in der
Hauptverhandlung vom 12. August 2002,
an der teilgenommen haben:
Rechtsanwalt JR Dr. Sonntag als Vorsitzender,
Rechtsanwalt Dr. Ruland,
Rechtsanwältin Kimmlinger-Barrois,
Richter am Oberlandesgericht Dr. Gehrlein,
Richter am Oberlandesgericht Balbier als beisitzende Richter,
für Recht erkannt:
Tenor
Auf die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft und des Rechtsanwalts
... wird das Urteil des Anwaltsgerichts im Bezirk der
Rechtsanwaltskammer des Saarlandes vom 19.9.2001 teilweise aufgehoben
und wie folgt neu gefasst:
1. Der Angeschuldigte wird wegen Verstoßes gegen das
Sachlichkeitsgebot zu einer Geldbuße in Höhe von
500,00 EUR verurteilt.
2. Die Kosten der Berufung der Generalstaatsanwaltschaft
einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeschuldigten
trägt die Rechtsanwaltskammer des Saarlandes.
Die Kosten der Berufung des Angeschuldigten trägt zur
Hälfte der Angeschuldigte einschließlich der
Hälfte seiner notwendigen Auslagen und im Übrigen die
Rechtsanwaltskammer.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I
Der Rechtsanwalt
wurde durch Urteil des Anwaltsgerichts vom 19. September 2001 wegen
Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot in den Verfahren AnwG
2/98 und AnwG 8/01 zur anwaltsgerichtlichen Maßnahme des
Verweises und einer Geldbuße von 1000,- DM verurteilt. In dem
Verfahren AnwG 12/97 wurde er vom Vorwurf des Verstoßes gegen
das Sachlichkeitsgebot freigesprochen.
Gegen dieses Urteil haben der Angeschuldigte und die
Generalstaatsanwaltschaft Berufung form und fristgerecht eingelegt. Das
Rechtsmittel der Generalstaatsanwaltschaft blieb erfolglos. Die
Berufung des Angeschuldigten führte zur teilweisen
Abänderung des angefochtenen Urteils.
II
1.
Die Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht hat zu denselben
tatsächlichen Feststellungen geführt, wie sie bereits
das Anwaltsgericht getroffen hat
Der - verheiratete - Angeschuldigte ist am 21. März 1950
geboren und seit dem 29. Juni 1981 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen.
Er betreibt seine Praxis in Sozietät in Saarbrücken.
Nachdem das Verfahren AnwG 12/97 nach § 154 a Abs. II Nr. 2
StPO vorläufig eingestellt wurde, hatte sich der Senat nur
noch mit den Verfahren AnwG 2/98 und 8/01 zu befassen.
AnwG 2/98
In einem Rechtstreit 4 Ca 2180/95 bei dem Arbeitsgericht Chemnitz
führte der Angeschuldigte in einem Schriftsatz vom 17. Juni
1996 nach Kritik an einer rechtlichen Behandlung durch das Gericht in
einem Parallelverfahren wörtlich aus:
"Dies führte sogar dazu, dass gegenüber der
zuständigen Richterin des sächsischen
Landesarbeitsgerichtes Strafanzeige erstattet werden musste wegen
Verdachts der Rechtsbeugung."
In einem weiteren Schriftsatz im gleichen Verfahren vom 28. Oktober
1996 wurde wörtlich ausgeführt:
"In diesem Zusammenhang muss weiter darauf hingewiesen werden, dass es
sich hierbei um den aktuellen Personalrat handelt, damit auch hier
keine Missverständnisse aufkommen. Derartige
Missverständnisse hat eine Richterin des Landesarbeitsgerichts
Frau ... bereits gehabt in einem anderen Verfahren, sie konnte
offensichtlich Schriftsätze nicht richtig lesen".
Bezüglich dieses Parallelverfahrens (9 Ca 2275/95
Arbeitsgericht Chemnitz) hatte im übrigen der Angeschuldigte
Anlass gesehen, gegen die zuständige Richterin beim
Sächsischen Landesarbeitsgericht Strafanzeige wegen
Rechtsbeugung zu erstatten. Nach Einstellung des Verfahrens durch die
Anklagebehörde stellte der Angeschuldigte Antrag im
Klageerzwingungsverfahren.
Nach Verwerfung dieses Antrages durch das Oberlandesgericht Dresden
wegen Nichterfüllung der Formvoraussetzungen für ein
Klageerzwingungsverfahren führte der Angeschuldigte in einer
Gegenvorstellung vom 6. Februar 1997 u.a. folgendes aus:
"Es bestehen des weiteren erhebliche Bedenken, ob der Beschluss des
Oberlandesgerichts Dresden unbeeinflusst ergangen ist... Es
fällt schwer, im Hinblick auf die Antragen seitens des
Ministeriums der Justiz und auch die teilweise in der Tat nicht mehr
nachvollziehbaren Begründungen noch an eine
unabhängige Entscheidung des Senats zu glauben, insbesondere
weil es sich um einen in der Tat rechtlich und tatsächlich
einfach gelagerten Sachverhalt handelt".
Hintergrund dieser Argumentation des Angeschuldigten war u.a., dass im
Laufe der Verfahren das sächsische Ministerium der Justiz an
das Wissenschaftsministerium des Freistaates Sachsen als Mandanten des
Angeschuldigten geschrieben und Kritik an der Mandatierung des
Angeschuldigten geäußert hatte.
AnwG 8/01
In einem amtsgerichtlichen Verfahren 3 C 471/99 bei dem Amtsgericht St
Ingbert verlangte der von Rechtsanwalt
... vertreten Kläger die Unterlassung der
Beeinträchtigung eines ihm angeblich gehörenden
Grundstücks durch den vom Angeschuldigten vertretenen
Beklagten.
Der Angeschuldigte wehrte sich hierauf für seinen Mandanten
mit dem Bestreiten der Eigentümerstellung des
Klägers. Nachdem der Klägervertreter seinen Mandanten
daraufhin eines Verstoßes gegen die prozessuale
Wahrheitspflicht bezichtigte hatte, führte der Angeschuldigte
in einem Klageerwiderungsschriftsatz vom 30. August 1999 u.a. aus:
"Anstatt Boshaftigkeiten zu verbreiten und infame Unterstellungen wie
die der Leichtfertigkeit des Umgangs mit der Wahrheit zu machen, sollte
das juristische Handwerk zunächst einmal, soweit hierzu im
Stande, benutzt werden"...
Der Angeschuldigte hat diesen Sachverhalt glaubwürdig
eingeräumt.
2.
Er hat sich danach lediglich in dem Verfahren AnwG 8/01 eines
Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot der
§§ 43, 43 a Abs. III BRAO schuldig gemacht.
Mit den Voraussetzungen für die Verletzung des
Sachlichkeitsgebotes durch Äußerungen eines
Rechtsanwalts im Rahmen von Prozesserklärungen hat sich der
Senat auch in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2002 (AGH 7/01)
befasst und ausgeführt, dass eine Verletzung des allgemein
formulierten Sachlichkeitsgebots entweder durch die bewussten
Verbreitung von Unwahrheiten (§ 43 a Abs. III S. 2 1. Alt.
BRAO) oder aber durch herabsetzenden Äußerungen, zu
denen andere Beteiligte oder der Verfahrensablauf keinen Anlass gegeben
haben (§ 43 a Abs. III S. 2, 2. Alt. BRAO) erfolgen kann. Es
ist anerkannt, dass herabsetzende Äußerungen erst
dann als Berufspflichtverletzung zu beanstanden sind, wenn sie nach
Inhalt und Form als strafbare Beleidigungen zu beurteilen sind, ohne
durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt zu sein (vgl.
BVerfG AnwBl. 1993,632; KG NStZ-RR 1998,12; Kleine-Cosack, BRAO 2.
Aufl., § 43 a Rn. 21; Feuerich-Braun, BRAO 5. Aufl.,
§ 43 a Rn. 52). Keiner strafrechtlichen Ahndung
zugängliche herabsetzende Äußerungen
lösen also auch keine berufsrechtlichen Sanktionen aus. Das
BVerfG hat betont, dass den Rechtsanwälten im Kampf ums Recht
eine wichtige Funktion zukommt mit weitergehenden Befugnissen und damit
korrespondierenden Pflichten als ihren Mandanten (BVerfG NJW
1991,2274). Herabsetzende Äußerungen, die ein Anwalt
in Zusammenhang mit seiner Berufsausübung und der dabei
zulässigen Kritik abgibt, bieten noch keinen Anlass zu
standesrechtlichem Eingreifen, wenn nicht besondere Umstände
hinzutreten. Denn wenn es sich um eine Äußerung in
einem gerichtlichen Verfahren, die der Rechtsverfolgung und der
Rechtsverteidigung dient, handelt, so sind bei der Anwendung des
§ 193 StGB die Auswirkungen des Rechtsstaatsprinzips auf die
durch Art. 2 Abs. I GG grundrechtlich geschützte
Betätigungsfreiheit (BVerfG NJW 1991,2074) zu
berücksichtigen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass
der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB eine besondere
Ausprägung des in Art. 5 Abs. I GG normierten Grundrechts der
freien Meinungsäußerung darstellt, wertende
Äußerungen über Verhalten und Person der
anderen Prozessbeteiligten danach grundsätzlich unter dem
Schutz des Art. 5 Abs. I S. 1 GG stehen (BVerfG NJW 1991,2074; KG StV
1998,83; OLG Düsseldorf NStZ 1998,516 [OLG Düsseldorf
04.03.1998 - 5 Ss 47/98 25/98 II]). Das bedeutet, dass jeder
Verfahrensbeteiligte grundsätzlich auch starke, eindringliche
Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf,
um seine Rechtsposition zu unterstreichen, wobei nicht entscheidend
ist, ob er seine Kritik auch anders hätte formulieren
können (BVerfG NJW 1991, 2274). Denn der strafrechtliche
Ehrenschutz darf ihn nicht dazu zwingen, eine rechtserhebliche
Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung aus Furcht
vor Bestrafung nach den §§ 185 ff StGB zu
unterlassen. Allerdings setzt der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit auch der
Zulässigkeit derartiger Äußerungen Grenzen.
Danach ist missbräuchliches Vorbringen nicht durch §
193 StGB gerechtfertigt. Als rechtsmissbräuchlich werden
regelmäßig - abgesehen von bewusst unwahren
Tatsachenbehauptungen - ehrverletzende Äußerungen
gesehen, die in keinem inneren Zusammenhang zur Ausführung
oder Verteidigung der geltend gemachten Rechte stehen oder deren
Unhaltbarkeit ohne weiteres auf der Hand liegt (vgl. BGH NJW 1971,284
f). Dagegen steht es Kammervorständen und Ehrengerichten nicht
zu, Äußerungen eines Rechtsanwaltes als
standeswidrig mit der Begründung zu beanstanden, sie
würden von anderen Verfahrensbeteiligten als stilwidrig,
ungehörig oder als Verstoß gegen den guten Ton und
das Taktgefühl empfunden oder seien für das Ansehen
des Anwaltsstandes abträglich (BVerfGE 76,171; BVerfG NJW
1991,2274 f).
a.
Daran gemessen stellen sich die vorliegend streitigen
Äußerungen des Rechtsanwalts in dem Verfahren AnwG
2/98 nicht als (das Sachlichkeitsgebot verletzende) Beleidigungen dar.
Eine Beleidigung hat das Anwaltsgericht bereits zutreffend für
die Äußerung verneint, eine Richterin des
Landesarbeitsgerichts habe "Schriftsätze nicht richtig lesen
können". Denn es besteht ein eindeutiger sprachlicher
Zusammenhang mit einer konkreten Sachrüge.
Das gilt aber auch für den Vorwurf, die Richter des OLG
Dresden hätten sich bei der Zurückweisung des
Klageerzwingungsantrages des Angeschuldigten von sachfremden
Erwägungen leiten lassen.
Hierbei ist zunächst zu beachten, dass die
Äußerung nicht als diesbezügliche
Tatsachenbehauptung gemacht worden ist. Sie stellt vielmehr, wie sich
aus der Formulierung ... "es bestehen Bedenken, ob der Beschluss des
OLG Dresden unbeeinflusst ergangen ist"... und ... "fällt es
schwer, noch an eine unabhängige Entscheidung des Senats zu
glauben"... ersichtlich als Meinungsäußerung dar,
die implizit den Vorwurf der Rechtsbeugung gegenüber den
Senatsmitgliedern enthält.
In einem die Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwaltes betreffenden
Beschluss vom 20. Mai 1999 (1 BvR 1294/96) hat das BVerfG einen solchen
Vorwurf dahin beurteilt, dass jedenfalls dann, wenn er in Zusammenhang
mit einem bestimmten, den sich Äußernden
betreffenden Urteil steht, in sachliche Einwände gegen das
Urteil eingebettet ist und damit als - wenn auch scharfe -
Zusammenfassung der Urteilskritik dient, dem Begriff der Rechtsbeugung
nicht die Qualität einer selbständigen, allein in der
Wortwahl liegende Ehrverletzung zukommt, welche die Annahme einer
Formalbeleidigung rechtfertigt.
Kennzeichen einer Formalbeleidigung ist es, dass sich die
Kränkung bereits aus der Form der Äußerung
ohne Rücksicht auf deren Inhalt ergibt. Davon kann hier nicht
die Rede sein. Angesichts der Tatsache, dass die
Äußerung des Angeschuldigten im Zuge einer
Gegenvorstellung, also prozessbezogen gefallen ist, im sachlichen
Zusammenhang mit Antragen des sächsischen Justizministeriums
an das Wissenschaftsministerium als Mandanten des Angeschuldigten steht
und der Angeschuldigte, was ihm das Anwaltsgericht auch
ausdrücklich zugute gehalten hat, in einer von zahlreichen
Vorwürfen gegen die Spitze des sächsischen
Justizministeriums, sich in unzulässiger Weise in
Gerichtsentscheidungen eingemischt zu haben, belasteten
Justizatmosphäre tätig sein musste, kann in der
fraglichen Äußerung keine Formalbeleidigung gesehen
werden. Der Angriff auf die Richter des OLG Dresden ergibt sich aus dem
Inhalt der dem Angeschuldigten vorgeworfenen
Äußerung nicht aus ihrer Form. Der
Äußerung fehlen deshalb auch die Merkmale einer
Schmähung. Sie ist gegeben, wenn nicht mehr die
Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person
und ihre Herabsetzung im Vordergrund stehen (BVerfGE 93,266,294; BVerfG
NJW 1994,2413,2414) [BVerfG 24.09.1993 - 1 BvR 1491/89]. Das ist aus
den vorgenannten Gründen hier nicht der Fall.
Im Gegensatz zur Auffassung des Anwaltsgerichts hat der Rechtsanwalt
das Sachlichkeitsgebot auch nicht dadurch verletzt, dass er im
Zusammenhang mit der Kritik an einer rechtlichen Behandlung der
Arbeitsgerichtssache darauf hinwies, dass er in einem Parallelverfahren
gegen eine Richterin des Landesarbeitsgerichts Strafanzeige wegen
Rechtsbeugung erstattet hatte. Damit wird zum einen eine Tatsache
referiert und zum anderen lediglich die Auffassung, der Rechtsanwalt
habe das Prozessverhalten des Gerichts in jenem Verfahren für
so falsch gehalten, dass aus seiner Sicht Veranlassung bestand, den
Vorwurf der Rechtsbeugung zu erheben. Eine Beleidigung scheidet hier
deshalb aus, weil auch hier ein sachlicher Zusammenhang mit der
Prozessleitung des erkennenden Gerichts bestand und zum anderen der
Rechtsbeugungsvorsatz gar nicht den betreffenden Richter betraf.
Der Hinweis auf diese Vorgänge stellen auch keine (versuchte)
Nötigung in damaligem Verfahren dar. Es ist schon zweifelhaft,
ob ein dahingehender Vorsatz des Rechtsanwalts festzustellen ist. Es
genügt eben nicht, wie das Anwaltsgericht meint, dass der
Angeschuldigte einen Zusammenhang zwischen seinem Hinweis auf die in
einem anderen Verfahren erstattete Strafanzeige und dem
Entscheidungsverhalten des Gerichts im anhängigen Verfahren
hätte erkennen müssen (was ein
Fahrlässigkeitsvorwurf bedeutet), sondern es müsste
ihm nachgewiesen werden, dass er mit seinem Hinweis
vorsätzlich Druck auf das Gericht, in seinem Sinne zu
entscheiden ausüben wollte. Es ist aber ebenso gut denkbar,
dass die Absicht des Rechtsanwaltes nur dahin ging, das Gericht durch
den Hinweis lediglich von einer (sein Auffassung nach falschen)
Rechtsbehandlung abzuhalten. Die Wendung "deshalb müsste..."
diente dabei ersichtlich der Begründung eines prozessualen
Werturteils, nämlich der vom Standpunkt des
Äußernden aus zu beurteilenden Prozessverhalten des
Gerichts. Solange aber diese Deutungsmöglichkeit nicht
völlig fern liegt, ist ein Nötigungsvorsatz nicht
nachweisbar.
Im Übrigen ist vorliegend der typische Fall gegeben, in dem
der BGH (BGHSt. 31,195 ff [BGH 13.01.1983 - 1 StR 737/81]) eine
Nötigung abgelehnt hat. Inhalt einer Drohung i.S. von
§ 240 StGB muss ein empfindliches Übel, also ein
Nachteil von solcher Erheblichkeit sein, dass seine
Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des
Täterverlangens zu motivieren. Diese (nicht nur faktische
sondern normative) Voraussetzung entfällt, wenn von diesem
Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, dass er der Drohung in
besonnener Selbstbehauptung standhält. So ist es hier. Kaum
einem Richter wird es im Laufe seines Berufslebens erspart bleiben,
sich unberechtigten und haltlosen, ja maßlosen
Vorwürfen ausgesetzt zu sehen. In der Reaktion hierauf wird er
im Spannungsfeld zwischen der Wahrnehmung eines öffentlichen
Amtes einerseits und seiner privaten Berührtheit andererseits
bedenken müssen, dass seine Entscheidungen für die
Betroffenen häufig überaus schmerzhaft und
einschneidend sind und daher zu Reaktionen fuhren können, die
sich - trotz gegenteiliger oder auch nur missverständlicher
Formulierung - letzten Endes gar nicht gegen die Person und seine Ehre,
sondern vielmehr gegen die getroffene Entscheidung selbst und die
Rechtslage als solche richten (BayObLG NStZ-RR 02,43). So ist es
keinesfalls selten, dass unterlegene Prozessparteien, die ein Urteil
für falsch halten, aus Enttäuschung oder
Verärgerung den Vorwurf der Rechtsbeugung erheben ohne sich
immer darüber klar zu sein, welch massiver Vorwurf gegen einen
Richter dies bedeutet. Solange dies aber eingebettet ist in sachlichen
Angriffen gegen die Entscheidung bzw. - wie hier - in einer konkreten
Rüge des Prozessverhaltens des Gerichts geschieht, kann i.d.R.
von einem Richter erwartet werden, dass er sich davon nicht
beeinflussen lässt.
b.
Dagegen hat der Angeschuldigte in dem Verfahren AnwG 8/01 gegen das
Sachlichkeitsgebot i.S. der §§ 43, 43 a BRAO
verstoßen, indem er in dem Zivilrechtsstreit 3 C 471/99 vor
dem Amtsgericht St. Ingbert in dem Klageerwiderungsschriftsatz vom 30.
August 1999 u.a. ausführte: "anstatt Boshafligkeiten zu
verbreiten und infame Unterstellungen wie die der Leichtfertigkeit des
Umgangs mit der Wahrheit zu machen, sollte das juristische Handwerk
zunächst einmal, soweit hierzu im Stande, benutzt werden".
Der Einschub "soweit hierzu im Stande" stellt sich nach Auffassung des
Senats als eine Beleidigung des gegnerischen Anwalts dar. In dieser
Äußerung liegt eine Kundgabe der Missachtung i.S.
des § 185 StGB, weil dem Adressaten grundsätzlich die
Fähigkeit abgesprochen wird, "juristisches Handwerkszeug" zu
benutzen, d.h. seinen Beruf ordnungsgemäß
auszuüben. Diese Äußerung ist geeignet, den
Rechtsanwalt
des Prozessgegners in den Augen der Parteien und des Gerichts
herabzuwürdigen.
Die Äußerung ist auch nicht vom Rechtfertigungsgrund
der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) gedeckt.
Im Rahmen dieser Vorschrift ist die Grenze des Hinzunehmenden dann
überschritten, wenn sich die ehrverletzende
Äußerung unter Abwägung aller
Umstände des konkreten Falles nicht mehr als angemessenes
Mittel der Wahrnehmung der Mandanteninteressen erweist, insbesondere
wenn sie eine zusätzliche Abwertung des betroffenen Gegners
zum Ausdruck bringt (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996,7). Das
ist hier der Fall. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die fragliche
Äußerung im Zusammenhang steht mit dem Vorwurf der
Klägerseite, die Beklagtenseite habe gegen die prozessuale
Wahrheitspflicht verstoßen. Dies hätte eine durchaus
scharfe Zurückweisung gerechtfertigt. Es
überschreitet jedoch jede Angemessenheit und ist aus
sachlichen Gründen nicht mehr geboten, dem Gegner
darüber hinaus grundsätzlich die juristische
Qualifikation abzusprechen. Mangels jeden sachlichen Bezugs steht bei
dieser Äußerung dann nicht mehr die
Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Gegners
im Vordergrund.
Der Angeschuldigte hat deshalb rechtswidrig gehandelt. Auf den in
diesem Zusammenhang gestellten Hilfsbeweisantrag der Verteidigung auf
Beiziehung der o.g. Akten des Amtsgerichts St. Ingbert brauchte der
Senat nicht zu erkennen. Soweit damit unter Beweis gestellt werden
soll, dass der Angeschuldigte in Wahrnehmung berechtigter Interessen
gehandelt habe, ist der Antrag bereits unzulässig, weil dies
eine rechtliche Wertung ist, die dem Beweis nicht zugänglich
ist. Soweit ihm zu entnehmen ist, der Angeschuldigte habe im Auftrag
seiner Partei gehandelt, ist der Beweisantrag für die
Entscheidung ohne Bedeutung, weil eine Beleidigung des Gegners, die das
Sachlichkeitsgebot verletzt, auch bei einem entsprechenden Auftrag des
Mandanten nicht gerechtfertigt sein kann.
Dass der Angeschuldigte vorsätzlich gehandelt hat, kann nach
den Umständen nicht zweifelhaft sein.
Bei Bemessung der Sanktion hatte der Senat zu beachten, dass lediglich
nur noch ein Fall zur Aburteilung stand. Zugunsten des Angeschuldigten
war zu werten, dass er seit längerer Zeit seinen Beruf
unbeanstandet ausübt und die Tat zugegeben hat. Für
ihn sprach auch, dass er sich durch den Vorwurf der Gegenseite, gegen
die prozessuale Wahrheitspflicht verstoßen zu haben, zu der
fraglichen Äußerung provoziert gefühlt
haben mag. Anderseits war zu sehen, dass der Angeschuldigte mit seinem
Angriff auf die Berufsehre seines Kontrahenten die
Erheblichkeitsschwelle deutlich überschritten und das Ansehen
der Rechtsanwaltschaft nicht unerheblich geschädigt hat. Unter
Abwägung dieser Umstände hielt der Senat gem.
§§ 113,114 Abs. I Nr. 3 BRAO die anwaltsgerichtliche
Maßnahme der Verhängung einer Geldbuße in
Höhe von 500,- Euro für angemessen und ausreichend,
um dem Angeschuldigten das Unrecht seines Tuns deutlich vor Augen zu
fuhren und für die Zukunft mäßigend auf ihn
einzuwirken.
Nach alledem musste die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft im
Wesentlichen erfolglos bleiben. Sie führt lediglich zum
Wegfall des Freispruchs in erster Instanz. Denn über das
gesamte vorgeworfene, schuldhafte Verhalten des Rechtsanwalts kann nur
einheitlich entschieden werden (BGHSt. 16,237,240 [BGH 25.09.1961 -
AnwSt R 4/61]; 27,305) [BGH 05.12.1977 - AnwSt R 5/77]. Die
Unterscheidung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit entfällt.
Die verschiedenen Taten werden nicht nur prozessual, sondern auch
materiellrechtlich zu einer einheitlichen Pflichtverletzung
zusammengefasst durch die Anschuldigungsschrift und den
Eröffnungsbeschluss bzw. - wie hier - einen
Verbindungsbeschluss. Im Urteilstenor kann deshalb auf Teilfreispruch
nicht erkannt werden, wenn nicht alle Anschuldigungspunkte zur
Verurteilung führen (vgl. Feuerich-Braun, BRAO 5. Aufl.,
§ 114 Rn. 64).
Da der Angeschuldigte nur mehr wegen eines Verstoßes gegen
das Sachlichkeitsgebot zu verurteilen war und die anwaltsgerichtliche
Maßnahme des Verweises in Wegfall gekommen ist, hat das
Rechtsmittel des Angeschuldigten lediglich einen Teilerfolg, den der
Senat kostenrechtlich mit einhalb bewertet. Entsprechend war die
Kostenentscheidung gem. § 197 Abs. II S. 2 BRAO zutreffen.
Da keine Fragen grundsätzlicher Art berührt sind, kam
eine Zulassung der Revision nicht in Betracht § 145 Abs. II
BRAO.
gez. JR. Dr. Sonntag
gez. Dr. Ruland
gez. Kimmlinger-Barrois
gez. Dr. Gehrlein
gez. Balbier