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Beleidigung Urteil Abmahnung
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Aktenzeichen: 3 Sa 644/12 |
Verkündet am:
10.10.2012
|
LANDESARBEITSGERICHT
HAMM
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
dem
Rechtsstreit
...
-
Kläger -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt
...
g e
g e n
...
- Beklagter
-
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt
...
...
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom
29.03.2012 - 3 Ca 1283/11 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen
Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses. Der am
11.12.1984 geborene Kläger befand sich seit dem
01.09.2010 in einem Ausbildungsverhältnis zum Mediengestalter
Digital und Print mit der Fachrichtung Gestaltung und Technik bei dem
Beklagten. Grundlage des Ausbildungsverhältnisses war ein
schriftlicher
Berufsausbildungsvertrag vom 23.08.2010. Seine
Ausbildungsvergütung betrug zuletzt 430 €
brutto. Der Beklagte betreibt ein Unternehmen für
Internetdienstleistungen. Unter anderem werden Facebook-Profile
für Kunden erstellt. Der Beklagte beschäftigt
regelmäßig weniger
als 10 Mitarbeiter. Auf dem privaten Facebook-Profil des
Klägers (vgl. Bl. 29 bis
31 d.A.) befindet sich unter der Rubrik "Arbeitgeber" die folgende
Eintragung: "Arbeitgeber: menschenschinder & ausbeuter
Leibeigener ??Bochum daemliche scheisse fuer mindestlohn - 20 %
erledigen"
Mit Schreiben vom 21.06.2011, das dem Kläger unter dem
22.06.2011 zuging, kündigte der Beklagte das mit dem
Kläger bestehende Ausbildungsverhältnis fristlos,
weil er den Beklagten in dem Facebook-Profil
als "menschenschinder
& ausbeuter" bezeichnet habe, er den Beklagten als
"Leibeigener" halte und der Kläger "daemliche scheisse fuer
mindestlohn - 20 %" erledige.
Hinsichtlich des genauen Inhalts des Kündigungsschreibens wird
auf das Kündigungsschreiben des Beklagten vom 21.06.2011 (Bl.
10 d.A.) Bezug genommen.
Mit der vorliegenden, unter dem 12.07.2011 beim Arbeitsgericht
eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung der
Nichtbeendigung des Berufsausbildungsverhältnisses durch diese
Kündigung.
In einer Schlichtungsverhandlung vor dem zuständigen
Schlichtungsausschuss unter dem 27.07.2011 kam ein Spruch nicht
zustande. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die
Kündigung schon deswegen nicht gerechtfertigt sei, weil er in
dem Facebook-Eintrag
zu keinem Zeitpunkt erwähnt habe, wo
seine Ausbildung stattfinde, er zudem nie erwähnt habe, dass
es sich überhaupt um ein Ausbildungsverhältnis
handele.
Ferner sei der Eintrag zwar unsachlich, stelle aber keine
Formalbeleidigung, Schmähung oder Angriff auf die
Menschenwürde des Beklagten dar. Die
Äußerung sei übertrieben und lustig gemeint
gewesen sei und habe zu keinem Zeitpunkt die Realität
darstellen sollen. Der Zusammenhang mit dem ganzen Profil lasse
erkennen, dass die Äußerung keinesfalls ernst zu
nehmen gewesen sei.
Außerdem sei eine allgemeine Kritik an den wirtschaftlichen
und sozialen Verhältnissen einerseits und den betrieblichen
Verhältnissen andererseits vom Grundrecht der freien
Meinungsäußerung gedeckt. Ohnehin habe er nicht
damit rechnen müssen, dass der Beklagte sich sein
Facebook-Profil ansehe. Insbesondere habe er, so hat er hierzu
behauptet, den Beklagten nicht auf sein Facebook-Profil
hingewiesen.
Jedenfalls habe es, so hat der Kläger die Auffassung
vertreten, vor Ausspruch der Kündigung einer Abmahnung bedurft.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis durch die
Kündigung vom 21.06.211, ihm zugegangen am 22.06.2011, nicht
aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung
gerechtfertigt sei, weil der Kläger ihn in nicht zu
rechtfertigender und nicht zu entschuldigender Weise beleidigt habe.
Die Beschreibung stelle auch eine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne
dar. Daraus sei ersichtlich, dass seitens des Klägers eine
konkrete Beleidigungsabsicht bestanden habe. Bei der Eintragung handele
es sich auch nicht um eine spontane Unmutsäußerung
des Klägers, sondern um die planvolle Gestaltung des
Facebook-Profils.
Die Äußerungen seien auch nicht
mehr vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Unzutreffend sei auch, dass die in Rede stehenden
Äußerungen keinen konkreten Bezug zu ihm
hätten. Der Kläger habe ihn, so hat der Beklagte
behauptet, am 16.06.2011 auch besonders darauf aufmerksam gemacht, dass
er über ein Facebook-Profil
verfüge und dort auch
über seine Arbeit berichte.
Einer Abmahnung habe es seiner Meinung nach vor Ausspruch der
Kündigung insbesondere vor dem Hintergrund, dass er einen
Kleinstbetrieb führe und der Kläger bereits 27 Jahre
alt sei, nicht bedurft.
Mit Urteil vom 29.03.2012 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das
zwischen den Parteien bestehende Berufsausbildungsverhältnis
durch die Kündigung des Beklagten vom 21.06.2011 nicht
aufgelöst worden ist.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die
Kündigung halte einer Überprüfung an den
Maßstäben des § 22 BBiG nicht stand. Eine
grobe Beleidigung des Ausbildenden könne zwar
grundsätzlich geeignet sein, eine fristlose Kündigung
eines Berufsausbildungsverhältnisses zu rechtfertigen. Die in
Rede stehenden Eintragungen durch den Kläger hätten
gegenüber dem Beklagten als Ausbildenden ohne Zweifel
beleidigenden Charakter. Auch habe der Kläger den Beklagten im
vorliegenden Fall zwar nicht direkt angesprochen, er könne
sich aber nicht darauf zurückziehen, dass es sich um
allgemeine Gesellschaftskritik handeln sollte, die von seinem Recht auf
Meinungsfreiheit gedeckt wäre. Er habe die Eintragung auf
seinem Facebook-Profil
unter der Rubrik "Arbeitgeber" vorgenommen, so
dass sie einen Rückschluss auf den Beklagten zulasse, der als
Ausbildender diese Äußerungen durchaus auf sich
beziehen durfte. Dieses gelte auch, wenn der Beklagte für
Außenstehende mangels Namensnennung nicht identifizierbar
gewesen sei.
Es habe aber nicht angenommen werden können, dass der
Kläger den Beklagten durch einen Hinweis in einem
Gespräch am 16.06.2011 mit Absicht auf sein privates
Facebook-Profil gelotst habe, was gegebenenfalls zu einer anderen,
schwerwiegenderen Bewertung des Verhaltens des Klägers
geführt hätte. Bereits der Vortrag des Beklagten
hierzu sei sehr pauschal gehalten, jedenfalls liege auch kein
zulässiger Beweisantritt vor.
Der Kläger habe des Weiteren zumindest damit rechnen
müssen, dass der Beklagte bei Kenntnisnahme der Eintragung
unter der Rubrik "Arbeitgeber" diese auf sich beziehe und sich
persönlich angesprochen fühlen könne,
allerdings habe der Kläger die Äußerungen
nicht im Rahmen eines Chats mit Freunden getätigt, so dass die
Äußerungen nicht als vertrauliches Gespräch
unter Freunden oder Kollegen gewertet werden konnte. Der
Kläger habe um die Gefahren wissen müssen, die von
geschriebenen Worten in sozialen Netzwerken ausgehen können.
Dennoch sei der Ausspruch einer fristlosen Kündigung nicht
angemessen. Dem Beklagten sei es zumutbar gewesen, durch eine Abmahnung
oder Kritikgespräche zunächst zu versuchen, eine
Änderung des Verhaltens des Klägers und eine
entsprechende Einsicht hinsichtlich des Fehlverhaltens
herbeizuführen. Des Weiteren sei zu berücksichtigen,
dass der Kläger den Beklagten nicht mit persönlich an
ihn gerichteten Worten direkt konfrontiert hat. Im Übrigen sei
bei der Gesamtbetrachtung des Facebook-Profils
des Klägers -
insbesondere unter Berücksichtigung der vom Kläger
eingetragenen "Lieblingszitate" - auffällig, dass viele
Eintragungen nicht ernst gemeint sein dürften.
Gegen das unter dem 25.04.2012 zugestellte Urteil, auf dessen
Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird,
hat der Beklagte unter dem 09.05.2012 Berufung zum Landesarbeitsgericht
eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.07.2012 unter dem
20.07.2012 begründet.
Der Beklagte verbleibt bei seiner Ansicht, die streitbefangene
Kündigung habe das Berufsausbildungsverhältnis
wirksam aufgelöst.
Zutreffend gehe das Arbeitsgericht davon aus, die Eintragung auf dem
privaten Facebook-Profil
habe beleidigenden Charakter. Hieran
ändere sich nichts dadurch, dass der Kläger ihn nicht
direkt beschimpft habe. Beleidigungen stellten einen wichtigen Grund
zur Kündigung im
Sinne des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG dar. Ihm sei es nicht
zumutbar gewesen, am Ausbildungsverhältnis
festzuhalten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die
Kündigung
bereits nach einer Dauer des Ausbildungsverhältnisses von erst
9 Monaten erfolgt sei, der Kläger ohnehin durch ein fatales
Abschneiden bei der Zwischenprüfung deutlich gemacht habe,
kein Interesse an der Ausbildung zu haben.
Zutreffend gehe das Arbeitsgericht auch davon aus, dass eine grobe
Beleidigung die Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung
rechtfertige, wenn der Beklagte ihn auf sein Profil hingewiesen habe.
Gerade dies sei jedoch der Fall gewesen. Der Kläger habe, so
verbleibt der Beklagte bei seiner Behauptung, in einem
Kritikgespräch am 16.06.2011 auf sein Facebook-Profil
hingewiesen. Seinen Beweisantritt habe das Arbeitsgericht nicht
unberücksichtigt lassen dürfen.
Selbst ohne entsprechenden Hinweis sei die Kündigung seiner
Meinung nach jedoch gerechtfertigt; das Arbeitsgericht habe die Schwere
der Pflichtverletzung nicht zutreffend gewertet. Dabei könne
der Kläger sich nicht darauf berufen, es handele sich bei dem
Eintrag um einen vertraulichen Inhalt unter engen Freunden, da
insbesondere aus dem Eintrag ersichtlich werde, dass 112 Freunde seine
Facebook-Seite
regelmäßig besuchten. Denen sei auch
sicherlich bekannt gewesen, wo der Kläger ausgebildet werde.
Zudem sei die Seite für jeden Internet-Nutzer
zugänglich gewesen. Zudem habe Kontakt zu Kunden auch mit dem
Kläger bestanden, für die nichts näher
gelegen habe, als seine, des Beklagten, und die Profile der Mitarbeiter
einzusehen.
Auch habe seine Internetseite, so behauptet der Beklagte, zum Zeitpunkt
der Begründung des Ausbildungsverhältnisses eine
Benennung des Klägers mit Namen enthalten. Auch handele es
sich bei der Eintragung nicht um eine
Fantasiebezeichnung. Der gesamte Eintrag enthalte auch ernst gemeinte
Angaben. Schließlich handele es sich keineswegs um eine nicht
durchdachte Handlung, wie der Umstand zeige, dass der Kläger
im Laufe des Verfahrens das Bild seiner Freundin durch eine
Comiczeichnung ersetzt habe. Ferner treffe der Hinweis des
Arbeitsgerichts auf eine
Erziehungspflicht für den Kläger nicht zu; bei einem
Auszubildenden, der bereits seit fast einem Jahrzehnt
volljährig sei, könne ein Erziehungszweck nicht mehr
durchschlagen. Letztlich habe das Arbeitsgericht außer Acht
gelassen, dass
angesichts der Betriebsgröße ein besonderes
Näheverhältnis gegeben und daher ein besonderes
Vertrauen zwischen den Parteien notwendig sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts
Bochum vom 29.03.2012, Az 3 Ca 1283/11,
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.
Das Arbeitsgericht habe zutreffend angenommen, dass sein Verhalten
keinen wichtigen Grund zur Kündigung darstelle. Dabei sei sein
Alter von 26 Jahren irrelevant. Ebenso seien seine
Leistungen und Noten auch nicht indiskutabel gewesen; es sei daher
unzutreffend, dass er kein Interesse an der Ausbildung gehabt habe.
Eine Volljährigkeit stehe dem Erfordernis des Erziehungszwecks
nicht entgegen. Der Kläger bestreitet weiterhin, den Beklagten
in einem
Gespräch auf einen Bericht über sein
Ausbildungsverhältnis auf Facebook
hingewiesen zu haben. Ohnehin stelle seine Äußerung
keine massive
Beleidigung dar; immerhin habe er den Beklagten nicht direkt
angesprochen. Auch habe der Beklagte nicht fürchten
müssen, dass
Kunden auf sein Facebook-Profil schauen könnten. Er sei zu
keinem Zeitpunkt auf der Homepage des Beklagten zu erkennen gewesen.
Ebenso stelle seine Äußerung keine anderweitige
schwere Pflichtverletzung dar. Selbst wenn man davon ausgehe, dass er
mit der Eintragung den Beklagten direkt habe ansprechen wollen, sei zu
berücksichtigen, dass seine Äußerung von
dem Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt
der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und auch
begründet.
A.
Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung
bestehen nicht.
Die Berufung ist statthaft gemäß
§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 c) ArbGG.
Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6
ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
B.
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet.
Das Ausbildungsverhältnis der Parteien ist durch die
außerordentliche Kündigung des Beklagten vom
21.06.2011 wirksam beendet worden.
I. Die Kündigung des Beklagten vom 21.06.2011 wahrt das
Schriftformerfordernis ebenso wie das Erfordernis der Angabe der
Kündigungsgründe aus § 22 Abs. 3 BBiG, da
die Kündigung schriftlich erfolgt ist und der Sachverhalt der
Eintragung der in Rede stehenden Angaben zum Arbeitgeber auf der
Facebook-Seite des Klägers ausführlich im
Kündigungsschreiben unter wörtlicher Wiederholung
durch den Beklagten geschildert worden ist.
II. Der Beklagte hat mit der Kündigung vom 21.06.2011 bei
Zugang am 22.06.2011 auch die
Kündigungserklärungsfrist des § 22 Abs. 4
Satz 1 BBiG gewahrt, da er unwidersprochen erstmals Kenntnis von der
Eintragung jedenfalls nicht vor dem 16.06.2011 genommen hat.
III. Die Kündigung ist nach Auffassung der Kammer auch durch
einen wichtigen Grund gedeckt.
1. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1
Berufsbildungsgesetz kann das Berufsausbildungsverhältnis nach
der Probezeit nur aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer
Kündigungsfrist gekündigt werden. Entsprechend der Definition in § 626 Abs. 1 BGB ist ein
wichtiger Grund dabei dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund
derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der
Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des
Berufsausbildungsverhältnisses bis zum Ablauf der
Ausbildungszeit nicht mehr zugemutet werden kann. Bei der Prüfung des wichtigen Grundes ist dabei auch die
Zweckbestimmung des Vertrages, zu einem Berufsabschluss für
den Auszubildenden zu führen, zu berücksichtigen
(BAG, 22.06.1972, EzA BGB § 611 Ausbildungsverhältnis
Nr. 1; BAG, 10.05.1973, EzA Berufsbildungsgesetz § 15 Nr. 2).
2. Nach § 626 Absatz 1 BGB ist bei allen
Kündigungsgründen eine Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalles und eine Abwägung der
Interessen beider Vertragsteile erforderlich. Dieses Erfordernis
schließt es aus, bestimmte Tatsachen ohne Rücksicht
auf die Besonderheit des Einzelfalles stets als wichtigen Grund zur
Kündigung anzuerkennen; es gibt im Rahmen des § 626
Absatz 1 BGB keine absoluten Kündigungsgründe (BAG,
23.01.1963, EzA GewO § 124a Nr. 3).
Die Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes hat daher
in zwei systematisch zu trennenden Abschnitten zu erfolgen:
Vorrangig ist zu prüfen, ob ein bestimmter Grund an sich
geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu
rechtfertigen. Sofern dies bejaht wird, bedarf es nach § 626
Absatz 1 BGB des weiteren der Prüfung, ob die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der
konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung
der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (BAG,
17.05.1984, EzA BGB § 626 n.F. Nr.90, BAG, 13.12.1984, EzA BGB
§ 626 n.F. Nr.94).
3. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien stellt sich die
außerordentliche Kündigung des Beklagten vom
21.06.2011 als wirksam dar.
a) Ein Umstand ist in der Regel nur dann geeignet, eine
außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn er
sich konkret auf das Vertragsverhältnis auswirkt. Die
Fortsetzung des Vertragsverhältnisse muss durch objektive
Umstände, die Einstellung oder das Verhalten des
Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen
Verbundenheit, im Vertrauensbereich der Vertragsparteien oder im
Unternehmensbereich beeinträchtigt sein (BAG, 06.02.1969, EzA
BGB § 626 Nr. 11; BAG, 20.09.1984, EzA BGB § 626 n.F.
Nr. 91). Nichts anderes gilt vom Grundsatz her für die
Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten ist dabei in
der Regel dann berechtigt, wenn eine Vertragspflicht, in der Regel
schuldhaft, in erheblicher Weise verletzt wird, das
Vertragsverhältnis hierdurch konkret beeinträchtigt
wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderweitigen
Beschäftigung nicht gegeben ist und die Beendigung des
Vertragsverhältnisses unter Abwägung der
beiderseitigen Interessen billigenswert und angemessen erscheint. Es
gilt dabei das Prognoseprinzip; eine Kündigung ist keine
Sanktion für vergangene Pflichtverletzungen, sondern
Vermeidung des Risikos weiterer Verletzungen, so dass sich die
Pflichtverletzung auch künftig noch auswirken muss (vgl.
insoweit zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses
BAG, 13.12.2007, EzA KSchG § 4 n.F. Nr. 82). Für eine Kündigung kommt dabei nicht nur die
Verletzung vertraglicher Hauptpflichten, sondern auch die Verletzung
vertraglicher Nebenpflichten in Betracht, so dass es für die
Entscheidung dieses Falls dahingestellt bleiben kann, ob die in Rede
stehende Pflichtverletzung "nur" einer Nebenpflicht im
Berufsausbildungsverhältnis zuzurechnen ist.
b) § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet jeden Vertragspartner zur
Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und
Interessen des anderen Teils. Zu den Pflichten eines Arbeitnehmers gehört es dabei nach
§ 241 Abs. 2 BGB, auf die geschäftlichen Interessen
des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und sie in zumutbarem
Umfang zu wahren (BAG, 05.11.2009, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 28).
Über § 10 Abs. 2 BBiG findet diese Bestimmung auch
auf das Berufsausbildungsverhältnis Anwendung.
c) Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter oder
Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und
Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen
bedeuten, stellen einen erheblichen Verstoß eines
Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis
dar und sind an sich geeignet, eine außerordentliche
fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu
rechtfertigen. Dabei schützt das Grundrecht der
Meinungsfreiheit weder Formalbeleidigungen und bloße
Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen.
Arbeitnehmer sind zwar berechtigt, unternehmensöffentlich auch
Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen zu
äußern, unter Umständen auch in
überspitzter oder polemischer Form; in groben Maße
unsachliche Angriffe, die beispielsweise unter anderem zur Untergrabung
der Position eines Vorgesetzten führen können, muss
der Arbeitgeber demgegenüber nicht hinnehmen (BAG, 07.07.2011,
DB 2012, 58; BAG, 26.05.1977, EzA BGB § 611
Beschäftigungspflicht Nr. 2; BAG 21.01.1999, EzA BGB
§ 626 n.F. Nr. 178; BAG, 10.10.2002, EzA BGB 2002 §
626 Unkündbarkeit Nr.1; BAG, 10.12.2009, EzA BGB 2002
§ 626 Nr. 29). Entsprechendes gilt für bewusst
wahrheitswidrig aufgestellte
Tatsachenbehauptungen, etwa wenn sie den Tatbestand der üblen
Nachrede erfüllen (BAG, 10.12.2009, a.a.O.). Dabei kann auch
eine einmalige Ehrverletzung
kündigungsrelevant sein und ist umso schwerwiegender zu
bewerten, je unverhältnismäßiger und
überlegter sie erfolgte (BAG, 10.10.2002, a.a.O.).
Für ein Berufsausbildungsverhältnis sind insoweit
grundsätzlich keine anderen Maßstäbe
aufzustellen. Die Form einer groben Beleidigung liegt dabei dann vor,
wenn es sich um
eine besonders schwere, kränkende Beleidigung handelt, wenn
eine bewusste und gewollte Ehrkränkung aus gehässigen
Motiven damit verbunden ist (BAG, 18.07.1957, EzA GewO § 124a
Nr. 1).
d) Hiernach stellen die Eintragungen des Klägers
bezüglich seines Arbeitgebers auf seiner Facebook-Seite massiv
ehrverletzende Äußerungen dar, die zum Ausspruch
einer außerordentlichen Kündigung des
Berufsausbildungsverhältnisses geeignet sind.
aa) Die Beschreibung des Arbeitgebers als "Menschenschinder" und
"Ausbeuter" stellen sich als eine besonders ehrverletzende
Äußerung dar, da hiermit dem Arbeitgeber eine
Einstellung anderen, insbesondere Abhängigen,
gegenüber attestiert wird, die sich auf einer sehr niedrigen
Stufe bewegt. Gleiches gilt für die Darstellung der
Leibeigenschaft, da auch hiermit eine eminent feindliche Gesinnung
beschrieben wird. Wenn zusätzlich die zu verrichtende Tätigkeit als
"dämliche Scheiße" bezeichnet wird und diese in
Zusammenhang mit einer besonders niedrigen Vergütung gebracht
wird, liegt eine Häufung massiv ehrkränkender
Äußerungen vor, die den Arbeitgeber in einem extrem
schlechten Licht erscheinen lassen. Dabei ist es für die Eignung zum Ausspruch einer
außerordentlichen Kündigung auch ohne Bedeutung,
dass der Kläger die ehrverletzenden
Äußerungen nicht in verbaler Form getätigt
hat. Die Lesbarkeit im Netz sowohl für den Beklagten selbst,
aber auch für Dritte hat die gleiche Wertigkeit wie eine
entsprechende verbale Äußerung. Es gibt keinen irgendwie gearteten Freiraum, im Netz
ehrkränkende Äußerungen über
andere abgeben zu können. Die getätigten Eintragungen lassen sich auch nicht als
bloße Darstellung einer Fantasiewelt oder als
überzogene Lustigkeiten und lediglich effektheischerische
Sprüche abtun. Die weiteren Angaben auf der Facebook-Seite
über Sport, Filme,
Musik, Bücher und Fernsehen entspringen der Realität,
sind jedenfalls für einen dritten Leser keinesfalls als
Fantasieangaben zu erkennen. Auch die Angabe der Lieblingszitate mag davon geprägt sein,
einen besonderen "Witz" zu offenbaren, lässt aber nicht
erkennen, warum die Angaben zum Arbeitgeber auch eine solche
Darstellungsform haben sollen, zumal Begrifflichkeiten gewählt
werden, die einen feststehenden Inhalt haben.
bb) Der Kläger kann sich dabei nicht auf ein Recht zur freien
Meinungsäußerung berufen, da dieses
Schmähungen und Formalbeleidigungen nicht deckt, zudem seine
Grenze in den berechtigten Interessen Dritter hat.
Das Recht des Klägers, seine Meinung zu seinem Arbeitgeber
darzustellen, muss insoweit hinter das Recht des Beklagten
zurücktreten, nicht in einem öffentlich
zugänglichen Forum pauschal diffamiert zu werden.
cc) Ob sich die Äußerungen des Klägers
dabei als Beleidigung im strafrechtlichen Sinne darstellen, ist
für die Bewertung des Verhaltens nicht von Bedeutung. Bei einer außerordentlichen Kündigung kommt es nicht
auf die strafrechtliche Wertung eines Verhaltens, sondern darauf an, ob
dem Ausbildenden aufgrund des Verhaltens des Auszubildenden nach dem
gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des
Berufsausbildungsverhältnisses noch zuzumuten ist (so zum
Arbeitsverhältnis: BAG, 25.11.2010, EzA BGB 2002 §
626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; BAG, 05.11.1992, EzA BGB
§ 626 n.F. Nr. 143).
dd) Die Angaben sind auch auf den Beklagten bezogen. Dem Vorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass die
Eintragungen bezogen auf einen anderen Arbeitgeber vorgenommen worden
sind.
ee) Der Möglichkeit der Kündigung steht auch nicht
entgegen, dass der Beklagte nicht namentlich benannt ist, sondern die
in Rede stehende Eintragung lediglich dem "Arbeitgeber" des
Klägers zuzuordnen ist. Soweit es um die Lesbarkeit der Seite durch den Beklagten selbst geht,
ist eine Zuordnung zu ihm als dem derzeitigen Arbeitgeber ohne Weiteres
gegeben. Soweit es um eine Lesbarkeit der Seite durch Dritte geht, ist
gleichfalls die Möglichkeit einer Erkennbarkeit des Beklagten
gegeben. Freunde und Bekannte des Klägers wissen
regelmäßig, bei wem die derzeitige
Beschäftigung stattfindet. Auch für
Geschäftspartner des Beklagten ist die Möglichkeit
einer Erkennbarkeit gegeben, da diese regelmäßig
über ihren geschäftlichen Kontakt nach aller
Lebenserfahrung im Laufe der Zeit den Kläger zuordnen
können, ohne dass es darauf ankommt, ob eine solche Zuordnung
durch Angaben auf der Geschäftsseite des Beklagten
ermöglicht wird. ff) Für die Eignung zur Kündigung kommt es dabei auch
nicht darauf an, ob der Kläger den Beklagten in einem
Gespräch am 16.06.2011 gesondert auf seine Facebook-Seite
hingewiesen und ihn damit zu seinen Äußerungen
über ihn hat führen wollen; denn auch ohne einen
solchen gesonderten Hinweis musste der Kläger jederzeit damit
rechnen, dass der Beklagte in dem allgemein zugänglichen
Rahmen auf diese Seite stößt und die Meinung des
Klägers über ihn erfahren muss. Zudem bestand aufgrund der allgemeinen Zugänglichkeit der
Seite im Netz jederzeit die Möglichkeit, dass Dritte wie
Kunden oder sonstige Geschäftspartner des Beklagten Kenntnis
von der Darstellung des Klägers erhalten und der Beklagten
daher als ein besonders infamer Ausbilder aus der Sicht eines
Auszubildenden einzuschätzen ist.
e) Die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls
und die Abwägung der beiderseitigen Interessen
führten zum Ergebnis, dass dem Beklagten die Fortsetzung des
Berufsausbildungsverhältnisses nicht mehr zuzumuten war.
aa) Die bei der Interessenabwägung zu
berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht
abschließend für alle Fälle festlegen (BAG,
Urteil vom 27.04.2006, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17; BAG
09.06.2011, DB 2012, 240). Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung sind unter
anderem das Gewicht und die Auswirkungen einer
Vertragspflichtverletzung, auch im Hinblick auf das Maß eines
durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihre wirtschaftlichen
Folgen, eine mögliche Wiederholungsgefahr, der Grad des
Verschuldens sowie die Dauer des Vertragsverhältnisses und
dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen
(BAG, Urteil vom 10.11.2005, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17, BAG,
09.06. 2011, a.a.O.)
bb) Hierzu war zum Einen zu berücksichtigen, dass das
Berufsausbildungsverhältnis zum Zeitpunkt der
Kündigung noch kein Jahr bestand und die Beendigung durch
Zeitablauf noch mehr als zwei Jahre dahinstand; erhöhte
Anforderungen an den Kündigungsgrund wegen einer
bevorstehenden Beendigung durch Zeitablauf waren daher nicht zu stellen.
Des Weiteren war zu berücksichtigen, dass es sich um massiv
ehrverletzende Darstellungen durch den Kläger handelt. Solche mögen zwar umso eher verzeihlich sein, wenn sie im
Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung oder in beiderseits
aufgeheizter Stimmung erfolgen; hier befand sich die Darstellung zum
"Arbeitgeber" aber jedenfalls nach eigenen Angaben des Klägers
im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem
Landesarbeitsgericht über mehrere Monate auf der
maßgeblichen Seite, so dass sie nicht mehr den Charakter
einer augenblicklichen, wenn auch heftig überzogenen
Unmutsäußerung genießt. Wer eine solche
Bezeichnung über längere Zeit aufrecht
erhält, will gerade, dass sie zur Kenntnis genommen und der
"Arbeitgeber" in der dargestellten Eigenschaft gesehen wird. Dabei musste dem Kläger aufgrund des
Betätigungsfeldes des Beklagten und seiner eigenen
Tätigkeit gerade bewusst sein, welche Gefahr mit einer
Eintragung auf einer allgemein zugänglichen Seite gegeben ist.
Einer Abmahnung
bedurfte es vor Ausspruch einer Kündigung
nicht.
Das Arbeitsgericht hat insoweit mit nachvollziehbarer Argumentation das
Erfordernis einer Abmahnung
gesehen, die Kammer hält die
Verhaltensweise des Klägers allerdings für so
gewichtig, dass sich eine Abmahnung
als entbehrlich darstellte. Eine Abmahnung ist nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts immer dann vor Ausspruch der Kündigung
erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten geht und eine
Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (BAG, 04.06.1997,
EzA BGB § 626 Nr. 168). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das
künftige Verhalten schon durch die Androhung von Folgen
für den Bestand des Vertragsverhältnisses positiv
beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche
Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen daher
regelmäßig eine Abmahnung voraus (BAG 24.03.2011, DB
2011, 1865). Sie dient zugleich der Objektivierung der negativen
Prognose. Besonders schwere Verstöße gegen vertragliche
Pflichten bedürfen hingegen keiner Abmahnung,
weil von
vornherein nicht mit der Billigung des Verhaltens gerechnet werden kann
und das Bewusstsein bestehen muss, dass das Vertragsverhältnis
aufs Spiel gesetzt wird (BAG, 29.07.1976, EzA KSchG § 1 Nr.
34; BAG, 12.07.1984, EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 57), wenn es
sich um schwere Pflichtverletzungen handelt, deren Rechtswidrigkeit
ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens
durch den Vertragspartner offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG,
10.02.1999, EzA KSchG§ 15 n.F. Nr. 47; BAG 24.03.2011, DB
2011, 1865).
Um eine solche schwerwiegende Pflichtverletzung handelt es sich
vorliegend, weil der Beklagte in heftiger Weise diffamiert wird, bei
der der Kläger von vornherein auch unter
Berücksichtigung der Besonderheit des
Berufsausbildungsverhältnisses nicht davon ausgehen durfte,
dass der Beklagte eine solche Verhaltensweise auch nur im Einzelfall
duldet.
Als weniger gewichtig erscheint dabei auch nicht der Umstand, dass der
Kläger den Beklagten mit den gewählten Bezeichnung
nicht direkt konfrontiert hat; nach Auffassung der Kammer macht gerade
der Umstand, dass der Kläger den in Rede stehenden Weg
gewählt hat, sein Verhalten umso schwerwiegender, weil eine
Möglichkeit des Beklagten zur Abwehr nicht gegeben ist.
Vor Ausspruch der Kündigung war es auch nicht erforderlich,
dass der Beklagte vom Kläger eine "Entschuldigung" abgefordert
hätte; es wäre vielmehr Sache des Klägers
gewesen, insoweit auf den Beklagten zuzugehen.
Schließlich kann auch nicht die Verpflichtung des Beklagten
aus § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG nicht zu einem anderen Ergebnis
führen. Die Pflicht zur charakterlichen Förderung
findet jedenfalls ihre Grenze, wenn der Ausbildende von einer Person,
die bereits das 26. Lebensjahr vollendet hat, in der vorgenommen Weise
gekränkt wird.
C.
Der Kläger hat die Kosten des erfolglos gebliebenen
Rechtsmittels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nach
§ 72 Abs. 2 ArbGG nicht.