Verwaltungsgericht Köln Spickzettel juristische Prüfung Staatsexamen Täuschung
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Aktenzeichen: 6 K 5366/07 |
Verkündet am:
15.04.2009
|
VERWALTUNGSGERICHT
KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
dem
Rechtsstreit
...
-
Klägeri-
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...
g e
g e n
...
- Beklagte
-
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger
trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Der
Kläger unterzog sich im Jahr 2006 der zweiten juristischen
Staatsprüfung im dritten Versuch.
In
den schriftlichen Arbeiten erzielte er die folgenden Einzelergebnisse:
Klausur
Zivilrecht 1: mangelhaft (2 Punkte)
Klausur
Zivilrecht 2: mangelhaft (1 Punkt)
Klausur
Zivilrecht 3: befriedigend (7 Punkte)
Klausur
Zivilrecht 4: mangelhaft (2 Punkte)
Klausur
Strafrecht 1 : ausreichend (5 Punkte)
Klausur
Strafrecht 2: mangelhaft (2 Punkte)
Klausur
Öffentliches Recht 1: ausreichend (5 Punkte)
Klausur
Öffentliches Recht 2: ausreichend (4 Punkte)
Am 15.11.2006
fand die mündliche Prüfung des Klägers
statt. Nachdem dieser den ihm für die Vorbereitung auf den
Aktenvortrag zugewiesenen Tisch im Vorbereitungsraum verlassen hatte,
wurde von der Aufsicht, die zwei liegengelassene Stifte in das von dem
Kläger auf dem Tisch vergessene Federmäppchen
zurücklegen wollte, in dem Mäppchen neben 4 Stiften,
einem Textmarker, einer Tablette und Bonbons ein ca. 3,8 x 5 cm
großer beidseitig handschriftlich beschrifteter gelber Zettel
aufgefunden. Auf der einen Seite des Zettels befinden sich mit
Bleistift geschriebene Anmerkungen zur
Geschäftsführung ohne Auftrag
einschließlich der einschlägigen Paragraphen des
Bürgerlichen Gesetzbuches. Auf der anderen Seite sind mit
blauer Schrift einzelne Rechtsbehelfe des 8. Buches der ZPO samt
einschlägiger Vorschrift aufgeführt sowie mit
Bleistift eingeklammert, wem - Gläubiger (Gl.) oder Schuldner
(Sch.) - diese zustehen.
In
der Mittagspause nach dem ersten Teil des
Prüfungsgesprächs wurde der Vorsitzende der
Prüfungskommission von dem Sachverhalt unterrichtet und darum
gebeten, dem Kläger am Schluss der Prüfung kein
Prüfungsergebnis zu verkünden, sondern diesem das
Beratungsergebnis hinsichtlich des Prüfungsgesprächs
lediglich informatorisch mitzuteilen und das Beratungsergebnis
hinsichtlich des Aktenvortrags im Protokoll zu vermerken.
Ausweislich
des Prüfungsprotokolls wurde dem Kläger kein
Prüfungsergebnis, sondern lediglich die Bewertung des
Prüfungsgesprächs mit ausreichend (6 Punkte)
mitgeteilt.
Auf
dem dazu gehörigen Berechnungsbogen ist das Beratungsergebnis
hinsichtlich des Aktenvortrags mit ausreichend (4 Punkte) festgehalten.
Nach
Verlassen des Prüfungsraums wurde dem Kläger, der
während des gesamten Prüfungstages nicht nach seinem
Federmäppchen gefragt hatte, ein Schreiben
ausgehändigt, das eine Schilderung des Sachverhalts und die
Ankündigung einer gesonderten Anhörung enthielt.
Im
Anschluss suchte der Kläger Herrn RVG Murmann-Suchan, einen
damaligen Mitarbeiter des beklagten Prüfungsamtes, auf. In dem
folgenden Gespräch erklärte der Kläger, er
wisse, um welchen Zettel es sich handele und was er enthalte, er habe
den Zettel als Lernhilfe gefertigt und in das Federmäppchen
gelegt, um ihn stets griffbereit zu haben. Er habe in der Vergangenheit
erhebliche Probleme gerade mit der Geschäftsführung
ohne Auftrag gehabt, inzwischen die dem Zettel zu entnehmenden Probleme
aber verinnerlicht. Im Vorfeld des Prüfungstermins habe er
vergessen, den Zettel aus dem Federmäppchen zu entfernen, ihn
während der Vorbereitungszeit aber weder bemerkt noch benutzt.
Im
Rahmen der Anhörung erklärte der Kläger, er
habe den Zettel seit langem als Lernhilfe benutzt, ihn zwecks
Wiederholung im Mäppchen aufbewahrt und am Vorabend der
Prüfung beim „Ausmisten" des Mäppchens den
Zettel übersehen,
Mit
Bescheid vom 02.01.2007 erklärte das beklagte
Prüfungsamt den Aktenvortrag des Klägers für
ungenügend (0 Punkte) und die Prüfung mit einem
erzielten Punktwert von 3,90 Punkten für nicht bestanden. Der
Kläger habe in Gestalt des Zettels ein nicht zugelassenes
Hilfsmittel in seinem Besitz gehabt und damit den Tatbestand des
ordnungswidrigen Verhaltens nach § 22 Abs. 1 S. 1 JAG NRW
erfüllt. Diesem komme ein erhebliches Gewicht zu. Der
aufgefundene Zettel sei geeignet, eine erhebliche Hilfestellung bei der
Bearbeitung zivilrechtlicher Aufgabenstellungen mit entsprechendem und
für einen zivilrechtlichen Aktenvortrag allgemein in Betracht
kommendem Inhalt zu bieten. Die systematische Darstellung biete einen
generellen zeitlichen Bearbeitungsvorteil, der gerade in der auf eine
Stunde beschränkten Vorbereitungszeit für den
Aktenvortrag von erheblicher Bedeutung sei. Der Kläger habe
den Zettel während der Vorbereitung bewusst und in einer Weise
bei sich geführt, die sein Vorhandensein nur schwer entdecken
ließ. Ein planmäßig verdecktes Vorhaben
liege bei lebensnaher Betrachtung nahe. In Anbetracht dessen erscheine
eine Wiederholung des Vortrags nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 JAG NRW
weder dem Gewicht der Ordnungswidrigkeit noch zur Wiederherstellung der
Chancengleichheit und unter Berücksichtigung
generalpräventiver Erwägungen angemessen. Die
Rechtsfolge des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JAG NRW stelle sich
auch unter Beachtung des Umstandes, dass die Totalabwertung des
Aktenvortrages zwangsläufig dazu führe, dass der
Kläger die Prüfung endgültig nicht bestanden
habe, als sachgerechte und angemessene Reaktion dar.
Am
24.01.2007 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, mit dem
er sich gegen die Bewertung des Aktenvortrags mit ungenügend
sowie die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1, Zivilrecht 4 und
Öffentliches Recht 1 wandte.
Der
Kläger trug vor, das beklagte Prüfungsamt sei
für die Abwertung des Aktenvortrags sachlich
unzuständig gewesen. Sachlich zuständig für
die Entscheidung über die Folgen eines in der
mündlichen Prüfung festgestellten ordnungswidrigen
Verhaltens sei
nach
§ 22 Abs. 3 JAG NRW der Prüfungsausschuss. Die
Vorbereitungszeit sei Bestandteil der mündlichen
Prüfung, das beklagte Amt damit unzuständig.
Darüber hinaus sei der aufgefundene Zettel kein nicht
zugelassenes Hilfsmittel. Das Gesetz sehe im Bereich der
mündlichen Prüfung bereits keine § 53 i. V.
m. § 13 Abs. 3 JAG NRW entsprechende Regelung für die
Bestimmung zulässiger Hilfsmittel vor. Selbst wenn man
diesbezüglich von einem Gestaltungsraum der Behörde
ausgehe, sei davon mit dem Merkblatt „Weisungen für
den Aktenvortrag" abschließend Gebrauch gemacht worden. Die
darin enthaltene Weisung, als Hilfsmittel nur die zur
Verfügung gestellten Gesetzessammlungen und Kommentare zu
verwenden, erstrecke sich auch nur auf solche und nicht auf alle
anderen in den Vorbereitungsraum üblicherweise verbrachten
Gegenstände. Der Zettel sei auch nicht als Hilfsmittel i. S.
d. § 22 Abs. 1 JAG NRW zu qualifizieren. Er enthalte lediglich
Informationen, die unschwer auch den zugelassenen Gesetzessammlungen
und Kommentaren zu entnehmen seien. Als Hilfsmittel zur strukturierten
Bearbeitung sei er nicht geeignet.
Der
Kläger habe den Zettel auch während der
Vorbereitungszeit nicht bewusst mit sich geführt. Der Zettel
sei als Lern- und Erinnerungshilfe in das Mäppchen gelegt und
dort vergessen worden. Dafür spreche bereits der abgenutzte
Zustand des Zettels, der ein Indiz dafür sei, dass der Zettel
bereits Monate zuvor angefertigt und in das Mäppchen gelegt
worden sei. Die Tatsache, dass der Kläger sich
während des Prüfungstages nicht nach dem
Mäppchen erkundigt habe, lasse keine Vermutung eines
Schuldbewusstseins zu, da der Kläger aufgrund der
großen Anspannung während der für ihn
letzten Prüfungsmöglichkeit andere Sorgen gehabt
habe, als nach einem nicht benötigten Utensil zu suchen.
Die
Entscheidung sei im Übrigen auch ermessensfehlerhaft. Der
bloße Besitz eines unerlaubten Hilfsmittels stelle die
geringste vorwerfbare Identität hinsichtlich eines
angestrebten Täuschungsverhaltens dar und rechtfertige
allenfalls die mildeste Sanktion in Form einer
Wiederholungsprüfung. Generalpräventive
Überlegungen seien nicht zulässig.
Letztendlich
sei im vorliegenden Fall zwingend eine Abweichung vom rechnerischen
Gesamtergebnis nach § 56 Abs. 4 i. V. m. § 18 Abs. 4
JAG NRW vorzunehmen.
In
einem weiteren Schriftsatz vom 04.06.2007 machte der Kläger
zahlreiche Bewertungsfehler im Zusammenhang mit den Klausuren
Zivilrecht 1 und 4 sowie Öffentliches Recht 1 geltend. Wegen
der Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz des Klägers Bezug
genommen.
Nach
Einholung von Stellungnahmen der betroffenen Prüfer wies das
beklagte Prüfungsamt den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 12.11.2007, zugestellt am 14.11.2007, zurück. Zur
Begründung führte es u. a. aus:
Die
Zuständigkeit des Prüfungsamtes ergebe sich aus
§ 56 Abs. 1 i. V. m. § 22 Abs. 3 2. Hs. JAG NRW. Der
die Zuständigkeit des Prüfungsausschusses
begründende § 22 Abs. 3 2. Hs. JAG NRW erfasse nicht
den hier vorliegenden Fall, da die Vorbereitung des Vortrages nach dem
Wortlaut der §§ 51 Abs.3 und 55 i. V. m. 15 Abs. 4 S.
2 JAG NRW nicht Teil der mündlichen Prüfung sei, die
allein aus Aktenvortrag und Prüfungsgespräch bestehe.
Gegenstand der Bewertung der Prüfungsleistung Aktenvortrag sei
keine in der Vorbereitungszeit anzufertigende Perpetuierung der
Bearbeitung, der Vortragsinhalt müsse nicht am Ende der
Vorbereitungszeit feststehen
und
mit diesem Bearbeitungsinhalt zur Bewertung gestellt werden.
Außerdem liege die verfahrensmäßige
Abwicklung der Vorbereitung des Aktenvortrags nicht in dem
Verantwortungsbereich und Gestaltungsspielraum des
Prüfungsausschusses, sondern in dem des insoweit
sachnäheren Präsidenten des
Landesjustizprüfungsamtes als der das
Prüfungsverfahren im Allgemeinen organisierenden
Behörde. Aus den „Weisungen für den
Aktenvortrag" lasse sich aufgrund der Verwendung des Wortes
„nur" entnehmen, dass andere als die zur Verfügung
gestellten Hilfsmittel nicht erlaubt seien. Der Besitzvorsatz des
Klägers sei durch den tatsächlichen Besitz des
Hilfsmittels indiziert. Diese Indizwirkung habe der Kläger
nicht widerlegt. Er müsse aufgrund des
übersichtlichen Inhalts des Mäppchens den Zettel auch
während der Vorbereitung des Aktenvortrags bei der Entnahme
von Stiften wahrgenommen haben, so dass er den Zettel während
der Vorbereitungszeit wissentlich und willentlich besessen habe.
§ 18 Abs. 4 JAG NRW sei bereits nach seinem Wortlaut nicht
anwendbar, da die begehrte Abweichung vom rechnerischen Gesamtergebnis
auf das Bestehen der Prüfung Einfluss habe. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.
Der
Kläger hat am 11.12.2007 Klage erhoben, mit der er sein
Vorbringen aus dem Vorverfahren vertieft und ergänzt.
Der
Kläger beantragt,
das
beklagte Prüfungsamt unter Aufhebung seines Bescheides vom
02.01.2007 und des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2007 zu
verpflichten, die Klausuren Z 1, Z 4 und V 1 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut bewerten zu lassen, den
Aktenvortrag mit 4 Punkten zu bewerten und über das
Gesamtergebnis der Prüfung erneut zu entscheiden.
Das
beklagte Prüfungsamt beantragt,
die
Klage abzuweisen.
Es
tritt dem Vorbringen des Klägers unter Vertiefung und
Ergänzung seines bisherigen Vorbringens entgegen.
Wegen
weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die
zulässige Klage ist unbegründet.
Der
angefochtene Bescheid des beklagten Amtes vom 02.01.2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.11.2007 ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§
113 Abs. 5 VwGO). Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf
erneute Bewertung der Klausuren Z 1, Z 4 und V 1 (I.) noch auf
Bewertung des Aktenvortrags mit 4 Punkten (II.) sowie erneute
Entscheidung über das Gesamtergebnis der Prüfung
(III.) zu.
I.
Hinsichtlich der Anfechtung der Bewertung von
Prüfungsleistungen ist von folgenden Grundsätzen
auszugehen:
Art.
12 bzw. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verpflichten die Gerichte nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
vgl.
Beschlüsse vom 17.4.1991 - 1 BvR 419.81 und 213.83 -, NJW
1991, S. 2005 (2008) sowie - 1 BvR 1529.84 und 138.87 -, NJW 1991, S.
2008 (2009),
der
die Verwaltungsgerichte folgen, Prüfungsentscheidungen in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich
vollständig nachzuprüfen. Lediglich bei
„prüfungsspezifischen" Wertungen verbleibt der
Prüfungsbehörde ein die gerichtliche Kontrolle
insoweit einschränkender Entscheidungsspielraum, dessen
Überprüfung darauf beschränkt ist, ob
Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes
Recht vorliegen, ob der Prüfer von einem unrichtigen
Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine
Bewertungsgrundsätze verstoßen hat oder sich von
sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst
willkürlich gehandelt hat. Zu den allgemeingültigen,
aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bewertungsgrundsätzen
gehört, dass auch in juristischen Staatsprüfungen
zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht
als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen
dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von
Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht
eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen
Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem
Prüfer ein Beurteilungsspielraum, andererseits muss aber auch
dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden
werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig
begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet
werden. Im Übrigen ist bei der Willkürkontrolle davon
auszugehen, dass eine willkürliche Fehleinschätzung
der Prüfungsleistung schon dann anzunehmen ist, wenn die
Einschätzung Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss. Dabei
setzt eine wirksame Kontrolle durch das Gericht voraus, dass der
klagende Prüfling dem Gericht im Rahmen seiner prozessualen
Mitwirkungspflicht „wirkungsvolle Hinweise" gibt.
Vgl.
OVG NRW, Urteil vom 4.2.1994 - 22 A 1071/93 - m. w. N.
Dies
bedeutet, dass der Prüfling seine Einwände konkret
und nachvollziehbar begründen muss, um dem Gericht die
Prüfung zu ermöglichen, ob und in welcher Richtung
der Sachverhalt für eine gerichtliche
Überzeugungsbildung (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) -
notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens -
(weiter) aufzuklären ist.
Insoweit
ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts,
vgl.
Beschluss vom 17.12.1997 - 6 B 55.97 -, Buchholz, Sammel- und
Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG, 421.0,
Prüfungswesen, Nr. 385,
alle
Fragen, die fachwissenschaftlicher Erörterung
zugänglich sind bzw. anhand objektiver fachwissenschaftlicher
Kriterien zu beantworten sind,
vgl.
auch Urteil vom 16.4.1997 - 6 C 9.95 -, S. 20 des Umdrucks,
gerichtlich
voll überprüfbar sind. Um Fachfragen geht es dabei
u.a., wenn bei einer Beurteilung juristischer
Prüfungsleistungen Methodik sowie Art und Umfang der
Darstellung in Bezug auf Lösungsansatz und zur
Prüfung gestellte Normen in Rede stehen.
Prüfungsspezifische Bewertungen stehen dann in Frage, wenn
für die Beurteilung der Vergleich mit Leistungen anderer
Prüflinge erforderlich oder jedenfalls zulässig ist.
Gemessen
an diesen Voraussetzungen sind die Bewertungen der in Rede stehenden
Aufsichtsarbeiten nicht zu beanstanden. Die jeweiligen Prüfer
haben im Widerspruchsverfahren detailliert zu den Einwendungen des
Klägers Stellung genommen und diese, soweit sie Fachfragen
betrafen, in nachvollziehbarer, überzeugender Weise widerlegt.
Hinsichtlich der eigentlichen Bewertungsentscheidung haben die
Prüfer in ebenfalls fachlich nachvollziehbarer Weise
dargelegt, aus welchen Gründen im Einzelnen eine bessere
Benotung ihnen nicht gerechtfertigt erschien. Auf diese Stellungnahmen,
die das beklagte Amt durch Verweis auf diese im Widerspruchsbescheid
zum Inhalt desselben gemacht hat, kann die Kammer
gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zur Vermeidung
unnötiger Wiederholungen Bezug nehmen, da der Kläger
hierzu im Klageverfahren keine weiteren Ausführungen mehr
gemacht hat. Die Kammer hat die Ausführungen des
Klägers in den Aufsichtsarbeiten, die Bewertungen der
Prüfer und die hiergegen erhobenen Einwände des
Klägers sowie die diesbezüglichen Stellungnahmen der
Prüfer im Einzelnen nachvollzogen. Sie hat dabei - genauso
wenig wie das beklagte Amt im Widerspruchsbescheid - Rechtsfehler bei
der Bewertung feststellen können.
Insbesondere
ist die Bewertung der drei Klausuren durch den jeweiligen
Zweitkorrektor entgegen der Auffassung des Klägers
ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Gemäß § 54 i. V. m. § 14 Abs. 1 S.
1 des Gesetzes über die juristischen Prüfungen und
den juristischen Vorbereitungsdienst (Juristenausbildungsgesetz
Nordrhein-Westfalen - JAG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom
11.03.2003 ist jede Aufsichtsarbeit von zwei Prüferinnen oder
Prüfern eines Justizprüfungsamtes
selbständig zu bewerten.
Auch
der Zweitkorrektor muss die Arbeit dabei nach allgemeinen
prüfungsrechtlichen Grundsätzen eigenständig
und unabhängig beurteilen; dies bedeutet jedoch nicht, dass
ihm die in Form von Gutachten und Randbemerkungen bereits vorliegende
Bewertung des Vorgutachters nicht zugänglich gemacht werden
dürfte.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 30.1.1995 - 6 C 1.92 -, NVwZ 1995, S. 788 (789); OVG
NRW, Urteil vom 23.1.1995 - 22 A 1834/90 -, NWVBl. 1995, S. 225 (227);
Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2:
Prüfungsrecht, 4. Auflage, Rn. 565, 616.
Kommt
der Zweitkorrektor bei seiner Beurteilung zum gleichen Ergebnis wie der
Erstkorrektor, so muss er die Begründung des Erstkorrektors
auch nicht mit anderen Worten wiederholen, sondern es genügt
etwa die kurze Bemerkung „einverstanden". Nur wenn er von dem
Votum des Erstgutachters abweicht, muss er deutlich machen, worin die
unterschiedliche Bewertung nach seiner Meinung begründet ist.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 9.1.1992 - 6 C 3.92 -, NVwZ 1993, S. 677 (679);
Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, a. a. O., Rn. 717.
Vorliegend
haben sich die Zweitkorrektoren in den in Rede stehenden Klausuren des
Klägers der Beurteilung des jeweiligen Erstkorrektors
angeschlossen. Eine weitere Begründung ihrer Bewertung ist
weder im JAG NRW vorgesehen noch von Verfassungs wegen erforderlich.
Der in § 54 i. V. m. § 14 Abs. 1 S. 1 JAG NRW
verankerte Anspruch des Klägers auf Bewertung der Klausuren
durch zwei Korrektoren ist damit in vollem Umfang erfüllt
worden.
II.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Bewertung des
Aktenvortrags mit 4 Punkten zu.
Rechtsgrundlage
der Entscheidung des Präsidenten des Prüfungsamtes,
den Aktenvortrag des Klägers für ungenügend
(0 Punkte) zu erklären, ist § 22 Abs. 1 S. 1 Ziffer 2
JAG NRW.
Die
Entscheidung des beklagten Amtes ist nicht zu beanstanden. Sie
entspricht sowohl formell (1.) als auch materiell (2.) den
Anforderungen des JAG NRW.
1.
Die Sanktionsentscheidung ist formell rechtmäßig,
insbesondere ist die Zuständigkeit gewahrt worden.
Zuständig
zur Ahndung einer während der Vorbereitungszeit auf den
Aktenvortrag begangenen Ordnungswidrigkeit ist entgegen der Auffassung
des Klägers nicht der Prüfungsausschuss, sondern der
hier handelnde Präsident des beklagten Amtes.
Gemäß § 22 Abs. 3 JAG NRW entscheidet
über die Folgen eines in der mündlichen
Prüfung festgestellten ordnungswidrigen Verhaltens des
Prüflings der Prüfungsausschuss; im Übrigen
der Vorsitzende des Justizprüfungsamtes.
Für
die Annahme der Zuständigkeit des Vorsitzenden des beklagten
Prüfungsamtes zur Ahndung von in der Vorbereitungszeit auf den
Aktenvortrag begangenen Ordnungswidrigkeiten streiten sowohl der
Wortlaut als auch der Sinn und Zweck der Regelung.
Laut
§ 22 Abs. 3 JAG NRW entscheidet der Prüfungsausschuss
allein über die Folgen eines in der mündlichen
Prüfung festgestellten ordnungswidrigen Verhaltens. Die
mündliche Prüfung besteht nach § 51 Abs. 3
S. 1 JAG NRW aus einem Aktenvortrag und einem
Prüfungsgespräch. Das als ordnungswidrig gewertete
Verhalten des Klägers ist indes gerade nicht in einem dieser
Bestandteile der mündlichen Prüfung, sondern in der
Vorbereitungszeit auf den Aktenvortrag festgestellt worden. Die
Vorbereitungszeit ist, wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, nicht
als Teil, sondern als Vorbereitung der mündlichen
Prüfung anzusehen. Sie ist kein Teil des Aktenvortrags. Zwar
geht sie diesem voraus, ist jedoch kein bewertungsfähiger
Bestandteil desselben. Wie das beklagte Amt zu Recht ausführt,
ist der Aktenvortrag nicht in dem Maße
zwangsläufiges Ergebnis der Vorbereitungszeit wie die
Aufsichtsarbeit solches der Bearbeitungszeit. Nicht das Ergebnis der
Vorbereitungszeit wird bewertet, sondern die eigenständige
Leistung des Vortrags, die ihrem Inhalt nach durchaus von dem
während der Vorbereitungszeit Erarbeiteten abweichen kann.
Auch
die Regelung des § 15 Abs. 1 S. 1 JAG NRW, wonach die
mündliche Prüfung vor einem
Prüfungsausschuss abgelegt wird, spricht dagegen, die
Vorbereitungszeit bereits als Bestandteil der mündlichen
Prüfung zu sehen. Die Regelung legt vielmehr nahe, allein die
Leistungen, die vor dem Ausschuss, d. h. in Anwesenheit der
Prüfungsausschussmitglieder erbracht werden, als Bestandteil
der mündlichen Prüfung anzusehen. Vor dem Ausschuss
werden jedoch nur Vortrag und Prüfungsgespräch
erbracht, nicht die Vorbereitungszeit.
Für
die Entscheidungszuständigkeit des Vorsitzenden des
Prüfungsamtes spricht ebenfalls der Sinn und Zweck des
§ 22 Abs. 3 JAG NRW.
§
22 Abs. 3 JAG NRW stellt auf ein in der mündlichen
Prüfung festgestelltes ordnungswidriges Verhalten zur
Begründung der Zuständigkeit des
Prüfungsausschusses ab. Damit wird der die Ordnungswidrigkeit
unmittelbar feststellenden Behörde, die das ordnungswidrige
Verhalten unmittelbar wahrnehmen und beurteilen kann und daher aufgrund
ihrer Sachnähe am ehesten geeignet ist, über
angemessene Sanktionen zu entscheiden, die Kompetenz zur Ahndung
eingeräumt. In der Vorbereitungszeit auf den Aktenvortrag, die
gänzlich von dem Justizprüfungsamt organisiert und
überwacht wird, hat der Prüfungsausschuss keine
Möglichkeit der eigenen Wahrnehmung und müsste sich
gänzlich auf die Feststellungen des
Justizprüfungsamtes verlassen. Damit ist er für
diesen Zeitraum nicht als feststellende Behörde anzusehen.
Diese Eigenschaft kommt vielmehr dem Justizprüfungsamt zu, das
insoweit die für die Vorbereitungszeit sachnähere
Behörde und zur Entscheidung nach § 22 JAG NRW
berufen ist.
Gegen
diese Auslegung des § 22 Abs. 3 JAG NRW spricht nicht, dass
laut § 22 Abs. 2 Nr. 2 JAG NRW allein die
Prüfungsleistung, auf die sich die Ordnungswidrigkeit bezieht,
mit „ungenügend" (0 Punkten) gewertet werden kann.
Entgegen der Auffassung des Klägers bedeutet dies nicht, dass
die Vorbereitungszeit, die gerade keine Prüfungsleistung ist,
auf die sich die Ordnungswidrigkeit beziehen kann, mit 0 Punkten
bewertet werden muss. Vielmehr bezieht sich die Ordnungswidrigkeit auf
die Prüfungsleistung, die vorbereitet wird, den Aktenvortrag.
2.
Die Entscheidung ist auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß
§ 56 Abs. 1 i. V.m. § 22 Abs. 1 S. 1 Ziffer 2 JAG NRW
kann als Folge eines ordnungswidrigen Verhaltens, namentlich eines
Täuschungsversuchs, des Besitzes oder der Benutzung nicht
zugelassener Hilfsmittel, die Prüfungsleistung, auf die sich
die Ordnungswidrigkeit bezieht, für
„ungenügend" (0 Punkte) erklärt werden.
Die
tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier gegeben.
Die
Handlung des Klägers ist als ordnungswidriges Verhalten in
Gestalt des Besitzes nicht zugelassener Hilfsmittel einzuordnen.
Der
bei dem Kläger aufgefundene Zettel ist als Hilfsmittel i.S. d.
Vorschrift anzusehen. Unabhängig davon, ob er lediglich
Informationen enthält, die sich auch den zur
Verfügung stehenden Informationen und Gesetzessammlungen
entnehmen lassen, ist er allein durch die kompakte Art der Darstellung
als Gedächtnisstütze und Hilfe anzusehen. Davon geht
auch der Kläger selbst aus, wenn er ausführt, er habe
den Zettel als Lernhilfe zur Verinnerlichung der Voraussetzungen der
GoA und der Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung erstellt. Bei
entsprechender Aufgabenstellung hätten die Informationen
zumindest eine Zeitersparnis bedeutet, die gerade in der kurzen
Vorbereitungszeit einen erheblichen Vorteil darstellt. Die Tatsache,
dass der Zettel dem Kläger in der konkreten Situation aufgrund
der Aufgabenstellung keinen Vorteil brachte, ist unbeachtlich, da die
generelle Geeignetheit genügt.
Vgl.
Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, a. a. O., 4. A., Rn. 448.
Der
Zettel ist auch nicht als Hilfsmittel zugelassen. Die Kompetenz des
Justizprüfungsamtes, bestimmte Hilfsmittel zuzulassen, ergibt
sich unabhängig von der Anwendbarkeit des § 13 Abs. 3
i. V. m. § 53 Abs. 2 JAG NRW aus dem Gebot der
Gleichbehandlung aller Prüflinge, das die
Gewährleistung gleicher Prüfungsbedingungen auch
hinsichtlich der Benutzung von Hilfsmitteln verlangt.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 13.10.1972 - VII C 17.71 -, juris.
Um
die Gleichbehandlung aller Prüflinge sicherzustellen, hat das
Justizprüfungsamt in den „Weisungen für den
Aktenvortrag" festgelegt, dass „nur die zur
Verfügung gestellten Gesetzessammlungen und Kommentare" als
Hilfsmittel benutzt werden dürfen. Bereits aus der Verwendung
des Wortes „nur" ist eindeutig zu ersehen, dass Hilfsmittel
ausschließlich die zur Verfügung gestellten Werke
sein dürfen. Darunter fällt der in Rede stehende
Zettel unzweifelhaft nicht. Die von dem Kläger vorgetragene
Argumentation, dass damit auch Stifte etc. ausgeschlossen seien, greift
nicht durch, da diese Arbeitsmittel und keine Hilfsmittel darstellen.
Auch
die subjektiven Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 S. 1 JAG NRW
sind gegeben.
Der
Kläger handelte vorsätzlich, er führte den
in Rede stehenden Zettel bewusst in der Prüfung mit.
Wie
sich aus § 22 Abs. 1 S. 1 JAG NRW ergibt, können die
Sanktionen des § 22 Abs.1 S. 1 Nr. 1-3 JAG NRW als Folgen
eines ordnungswidrigen Verhaltens ausgesprochen werden.
Ordnungswidriges Verhalten aber setzt Vorsatz voraus.
Vgl.
Rehborn/Schulz/Tettinger, Die Juristenausbildung in Nordrhein-Westfalen, 7. A., § 17 Rn. 4.
Ein
auf Täuschung gerichteter bedingter Vorsatz ist dabei nicht
erforderlich. Demgegenüber liegt der bloße Besitz
eines unzulässigen Hilfsmittels noch im Vorfeld eines
Täuschungsversuchs, vgl. Rehborn/Schulz/Tettinger, a. a. O.,
§ 17 Rn. 3, und ist von diesem zu unterscheiden.
Für
ein vorsätzliches Handeln des Klägers spricht hier
der Beweis des ersten Anscheins.
Der
Anscheinsbeweis greift bei typischen Geschehensabläufen, d. h.
einem feststehenden Sachverhalt ein, der nach der Lebenserfahrung auf
eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Geschehensablauf hinweist.
Vgl.
Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. A., vor
§ 249 Rn. 163.
Ein
derartiger typischer Geschehensablauf liegt hier vor. Führt
ein Prüfling ein nicht zugelassenes Hilfsmittel in der
Prüfung mit sich, so wird der Besitzvorsatz bereits durch den
Besitz des nicht zugelassenen Hilfsmittels indiziert.
Vgl.
Rehborn/Schulz/Tettinger, a. a. O., § 17 Rn. 4.
Es
ist jedem Prüfling bekannt, dass das Auffinden eines
unzulässigen Hilfsmittels in der Prüfung zu
Sanktionen führen kann. Er wird sich daher um Beseitigung
aller unzulässigen Hilfsmittel aus den in der Prüfung
zu benutzenden Gegenständen bemühen. Befindet sich
dennoch ein unzulässiges Hilfsmittel in seinem Besitz, so ist
von einem bewussten Mitführen auszugehen.
Vgl.
VG Augsburg, Urteil vom 30.01.2007 - Au 3 K 06.1306 -, zitiert nach
juris.
Dies
gilt in vorliegendem Fall umso mehr, als sich der Zettel zugriffsbereit
und unübersehbar in einem übersichtlichen
Federmäppchen befand, das in ständigem Gebrauch des
Klägers war.
Den
Beweis des ersten Anscheins hat der Kläger auch nicht
entkräftet.
Liegen
Tatsachen vor, die den Beweis des ersten Anscheins begründen,
so obliegt es dem Kläger, Tatsachen darzulegen und zu
beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines
anderen Geschehensablaufs ergibt und derart den Beweis des ersten
Anscheins zu erschüttern.
Vgl.
Heinrichs, in: Palandt, a. a. O., vor § 249, Rn. 164.
Tatsachen,
die geeignet sind, die ernsthafte Möglichkeit eines anderen
Geschehensablaufs zu begründen, hat der Kläger nicht
dargetan.
Es
mag so sein, dass er den Zettel schon Monate vor der Prüfung
als Lernmittel erstellt und in der Folgezeit im Mäppchen
aufbewahrt hat, seine Einlassung, er habe ihn in dem Mäppchen
vergessen und beim „Ausmisten" des Mäppchens am
Vorabend übersehen, vermag einen den Anscheinsbeweis
entkräftenden atypischen Geschehensablauf jedoch nicht zu
belegen.
Es
ist wenig glaubhaft, dass der Kläger den nach seinen eigenen
Aussagen von ihm seit Monaten ständig als Lernhilfe benutzten,
somit im Bewusstsein präsenten und in seinem Mäppchen
aufbewahrten auffällig gelben Zettel beim Aufräumen
des Mäppchens am Vorabend der Prüfung
übersehen haben will. Dies erscheint insbesondere deshalb
unglaubhaft, weil das Mäppchen ansonsten nur 4 Stifte, einen
Textmarker, eine Tablette und Bonbons enthielt. Angesichts dieses
übersichtlichen Inhalts hätte der Zettel dem
Kläger bereits beim Aufräumen des Mäppchens,
spätestens aber bei Entnahme der Stifte am
Prüfungstag im Rahmen der Vorbereitung auf den Vortrag
auffallen müssen. Dafür spricht auch, dass die
Aufsicht den Zettel bereits bei Öffnen des Mäppchens,
um die auf dem Tisch liegenden Stifte hineinzulegen, entdeckte. Es ist
daher auszuschließen, dass der Kläger, der das
Mäppchen in ständigem Gebrauch hatte und ihm mehrere
Stifte entnahm, den Zettel übersehen hat. Vielmehr spricht
alles dafür, dass der Zettel bewusst von dem Kläger
mitgeführt wurde, um diesen als Unterstützung zur
Verfügung zu haben.
Sind
somit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 1 S. 1 JAG
NRW gegeben, so lag es im Ermessen des Vorsitzenden des
Prüfungsamtes, das Verhalten des Klägers zu
sanktionieren. Von diesem Ermessen hat der Vorsitzende des
Prüfungsamtes in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch
gemacht (§ 114 S. 1 VwGO).
Er
hat in seinen Bescheiden ausführlich dargelegt und
begründet, warum er in der Handlung des Klägers ein
ordnungswidriges Verhalten von erheblichem Gewicht sieht, das die
Sanktion des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JAG NRW rechtfertigt,
sowie alle denkbaren und von dem Kläger vorgetragenen
Erwägungen in seine Entscheidung einbezogen. Insbesondere
wurde die persönliche Situation des Klägers und die
Tatsache, dass für ihn die verhängte Sanktion
letztendlich zu einem endgültigen Nichtbestehen der zweiten
juristischen Staatsprüfung führt, gewürdigt
sowie die mildere Sanktion der Anordnung einer
Wiederholungsprüfung erwogen.
Anhaltspunkte
für eine Ermessensüberschreitung bei der Einstufung
der Handlung des Klägers durch das beklagte Amt als eine
Ordnungswidrigkeit von erheblichem Gewicht, die eine Sanktion nach
§ 22 Abs.1 S. 1 Nr. 2 JAG NRW rechtfertigt, sind nicht
gegeben. Die von dem Kläger vorgenommene Abstufung dergestalt,
dass der Besitz eines unerlaubten Hilfsmittels lediglich mit der
mildesten Sanktion der Wiederholung der Prüfungsleistung
gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 1. Alt. JAG
NRW geahndet werden kann, ist in der Vorschrift nicht vorgegeben. Die
Vorschrift ist nicht in dem von dem Kläger angenommenen Sinne
schematisch angelegt. Vielmehr kann jede Sanktion für jede der
drei in § 22 Abs. 1 S. 1 JAG NRW beispielhaft
aufgeführten Alternativen des Täuschungsversuchs, des
Besitzes und der Benutzung unzulässiger Hilfsmittel
ausgesprochen werden. Die Entscheidung des beklagten Amtes, eine
Ordnungswidrigkeit erheblichen Gewichts anzunehmen, ist insbesondere
angesichts des Umfangs und der systematischen Darstellung der auf dem
Zettel enthaltenen Informationen nicht zu beanstanden.
Die
Entscheidung ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil zur
Begründung der Sanktion zusätzlich
generalpräventive Gesichtspunkte herangezogen wurden. Die
Gewährleistung der durch ordnungswidriges Verhalten in Frage
gestellten Chancengleichheit durch das beklagte Amt rechtfertigt
grundsätzlich auch die Berücksichtigung einer durch
die Sanktion erzielten Abschreckung anderer.
Vgl.
Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2:
Prüfungsrecht, 4. A., Rn. 459 m. w. N.; VG Köln,
Urteil vom 15.12.2005 - 6 K 6285/04 -, NWVBl. 2006, 196.
Die
Entscheidung des beklagten Amtes überschreitet auch nicht die
Grenzen der Verhältnismäßigkeit. Die
Sanktion ist nicht unangemessen. Unter Berücksichtigung der
Schwere der begangenen Ordnungswidrigkeit und der Tatsache, dass die
verhängte Sanktion noch im mittleren Bereich der
Sanktionsmöglichkeiten liegt sowie des erstrebten
Abschreckungseffektes, ist die getroffene Maßnahme nicht zu
beanstanden.
Die Kammer
verkennt dabei - ebenso wenig wie das beklagte Amt - nicht ,dass die
danach rechtlich nicht zu beanstandende Sanktionsentscheidung den
Kläger im zweiten Wiederholungsversuch und angesichts der
knappen Verfehlung der Bestehensgrenze besonders hart trifft. Sie hat
deshalb auch das Ergebnis hinterfragt, die konkreten Folgen
für den Kläger eingehend in den Blick und u. a. zum
Anlass genommen, sich vom Vertreter des beklagten Amtes in der
mündlichen Verhandlung noch einmal die Sanktionspraxis in
Täuschungsfällen im Allgemeinen und die
Erwägungen im konkreten Fall im Einzelnen schildern zu lassen,
auch um auszuloten, ob eine mildere Sanktion in Betracht gezogen werden
könnte. Nach diesen Erörterungen fügt sich
jedoch letztendlich auch zur Überzeugung der Kammer (nur) die
gegenüber dem Kläger verhängte Sanktion -
und nicht eine mildere Sanktion - in die Verwaltungspraxis des
Beklagten ein, deren gleichmäßige Handhabung im
vorliegenden Zusammenhang insbesondere auch für
künftige Fälle besonders hohe Bedeutung hat.
III.
Ein Anspruch des Klägers auf erneute Entscheidung
über das Gesamtergebnis der Prüfung ist aufgrund der
nicht zu beanstandenden Bewertung seiner Prüfungsleistungen
nicht gegeben. Insbesondere besteht bereits dem Wortlaut der Vorschrift
nach kein Anspruch auf Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Wert
der Gesamtnote gemäß § 56 Abs. 4 i. V. m.
§ 18 Abs. 4 JAG NRW. Danach ist eine Abweichung um bis zu
einem Punkt allein dann zulässig, wenn sie auf das Bestehen
der Prüfung keinen Einfluss hätte. Hier wäre
ein solcher Einfluss gegeben.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die
Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung (§
124 a Abs. 1 S. 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4
VwGO) sind nicht gegeben.
Unterschriften