Tatbestand:[1] Der Ururgroßvater des Kl.,
Freiherr von S., wurde 1840 vom König von Preußen in
den Grafenstand erhoben nach dem Rechte der Erstgeburt aus adliger Ehe
und geknüpft an den Besitz eines Fideikommisses. Auf Grund
dieser Verleihung führte der 1943 verstorbene Vater des Kl.
den Namen Graf von S. Der im Jahre 1927 geborene Kl. ist sein
ältester Sohn und führte zu Lebzeiten seines Vaters
den Namen Freiherr S. von der J. Nach dem Tode seines Vaters nannte
sich der Kl. Graf von S. Der Kl. ist 1944 als Graf von S. in die
Wehrmacht eingetreten. Sein Geburtsschein sowie andere
behördliche Papiere wurden auf diesen Namen umgeschrieben; er
heiratete 1956 auch unter diesem Namen. Mit dem angefochtenen Bescheid
stellte der Bekl. den Familiennamen des Kl. mit „Freiherr S.
von der J.“ fest. Die dagegen erhobene Klage mit dem Antrag,
den Bekl. zur Feststellung des Familiennamens Graf S. zu verpflichten,
blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
Aus den
Gründen:[2]
Art. 109 Abs. 3 der Verfassung
des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (RGBl. S. 1383)
– WV
– lautet: „Öffentlich-rechtliche Vorrechte
oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben.
Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen
nicht mehr verliehen werden.“
[3]
Während Art. 109 Abs. 3 Satz 1 die Aufhebung der Vorrechte
oder Nachteile der Geburt oder des Standes dem Gesetzgeber
überläßt und nur Richtlinien
enthält (vgl. RGZ 103 S. 190), greift Art. 109 Abs. 3 Satz 2
erster HS unmittelbar in das Recht der Namensführung ein und
enthält im 2. HS ein ebenfalls unmittelbar wirksames Verbot.
Die Tendenz dieser gemäß Art. 123 GG als einfaches
Bundesrecht weitergeltenden Bestimmung der Weimarer Verfassung (vgl.
BVerwGE 9, 323) ist eindeutig auf die Beseitigung aller
adelsrechtlichen Privilegien gerichtet und läßt die
beim Inkrafttreten der WV geführten Adelsbezeichnungen
lediglich noch als Bestandteil des bürgerlich-rechtlichen
Namens fortbestehen.
[4] Der Vater des Kl.
führte bei dessen Geburt im Jahre 1927 den Namen Graf von S.
Die Führung dieses Namens mit der Adelsbezeichnung
„Graf“ durch den Vater des Kl. entsprach der in der
Familie des Kl. nur in der Primogenitur aus adliger Ehe bestehenden
Vererblichkeit des Grafenstandes und stellte sich gegenüber
allen übrigen Angehörigen der Familie als eine
bevorrechtigte Sonderstellung dar. Da Art. 109 Abs. 3 Satz 1 WV auf die
Abschaffung derartiger Vorrechte gerichtet ist, ließ sich die
Weiterführung des Grafentitels durch den Vater des Kl. nur aus
Art. 109 Abs. 3 Satz 2 rechtfertigen, der die
rechtmäßig geführten Adelsbezeichnungen zu
Bestandteilen des bürgerlich-rechtlichen Namens
erklärt. Damit wurde aber der nur dem Vater des Kl.
persönlich zustehende Grafentitel nicht zum Bestandteil eines
Familiennamens im Sinne des bürgerlichen Rechts, weil er nicht
zur Kennzeichnung der Angehörigen einer Familie, sondern nur
eines einzigen bevorrechtigten Familienmitgliedes diente (vgl. RGR
Komm. 10. Aufl., Vorbem. V 2 und Staudinger 11. Aufl., Anm. 8 zu
§ 12 BGB). Dieser namensrechtlichen Situation entsprach es,
daß der Kl. bis zum Tode seines Vaters nicht den auf
Primogenitur beruhenden Grafentitel, sondern lediglich den
freiherrlichen Familiennamen führte.
[5]
Gesetzlich fand diese auf
Art.
109 Abs. 3 WV beruhende Rechtslage in
dem
preuß. G über die
Aufhebung der Standesvorrechte
des Adels und die Auflösung der Hausvermögen v. 23.
6. 1920 (Preuß. Ges. Samml. 1920, 367) i.d.F. des
G. vom 22.
4. 1930 (Preuß. Ges. Samml. 1930, 51 [90]) – PrAdG
– ihren Niederschlag. § 22 Abs. 1 PrAdG lautet:
[6]
„Als Namen der bisherigen Adelsfamilien und ihrer
Angehörigen gilt die Bezeichnung, die sich auch bisher auf die
nicht besonders bevorrechtigten Familienmitglieder als eigentliche
Familienbezeichnung vererbte. Stand zur Zeit des Inkrafttretens der
Reichsverfassung einem Familienangehörigen vor den anderen
Familienangehörigen eine besondere Bezeichnung zu, so darf er
diese Bezeichnung für seine Person auf Lebenszeit beibehalten,
sofern sie nicht dem Ausdrucke der durch die Ereignisse des November
1918 beseitigten Landeshoheit diente.“
[7]
Daß der preuß. Landesgesetzgeber zuständig
war, eine auf die Aufhebung von Standesvorrechten gerichtete Regelung
zu treffen, hat der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich
in seiner Entscheidung vom 10. 5. 1924 (RGZ 111, Anhang) mit
überzeugender Begründung ausdrücklich
anerkannt. Auch gegen die sachliche Vereinbarkeit der vom Gesetzgeber
getroffenen namensrechtlichen Regelung mit
Art. 109 Abs. 3 WV
können rechtliche Bedenken nicht bestehen. Der Gesetzgeber
entsprach mit § 22 Abs. 1 PrAdG der in Art. 109 Abs. 3 Satz 1
WV enthaltenen Forderung auf Beseitigung aller
öffentlich-rechtlichen Vorrechte oder Nachteile der Geburt
oder des Standes und trug in § 22 Abs. 1 Satz 2 PrAdG der
Bestimmung des Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Rechnung, wonach beim
Inkrafttreten der Reichsverfassung geführte Adelsbezeichnungen
als Bestandteil des bürgerlich-rechtlichen Namens
weitergeführt werden dürfen. Der Kl. war somit nicht
befugt, seinen freiherrlichen Namen beim Tode seines Vaters in einen
gräflichen Namen zu ändern, weil er nur zur
Führung des freiherrlichen Namens berechtigt ist.
[8]
Daran wurde auch dadurch nichts geändert, daß der
Kl. im Jahre 1944 als Graf von S. in die Wehrmacht eingetreten ist und
sein Geburtsschein sowie andere behördliche Papiere auf diesen
Namen umgeschrieben wurden. Es handelte sich dabei nicht um eine von
der zuständigen Behörde vorgenommene
Namensänderung oder Namensfeststellung. Nichts anderes gilt,
wenn der Kl. im Jahre 1956 unter dem gräflichen Namen
heiratete. Auch damit war keine Namensänderung oder
Namensfeststellung im namensrechtlichen Sinne verbunden. Ebenso wenig
konnte dadurch der richtige Name des Kl. eine Änderung
erfahren, daß der Kl. mehr als zehn Jahre hindurch
unangefochten – aber unberechtigt – den
gräflichen Namen geführt hat. Zwar lag es im Ermessen
des Bekl., ob er eine Namensfeststellung vornehmen wollte. Der Bekl.
hat aber sein Ermessen nicht fehlerhaft gebraucht, sondern handelte
pflichtgemäß, wenn er auf Grund der von dem
deutschen Adelsarchiv an ihn herangetragenen Zweifel die Feststellung
des richtigen Namens des Kl. betrieb. Für ein weitergehendes
Entscheidungsermessen ist jedoch bei [423] der Namensfeststellung
gemäß § 8 des NamensändG v. 5. 1.
1938 (RGBl. I S. 9) kein Raum (vgl. BVerwGE 9, 320).