Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Upskirting Ordnungswidrigkeit
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Aktenzeichen:   10 CS 09.747
Verkündet am:
07.05.2009


BAYERISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF

BESCHLUSS


Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen sicherheitsrechtliche Anordnungen der Antragsgegnerin, mit denen er verpflichtet wird, während eines Zeitraums von 12 Monaten ab Bescheidszustellung bayernweit foto- oder videotaugliche Multimediageräte an Treppenanlagen nur in verschlossenen Behältnissen mitzuführen sowie keine Fotos oder Videoaufnahmen mit sexuellem Hintergrund von Personen ohne deren Einwilligung anzufertigen.

Mit Beschluss vom 4. März 2009 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen diese im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Oktober 2008 verfügten Anordnungen abgelehnt. Die angefochtenen Anordnungen fänden ihre Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG in Verbindung mit § 118 Abs. 1 OWiG. Das Verhalten des Antragstellers, der Frauen ohne deren Einwilligung unter den Rock fotografiert habe, erfülle den objektiven Tatbestand einer Belästigung der Allgemeinheit gemäß § 118 Abs. 1 OWiG. Er habe durch sein Handeln in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen in Gestalt des Rechts am eigenen Bild sowie des Rechts auf Achtung des Intim- und Sexualbereichs eingegriffen und so grundlegende Werte der in unserer Gesellschaft geltenden Gemeinschaftsordnung verletzt.

Diese Handlungen seien auch geeignet, die Allgemeinheit zu belästigen und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Es bestehe zudem die sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller solche Handlungen auch künftig vornehmen werde. Die Anordnungen entsprächen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die im angefochtenen Bescheid erfolgte Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 5.000 Euro für den Fall der Nichtbeachtung der Anordnungen sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehler der Sicherheitsbehörde seien insoweit nicht ersichtlich.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Antragsteller, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. März 2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle sein Verhalten keine Ordnungswidrigkeit gemäß § 118 Abs. 1 OWiG dar. Bedenken bestünden schon hinsichtlich der Bestimmtheit dieses Ordnungswidrigkeitentatbestands. Das gerade auf Heimlichkeit ausgerichtete Verhalten sei nicht grob ungehörig und zudem nicht geeignet, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit die Allgemeinheit Anstoß an den ohnehin nur schwer erkennbaren Fotografiervorgängen nehmen könnte. Durchgreifende Bedenken bestünden darüber hinaus hinsichtlich der Höhe des angedrohten Zwangsgelds. Schon aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung dürfe das angedrohte Zwangsgeld den Bußgeldrahmen nach § 118 Abs. 2 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 OWiG nicht überschreiten. Im Übrigen betrage das angedrohte Zwangsgeld ein Vielfaches des monatlichen Nettoeinkommens des Antragstellers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die in der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die beantragte Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers.

1. Das Erstgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass das Verhalten des Antragstellers den Voraustatbestand einer die öffentliche Ordnung beeinträchtigenden Belästigung der Allgemeinheit im Sinne von § 118 Abs. 1 OWiG erfüllt.

a) Diese Bestimmung verstößt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Denn das Bestimmtheitsgebot bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber gezwungen ist, Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände ausschließlich mit exakt erfassbaren Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben. Gegen die Verwendung von Generalklauseln oder unbestimmten, wertausfüllungsbedürftigen Begriffen bestehen verfassungsrechtlich dann keine durchgreifenden Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (st. Rspr. des BVerfG; vgl. zuletzt vom 10.3.2009 2 BvR 1980/07 - juris - RdNr. 22 m.w.N.). Dass der Tatbestand des § 118 Abs. 1 OWiG gemessen an diesen Grundsätzen nicht hinreichend bestimmt sei und die Rechtsprechung keine ausreichenden Vorgaben für die Auslegung dieses Ordnungswidrigkeitentatbestands enthalte, hat der Antragsteller jedoch nicht substanziiert dargelegt.

b) Rechtsfehlerfrei ist auch die Bewertung des Verwaltungsgericht, das Verhalten des Antragstellers - Fotografieren unter den Rock von Frauen ohne deren Einwilligung - bedeute einen erheblichen Eingriff in das durch Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen (insbesondere das Recht auf Achtung des Intim- und Sexualbereichs) und stelle damit eine grob ungehörige Handlung im Sinne von § 118 Abs. 1 OWiG dar. Der Antragsteller hat im Rahmen seiner Beschwerdebegründung keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die dem Senat Anlass geben könnten, dies ernsthaft in Zweifel zu ziehen.

Sein Einwand, diese Handlungen seien nicht geeignet, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden, weil sie nach Außen ohnehin schwer erkennbar seien und die Allgemeinheit zudem keine positive Kenntnis von der fehlenden Einwilligung der Betroffenen habe, ist schon vom Ansatz her verfehlt. Denn eine tatsächliche Belästigung oder Gefährdung der Allgemeinheit setzt § 118 Abs. 1 OWiG gerade nicht voraus. Es reicht vielmehr aus, dass die betreffende Handlung geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden, und dass dies an einem allgemein zugänglichen Ort geschieht (vgl. BayVGH vom 15.9.2003 Az. 24 CS 03.1595 - juris - RdNr. 11). Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass sich die Handlungen des Klägers auf öffentlich zugänglichen (Roll-)Treppen und damit in einem Bereich ereignet haben, in dem regelmäßig viele Leute unterwegs sind, und zwei derartige Vorfälle gerade von nicht betroffenen Frauen zur Anzeige gebracht worden sind.

Angesichts der damit offensichtlich bewirkten groben Missachtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dieser Frauen völlig neben der Sache liegend ist der in diesem Zusammenhang vorgebrachte Einwand des Antragstellers, die Allgemeinheit müsse positive Kenntnis vom Fehlen der Einwilligung der betroffenen Frauen haben.

c) Auch mit dem wiederholten Hinweis auf die gesetzgeberische Wertung, die im neu geschaffenen Straftatbestand des § 201a StGB zum Ausdruck komme, zeigt der Antragsteller keine Gründe auf, die die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Zweifel ziehen könnten. Denn dieser strafrechtliche Schutz des höchstpersönlichen Rückzugsbereichs des Einzelnen bedeutet nicht etwa im Umkehrschluss, dass jegliches Fotografieren eines Menschen außerhalb dieses Bereichs per se als zulässig angesehen werden müsste.

2. Keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die im Bescheid vom 25. Oktober 2008 erfolgte Zwangsgeldandrohung. Als reines Beugemittel, das die Erfüllung der dem Antragsteller im streitbefangenen Bescheid auferlegten sicherheitsrechtlichen Pflichten erzwingen soll, ist das Zwangsgeld von der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Geldbuße, die Ahndungscharakter besitzt, auch hinsichtlich der Höhe völlig unabhängig. Der gesetzliche Rahmen für ein Zwangsgeld wird vielmehr ausschließlich durch Art. 31 Abs. 2 VwZVG festgelegt. Bei der Bestimmung der Höhe des Zwangsgeldes sind grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls, die persönlichen Verhältnisse des Verpflichteten sowie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten; dabei sind im vorliegenden Fall die Dauer und die Intensität der Pflichtverletzungen, Verschuldensgründe sowie das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Anordnungen von Bedeutung. Gemessen daran vermag auch der Senat einen Ermessensfehler der Antragsgegnerin bei der Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 5.000 Euro nicht zu erkennen.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).