antragstellerin durch die
klar erkennbare und der Satire gerade wesenseigene
Übertreibung so schwer in ihrem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht verletzt wäre, dass die
Meinungsfreiheit zurücktreten muss.
Es gab einen aktuellen Anlass, sich mit der Antragstellerin und ihrer
Rede auseinanderzusetzen, die Bezeichnung nimmt in satirischer Weise
Bezug auf ihre Forderung nach Abschaffung der Korrektheit, der
Zuschauer entnimmt der in Rede stehenden Äußerung
auch keine unwahre Aussage über die Antragstellerin.
Der Bezug zu „Nazi“ findet seinen Grund darin, dass
die Antragstellerin als Spitzenkandidatin der A. auftritt, einer
Partei, die in weiten Teilen der Öffentlichkeit eher als
Partei des rechten, teilweise auch sehr rechten Spektrums wahrgenommen
wird. Dies wird in der Berichterstattung von „extra 3“
auch thematisiert (vgl. Anlage ASt 4). Wie bereits oben
ausgeführt, nimmt der Zuschauer nicht an, dass die
Antragstellerin etwa Anhängerin der Nazi-Ideologie
wäre, sondern begreift es als grobe Übertreibung, die
an die Wahl der Antragstellerin zur Spitzenkandidatin der A.
anknüpft.
Der Aussagegehalt von „Schlampe“ hat zwar, wie die
Antragstellerin vorträgt, oftmals bezogen auf Frauen eine
sexuelle Konnotation. Die Kammer hat indes Zweifel, dass der Begriff
stets dahingehend verstanden wird, dass er eine Frau bezeichnet, die
Geschlechtverkehr mit häufig wechselnden Partnern hat, wie die
Antragstellerin geltend macht. Aber selbst wenn dies stets darunter
verstanden werden würde, unterstellt der Rezipient der
Antragstellerin nicht ein solches Verhalten. Denn es wird vorher
mitgeteilt, dass sie mit einer Frau zusammenlebt und mit ihr zwei
Kinder hat. Des weiteren macht sich der Moderator über ihr
Erscheinungsbild auf dem Parteitag lustig, wenn er sagt, dass sie
aussehe wie eine BWLerin, die vom Voltigieren komme. Beide Sachverhalte
verbindet man eher nicht mit dem sexuellen Lebenswandel, wie ihn die
Antragstellerin beschreibt. Es liegt daher für den Zuschauer
auf der Hand, dass die Bezeichnung nur gewählt wurde, weil die
Antragstellerin eine Frau ist, die Äußerung aber
keinerlei Wahrheitsgehalt aufweist, sondern allein die Forderung, die
politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte zu
werfen, Anlass für ihre Verbreitung war.
Der Einwand der Antragstellerin, ihre Äußerung habe
sich auf Sachverhalte und nicht auf die Beleidigung von Personen
bezogen, sie sei der Meinung, dass bestimmte Tatsachen und Sachverhalte
nicht von vorneherein aus der politischen Diskussion auszuklammern
seien, weil deren Thematisierung üblicherweise zu Konflikten
mit bestimmten Interessengruppen und von Politikern daher allgemein als
heikel empfunden werde, greift nicht durch. Ihrer
Äußerung ist eine solche Beschränkung
bereits nicht zwingend zu entnehmen. Denn die Einleitung lautet zwar,
es müsse Schluss damit sein, dass diejenigen, die auf
Missstände hinweisen, härter bekämpft
werden, als die Missstände selbst. Nachfolgend heißt
es aber, dass man sich den Mund nicht verbieten lassen wolle, denn die
politische Korrektheit gehöre auf den Müllhaufen der
Geschichte. Danach ist nicht zu erkennen, dass jeder Angesprochene
erkennen konnte, dass die Äußerung sich nur auf
Sachverhalte bezieht. Selbst wenn dies aber der Fall wäre,
würde es den Unterlassungsanspruch nicht begründen.
Denn zum einen gibt es nicht stets eine scharfe Grenze zwischen einer
polemischen Darstellung eines Sachverhaltes und der damit verbundenen
Herabwürdigung von Menschen, die von dieser Darstellung
betroffen sind, die Grenzen sind hier fließend. Zum Anderen
wirkt sich aus, dass der Satire gerade die Übertreibung und
Zuspitzung wesenseigen ist. Die Äußerung der
Antragstellerin darf daher auch in einem anderen weiteren Sinne, der
aber weiterhin die Forderung nach Abschaffung der politischen
Korrektheit thematisiert, aufgegriffen werden.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, es liege eine
Formalbeleidigung vor, steht dem entgegen, dass eine Auseinandersetzung
in der Sache erfolgte, so dass eine Formalbeleidigung ausscheidet.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die konkrete
Einkleidung ebenfalls keine hinreichend Verletzung der Antragstellerin
erkennen lässt. Der Moderator äußert sich
lediglich, Bilder oder sonstige Besonderheiten, durch die die
Antragstellerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
verletzt sein könnte, wurden nicht verwandt.
Der Hinweis der Antragstellerin auf die Entscheidung der Kammer zum
Az.. 324 O 402/16 geht fehl. Es bedarf keiner näheren
Äußerungen, dass die jeweils umstrittenen
Äußerungen und ihre Darbietung sich in ihrer Schwere
in ganz erheblicher Weise unterscheiden.
Aus der Entscheidung des OLG Köln vom 15.12.2016 (vgl. Anlage
Ast 8) folgt nichts anderes, da dem dortigen Verfahren keine Satire
zugrunde lag.