Facebook
Beleidigung Urteil
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Aktenzeichen: 3 Ca 1203/11
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Verkündet am:
09.02.2012
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ARBEITSGERICHT
BOCHUM
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
dem
Rechtsstreit
...
-
Klägerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
g e
g e n
...
- Beklagter
-
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
...
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Unterlassung von
Äußerungen auf der Website "facebook".
Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst.
Die Beklagten waren bei der Klägerin in der Zeit vom
01.02.2011 bis zum 07.04.2011 beschäftigt. Der Beklagte zu 1)
ist examinierter Altenpfleger und die Beklagte zu 2) examinierte
Familienpflegerin. Die Arbeitsverhältnisse beider Beklagten
wurden mit Schreiben vom 24.03.2011 innerhalb der Probezeit zum
07.04.2011 gekündigt. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der
Kündigung waren beide Beklagten arbeitsunfähig
erkrankt.
Nach Ausspruch der Kündigungen fand auf dem facebook-Profil
des Beklagten zu 1) ein Dialog mit unter anderem folgenden Inhalt statt:
"Quizfrage: was passiert beim A1, wenn man nicht der meinung des
egozentrischen chef ist und dann auch noch die frechheit besitzt dazu
zu stehen?"
Beklagter zu 1): "man wird gekündigt, per telefon. Armseliger
saftladen und arme pfanne von chef. Hat noch nicht mal den arsch in der
hose selbst anzurufen."
Beklagte zu 1): "Kenn ich ;) und das im Au! Ai Ai Ai was die bg dazu
sagt und vor allem… Verdi wird sich auch noch melden ;)"
Beklagte zu 2): "Man bedenke…Ich hab ja ganz normal Au, ist
mit auch Latte :-D aber bei dir war´s ein Arbeitsunfall:-D
egaaaaaaal, du bekommst deine Kohle eh ganz normal, und der Chef seinen
fett weg ;)"
Beklagter zu 1): "nun wird er eben den sturm ernten. Man verarscht mich
nicht und die pfeife schon gar nicht."
(…)
Beklagte zu 2): "Ich liebe meinen Job auch total, hat aber nix mit
diesem Drecksladen zu tun. Den Job kannst du überall
ausüben. Aber dieser laden wird es nich bereuen das mit uns
abgezogen zu haben auf diese Art und Weise ;)"
(…)
Wegen des genauen Inhalts des Dialogs wird auf die sich in der Akte
befindlichen Ausdrucke des facebook-Profils des Beklagten zu 1) Bezug
genommen (vgl. Bl. 7 bis 14 d.A.).
Mit einem am 29.06.2011 beim Arbeitsgericht Bochum eingegangenen
Schriftsatz macht die Klägerin gegenüber den
Beklagten Unterlassung geltend.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagten in nicht
akzeptabler Weise über den Betrieb der Klägerin und
die leidenden Angestellten hergezogen hätten. Es handele sich
nicht um rein private Äußerungen, denn sie haben
auch von anderen Mitarbeitern der Klägerin wahrgenommen werden
können. Es handele sich nicht lediglich um private
Äußerungen im engsten Freundeskreis. Aufgrund der
Wiederholungsgefahr sei eine vorbeugende Unterlassungsklage
zulässig. Die Klägerin sei auch aktivlegitimiert,
weil ihr Geschäftsbereich durch die
Äußerungen unmittelbar betroffen sei. Dies gelte
auch hinsichtlich der Ansprüche auf Unterlassung von
Beleidigungen und Verleumdungen gegenüber leitenden
Angestellten. Es bestehe insoweit eine Schutzpflicht der
Klägerin.
Die Klägerin hat die Klage bezüglich eines
Zahlungsanspruches in Höhe von 350,73 €
zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt nunmehr noch,
den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 2) jeweils zu verurteilen, es
bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, den
Betrieb der Klägerin sowie die leitenden Angestellten der
Klägerin in öffentlich zugänglichen Medien,
namentlich auf der Website "facebook" oder auf sonstige Art und Weise
gegenüber Dritten verächtlich zu machen oder auf
Sonstige Art und Weise herabzuwürdigen, namentlich durch die
Bezeichnung des Geschäftsbetriebs der Klägerin als
"Drecksladen" und / oder "armseliger Saftladen" und / oder Bezeichnung
leitender Mitarbeiter als "arme Pfanne" und / oder "Pfeife".
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, dass die Klägerin in dem Chat bzw.
Dialog nicht benannt sei. Die Klägerin sei als Arbeitgeber der
Beklagten nicht eindeutig zu identifizieren. Im Übrigen sei
nicht ersichtlich, dass der Dialog öffentlich
zugänglich gewesen sei.
Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Inhalt des Dialoges von Art. 5
GG gedeckt sei. Soweit die Beklagten ihren Unmutswillen
geäußert hätten, sei dieser
möglicherweise krass ausgefallen, aber durch die
Kündigung der Klägerin im Krankenstand einerseits
sowie die Nichtzahlung der geschuldeten Vergütung andererseits
initiiert worden. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr, weil die
Arbeitsverhältnisse beendet seien. Außerdem fehle
der Klägerin für die leitenden Angestellten die
Aktivlegitimation.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Beklagten haben gegen die Klägerin in Parallelverfahren
umgekehrten Rubrums (Arbeitsgericht Bochum – 3 Ca 1483/11 und
3 Ca 1484/11) Lohnansprüche für die Monate
März und April 2011 klageweise geltend gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten keinen
Anspruch auf Unterlassung der Äußerungen
"Drecksladen", "armseliger Saftladen", "arme Pfanne" und "Pfeife" auf
dem facebook-Profil des Beklagten zu 1).
I.
Der Antrag ist teilweise bereits unzulässig, weil es ihm an
der ausreichenden Bestimmtheit mangelt, § 253 ZPO.
Im Rahmen einer Unterlassungsklage genügt der Antrag nur dann
dem Bestimmtheitserfordernis, wenn er für den Beklagten
eindeutig erkennen lässt, welcher Handlungen er sich enthalten
soll. Diese Frage darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung
aus dem Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden
(vgl. Hamacher, Antragslexikon Arbeitsrecht, Unterlassung, S.175; BAG,
Urteil vom 24.04.2007 – 1 AZR 252/06 – Juris;
Arbeitsgericht Herford, Urteil vom 12.11.2009 – 3 Ga 26/09
– Juris). Der Antrag ist also möglichst konkret zu
fassen, damit für Rechtsverteidigung und Vollstreckung klar
ist, worauf sich das Verbot erstreckt.
Diesen Anforderungen wird der Antrag der Klägerin teilweise
nicht gerecht.
Die Klägerin beantragt unter anderem, den Betrieb der
Klägerin und leitende Angestellte in "öffentlich
zugänglichen Medien, namentlich auf der Website "facebook"
oder auf sonstige Art und Weise gegenüber Dritten
verächtlich zu machen oder auf sonstige Art und Weise
herabzuwürdigen".
Unzulässig ist der Unterlassungsantrag soweit er pauschal auf
"öffentlich zugängliche Medien", auf "sonstige Art
und Weise" und "verächtlich zu machen" oder
"herabzuwürdigen" abstellt. Diese Begrifflichkeiten sind zu
abstrakt gefasst und einer Vollstreckung nicht zugänglich. Im
konkreten Fall könnte nicht rechtssicher
überprüft werden, ob tatsächlich ein
Verstoß vorliegt. Und genau diese Problematik führt
zur Unzulässigkeit eines solchen Antrages.
Soweit die Klägerin jedoch konkrete
Äußerungen aufführt, ist der
Unterlassungsantrag zulässig.
II.
Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten keinen
Anspruch auf die Unterlassung der im Klageantrag aufgeführten
konkreten Äußerungen.
1.
Teilweise fehlt es schon an der Aktivlegitimation der
Klägerin. Soweit die Klägerin etwaige
Äußerungen der Beklagten gegen leitende Angestellte
angreift, sind allein diese selber berechtigt, hiergegen vorzugehen.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine andere (juristische)
Person. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese berechtigt sein sollte,
etwaige Handlungen, die sich gegen eine andere Person richten,
unterbinden zu können. Sofern sich die leitenden Angestellten
in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sehen sollten,
hätte es ihnen freigestanden, hiergegen aktiv vorzugehen.
Dieses haben sie bisher nicht getan (vgl. Arbeitsgericht Herford,
Urteil vom 12.11.2009 – 3 Ga 26/09 – Juris). Es mag
zwar sein, dass die Klägerin Schutzpflichten
gegenüber ihren Mitarbeitern hat, auf die Ausübung
dieser Schutzpflichten wird sie sich jedoch allenfalls dann berufen
können, wenn die Mitarbeiter schutzbedürftig sind,
was bei leitenden Angestellten bereits fraglich ist. Desweiteren
müssten diese Mitarbeiter identifizierbar sein. Dieses war
vorliegend nicht der Fall. Es ist völlig unklar, welche
leitenden Angestellten hier nach Auffassung der Klägerin von
den Beklagten angesprochen sein sollten.
2.
Aber auch hinsichtlich der Äußerungen "armseliger
Saftladen" und "Drecksladen" – insoweit ist die Beklagte
aktivlegitimiert - steht der Klägerin kein
Unterlassungsanspruch zu.
Verletzt ein Arbeitnehmer durch ehrverletzende
Äußerungen das nach § 823 Abs. 1, 2 BGB
geschützte Persönlichkeitsrecht eines anderen
Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers, kann der Verletzte von diesem
analog §§ 12, 1004 Abs. 1 BGB Unterlassung und
Widerruf verlangen. Ein Unterlassungsanspruch setzt dabei die Gefahr
wiederholter ehrverletzter Äußerungen voraus.
Rechtlicher Ausgangspunkt ist der von Art. 1 und 2 GG garantierte
Persönlichkeitsschutz. Das Persönlichkeitsrecht wird
als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB vor objektiv
rechtswidrigen Eingriffen geschützt. Gegenstand dieses Rechts
ist die Achtung der individuellen Persönlichkeit.
Beschränkt wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht
durch kollidierende Grundrechte Dritter, insbesondere durch das Recht
der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG sowie durch
Persönlichkeitsrechte Dritter. Ob ein Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht durch eine ehrverletzende
Äußerung objektiv rechtswidrig ist, hängt
wesentlich davon ab, inwieweit es sich hierbei um eine
zulässige Ausübung der Meinungsfreiheit nach Art. 5
GG handelt. Wobei selbst polemische und beleidigende Werturteile in den
Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen. Die Grenze wird
überschritten, wenn es sich um sogenannte
"Schmähkritik" handelt, die nur noch auf Verunglimpfung
abzielt und für die Meinungsbildung keine Rolle mehr spielt.
Die tolerable Grenze eines Eingriffs in die Meinungsfreiheit
lässt sich mit Hilfe genereller und abstrakter Normen nicht
abschließend festlegen. Es kommt auf den konkreten Inhalt
sowie die Form der Meinungsäußerung und die gesamten
Begleitumstände sowie auf die Folgen an (vgl. hierzu
ausführlich LAG Niedersachsen, Urteil vom 07.06.2004
– 5 Sa 2024/03 – Juris, m.w.N.).
Bei der Bezeichnung der Klägerin als "Drecksladen" und
"armseliger Saftladen" handelt es sich zwar um Formalbeleidigungen.
Jedoch ist auch die Verwendung dieser Begriffe nach Auffassung der
Kammer im vorliegenden Kontext innerhalb eines Dialogs auf dem
facebook-Profil des Beklagten zu 1) von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Zum einen war zu berücksichtigen, dass nicht ersichtlich war,
dass dieser Dialog öffentlich, dass heißt
für jeden Internetbenutzer frei zugänglich war. Nach
Vortrag der Beklagten konnte der Dialog nur von sogenannten "Freunden"
des Beklagten zu 1) mitverfolgt werden. Der Vortrag der
Klägerin, dass der Dialog für jedermann lesbar war,
war nicht näher dargelegt und daher unsubstantiiert. In
Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG zur Kündigung des
Arbeitsverhältnisses wegen Beleidigungen des Arbeitgebers in
vertraulichen Gesprächen mit Arbeitskollegen oder Freunden,
wird man die streitgegenständlichen
Äußerungen im Rahmen von privaten
Gesprächen – wenn auch in einem Internetchat
– noch als zulässig erachten müssen. Fallen
in vertraulichen Gesprächen mit Arbeitskollegen oder Freunden
ehrverletzende Äußerungen über den
Arbeitgeber oder Vorgesetzte, so wäre eine Kündigung
des Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen.
Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche
regelmäßig darauf vertrauen, seine
Äußerungen würden nicht nach
außen getragen. Die vertrauliche Kommunikation in der
Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und
grundrechtlich gewährleistet. Äußerungen,
die gegenüber Außenstehenden oder der
Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht
schutzwürdig wären, genießen in
Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit
und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem
Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen
vorgeht (vgl. BAG, Urteil vom 10.12.2009 – 2 AZR 534/08
– Juris). Diese Grundsätze sind auf Dialoge im
Internet und geltend gemachte Unterlassungsansprüche zu
übertragen. Aufgrund des technischen Wandels ersetzt ein Chat
im Internet immer häufiger das persönlich gesprochene
Wort. Solange diese Dialoge nicht für jedermann
zugänglich sind, sondern nur für einen
überschaubaren Kreis von Personen bzw. Freunden, handelt es
sich noch um ein vertrauliches "Gespräch", in dem die Wortwahl
gegenüber dem Arbeitgeber auch mal drastischer ausfallen kann.
Insbesondere dann, wenn die Äußerungen –
wie hier – im Zusammenhang mit einer Entlassung und
Lohnrückständen stehen, ist es dem Arbeitnehmer zu
verzeihen, wenn er emotional reagiert und die Wortwahl drastisch
ausfällt. Daran ändert sich auch nichts, wenn
gegebenenfalls auch andere Mitarbeiter der Klägerin zu den
"Freunden" des Beklagten zu 1) gehören und daher Zugriff auf
den Dialog hatten.
Desweiteren war zu berücksichtigen, dass die Klägerin
in dem Chat von außenstehenden Dritten kaum identifizierbar
ist. Lediglich in der Überschrift "Quizfrage" ist die
Abkürzung "A1" enthalten. Eine Zuordnung zur Klägerin
wird gerade auch aufgrund der durchaus bestehenden
Gebräuchlichkeit der Abkürzung nur möglich
sein, wenn man die Beklagten persönlich und daher auch ihren
beruflichen Werdegang kennt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG,
91 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die Klägerin trägt
als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits.
Außerdem trägt die Klägerin die Kosten der
Klagerücknahme. Der Kostenstreitwert beträgt 1.350,73
€.
Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG
im Urteil festzusetzen. Er wurde pro konkreter
Äußerung mit 250 €, also insgesamt mit
1.000 € bemessen.
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