Verwaltungsgericht Freiburg Dissertation Plagiat Doktorgrad Urteil
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Aktenzeichen:   1 K 58/12
Verkündet am:
23.05.2012

Leitsätze

Die Verleihung des Doktorgrades ist ein begünstigender Verwaltungsakt, der nach § 48 LVwVfG zurückgenommen werden kann.

Die Verleihung des Doktorgrades ist rechtswidrig, wenn in ganz erheblichem Umfang Passagen aus Werken anderer Autoren wortgleich oder nahezu wortgleich übernommen werden, ohne das in der Dissertation durch die Verwendung von Anführungszeichen oder auf andere gleichwertige Weise kenntlich zu machen.

Die Aufnahme der Werke anderer Autoren lediglich im Literaturverzeichnis der Dissertation stellt die Berechtigung des Plagiatsvorwurfs nicht in Frage.

Es begründet keine Verletzung der Pflicht zur wissenschaftlichen Betreuung, wenn der Doktorrand vom Betreuer der Dissertation auf diese Kennzeichnungspflicht nicht ausdrücklich hingewiesen wird.


VERWALTUNGSGERICHT FREIBURG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

...
 - Klägerin -
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwalt ...

g e g e n

...
- Beklagte -
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwalt ...

...

Tenor:
 
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand
   
Die Klägerin wendet sich gegen die rückwirkende Entziehung des akademischen Grades eines Doktors der Rechtswissenschaft.
   
Die 1977 geborene Klägerin studierte ab Herbst 1997 an der xxx-xxx-xxx in xxx Rechtswissenschaften. Im Februar 2003 nahm sie mit Erfolg an der Ersten Juristischen Staatsprüfung teil und erhielt vom Bayrischen Staatsministerium der Justiz - Landesjustizprüfungsamt - die Prüfungsgesamtnote „ausreichend (4,66)“. Im Juni 2005 legte sie erfolgreich die Zweite Juristische Staatsprüfung ab und erhielt vom Landesjustizprüfungsamt die Prüfungsgesamtnote „befriedigend (6,96)“. Im Sommersemester 2005 nahm sie im Rechtswissenschaftlichen Fachbereich der beklagten Universität Konstanz an einem europarechtlichen Seminar teil und entsprach den dort gestellten Anforderungen ausweislich der hierüber ausgestellten Bescheinigung mit der Note „gut (15 Punkte)“.
   
Mit Schreiben vom 29.06.2006 teilte ihr der Fachbereich Rechtswissenschaft der Beklagten mit, dass sie auf ihren Antrag als Doktorandin im Fach Rechtswissenschaft angenommen worden sei. Der damals noch bei der Beklagten tätige Privatdozent Dr. J. hatte im März 2006 bestätigt, dass er beabsichtige, an die Klägerin eine Dissertation mit dem Thema „Regulierung im Mobilfunk“ zu vergeben und bereit sei, die wissenschaftliche Betreuung zu übernehmen.
   
Im Juni 2008 legte die Klägerin ihre insgesamt 294 Seiten umfassende Dissertation mit dem Thema „Regulierung im Mobilfunk“ vor und unterschrieb in ihrem Antrag auf Eröffnung eines Promotionsverfahrens folgende von der Beklagten vorgegebene Erklärung:

„Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus anderen Quellen direkt oder indirekt übernommenen Daten und Konzepte sind unter Angabe der Quelle gekennzeichnet. Weitere Personen, insbesondere Promotionsberater, waren an der inhaltlich materiellen Erstellung dieser Arbeit nicht beteiligt. Die Arbeit wurde bisher weder im In- noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.“
   
Privatdozent Dr. J. fertigte unter dem 11.08.2008 das Erstgutachten zu dieser Dissertation und bewertete sie mit der Note „magna cum laude (1,5)“. Prof. Dr. H. vergab in seinem Zweitgutachten vom 18.08.2008 die Note „cum laude (2,5)“.
   
Am 29.10.2008 verlieh die Beklagte der Klägerin aufgrund der mit „gut“ bewerteten Dissertation und einer mündlichen Prüfung über Spezialgebiete aus den Fachrichtungen Öffentliches Recht und Privatrecht den akademischen Grad eines Doktors der Rechtswissenschaft (Dr. jur.) mit dem Gesamturteil „cum laude (gut)“.

Die Klägerin veröffentlichte ihre Dissertation in der Reihe „Rechtswissenschaft und Praxis“ als Band 16. Am 18.12.2008 erhielt sie die Promotionsurkunde.
   
Im Februar 2011 erhielt die Beklagte erstmals einen Hinweis, dass Teile der veröffentlichten Fassung der Dissertation der Klägerin aus dem Werk „Telekommunikationsrecht“ von Koenig/Loetz/Neumann abgeschrieben seien.
   
Der Promotionsausschuss des Fachbereichs Rechtswissenschaft befasste sich daraufhin in seiner Sitzung vom 08.03.2011 mit dem Plagiatsvorwurf und fasste den Beschluss, das Verfahren zur Entziehung des Doktorgrades einzuleiten. Mit Schreiben vom 10.03.2011 gab der Fachbereichssprecher der Klägerin Kenntnis von dem eingegangenen Hinweis und teilte ihr ferner mit, dass sich der Promotionsausschuss eingehend mit der Dissertation befasst habe und bislang Übereinstimmungen mit fünf Werken anderer Autoren registriert habe. In dem Schreiben sind die einzelnen Seiten der vorgelegten Dissertation (beginnend mit Seite 13, endend mit Seite 240) aufgelistet, die ohne explizite Kennzeichnung beinahe wortgleiche Übereinstimmungen mit den im Einzelnen aufgeführten Drittwerken aufweisen. Ferner heißt es in dem Schreiben, dieser Befund sei Anlass für den Promotionsausschuss ein Verwaltungsverfahren einzuleiten, an dessen Ende die Entscheidung des Promotionsausschusses stehen könne, den Doktorgrad zu entziehen. Der Klägerin wurde Gelegenheit gegeben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
   
Der Fachbereichssprecher und Vorsitzende des Promotionsausschusses unterrichtete den Erstgutachter und den Zweitgutachter von der Einleitung des Verwaltungsverfahrens und übersandte diesen die Unterlagen über die nicht explizit gekennzeichneten Übereinstimmungen der Dissertation mit Passagen aus den fünf Werken anderer Autoren. Die Gutachter wurden um Stellungnahme hierzu gebeten.
   
Der Erstgutachter Dr. J. führte in seiner Stellungnahme vom 28.03.2011 aus, er sei zu dem Ergebnis gekommen, dass wesentliche Teile der Dissertation wörtlich ohne hinreichende Kennzeichnung aus vorhandener Literatur übernommen worden seien. Er empfehle deshalb dem Promotionsausschuss, den Doktorgrad zu entziehen. Er bedaure sehr, dass er trotz stichprobenartiger Untersuchung während der Erstellung des Erstgutachtens die Plagiate nicht bemerkt habe.
   
Der Zweitgutachter führte in seiner Stellungnahme vom 14.03.2011 aus, nach eingehender Durchsicht der überlassenen Unterlagen bestehe aus seiner Sicht kein Zweifel daran, dass die Voraussetzungen für die Entziehung des Doktorgrades in vollem Umfang erfüllt seien. Die Vielzahl der nahezu wörtlich abgeschriebenen Stellen könne nicht versehentlich oder unabsichtlich geschehen sein. Er empfehle daher dem Promotionsausschuss, den Doktorgrad zu entziehen.
   
Die Klägerin nahm durch ihren Prozessbevollmächtigten, zuletzt mit Schriftsatz vom 04.05.2011, zu den Vorwürfen ausführlich Stellung.

Am 10.05.2011 beschloss der Promotionsausschuss des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Beklagten, der Klägerin den Doktorgrad zu entziehen. In Ausführung dieses Beschlusses entzog der Vorsitzende des Promotionsausschusses mit Bescheid vom 24.05.2011 den akademischen Grad eines Doktors der Rechtswissenschaft rückwirkend und gab der Klägerin auf, die übersandte Promotionsurkunde bis zum 31.07.2011 an die Beklagte zurückzugeben. Zur Begründung wurde ausgeführt: Auf zahlreichen Seiten der Dissertation fänden sich Passagen, die ohne explizite Kennzeichnung beinahe wortgleiche Übereinstimmungen mit Passagen aus acht Drittwerken anderer Autoren aufwiesen. Solche Übereinstimmungen fänden sich beginnend auf Seite 10 und endend mit Seite 256 der schriftlichen Dissertation. Die rückwirkende Entziehung des Doktorgrades finde ihre Rechtsgrundlage in § 19 Abs. 2 Satz 1 der Promotionsordnung - PromO - i. V. m. § 48 Abs. 1 LVwVfG. Die Verleihung des Doktorgrades an die Klägerin sei rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen für den Erwerb des Doktorgrades nicht vorlägen. Die Klägerin habe sich einer Täuschung schuldig gemacht. Sie habe im Promotionsverfahren u. a. erklärt, die aus anderen Quellen direkt oder indirekt übernommenen Daten und Konzepte unter Angabe der Quelle zu kennzeichnen. Durch die Einreichung der Dissertationsschrift habe sie außerdem konkludent erklärt, die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens beachtet zu haben. Die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne hinreichende Kennzeichnung verstoße gegen die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens. Nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmitteln erbrachte wissenschaftliche Leistung genüge den Anforderungen an eine eigenständige Dissertation. Auf zahlreichen Seiten der Dissertationsschrift fänden sich ungekennzeichnete und nahezu wörtliche Übernahmen aus Drittwerken. Dadurch habe die Klägerin eine eigene Autorschaft vorgetäuscht. Die Täuschung entfalle nicht dadurch, dass sie die Drittwerke im Literaturverzeichnis aufgeführt habe, denn der Leser einer Dissertation erwarte Quellenangaben bei den jeweiligen Textstellen. Vereinzelte Hinweise auf die Originalstellen beseitigten den Plagiatsvorwurf nicht. Diesen Nachweisen könne nicht entnommen werden, dass ganze Passagen wörtlich entlehnt worden seien. Ohnehin fänden sich die Hinweise auf die Originalstellen nur ganz vereinzelt in den Passagen der Arbeit, die nahezu wörtlich aus den Drittwerken übernommen worden seien. Die Klägerin habe auch mit Täuschungsvorsatz gehandelt. Die nahezu wörtliche Wiedergabe fremder Texte - häufig einschließlich der Fußnoten und bisweilen einschließlich der Überschriften - lasse keinen anderen Schluss zu, als dass die Passagen abgeschrieben worden seien. Erst- und Zweitgutachter seien dadurch getäuscht worden. Beide hätten bei Anfertigung ihrer Gutachten die Täuschung nicht erkannt. In ihren Stellungnahmen zum Entziehungsverfahren hätten sie dargelegt, dass sie nach heutiger Kenntnis von einer Täuschung ausgingen. Es sei irrelevant, ob sich die Täuschung eher auf deskriptive Passagen, auf Passagen mit im engeren Sinne juristischen Ausführungen oder auf Passagen mit ökonomischen oder technischen Vorfragen beziehe. Bei der Erstattung von Erst- und Zweitgutachten, bei der Feststellung des Gesamtergebnisses durch die Prüfungskommission und bei der Verleihung des Doktorgrades seien wesentliche Voraussetzungen irrigerweise als gegeben angenommen worden. Zu den wesentlichen Voraussetzungen gehöre das Vorliegen eines selbständig erarbeiteten wissenschaftlich beachtlichen Beitrags und allgemein die Einhaltung der Grundanforderungen wissenschaftlichen Arbeitens, namentlich die Offenlegung aller verwendeten Quellen an der Stelle ihrer Verwendung. Diese wesentlichen Voraussetzungen lägen nicht vor. Wäre der Irrtum aufgedeckt worden, wäre der Doktorgrad nicht verliehen worden. Die Entziehung des Doktorgrades sei auch ermessensgerecht. Für die Klägerin entfalle Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 1 und 2 LVwVfG. Dass Erst- und Zweitgutachter oder die Prüfungskommission die erheblichen Mängel nicht schon bei der Annahme der Arbeit oder in der mündlichen Prüfung aufgedeckt hätten, begründe keinen Vertrauensschutz. Die Entziehung des Doktorgrades sei auch verhältnismäßig. Sie schütze den wissenschaftlichen Ruf des Fachbereichs der Universität und das Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt. Zwar werde die Klägerin durch die Entziehung in wichtigen persönlichen Belangen betroffen. Wegen des großen Umfang des Plagiats und des Ausmaßes der wissenschaftlichen Unredlichkeit seien die öffentlichen Interessen jedoch höher zu gewichten.
   
Am 24.06.2011 erhoben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch, zu dessen Begründung vorgebracht wurde: Bei Abgabe ihrer Dissertation habe sie nicht getäuscht. Es sei nicht ersichtlich, dass sie der von der Beklagten vorgegebenen Erklärung zuwidergehandelt habe. Sie habe alle in ihrer Dissertation verwendeten Hilfsmittel angegeben. Ihre Literaturübersicht schlüssele alle Quellen auf, die ihrer Arbeit zugrundelägen und von ihr verarbeitet worden seien. Auch in den Fußnoten habe sie in dem Ausmaß, wie sie dies für richtig gehalten habe, die Quellen weiter konkretisiert. Fehl gehe auch der Einwand, sie habe in erheblichem Maße Fremdtexte übernommen, ohne dies durch Anführungszeichen kenntlich zu machen. Ein Täuschungsvorsatz könne ihr auf keinen Fall unterstellt werden. Die rückwirkende Entziehung des Doktorgrades sei außerdem ermessensfehlerhaft. Der Erstkorrektor habe die ihm obliegende Betreuungspflicht eklatant verletzt. Als Folge der unterbliebenen Betreuung habe die Beklagte selbst die entscheidende Ursache dafür gesetzt, dass ihre Dissertation die jetzt erstmals behaupteten Mängel aufweise. Die Verletzung der Betreuungsverpflichtung sei bei der Ermessenausübung nicht in Rechnung gestellt worden. Es verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, trotz dieser eigenen Pflichtverletzung den Doktorgrad rückwirkend zu entziehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete es, ihr eine Nachbesserung der Dissertation mit dem Ziel der Erhaltung des akademischen Grades einzuräumen.
   
Mit Bescheid vom 16.12.2011 änderte der Prorektor für Lehre Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides dahin ab, dass der Klägerin aufgegeben wurde, die Promotionsurkunde einen Monat nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides zurückzugeben. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf den Ausgangsbescheid ergänzend ausgeführt: Die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens seien jedenfalls verletzt, wenn - wie bei der Dissertation der Klägerin - ca. 120 Seiten ungekennzeichnet wörtlich aus Fremdwerken übernommen würden. Die Klägerin habe auch schuldhaft gehandelt. Dass sie die Anforderungen an das Zitieren gekannt habe, ergebe sich aus dem Umstand, dass diese an anderen Stellen ihrer Dissertationsschrift beachtet worden seien. Die Ausführungen zu einem etwaigen Betreuungsmangel gingen fehl. Der Betreuer habe nicht von der wissenschaftlichen Unredlichkeit und von einer Täuschungsbereitschaft der Klägerin ausgehen müssen. Die Ausführungen in der Widerspruchsbegründung zur öffentlichen Diskussion über Prominente, die unter Plagiatsverdacht stünden, seien unerheblich. Das Entziehungsverfahren stehe damit in keinem Zusammenhang. Soweit die Klägerin auf Verwaltungsverfahren an anderen Universitäten verweise, gäben die dortigen Entscheidungen keine Veranlassung zu einer abweichenden tatsächlichen oder rechtlichen Bewertung. Die sinngemäß beanspruchte Gleichbehandlung sei bereits im Ansatz verfehlt.
   
Am 12.01.2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag und führt ergänzend und vertiefend aus: Sie stelle nicht in Abrede, dass in ihrer Dissertation wortgleiche Übernahmen von Dritttexten enthalten seien. Eine Täuschung liege aber nicht vor, da sie offengelegt habe, diese Texte in ihrer Dissertation verarbeitet zu haben. Jeder, der die Literaturübersicht und die Fußnoten nachvollziehe, stoße auf die Verfasser dieser Dritttexte. Sie habe sich deshalb auch gemäß ihrer Formularerklärung verhalten, die sie bei der Eröffnung des Promotionsverfahrens abgegeben habe. Die Beklagte habe darauf verzichtet, in dieser Formularerklärung die Doktoranden darauf zu verpflichten, wörtlich übernommene Textstellen durch Anführungszeichen kenntlich zu machen. Dieser Hinweis wäre ohne weiteres in der Erklärung unterzubringen gewesen und hätte zu einer deutlich stärkeren Bestimmtheit dieser Erklärung beigetragen. Insgesamt sei die Formularerklärung unbestimmt und könne ihr nicht entgegengehalten werden. Sie habe alle Werke, aus denen Auszüge in der Dissertation übernommen worden seien, im Literaturverzeichnis der Dissertation aufgeführt. In ihrer Dissertation fänden sich in aller Regel auch mehrfach Fußnoten, die auf das Werk, aus dem die Dritttexte auszugsweise übernommen worden seien, verwiesen. Die Übernahme von Fremdtexten, ohne diese durchgängig zu kennzeichnen, könne zwar objektiv der Wissenschaftlichkeit der Dissertation entgegenstehen. Sie weise aber mit Nachdruck den Vorwurf zurück, sie habe darüber vorsätzlich getäuscht. Im Gegensatz zu anderen gerichtlich entschiedenen Fällen beinhalte ihr Literaturverzeichnis lückenlos die in der Dissertation verwendete Literatur. Sie habe auch bei den übernommenen Fremdtexten in der Regel die jeweiligen Verfasser in den Fußnoten zitiert. Hätte sie täuschen wollen, hätte sie auf derartige Fußnoten oder auf Hinweise im Literaturverzeichnis ganz verzichtet. Außerdem habe sie ihre Arbeit in einer Schriftenreihe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Hätte sie Täuschungsvorsatz gehabt, hätte sie diesen Schritt nie getan, sondern sich auf die zugelassene Vervielfältigung beschränkt. Die Ermessensentscheidung sei rechtswidrig, weil die Verletzung der Betreuungspflichten hierbei völlig unberücksichtigt geblieben sei. Die wenigen E-Mails, die zwischen ihr und dem Betreuer ausgetauscht worden seien, und die einmalige Besprechung, die sich auf der Ebene von Allgemeinplätzen bewegt habe, entsprächen den Anforderungen an eine Betreuung offenkundig nicht. Eine verantwortungsvolle Durchsicht des zugeleiteten Entwurfs der Dissertation hätte Fragen zu erkennbar nicht belegten Tatsachenmitteilungen aufwerfen müssen. Das sei jedoch nicht geschehen. Der Zweck der Betreuungsverpflichtung bestehe auch darin, die handwerkliche Ordnungsgemäßheit der Dissertation sicher zu stellen und dem Doktoranden bei dem erfolgreichen Abschluss der Arbeit zu helfen. Nach § 38 Abs. 5 LHG verpflichte die Annahme als Doktorand die Hochschule zur wissenschaftlichen Betreuung. Diese Betreuungsverpflichtung schließe auch die Bewertung der Dissertation ein. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass nach einer ersten Durchsicht der Dissertation diese mit Korrekturen und Hinweisen zur vertieften Bearbeitung zurückgegeben werde. Es begegne deshalb größten Bedenken, dass ihr Betreuer mindestens 10 weitere Doktoranden gleichzeitig wissenschaftlich betreut habe. Hätte sich der Betreuer gesetzesentsprechend um die Dissertation bemüht, wäre ihm zwangsläufig aufgefallen, dass Fremdtexte übernommen worden seien. Diese Bearbeitungstechnik der Klägerin hätte rechtzeitig korrigiert werden können, so dass die Promotion insgesamt nicht in Frage gestellt worden wäre. Die Entziehung des Doktorgrades führe für sie zu schwerwiegenden beruflichen, sozialen und psychischen Nachteilen. Das Bekanntwerden des Entziehungsverfahrens habe zu einer großen öffentlichen Aufmerksamkeit geführt. Dies belaste sie und ihre Familie erheblich. Eine an den wechselseitigen Verursachungsbeiträgen orientierte richtige Ermessensabwägung könne nur zu einer Lösung führen, die die Einzelfallgerechtigkeit mit der Rechtssicherheit aussöhne. Es sei geboten, ihr zumindest die Nachbesserung der Dissertation mit dem Ziel der Erhaltung des akademischen Grades zu eröffnen.
   
Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Prorektors für Lehre der Beklagten vom 16.12.2011 aufzuheben.
   
Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.
   
Sie nimmt Bezug auf die angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Die Klägerin habe in ihrer Dissertation, die 269 Textseiten umfasse, auf 122 Seiten Texte aus acht unterschiedlichen Werken Dritter verwendet, ohne diese ordnungsgemäß kenntlich zu machen. Dabei beschränke sie sich nicht auf einzelne Formulierungen, sondern habe wiederholt über mehrere Seiten abgeschrieben, wobei sie neben den Zwischenüberschriften auch die Absatzformatierung und den größten Teil der Fußnoten der Originalquellen verwende. Damit stehe fest, dass auf fast der Hälfte der Seiten Fremdtexte ohne Offenlegung verwendet würden und insgesamt mindestens 1/3 des gesamten Textes der Dissertation nicht von der Klägerin selbst verfasst worden sei, sondern von anderen Personen stamme. Es bestehe kein Zweifel, dass die Klägerin vorsätzlich gehandelt habe. Die Voraussetzungen für eine Entziehung des Doktorgrades nach § 48 LVwVfG lägen deshalb vor. Die Entscheidung sei auch ermessensgerecht. Der Promotionsausschuss habe bei der Entziehung des Doktorgrades das ihm zustehende Ermessen korrekt ausgeübt. Die von der Klägerin behaupteten Betreuungsmängel gäben keine Veranlassung, an der Rechtmäßigkeit der Entziehung zu zweifeln. Die Klägerin verkenne im Übrigen Art und Umfang der in § 38 Abs. 5 LHG niedergelegten Betreuungspflicht der Universität. Die von der Klägerin geschilderten Nachteile durch die Berichterstattung in der Presse über ihren Fall seien nicht geeignet, an der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung zu zweifeln. Auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor.
   
Dem Gericht liegen drei Hefte Akten der Beklagten vor. Auf den Inhalt dieser Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe
   
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

 I.

Die angegriffenen Verfügungen sind formell ordnungsgemäß zu Stande gekommen.
  
Die Zuständigkeit für die Entziehung des Doktorgrades liegt bei der Hochschule, die den Grad verliehen hat (§ 35 Abs. 7 Satz 2 LHG). Zuständiges Organ hierfür ist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 PromO der Beklagten der Promotionsausschuss, der in seiner Sitzung vom 10.05.2011 hierüber abschließend entschieden hat. In Ausführung dieses Beschlusses hat der Fachbereichssprecher des Fachbereichs Rechtswissenschaft als Vorsitzender des Promotionsausschusses den Bescheid vom 24.05.2011 erlassen (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 PromO). Sonstige Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheids sind nicht ersichtlich. Die Klägerin wurde zu der beabsichtigten Maßnahme im Vorfeld angehört und der Verwaltungsakt wurde auch ordnungsgemäß begründet.
  
Auch der Widerspruchsbescheid lässt formelle Rechtsfehler nicht erkennen. Für den Widerspruchsbescheid in Entziehungsverfahren enthält die Promotionsordnung keine Regelung. Insoweit verbleibt es bei den gesetzlichen Vorgaben aus § 8 Abs. 2 Satz 3 LHG, nach denen die Entscheidung über Widersprüche in Prüfungsangelegenheiten dem für die Lehre zuständigen Mitglied des Vorstands obliegt, was nach §§ 1, 2 Abs. 3 Satz 2, 10 Abs. 2 Nr. 1a der Grundordnung der Beklagten der Prorektor für Lehre ist. Dass diese Zuständigkeit für Hochschulprüfungen grundsätzlich auch Promotionen erfasst und damit auch deren Entziehung als „actus contrarius“, ist in der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg geklärt (vgl. zuletzt Urt. v. 14.09.2011 - 9 S 2667/10 -, juris).

II.

Die rückwirkende Entziehung des Doktorgrades ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

1. Sie findet ihre erforderliche Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG.

§ 19 Abs. 1 PromO scheidet als Rechtsgrundlage bereits deshalb aus, weil diese Bestimmung nur die hier nicht gegebene Fallkonstellation regelt, dass sich noch vor der Aushändigung der Doktorurkunde ergibt, dass sich der Bewerber bei den Promotionsleistungen einer Täuschung schuldig gemacht hat, oder dass wesentliche Voraussetzungen für die Promotion irrigerweise als gegeben angenommen worden sind.
  
Zwar ist in § 35 Abs. 7 LHG eine spezialgesetzliche Regelung für die Entziehung akademischer Grade für den Fall enthalten, in dem sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat. Diese Regelung schließt den Rückgriff auf die allgemeinen Rücknahmevorschriften in anderen Fallkonstellationen jedoch nicht aus, wie sich bereits aus der ausdrücklichen Formulierung „unbeschadet der §§ 48 und 49 LVwVfG“ ergibt. Die Entziehung des Doktorgrades ist in Baden-Württemberg auch nicht vom Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausgenommen (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG).
  
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (vgl. zur unbedenklichen Anwendbarkeit dieser Rücknahmeregelung beim Entzug des Doktorgrades, BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006 - 6 B 67.06 -, juris).
   
Die tatbestandlichen Rücknahmevoraussetzungen sind hier gegeben.
   
Die Verleihung des Doktorgrades, die durch die Aushändigung der Urkunde über die bestandene Doktorprüfung an die Klägerin am 16.12.2008 erfolgte (vgl. § 16 Abs. 1 PromO), ist ein begünstigender Verwaltungsakt, der rechtswidrig war; denn die von der Klägerin im Juni 2008 eingereichte Dissertation erbrachte nicht den Nachweis der Befähigung zu vertiefter und selbständiger wissenschaftlicher Arbeit (§ 38 Abs. 1 Satz 1 LHG, § 1 Abs. 1 PromO). Damit lagen die rechtlichen Voraussetzungen für die Verleihung des Doktorgrades nicht vor. Dieser wurde der Klägerin vielmehr zu Unrecht verliehen.
   
Das ergibt sich daraus, dass die Klägerin in der eingereichten Dissertation in ganz erheblichem Umfang Passagen aus insgesamt 8 Werken anderer Autoren wortgleich oder nahezu wortgleich übernommen hat, ohne das in der Dissertation, etwa durch die Verwendung von Anführungszeichen oder auf andere gleichwertige Weise, kenntlich zu machen. Die betroffenen 122 Seiten ihrer Dissertation, die insgesamt 269 Textseiten umfasst, sind unter Gegenüberstellung der entsprechenden Stellen aus den Werken der anderen Autoren im angefochtenen Bescheid im Einzelnen aufgelistet. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass sie in dem vorgeworfenen Umfang Texte anderer Autoren wortgleich oder nahezu wortgleich in ihrer eingereichten Dissertation übernommen hat.
   
Hierauf stützt die Beklagte zu Recht den Plagiatsvorwurf und geht außerdem zutreffend davon aus, die Klägerin habe vorsätzlich eine eigene Autorenschaft hinsichtlich der aus fremden Texten übernommenen Passagen vorgetäuscht. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin bleiben ohne Erfolg.

Dass die Klägerin die 8 Werke anderer Autoren, aus denen sie ganze Passagen wortgleich oder nahezu wortgleich übernommen hat, in ihrem 24-seitigen Literaturverzeichnis aufgenommen hat, stellt die Berechtigung des Plagiatsvorwurfs nicht in Frage; denn der Leser eines wissenschaftlichen Werks erwartet, dass wörtliche Übernahmen aus anderen Werken bei den jeweiligen Textstellen als Zitate oder auf andere geeignete Weise kenntlich gemacht werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -, juris; VG Frankfurt, Urt. v. 23.05.2007 - 12 E 2262/05 -, juris). Der Kennzeichnungs- und Offenbarungspflicht in einer Dissertation wird nicht dadurch genügt, dass die Werke, aus denen die wörtlich übernommenen Textpassagen stammen, lediglich im Literaturverzeichnis aufgeführt sind (vgl. auch Schroeder, NWVBl 2010, 176, 179 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
   
Auch der Einwand der Klägerin, auf mehreren Seiten ihrer Dissertation, in denen Textstellen anderer Autoren wörtlich oder nahezu wörtlich übernommen wurden, fänden sich Fußnoten, die auf die Dritttexte verwiesen, entkräftet den Plagiatsvorwurf nicht. Ohne klare Kenntlichmachung als Zitat erweckt die Klägerin mit der Nennung des fremden Werkes und des Autors lediglich in einer Fußnote den Eindruck, sie habe die Aussagen in diesem Werk als Teil der eigenen Argumentation verarbeitet, anstatt deutlich zu machen, dass es sich um die bloße Wiedergabe der bereits erbrachten gedanklichen Leistung eines anderen handelt.
   
Hinzu kommt, dass die Klägerin an zahlreichen Stellen ihrer Dissertation, an denen sie fremde Texte wortgleich übernommen hat, die Autoren nicht einmal in Fußnoten angibt. Hinzuweisen ist beispielsweise auf die 26 Seiten der Dissertation, die nahezu wortgleich ohne Kennzeichnung als Zitat aus dem im Jahr 2000 erschienen Werk von Eisenblätter (Regulierung in der Telekommunikation) übernommen wurden. Auch den größten Teil der in diesem Werk enthaltenen umfangreichen Fußnoten hat die Klägerin wortgleich in ihre Dissertation eingearbeitet. An keiner dieser Seiten ihrer Dissertation wird aber auf das Werk von Eisenblätter in Fußnoten hingewiesen.
   
Hierbei handelt es sich nicht um eine nur unsachgemäße Handhabung der Zitierweise; vielmehr lässt dieses Vorgehen nur den Schluss zu, dass die Klägerin fremde Passagen planmäßig als eigenständige wissenschaftliche Arbeit ausgewiesen hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.10.2008 - 9 S 494/08 -, juris).
   
Die nahezu wörtliche Übernahme von Texten anderer Autoren im hier gegeben erheblichen Umfang hat die Beklagte zu Recht als Täuschung zu bewertet. Der große Umfang der Übernahme fremder Texte ohne Kennzeichnung als Zitate, die Art und Weise der Übernahme einschließlich der Einarbeitung der wörtlich übernommenen Fußnoten aus den Fremdtexten in die eigene Dissertation lässt keinen Zweifel zu, dass die Klägerin vorsätzlich gehandelt hat.
   
Die Täuschungshandlung der Klägerin und der durch sie hervorgerufene Irrtum, es handle sich bei der Dissertation um eine in jeder Hinsicht eigenständige Leistung, waren für die Verleihung des Doktorgrades ursächlich; denn dieser Grad wäre ihr sonst für die vorgelegte Arbeit nicht zuerkannt worden. Das folgt deutlich aus den Stellungnahmen der beiden Gutachter zum Plagiatsvorwurf. Beide Gutachter haben in diesen Stellungnahmen angesichts des Umfangs der Übernahme fremder Texte ohne Kennzeichnung ebenso wie der Promotionsausschuss in seiner abschließenden Entscheidung die Entziehung des Doktorgrades wegen Plagiats befürwortet.
   
Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der Klägerin für die eingereichte Dissertation ohne die beanstandeten Seiten oder bei jeweils wörtlicher Zitierung der Doktorgrad noch verliehen worden wäre. Derartige hypothetische Erwägungen finden nicht statt. Es ist für die Ursächlichkeit der von der Klägerin begangenen Täuschung nicht von Bedeutung, ob ihr für eine andere Arbeit, als sie sie tatsächlich vorgelegt hat, der Doktorgrad verliehen worden wäre (so ausdrücklich VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.10.2008 - 9 S 494/08 -, NVwZ-RR 2009, 285).
   
2. Die von der Beklagten verfügte rückwirkende Entziehung des Doktorgrades weist auch im Übrigen keine Rechtsfehler auf. Die Beklagte hat nicht verkannt, dass die Entscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in ihrem Ermessen steht. Die Ermessenserwägungen im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid sind auch nicht fehlerhaft im Sinne von § 114 VwGO.
   
Die erheblichen Nachteile, die diese Entscheidung für die Klägerin in beruflicher, gesellschaftlicher und familiärer Hinsicht nach sich zieht, werden im Einzelnen aufgeführt und nicht verkannt. Dass die öffentlichen Interessen an der rückwirkenden Entziehung des Doktorgrades im Ergebnis höher bewertet wurden, ist rechtlich in keiner Weise zu beanstanden. Zutreffend hat der Promotionsausschuss hierbei auf das ganz erhebliche Ausmaß der Plagiate der Klägerin und das Gewicht der wissenschaftlichen Unredlichkeit abgehoben.
   
Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Klägerin, die Ermessensausübung sei deshalb rechtsfehlerhaft, weil hierbei unberücksichtigt geblieben sei, dass die Beklagte ihre Pflicht zur wissenschaftlichen Betreuung während der Anfertigung und Bewertung der Dissertation verletzt habe.

Zwar verpflichtet die Annahme als Doktorand die Hochschule zur wissenschaftlichen Betreuung (§ 38 Abs. 5 Satz 3 LHG). Welche inhaltlichen Anforderungen an diese Betreuungspflicht im Einzelnen zu stellen sind, braucht die Kammer anlässlich der Entscheidung des vorliegenden Falles nicht zu klären; denn eine Pflichtverletzung, die die Beklagte im Rahmen der Ermessensausübung bei der Bewertung und Gewichtung des Plagiats als eigenen Verursachungsbeitrag zugunsten der Klägerin hätte berücksichtigen müssen, liegt jedenfalls nicht vor.
   
Mit der Einreichung der Dissertation war die Klägerin verpflichtet, alle wörtlich oder sinngemäß übernommenen Gedanken fremder Autoren kenntlich zu machen. Diese Pflicht ergibt sich - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - bereits aus elementaren Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens, die als ungeschriebene Regeln anerkannt sind. Dass die von der Beklagten vorgegebene Erklärung, die die Klägerin bei Einreichung ihrer Dissertation unterschrieben hat, nicht ausdrücklich verlangt, dass wörtliche Übernahmen fremder Texte im laufenden Text durch Anführungszeichen gekennzeichnet werden müssen, ist unerheblich. Diese Erklärung ruft elementare Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens für den Doktoranden nur in Erinnerung.
   
Dass der Betreuer ihrer Dissertation die Klägerin hierauf nicht aufmerksam gemacht hat, begründet jedenfalls keine Verletzung der wissenschaftlichen Betreuungspflicht. Er konnte vielmehr ohne weiteres davon ausgehen, dass der Klägerin als Doktorandin diese elementaren Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens bekannt sind. Das gilt um so mehr, weil die Klägerin bereits beide juristische Staatsexamen abgelegt hatte und bereits als Volljuristin beruflich tätig war.
   
Dass Erst- und Zweitgutachter die ganz erheblichen Plagiate nicht schon bei der Annahme und bei der Bewertung der schriftlichen Dissertation entdeckt haben, begründet für die Klägerin ebenfalls keinen Vertrauensschutz dahingehend, die elementaren Grundlagen wissenschaftlicher Arbeitstechnik zu missachten (so ausdrücklich BayVGH, Urt. v. 04.04.2006 - 7 BV 05.388 -, juris).
   
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer hat keinen Anlass, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
 
Unterschriften