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Landgericht Hannover

23 0 4875/00-131-

verkündet laut Protokoll am 8.11.2000

Brinkmann, Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

U r t e i l

Im Namen des Volkes

In dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung

Rechtsanwalt Ralf Möbius, Wolfenbütteler Straße 1 A, 30519 Hannover,

Verfügungskläger,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Möbius, Hannover


g e g e n
 


1.     Rechtsanwalt und Notar ....

2.     Rechtsanwalt und Notar ...,

3.     Rechtsanwalt und Notar ...,

4.     Rechtsanwältin ...,


sämtlichst: ...        Hannover,

Verfügungsbeklagte,

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...    , ...    , ...     und ...    , Hannover -

 

wegen Unterlassung von Wettbewerbshandlungen

 

hat die 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Aring und der Handelsrichter Dr. Oesterheld und Dr. Henning 

für  R e c h t  erkannt: 

Den Verfügungsbeklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr, im lnternet unter der alleinigen Domain "www.anwalt-hannover.de" ohne unterscheidungskräftigen Zusatz aufzutreten.  

Den Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder von Ordnungshaft angedroht.

Die Verfügungsbeklagten haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
 

 Tatbestand: 

Der Verfügungskläger ist als Rechtsanwalt in Hannover tätig. Die Verfügungsbeklagten haben sich - ebenfalls in Hannover - zu einer Sozietät zusammengeschlossen und sich als Rechtsanwälte dort niedergelassen. Seit etwa einem Jahr treten die Verfügungsbeklagten mit einer Selbstdarstellung des aus Blatt 8 d.A. ersichtlichen Aussehens und Inhalts im Internet auf. Ihre Internet-Adresse lautet: "www.anwalt-hannover.de".  

Der Verfügungskläger erhielt am 21. September 2000 zufällig Kenntnis von der lnternetadresse der Verfügungsbeklagten.  

Der Verfügungskläger sieht in dem Auftreten der Verfügungsbeklagten eine wettbewerbswidrige Werbung und zugleich eine Verletzung der rechtsanwaltlichen Pflichten. Sein vorprozessuales Unterlassungsbegehren haben die Verfügungsbeklagten nach Verlängerung der ihnen dazu gesetzten Frist am 13. Oktober 2000 abgelehnt.

 

Der Verfügungskläger beantragt,

     wie erkannt.

 Die Verfügungsbeklagten beantragen,

     den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

 Das lnternet biete ausreichende Variationsmöglichkeiten für die - freie - Auswahl von lnternet-Adressen.
 

Entscheidungsgründe: 

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist begründet (§ 1 UWG, § 43 b BRAO, § 6 Abs. 1 und 2 Berufsordnung, § 10 Abs. 1 Satz 1 Berufsordnung analog, § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2 BNotO, § 940 ZPO).  

Die Verfügungsbeklagten stehen mit dem Verfügungskläger in einem Wettbewerbsverhältnis bei der Beratung und Vertretung von Rechtssuchenden. Der Auftritt der Verfügungsbeklagten im Internet ist ein Mittel, sich mit ihrer beruflichen Tätigkeit nach außen hin - gegenüber Rechtssuchenden - in Erscheinung zu bringen und dafür auch die Kontaktanbahnung im Internet zu wählen. Die für den Internet-Auftritt gewählte Adresse ist neben ihrer technischen Bedeutung als Code für die Verbindungsherstellung - insoweit der Postanschrift oder der Telefonnummer vergleichbar - jedenfalls dann zugleich auch die Kurzbezeichnung eines Namens, wenn die Internet-Adresse nicht nur aus einer beliebigen, wahllosen und sinnleeren Buchstabenfolge besteht, sondern "sprechend" ist, also Namens- und/oder Bezeichnungseignung und Namens- und/oder Bezeichnungskraft hat. In solchen Fällen ist dem Nutzer die Wahl seiner Internetadresse nicht völlig freigestellt, also in beliebiger Weise wählbar und nur durch technische Umstände -" jede Adresse nur einmal" - eingeschränkt. Namens- und bezeichnungsgeeignete Internetadressen unterliegen vielmehr den allgemeinen rechtlichen Einschränkungen jeder Namenswahl, wobei die technischen Auswahlbedingungen für lnternetadressen, vor allem die Singularität und Priorität der Adressenwahl, den allgemeinen rechtlichen Rahmen nicht nur nicht ersetzen, sondern vielmehr kumulierend ergänzen. Das bedeutet, dass bei der Auswahl, Führung und Aufrechterhaltung von namens- und bezeichnungsgeeigneten Internetadressen nicht nur die rechtlichen Regelungen der Namensauswahl, der Namensführung und des Namensschutzes zu beachten sind, sondern darüber hinaus zusätzlich rechtlich zu berücksichtigen ist, dass eine bestimmte Internetadresse nur einmal in Anspruch genommen werden kann und dies von demjenigen, der als Erster im Internet ist, dass die Internetadresse somit eine technisch bedingte Monopolposition begründet. Dass es internetspezifische technische Bedingungen gibt, die die monopolistische Wirkung der Internetadresse, sei es durch Variation der Schreibweise, sei es durch Ergänzungs- oder Hilfszeichen, sei es durch das Vorhandensein mehrerer Zeichenvergabesysteme im Präfix- und Suffixbereich beeinflussen, spielt dabei für die rechtliche Beurteilung eine zwar im Einzelfall mit zu berücksichtigende, im Kern jedoch nachrangige Rolle. Stets wird durch solche Umstände nur die Reichweite und die "Härte" der durch die Internetadresse besetzten Monopolposition verändert. Am technischen Prinzip, seinen technischen Wirkungen, faktischen Folgen und rechtlichen Gegebenheiten ändert sich nichts.

Nach diesen Grundsätzen dürfen die Verfügungsbeklagten die von ihnen gewählte Internetadresse "www.anwalt-hannover.de" nicht weiter führen, weil sie diese Adresse für das Auftreten ihrer Kanzlei im Internet nicht auswählen durften.

Durch die Auswahl und Kombination zweier Allgemein- oder Gattungsbegriffe blockieren und monopolisieren die Verfügungsbeklagten diese Allgemeinbegriffskombination - nur - für sich. Sie behindern damit nicht nur Wettbewerber, die in gleicher Weise - mit gleichem, freilich ebensowenig bestehenden Recht - diese Internetadresse für sich auswählen könnten. Die Verfügungsbeklagten blockieren durch ihre Auswahl vielmehr zugleich eine freihaltungsbedürftige Berufsangabe und eine ebenso freihaltungsbedürftige regionale Konkretisierung, die für Mitbewerber zur Ergänzung und Spezifizierung ihrer eigenen lnternetadressenwahl verwendet werden könnten. Dadurch, dass die Verfügungsbeklagten ihre Internetadresse nur auf die Berufsangabe - diese zugleich nicht korrekt - und die regionale Konkretisierung ohne jede weitere lndividualisierung beschränken, geben sie sich zugleich den Anschein einer gegenüber allen anderen - regionalen - Mitbewerbern absolut herausgehobene Stellung: der "anwalt-hannover". Eine solche Namenswahl bewirkt nicht nur den Anschein einer Alleinstellung, sondern ist unzutreffend, also irreführend.

Eine solche Namenswahl ist jedem Wettbewerber untersagt.

Rechtsanwälte unterliegen darüber hinaus weiteren rechtlichen Einschränkungenbei ihrem werblichen Auftreten. Sie sind in besonderer Weise zur Zurückhaltung und Sachlichkeit bei ihrer nach außen tretenden geschäftsbezogenen Selbstdarstellung verpflichtet. Sie dürfen die Rechtssuchenden über ihre Arbeit sachbezogen informieren, "Kundenfang" ist ihnen untersagt. Dies gilt auch im "Schleppnetz des lnternets". Es ist immer noch der gute Name, der das Markenzeichen des Rechtsanwalts ausmacht. Denn in ihm fokussieren sich die Kompetenz, das Vertrauen und das Ansehen, das den Ruf des Rechtsanwalts begründend trägt.

Für Notare, zu denen die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) bestellt sind, gilt die Pflicht zur Zurückhaltung in einem im Verhältnis zu Rechtsanwälten noch gesteigerten Maße.  

Der für die einstweilige Verfügung erforderliche besondere Grund, die Eilbedürftigkeit, wird in Wettbewerbssachen vermutet (§ 25 UWG). Dass die Verfügungsbeklagten seit etwa einem Jahr ihre Internetadresse führen, steht dem nicht entgegen. Der Verfügungskläger hat - unwidersprochen - vorgetragen, von dieser Adresse erstmals am 21. September 2000 Kenntnis erlangt zu haben.

Die Androhung der Ordnungsmittel für den Fall der Zwangsvollstreckung beruht auf § 890 Abs. 1 ZPO.

Weil die Verfügungsbeklagten unterliegen, haben sie die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Das Urteil ist als einstweilige Verfügung ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar.

Den Streitwert hat die Kammer nach § 3 ZPO geschätzt. Sie ist dabei von einem Streitwert für die Hauptsache von 100.000,00 DM ausgegangen, der für das Eilverfahren mit einem Bruchteil anzusetzen ist.                               

Aring  

Dr. Oesterheld

Dr. Henning