Aktenzeichen: I
ZR 24/03
Entscheidung
vom: 30.03.2006
BUNDESGERICHTSHOF
Im
Namen
des Volkes
Urteil
AMG
§ 2, § 21; HWG § 3a; UWG § 4
Nr. 11; TDG § 4; EuGVÜ Art. 5 Nr. 3, zur
Beachtlichkeit eines Disclaimers.
a) Der Werbende kann das Verbreitungsgebiet der Werbung im Internet
durch einen sog. Disclaimer
einschränken, in dem er
ankündigt,
Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu beliefern. Um wirksam zu
sein, muss ein Disclaimer
eindeutig gestaltet und aufgrund seiner
Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen sein und vom Werbenden auch
tatsächlich beachtet werden.
b) Den Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts unterliegen
nach § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TDG Diensteanbieter, die in einem anderen Staat der
EU geschäftsansässig sind, wenn sie im Inland
für ein nicht
zugelassenes Arz-neimittel werben. Auch die Frage des Vertriebsverbots
für nicht zugelassene Arzneimittel in Deutschland richtet sich
nach
inländischem Recht.
c) Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG des
Europäischen
Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur
Änderung der Richtlinie
2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für
Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 136 v. 30.4.2004, S. 34) hat einen
neuen europarechtlich einheitlichen Arzneimittelbegriff für
Funktionsarzneimittel eingeführt, der aufgrund
richtlinienkonformer
Auslegung des § 2 AMG im Inland gilt. Der
I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung
vom 15. Dezember 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert
und Dr.
Bergmann
für
Recht erkannt:
Die
Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom
8. November 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von
Rechts wegen
Tatbestand:
Die
Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden,
unterhält
einen Internet-Versandhandel. Zu den von ihr vertriebenen Erzeugnissen
gehören die im Klageantrag näher bezeichneten
Produkte. Für diese warb
die Beklagte auf ihren Internet-Seiten u.a. folgendermaßen:
Die
Startseite des Internet-Auftritts der Beklagten enthielt jedenfalls
bis Dezember 2001 den nachstehenden Hinweis:
Gleichwohl
lieferte die Beklagte auf eine Bestellung aus November 2001
noch im Dezember 2001 die Produkte "L. TM Kapseln" und "Johanniskraut
Kapseln" nach Deutschland.
Der
klagende Wettbewerbsverein hat geltend gemacht, die
streitgegenständlichen Produkte seien Arzneimittel, die die
Beklagte
ohne Zulassung im Inland weder bewerben noch vertreiben dürfe.
Der
Kläger hat beantragt, die Beklagte unter Androhung der
gesetzlichen
Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im
geschäftlichen
Verkehr nachfolgend wiedergegebene Mittel ohne Zulassung als
Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben
und/oder zu vertreiben:
a)
K. mit Knoblauch Kapseln,
b)
L. TM Kapseln,
c)
Ly. TM Kapseln,
d)
V. TM Kapseln,
e)
Johanniskraut Kapseln.
Die
Beklagte hat die internationale Zuständigkeit deutscher
Gerichte in
Abrede gestellt und die Ansicht vertreten, die von ihr beworbenen
Produkte seien Nahrungsergänzungsmittel und keine
zulassungspflichtigen
Arzneimittel.
Sie
hat geltend gemacht, die Werbung und der Vertrieb der Produkte
seien in den Niederlanden zulässig; sie dürfe deshalb
für die Waren im
Internet werben und diese vertreiben. Dies gelte jedenfalls, wenn sie
klarstelle, nicht nach Deutschland zu liefern.
Das
Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß
verurteilt. Das
Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen (KG ZLR 2003,
604).
Mit
der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung
der Kläger
beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch aus §
1 UWG
a.F. i.V. mit §§ 2, 21 AMG, § 3a HWG
für begründet erachtet. Hierzu hat
es ausgeführt:
Die
internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge aus
Art. 5
Nr. 3 EuGVÜ. Unter den Begriff der unerlaubten Handlung im
Sinne dieser
Vorschrift fielen auch Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs.
Ort des
schädigenden Ereignisses seien der Handlungs- und der
Erfolgsort. Die
Internet-Domain sei bestimmungsgemäß in Deutschland
abrufbar. Zu dem
auf der Startseite angeführten Begriff der deutschsprachigen
Europäer
zählten neben Österreichern und Schweizern auch
Deutsche.
Zwar
könne durch einen sog. Disclaimer
das auf der ganzen Welt
abrufbare Internet-Angebot auf bestimmte Gebiete beschränkt
werden.
Die
Beklagte habe sich jedoch durch die Lieferung nach Deutschland zu
dem Disclaimer in Widerspruch gesetzt. Im Übrigen reiche die
schlüssige
Behauptung der die internationale Zuständigkeit
begründenden Umstände
aus.
Der
Unterlassungsanspruch sei begründet, weil es sich bei den
streitgegenständlichen Produkten um (Funktions-)Arzneimittel
handele,
die ohne arzneimittelrechtliche Zulassung in Deutschland nicht
vertrieben werden dürften. Maßgeblich für
die Einordnung als
Arzneimittel oder als Lebensmittel sei die an objektive Merkmale
anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung. Die
Verkehrsanschauung knüpfe
regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung
über den Zweck
vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die von den
Verwendungsmöglichkeiten solcher Mittel ihrer Art nach
abhänge. Die
Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts
könne von der Auffassung der Wissenschaft, den dem Mittel
beigefügten
Hinweisen und Werbeprospekten sowie der Aufmachung der Mittel
beeinflusst werden. Auch nach den einschlägigen
EG-Vorschriften seien
Mittel, die unter den europäischen Arzneimittelbegriff fielen,
keine
Lebensmittel.
Nach
den Werbeaussagen der Beklagten, deren Richtigkeit von den
Parteien nicht in Abrede gestellt worden sei, hätten die in
Rede
stehenden Produkte eine pharmakologische Wirkung.
Nach
der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften sei ein Erzeugnis als ein Arzneimittel anzusehen, wenn
es dazu bestimmt und geeignet sei, zur Beeinflussung der
Körperfunktion
im eigentlichen Sinne angewandt zu werden, es sei denn, die Stoffe
wirkten sich nicht nennenswert auf den Stoffwechsel aus.
Die
streitgegenständlichen Produkte hätten in diesem
Sinne eine
pharmakologische Wirkung. Es finde eine gezielte Beeinflussung der
Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers statt, der kein
gleichwertiger oder überwiegender Ernährungszweck
gegenüberstehe. Durch
die Mittel würden keine Mangelzustände aufgrund
verbrauchter Nährstoffe
ausgeglichen, sondern es werde gezielt die Herzfunktion verbessert, die
sexuelle Leistungsfähigkeit gesteigert, die Prostata
verkleinert oder
zur Aufhellung der Psyche beigetragen.
Das
Mittel "K. mit Knoblauch Kapseln" enthalte das Co- Enzym Q-10, das
den Stoffwechsel beeinflusse. Knoblauch in arzneilicher Zubereitung
diene der Vorbeugung altersbedingter
Gefäßerkrankungen.
Die
Mittel "L. TM Kapseln" und "V. TM Kapseln" würden als
natürliche,
sichere, patentierte und klinisch erprobte Rezepturen zur Steigerung
der sexuellen Leistungsfähigkeit beworben, die durch eine
klinisch
erprobte Formel zur Erhöhung der Produktion des
Neutrotransmitters
"Stickstoffmonoxyd" die Durchblutung der Sexualorgane steigern sollten.
Die Mittel würden in den Stoffwechsel eingreifen. Durch den
Hinweis auf
eine klinische Erprobung werde das Verkehrsverständnis einer
pharmakologischen Wirkung verstärkt.
Das
Mittel "Ly. TM Kapseln" helfe, eine vergrößerte
Prostata zu
verkleinern und einem häufigen Harndrang entgegenzuwirken, und
manipuliere ebenfalls die Körperfunktionen.
Die
Wirkung der Johanniskraut-Kapseln sei auf die Förderung
einer
positiven Einstellung und einer stabilen Gemütslage gerichtet.
Johanniskraut werde in arzneilicher Zubereitung bei psycho-vegetativen
Störungen wie Angst und nervöser Unruhe sowie
depressiven Verstimmungen
angewandt. Es habe die Zweckbestimmung eines Arzneimittels und
manipuliere die Körperfunktionen.
Bei
der Einnahme der Mittel seien Gesundheitsrisiken nicht
auszuschließen; es bestehe die Gefahr der unsachgerechten
Selbstmedikation durch Einnahme der Mittel unter
Vernachlässigung eines
gebotenen Arztbesuchs.
Das
Vertriebs- und Werbeverbot nach § 21 AMG, § 3a
HWG gelte auch dann,
wenn die Mittel in einem anderen EU-Mitgliedstaat
zulässigerweise auf
dem Markt sein sollten. Handele es sich um in einem anderen
Mitgliedstaat frei verkäufliche
Nahrungsergänzungsmittel ohne
arzneimittelrechtliche Zulassung oder Registrierung, fehle es an einer
Grundlage, die Mittel ohne entsprechendes Prüfverfahren als
gleichwertig mit im Inland zugelassenen Arzneimitteln anzusehen.
Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit i.S. von Art. 28 EG
durch das
Vertriebs- und das Werbeverbot seien zum Schutz der Gesundheit und des
Lebens von Menschen nach Art. 30 EG gerechtfertigt.
II.
Die Revision ist nicht begründet.
Die
Beurteilung des Berufungsgerichts, die Bewerbung und der Vertrieb
der in Rede stehenden Produkte durch die Beklagte seien im Inland
unlauter, hält sowohl nach altem (§ 1 UWG a.F.) als
auch nach neuem
Recht (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG) der rechtlichen
Nachprüfung stand.
1.
Anders als die Revision meint, ist im Streitfall eine internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben.
Die
unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO auch in der
Revisionsinstanz
von Amts wegen zu prüfende internationale
Zuständigkeit deutscher
Gerichte (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 203/02, WM 2003, 1542;
Urt. v. 20.11.2003 - I ZR 102/02, TranspR 2004, 74, 75 = MDR 2004, 761)
ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ.
Das
EuGVÜ ist vorliegend anwendbar, weil die Klage am 7.
September 2001
und damit vor Geltung der EuGVVO, die am 1. März 2002 in Kraft
getreten
ist (Art. 76 Abs. 1 EuGVVO), erhoben worden ist (§ 253 Abs. 1,
§ 261
Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 ZPO; vgl. auch BGH, Urt. v. 24.2.2005 - I ZR
101/02, GRUR 2005, 519 = WRP 2005, 735 - Vitamin-Zell-Komplex).
Nach
Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz
in dem
Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat
vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das
schädigende
Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine
Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn
Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des
Verfahrens
bilden.
Unter
die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten
Handlung
nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ fallen Klagen aufgrund unerlaubter
Wettbewerbshandlungen (BGH, Urt. v. 11.2.1988 - I ZR 201/86, GRUR 1988,
483, 485 = WRP 1988, 446 - AGIAV; BGHZ 153, 82, 91). Der Ort des
schädigenden Ereignisses i.S. des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ
ist neben dem
Handlungsort auch der Erfolgsort, d.h. der Ort, an dem das
schädigende
Ereignis eingetreten ist (EuGH, Urt. v. 7.3.1995 - Rs. C-68/93, Slg.
1995, I-415 = GRUR Int. 1998, 298 Tz. 20 - Shevill).
Bei
Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland
belegen, wenn sich der Internet-Auftritt
bestimmungsgemäß dort
auswirken soll (BGH, Urt. v. 13.10.2004 - I ZR 163/02, GRUR 2005, 431,
432 = WRP 2005, 493 - HOTEL MARITIME; zu § 32 ZPO, §
24 UWG a.F.: OLG
Frankfurt CR 1999, 450; OLG Bremen CR 2000, 770, 771;
Harte/Henning/Retzer, UWG, § 14 Rdn. 64; weitergehend zu
§ 32 ZPO, § 24
UWG a.F.: OLG München CR 2002, 449, 450).
Die
Zuständigkeit hängt allerdings nicht davon ab,
dass tatsächlich
eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht vielmehr
aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein
ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2005, 431, 432 - HOTEL MARITIME).
Der
Ort des schädigenden Ereignisses liegt im Streitfall in
Deutschland.
Der
Internet-Auftritt der in den Niederlanden ansässigen
Beklagten war
international ausgerichtet und auch in deutscher Sprache gehalten und
an deutschsprachige Europäer gerichtet. Die Verkaufspreise
waren zudem
in DM angegeben. Soweit die Beklagte in ihrem Internet-Auftritt den
Hinweis auf "deutschsprachige Europäer" mit dem Zusatz "aber
nicht an
deutsche Adressen" und der österreichischen Nationalflagge
versehen
hat, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass dadurch
Deutschland von dem Internet-Auftritt nicht ausgeschlossen worden ist.
Allerdings
kann ein sogenannter Disclaimer,
mit dem der Werbende
ankündigt, Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu
beliefern, ein
Indiz für eine Einschränkung des Verbreitungsgebiets
sein (vgl. OLG
Frankfurt CR 1999, 450, 451; KG GRUR Int. 2002, 448, 449 f.;
Fezer/Hausmann/Obergfell, UWG, Einl. I Rdn. 369; Hoeren, WRP 1997, 993,
998; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 919; Ubber, Markenrecht im
Internet, S. 214; enger: Harte/Henning/Retzer aaO § 14 Rdn.
64).
Ein
wirksamer Disclaimer
setzt aber voraus, dass er klar und eindeutig
gestaltet und aufgrund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen
ist. Erheblich ist der Disclaimer zudem nur, wenn ihn der Werbende auch
tatsächlich beachtet und nicht entgegen seiner
Ankündigung gleichwohl
in das vom Vertrieb ausgenommene Absatzgebiet liefert. Diese
Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Der
Disclaimer ist
ersichtlich nicht ernst gemeint, weil die Beklagte beim Vertrieb ihrer
Produkte neben Preisen in Euro auch DM-Preise bei der Produktwerbung
angegeben hat. Hätte die Beklagte von ihrem an
deutschsprachige
Europäer gerichteten Angebot tatsächlich
inländische Abnehmer ausnehmen
wollen, hätte es wesentlich näher gelegen, statt der
deutschen Währung
die österreichische oder die schweizerische Währung
anzugeben. Den
Disclaimer
hat die Beklagte auch selbst nicht beachtet. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts ist sie den Lieferersuchen nach
Deutschland jedenfalls in zwei Fällen nachgekommen.
Entgegen
der Ansicht der Revision stellt es auch keine
unzulässige
Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG dar,
dass ein
Disclaimer bei der Frage, an wen sich der Internet-Auftritt
bestimmungsgemäß richtet, nur Beachtung finden kann,
wenn er
widerspruchsfrei und ernst gemeint aufgemacht ist und wenn sich der
Werbende zu dem Disclaimer
nicht in Widerspruch setzt.
2.
Der Unterlassungsanspruch ist nach § 1 UWG a.F.,
§§
3, 4 Nr. 11, § 8 Abs.1 UWG i.V. mit §§ 2, 21
AMG, §
3a HWG begründet.
a)
Die Anwendung deutschen Rechts auf den Internet-Auftritt der
Beklagten ist nicht nach dem sog. Marktortprinzip ausgeschlossen.
Nach
dem Marktortprinzip setzt die Anwendung deutschen
Wettbewerbsrechts voraus, dass die wettbewerblichen Interessen der
Mitbewerber im Inland aufeinandertreffen (vgl. BGH, Urt. v. 4.6.1987 -
I ZR 109/85, GRUR 1988, 453, 454 = WRP 1988, 25 - Ein Champagner unter
den Mineralwässern; BGHZ 113, 11, 14 - Kauf im Ausland; BGH,
Urt. v.
14.5.1998 - I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, 946 = WRP 1998, 854 -
Co-Verlagsvereinbarung). Nach deutschem Wettbewerbsrecht ist der
Internet-Auftritt der Beklagten zu beurteilen, wenn sich dieser
be-stimmungsgemäß auch im Inland ausgewirkt hat
(vgl. Köhler in
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., Einl.
UWG Rdn.
5.8; Fezer/Hausmann/Obergfell aaO Einl. I Rdn. 273;
Harte/Henning/Glöckner aaO Einl. C Rdn. 84 ff.; Bornkamm in:
Bartsch/Lutterbeck, Neues Recht für neue Medien, 1998, 99,
105).
Hiervon
ist im Streitfall auszugehen; insoweit gelten die vorstehenden
Ausführungen zur Begründung der internationalen
Zuständigkeit
entsprechend (Abschn. II 1). Der Internet-Auftritt der Beklagten hat
sich auch tatsächlich und nicht nur nach den Behauptungen des
Klägers
im Inland ausgewirkt. Durch den von der Beklagten auf ihrer Startseite
im Internet angebrachten Disclaimer
wurde der Inlandsbezug nicht
ausgeschlossen, weil der Disclaimer
ersichtlich nicht ernst gemeint war
und die Beklagte sich an die dort angekündigte
Lieferbeschränkung
tatsächlich auch nicht gehalten hat. Bei der von der Beklagten
vorgenommenen Lieferung von zwei Produkten nach Deutschland handelte es
sich nicht um ein einmaliges Versehen. Davon ist das Berufungsgericht
unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten ausgegangen.
Diese
Feststellungen des Berufungsgerichts sind aus revisionsrechtlicher
Sicht nicht zu beanstanden. Auch die Revision zeigt einen Rechtsfehler
des Berufungsgerichts nicht auf. Dem Disclaimer
fehlte deshalb eine
dahingehende Indizwirkung, dass die Beklagte grundsätzlich
keine
Lieferungen nach Deutschland vornahm.
b)
Das beantragte Verbot der Werbung und des Vertriebs der
streitgegenständlichen Produkte ist nicht nach dem Gesetz
über die
Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz TDG) ausgeschlossen. Das
Teledienstegesetz in der bis zum 20. Dezember 2001 gültigen
Fassung sah
keine Ausnahmen von nationalen Beschränkungen für
Diensteanbieter mit
Niederlassung in einem anderen EG-Staat vor.
Nach
der Novellierung des Teledienstegesetzes mit Wirkung ab 21.
Dezember 2001 sind die beanstandete Werbung und der Vertrieb der in
Rede stehenden Produkte von einem Verbot nach § 4 Abs. 2 Satz
1 TDG
n.F. nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte ihren Sitz
in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat.
Nach
dieser Vorschrift, durch die Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie
2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.
Juni 2000
über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der
Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen
Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über
den elektronischen
Geschäftsverkehr", ABl. EG Nr. L 178 v. 17.7.2000, S. 1)
umgesetzt
worden ist (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf eines Gesetzes
über
rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen
Geschäftsverkehr
[Elektronisches Geschäftsverkehr-Gesetz - EGG], BT-Drucks.
14/6098, S.
18), wird der Dienstleistungsverkehr von nationalen
Beschränkungen, die
im Herkunftsland nicht gelten, freigestellt (Herkunftslandprinzip).
Zu
den Telediensten im Sinne des Teledienstegesetzes rechnen
gemäß § 2
Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 5 TDG auch Angebote von Waren in elektronisch
abrufbaren Datenbanken mit interaktivem Zugriff und unmittelbarer
Bestellungsmöglichkeit, wie sie die Beklagte vorliegend
bereitstellt.
Gleichwohl
unterliegen Werbung und Vertrieb der Produkte der Beklagten
deutschem Recht.
aa)
Für die Beurteilung des Vertriebsverbots sind die
Bestimmungen des
Teledienstegesetzes nicht einschlägig. Die
E-Commerce-Richtlinie, zu
deren Umsetzung die Novellierung des Teledienstegesetzes durch das
Elektronische Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG) diente (vgl.
Begründung zum
Regierungsentwurf BT-Drucks. 14/6098, S. 11), regelt nicht die
Lieferung von Produkten. Diese sind nach Art. 2 lit. h ii Spiegelstrich
2 der E-Commerce-Richtlinie und nach ihrem Erwägungsgrund Nr.
21 vom
koordinierten Bereich ausgenommen (vgl. auch KG GRUR-RR 2001, 244, 249;
Ahrens, CR 2000, 835, 841; Ernst, WRP 2001, 893, 898). Entsprechendes
gilt für die die Richtlinie umsetzende Novellierung des
Teledienstegesetzes, dem auch nichts für eine weitergehende
Regelung zu
entnehmen ist (Spindler in Spindler/Schmitz/Geis, TDG, 2004, §
4 TDG
Rdn. 11; Brunner in Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht,
§
4 TDG Rdn. 35).
bb)
Dem von dem Kläger beantragten Werbeverbot steht nicht die
Bestimmung des § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG entgegen. Dazu bedarf es
keines
näheren Eingehens auf die Rechtsnatur und die Reichweite des
Herkunftslandprinzips nach § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG (vgl. zum
Meinungsstand: Ahrens, FS Tilmann, S. 739, 745 f.;
Fezer/Hausmann/Obergfell aaO Einl. I Rdn. 112 ff.; Spindler in
Spindler/Schmitz/Geis aaO § 4 TDG Rdn. 23 ff.; Brunner in
Manssen aaO §
4 TDG Rdn. 37 ff.). Denn § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG findet nach
§ 4 Abs. 2
Satz 2 i.V. mit Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TDG keine Anwendung. Danach
unterliegen das Angebot und die Erbringung eines Teledienstes durch
einen Diensteanbieter, der in einem anderen EU-Mitgliedstaat
niedergelassen ist, abweichend von § 4 Abs. 2 Satz 1 TDG den
Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts, soweit dieses dem
Schutz
der öffentlichen Gesundheit vor Beeinträchtigungen
oder ernsthaften und
schwerwiegenden Gefahren dient, und die auf der Grundlage des
innerstaatlichen Rechts in Betracht kommenden Maßnahmen in
einem
angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen. Das
Berufungsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht
ausdrücklich erörtert. Das nötigt jedoch
nicht zu einer Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache, weil der
Senat die
erforderliche Prüfung selbst vornehmen kann.
Gegenstand
der Beurteilung ist im Streitfall die Frage, ob ein
Werbeverbot für im Inland nicht zugelassene Arzneimittel, zu
denen die
streitgegenständlichen Produkte der Beklagten rechnen (vgl.
hierzu
nachstehend II 2 c), dem Schutz der öffentlichen Gesundheit
vor
Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegenden
Gefahren dient
und dies im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der
öffentlichen
Gesundheit verhältnismäßig ist (§
4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TDG, Art. 3
Abs. 4 lit. a E-Commerce-Richtlinie).
Davon
ist allerdings nicht schon deshalb auszugehen, weil der deutsche
Gesetzgeber in § 3a HWG ein Werbeverbot für
Arzneimittel vorgesehen
hat, denen die erforderliche Zulassung fehlt (vgl. Spindler in
Spindler/Schmitz/Geis aaO § 4 Rdn. 55 TDG). Allein aus dem
Vorhandensein eines nationalen Werbeverbots für entsprechende
Arzneimittel folgte nicht, dass auch die Voraussetzungen des §
4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 3 TDG erfüllt sind. Das Werbeverbot des §
3a HWG für
Arzneimittel, denen die notwendige Zulassung fehlt, setzt aber Art. 2
Abs. 1 der Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992
über die
Werbung für Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 113 v. 30.4.1992,
S. 13)
um. Danach untersagen die Mitgliedstaaten die Werbung für ein
Arzneimittel, für dessen Inverkehrbringen keine Genehmigung
nach den
Rechtsvorschriften der Gemeinschaft erteilt worden ist. Eine
gleichlautende Bestimmung enthält Art. 87 Abs. 1 der
Richtlinie
2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.
November
2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für
Humanarzneimittel
(ABl. EG Nr. L 311 v. 28. 11. 2001, S. 67).
Das
in diesen Richtlinien vorgesehene und in § 3a HWG
umgesetzte
Werbeverbot für nicht zugelassene Arzneimittel dient der
Abwendung
ernsthafter und schwerwiegender Gefahren für die
öffentliche Gesundheit
und ist, wie sich aus der in den Richtlinien selbst angeordneten
Rechtsfolge ergibt, verhältnismäßig.
Für dieses Ergebnis spricht auch
der Erwägungsgrund Nr. 11 der E-Commerce-Richtlinie, wonach
die
Richtlinie das Schutzniveau für die öffentliche
Gesundheit unberührt
lässt. Zum Rechtsstand, der uneingeschränkt
für die Dienste der
Informationsgesellschaft gilt, zählt nach diesem
Erwägungsgrund auch
die Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992
über die Werbung
für Humanarzneimittel. Dieses Schutzniveau würde aber
abgesenkt, wenn §
3a HWG, der die EG-Richtlinien umsetzt, aufgrund der
E-Commerce-Richtlinie keine Anwendung fände. Entsprechendes
gilt, wenn
in jedem Einzelfall eine Prüfung erforderlich wäre,
ob konkrete, nicht
anders als durch ein Verbot abwendbare Gefahren von einer Werbung
für
ein nicht zugelassenes Arzneimittel ausgehen. Eine solche
Einzelfallprüfung sehen die einschlägigen
Vorschriften der Richtlinien
92/28/EWG und 2001/83/EG gerade nicht vor. Für dieses Ergebnis
spricht
auch, dass nunmehr von einem einheitlichen Arzneimittelbegriff in der
Europäischen Union auszugehen ist (dazu Abschnitt II 2 c bb).
Das auf
nicht zugelassene Arzneimittel bezogene Werbeverbot ist in den
Mitgliedstaaten danach einem einheitlichen Recht unterworfen.
c)
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass es sich bei den
streitgegenständlichen Erzeugnissen um
(Funktions-)Arzneimittel i.S.
von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG handelt, die ohne
arzneimittelrechtliche
Zulassung in Deutschland nicht vertrieben (§ 21 Abs. 1 AMG)
und nicht
beworben werden dürfen (§ 3a HWG). Das hält
der revisionsrechtlichen
Nachprüfung stand.
aa)
Der Senat ist in ständiger Rechtsprechung davon
ausgegangen, dass
für die Einordnung eines Produkts als Arznei- oder
Lebensmittel seine
an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende
Zweckbestimmung
entscheidend ist, wie sie sich für einen durchschnittlich
informierten,
aufmerksamen und verständigen Verbraucher darstellt. Die
Verkehrsauffassung knüpft regelmäßig an
eine schon bestehende
Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer
Anwendung an,
die wiederum davon abhängt, welche
Verwendungsmöglichkeiten solche
Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung des Verbrauchers von der
Zweckbestimmung des Produkts kann weiter durch die Auffassung der
pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft, durch ihm
beigefügte
oder in Werbeprospekten enthaltene Indikationshinweise und
Gebrauchsanweisungen sowie durch die Aufmachung, in der das Mittel dem
Verbraucher entgegentritt, beeinflusst sein (BGHZ 151, 286, 292 -
Muskelaufbaupräparate). Diese Abgrenzung steht im Einklang mit
der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften zum
gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff nach der Richtlinie
2001/83/EG vom 6. November 2001 (BGH, Urt. v. 6.5.2004 - I ZR 275/01,
GRUR 2004, 793, 796 = WRP 2004, 1024 - Sportlernahrung II; vgl. auch
EuGH, Urt. v. 9.6.2005 - Rs. C-211, C-299 und C-316/03 bis C-318/03,
WRP 2005, 863 Tz. 45 = ZLR 2005, 435 - HLH Warenvertriebs GmbH).
bb)
Durch Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2004/27/EG des
Europäischen
Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur
Änderung der Richtlinie
2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für
Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 136 v. 31.3.2004, S. 34) ist der
Arzneimittelbegriff neu definiert worden. Nach Art. 1 Nr. 1 lit. b der
Richtlinie 2004/27/EG sind danach Arzneimittel alle Stoffe oder
Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper
verwendet
oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die
menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische,
immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu
korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu
erstellen. Durch die neu in die Begriffsbestimmung des
Funktionsarzneimittels aufgenommenen Wirkungen (pharmakologische,
immunologische oder metabolische Wirkung) stellt der
Arzneimittelbegriff jedenfalls in größerem Umfang
als die zuvor
maßgebliche Definition des Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie
2001/83/EG auf objektive Merkmale des Produkts ab (vgl.
Doepner/Hüttebräuker, WRP 2005, 1195, 1196;
Meyer/Reinhart, WRP 2005,
1437, 1444; weitergehend Gröning, WRP 2005, 709, 712). Mit der
neuen
Definition des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie
2004/27/EG aufgrund des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts
verfolgte der europäische Gesetzgeber nach
Erwä-gungsgrund Nr. 7 der
Richtlinie das Ziel, die Begriffsbestimmungen weiter zu klären
und zu
spezifizieren und auftretende Zweifel der Begriffsbestimmung vermeiden
zu helfen. Mit der Bestimmung des Begriffs des Arzneimittels in Art. 1
Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 ist
nunmehr
anders als unter Geltung des Arzneimittelbegriffs nach Art. 1 Nr. 2 in
der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 2001/83/EG vom 6.
November
2001 (vgl. EuGH WRP 2005, 863 Tz. 56 - HLH Warenvertriebs GmbH) von
einem einheitlichen europäischen Begriff des
Funktionsarzneimittels und
einer Vollharmonisierung in diesem Bereich auszugehen (vgl.
Doepner/Hüttebräuker, WRP 2005, 1195, 1202;
Meyer/Reinhart, WRP 2005,
1437, 1444). Nach Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß
Art. 3 der
Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 am 30. Oktober 2005
ist die
Bestimmung des § 2 AMG, die den nationalen Arzneimittelbegriff
regelt,
richtlinienkonform i.S. des neu gefassten europarechtlichen
Arzneimittelbegriffs auszulegen. Dabei ist für die Abgrenzung
zwischen
Arzneimittel und Lebensmittel auch die Definition des Lebensmittels
heranzuziehen. Denn Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 3 Nr. 1
AMG nicht
Lebensmittel i.S. von § 2 Abs. 2 LFGB. Nach § 2 Abs.
2 LFGB i.V. mit
Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen
Parlaments und
des Rates vom 28. Januar 2002 (ABl. EG L 31 v. 1.2.2002, S. 1) sind
"Lebensmittel" alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind
oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden
kann, dass
sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem
Zustand von Menschen aufgenommen werden.
cc)
Sowohl unter Zugrundelegung des Arzneimittelbegriffs der Richtlinie
2001/83/EG vom 6. November 2001 in der ursprünglichen Fassung
als auch
in der durch die Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004
geänderten
Fassung ist bei den von der Beklagten beworbenen und vertriebenen
Präparaten davon auszugehen, dass es sich um
Funktionsarzneimittel
handelt. Das Berufungsgericht hat die pharmakologische Wirkung dieser
Produkte festgestellt. Mit ihren hiergegen gerichteten Rügen
dringt die
Revision nicht durch.
Mit
Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass mit der Verwendung
der in Rede stehenden Erzeugnisse nicht zwingend Gesundheitsgefahren
verbunden sein müssen, um eine pharmakologische Wirkung zu
bejahen. Der
Begriff des Arzneimittels ist nicht auf Präparate
beschränkt, die
gesundheitsgefährdend sein können. Vielmehr ist das
Auftreten einer
Gesundheitsgefahr nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften lediglich ein
eigenständiger Faktor, der
bei der Einstufung als Arzneimittel zu be-rücksichtigen ist
(EuGH WRP
2005, 863 Tz. 54 - HLH Warenvertriebs GmbH). Demgegenüber ist
die
pharmakologische Wirkung - neben der immunologischen oder der
metabolischen Wirkung - des Erzeugnisses ein Faktor, auf dessen
Grundlage die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten zu
beurteilen
haben, ob das Erzeugnis i.S. von Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie
2001/83/EG in der ursprünglichen Fassung dazu bestimmt ist, im
oder am
menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen
Diagnose oder zur
Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen
physiologischen Funktionen angewandt zu werden (EuGH WRP 2005, 863 Tz.
52 und 54 - HLH Warenvertriebs GmbH) oder um nach Art. 1 Nr. 1 lit. b
der Richtlinie 2004/27/EG die menschlichen physiologischen Funktionen
wieder herzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Davon ist
auch das Berufungsgericht ausgegangen. Denn es hat die Gefahr einer
unsachgemäßen Selbstmedikation aufgrund der Einnahme
der Mittel statt
eines gebotenen Arztbesuchs bejaht. Aus diesem Grund erweisen sich das
Werbe- und das Vertriebsverbot unter Berücksichtigung der von
den
Produkten ausgehenden Gesundheitsrisiken auch nicht als
unverhältnismäßig (vgl. zu diesem
Erfordernis: EuGH, Urt. v. 29.4.2004
- Rs. C-387/99, Slg. 2004, I-3751 = ZLR 2004, 464 Tz. 72 - Kommission
gegen Bundesrepublik Deutschland; BGH GRUR 2004, 793, 797 -
Sportlernahrung II), sondern im Hinblick auf eine einheitliche
Anwendung des Arzneimittelbegriffs in den Mitgliedstaaten als
sachgerecht.
Die
Revision hat weiter geltend gemacht, das Berufungsgericht habe bei
der Einordnung als Arzneimittel lediglich auf die Werbeaussagen der
Beklagten im Internet abgestellt und gleichwohl das vom Landgericht
ausgesprochene Verbot des Vertriebs und der Werbung für die
fünf
Produkte bestätigt. Das Berufungsgericht hat das
Vertriebsverbot jedoch
nicht aus bestimmten Werbeangaben der Beklagten hergeleitet, sondern
ist davon ausgegangen, dass es sich bei den Produkten der Beklagten um
Funktionsarzneimittel handelt, weil die in den Werbeangaben getroffenen
Aussagen richtig sind und die Produkte danach eine pharmakologische
Wirkung haben.
Die
von der Beklagten vertriebenen Produkte sind somit Arzneimittel
i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG, für deren
Inverkehrbringen im Inland die
erforderliche Zulassung oder Genehmigung fehlt. Sie dürfen
gemäß § 21
AMG nicht im Inland vertrieben und gemäß §
3a HWG nicht im Inland
beworben werden. Da die Beklagte hiergegen verstoßen hat, ist
sie gemäß
§ 1 UWG a.F. und § 3, § 4 Nr. 11, §
8 Abs. 1 UWG zur Unterlassung
verpflichtet. Das Inverkehrbringen und Bewerben von Arzneimitteln ohne
Zulassung stellen ein i.S. des § 1 UWG a.F. sittenwidriges
Handeln und
ein nach § 4 Nr. 11 UWG unlauteres Marktverhalten dar (vgl.
BGHZ 163,
265, 274 - Atemtest).
Die
Wiederholungsgefahr folgt hinsichtlich der zwei nach Deutschland
gelieferten Produkte aus dem Wettbewerbsverstoß. Wegen der
übrigen drei
Produkte besteht eine Erstbegehungsgefahr. Aufgrund der bereits
erfolgten Lieferung der Präparate "L. TM Kapseln" und
"Johanniskraut
Kapseln" in das Inland besteht die konkrete Gefahr, dass bei
entsprechenden Lieferersuchen auch die übrigen Produkte in das
Inland
geliefert werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.