Verwaltungsgericht
Düsseldorf Dissertation Plagiat Doktorgrad Urteil Schavan
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Aktenzeichen:
15 K 2271/13 | Verkündet am:
20.03.2014
|
Leitsätze
1.) Die Anforderungen, die an den Nachweis der
Eigenständigkeit wissenschaftlichen Arbeitens zu stellen sind,
ergeben sich ausschließlich aus dem Gebot der
wissenschaftlichen Redlichkeit. Hiervon im Tatsächlichen
gegebenenfalls abweichende Handhabungen sind rechtlich unerheblich.
2.)
Das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit erfordert es, geistiges
Eigentum Dritter nachprüfbar zu machen, in dem
sämtliche wörtlich oder sinngemäß
übernommenen Gedanken aus Quellen und Literatur als solche
kenntlich gemacht werden.
3.) Eine
nachträglich aufgedeckte Täuschung bei einer
Dissertation kann auch dann noch sanktioniert werden, wenn die
Täuschungshandlung bereits langfristig zurückliegt.
Wissenschaftliche Arbeiten sind auf Nachhaltigkeit angelegt. Deren
fachliche Bedeutung für den wissenschaftlichen Diskurs
lässt sich zeitlich nicht eingrenzen.
VERWALTUNGSGERICHT
DÜSSELDORF
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
dem
Rechtsstreit
...
-
Klägerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
g e
g e n
...
- Beklagte
-
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ..
Tenor:
Die
Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin
trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil
ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die
Klägerin kann die Vollstreckung in Höhe des aufgrund
des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht
vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
Tatbestand:
Die
Klägerin wendet sich mit der Klage gegen die
Ungültigerklärung ihrer Dissertationsschrift als
Promotionsleistung und die Rücknahme ihres Doktorgrades.
3
Die
Philosophische Fakultät der beklagten Universität
verlieh der Klägerin nach ihrem Studium der
Erziehungswissenschaften (Hauptfach) und der Philosophie (Nebenfach) an
der beklagten Universität aufgrund ihrer Dissertation mit dem
Titel “Person und Gewissen“ und dem Untertitel
“Studien zu den Voraussetzungen, Notwendigkeit und
Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ sowie den am 20.
und 27. November 1980 abgenommenen mündlichen
Prüfungen den Grad einer Doktorin der Philosophie (Dr. phil.).
Die auf den Tag der letzten mündlichen Prüfung (27.
November 1980) ausgestellte Promotionsurkunde wurde der
Klägerin nach Drucklegung und Veröffentlichung der
Arbeit am 9. Januar 1981 ausgehändigt.
4
Die
Eröffnung des Promotionsverfahrens, das auf den
Studienabschluss und die Erlangung der Doktorwürde gerichtet
war (sogenanntes grundständiges Promotionsverfahren), hatte
die Klägerin unter dem 4. September 1980 beantragt. Mit dem
Gesuch um Zulassung zum Promotionsverfahren hatte die Klägerin
schriftlich an Eides Statt unter anderem das Folgende versichert:
5
“Ich
versichere, dass ich die vorgelegte Dissertation [Titel: …]
selbst und ohne unerlaubte Hilfe verfasst und keine anderen als die
angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.“
6
Die
Begutachtung der Dissertation erfolgte durch Prof. Dr.
H.
X. (beklagte
Universität, Erziehungswissenschaftliches Institut; Gutachten
vom 20. Oktober 1980) als Referent und Betreuer sowie durch Prof. Dr.
X1.
I.
(beklagte Universität, Abteilung
O. , Seminar für
Pädagogik und Philosophie; Gutachten vom 21. Oktober 1980) als
Korreferent. Beide Gutachter (bzw. Referenten) bewerteten die Arbeit
mit dem Prädikat “opus admodum laudabile“
(heute: „magna cum laude“).
7
Anfang
Mai 2012 wurde der beklagten Universität anonym eine
zeitgleich im Internet
(www.T.
.de) eingestellte Materialzusammenstellung zugesandt, aus der sich
ergeben sollte, dass die Klägerin in ihrer Dissertation
getäuscht habe. Nach erster Sichtung der Vorwürfe
durch den Dekan der Philosophischen Fakultät der beklagten
Universität (nachfolgend: Dekan) erteilte dieser dem
seinerzeitigen Prodekan der Philosophischen Fakultät der
beklagten Universität, Prof. Dr.
S.
, in seiner Eigenschaft als Vorsitzendem des Promotionsausschusses mit
Schreiben vom 3. Mai 2012 den Auftrag, die Dissertation der
Klägerin daraufhin zu untersuchen, ob “die
Eventualität eines wissenschaftlichen
Fehlverhaltens“ vorliege. In dem Schreiben heißt es
weiter, dass auch die Klägerin selbst in einer
fernmündlichen Äußerung gegenüber
dem Rektor der beklagten Universität um entsprechende
Prüfung gebeten habe. Mit Schreiben vom 8. Mai 2012 wurde die
Klägerin von dieser Verfahrensweise in Kenntnis gesetzt.
8
Der
Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät der beklagten
Universität (nachfolgend: Promotionsausschuss) beschloss in
seiner Sitzung vom 16. Mai 2012 zunächst, Frau Prof. Dr.
T1.
mit der Erstellung eines “Gutachtens“
darüber zu beauftragen, ob und gegebenenfalls in welchen
Passagen die Dissertation Prüfungsleistungen enthalte, die den
Vorwurf des Plagiats bzw. Wissenschaftsbetruges stützen
könnten. Nach deren Rücktritt betraute der
Promotionsausschuss in seiner Sitzung vom 27. Juni 2012 Prof.
Dr. S.
mit der “Berichterstattung“.
9
Unter
dem 27. September 2012 schloss Prof. Dr.
S.
seine Untersuchungen ab. In seinem 75 Seiten umfassenden Bericht, in
dem er Passagen der Dissertationsschrift und die Vergleichstexte
synoptisch gegenübergestellte, gelangte er
abschließend zu der Feststellung, dass die
Überprüfung der Dissertationsschrift für
eine erhebliche Zahl von Befundstellen das charakteristische Bild einer
plagiierenden Vorgehensweise ergeben habe, in der ein das Profil der
Dissertationsschrift wesentlich mitprägendes Element zu sehen
sei. Im Wesentlichen stützte er seine Einschätzung
darauf, dass prägnante Merkmale einer solchen Vorgehensweise
nicht nur vereinzelt, sondern in einer Mehrzahl von Fällen und
in einer Weise zu verzeichnen seien, die auf eine bestimmte Systematik
schließen ließen. Dies sei insbesondere im Hinblick
darauf festzustellen, dass mit gewisser
Regelmäßigkeit der Eindruck bedeutender
eigenständiger Rezeptionsleistungen vermittelt werde,
während tatsächlich eine weitgehende oder auch
vollständige Abhängigkeit von entsprechenden
Leistungen anderer bestehe. Zudem komme dem Nachvollzug der
Theoriebildung und der Forschungsdiskussion in der vorliegenden
Dissertationsschrift besonderes Gewicht zu, wie sich bereits am
bloßen Umfang des den “Theorien über das
Gewissen“ gewidmeten zweiten Hauptteils der
Dissertationsschrift ablesen lasse. Angesichts des allgemeinen Musters
des Gesamtbildes und der spezifischen Merkmale einer signifikanten Zahl
von Befundstellen sei eine leitende Täuschungsabsicht zu
konstatieren. Auf den weiteren Inhalt des Berichts wird
ergänzend Bezug genommen.
10
Der
von Prof. Dr.
S.
erstellte und mit dem Vermerk “Vertraulich“
betitelte Bericht wurde nachfolgend den Mitgliedern und
stellvertretenden Mitgliedern des Promotionsausschusses
persönlich ausgehändigt sowie ferner dem Dekan und
der Klägerin zugeleitet. Auf ungeklärtem Wege
gelangte ferner eine Version des Berichts an das Nachrichtenmagazin
“Der Spiegel“.
11
Nachfolgend
befasste sich der Promotionsausschuss in seiner Sitzung am 17. Oktober
2012, an der auch der Dekan teilnahm, mit dem Bericht. Laut
Sitzungsprotokoll erläuterte Prof. Dr.
S.
seinen Bericht; desweiteren wurden die wesentlichen Befundstellen
erörtert. Der Promotionsausschuss stellte einstimmig fest,
dass die essentiellen abschließenden Wertungen des Berichts
durch den erhobenen Befund zwar hinlänglich belegt und
nachvollziehbar seien, aber vor einem Beschluss über das
weitere Vorgehen eine Stellungnahme der Klägerin zu den
Vorhaltungen abgewartet werden solle. Der Promotionsausschuss beschloss
sodann, dem Dekan zu empfehlen, die Klägerin um eine
Äußerung zu den im Einzelnen im Bericht vom 27.
September 2012 von Prof. Dr.
S.
aufgeführten Befunden zu bitten.
12
Mit
Schreiben vom 18. Oktober 2012 gab der Dekan der Klägerin
Gelegenheit, sich zu dem Bericht von Prof. Dr.
S.
unter Berücksichtigung der den Befundteil betreffenden
Passagen des Berichts sowie zum “Vorwurf des
Plagiatsverdachts“ binnen eines Monats zu
äußern.
13
Mit
anwaltlichem Schreiben vom 5. November 2012 und begleitender
persönlicher Stellungnahme der Klägerin, der weitere
Stellungnahmen von Fachvertretern bzw. Erziehungswissenschaftlern
(Prof. Dr. h.c. M.
I1.
, Prof. Dr.
E.
C. , Prof. Dr.
I2.
-F.
U. , Prof.
Dr. I3.
G. und Prof. Dr. h. c. mult.
I2.
I4. )
beigefügt waren, äußerte sich die
Klägerin zu den Vorwürfen in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht. Sie beanstandete die fehlende
Befassung des für die Frage der Entziehung des Doktorgrades
allein zuständigen Fakultätsrats, stellte die
Sachkunde von Prof. Dr.
S.
für die Prüfung des Plagiatsverdachts in Abrede und
vertrat die Ansicht, dass die dargestellten Mängel kein
wissenschaftliches Fehlverhalten dokumentierten. In der Sache machte
sie geltend, dass ihre Dissertation aus der Beschäftigung mit
der im Literaturverzeichnis angegebenen Primär- und
Sekundärliteratur und in regelmäßigen
Gesprächskontakten mit den Professoren
C1. und
X. entstanden sei. Ihre
Lektüreergebnisse sowie weiterführende Gedanken und
Zitate aus der Primär- und Sekundärliteratur habe sie
auf Karteikarten in einem Zettelkasten festgehalten. Die beanstandeten
Textpassagen ihrer Arbeit würden sich
ungleichmäßig auf die drei Hauptteile ihrer
Dissertation verteilen. Die meisten fänden sich im zweiten
Teil, der schon vom Titel her (“Theorien des
Gewissens“) keinen Anspruch auf eigenständige
Analysen erhebe, sondern bekannte Theorien zur Entstehung und Funktion
normativer Regulierung in der Humangenese referiere und auswerte. Nur
wenige monierte Fundstellen fänden sich im dritten Teil der
Dissertation, der ihre eigenständige wissenschaftliche
Leistung enthalte und resümiere. Einzelne handwerkliche Fehler
würden eingeräumt. Der Nachweis derartiger Fehler bis
hin zu fehlenden Nachweisen für Paraphrasen beweise allerdings
nicht, dass ganze Passagen des zweiten Teils der Dissertation ein
Plagiat seien. Das wäre nur dann der Fall, wenn sie Theorien
des Gewissens, die von anderen Autoren stammten, als ihre eigene
Theorie hierzu ausgegeben hätte. Eine solche Gesamtdeutung sei
jedoch schon von den Überschriften her ausgeschlossen. In der
Arbeit stecke das Bemühen, möglichst viel Literatur
zu verarbeiten und Positionen gleichermaßen aus der
Primär- und Sekundärliteratur zu
erschließen. Eine Täuschungsabsicht habe sie zu
keinem Zeitpunkt der Arbeit an ihrer Dissertation gehabt. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Stellungnahme der
Klägerin sowie auf den Inhalt der beigefügten Anlagen
Bezug genommen.
14
Der
Promotionsausschuss befasste sich in seiner Sitzung am 12. Dezember
2012, an der der Dekan ebenfalls teilnahm, unter
Berücksichtigung der Stellungnahme der Klägerin und
der von ihr vorgelegten Anlagen erneut mit der der Klägerin
zum Vorwurf gemachten Täuschung. Er kam einstimmig zu dem
Ergebnis, dass die im Bericht von Prof. Dr.
S.
bezeichneten Vorhalte, nämlich die erhebliche Zahl von
gravierenden Verstößen gegen die Regeln der
korrekten wissenschaftlichen Arbeit und das erkennbare Muster
unzureichender Kennzeichnung von Quellenzitaten und der
Übernahme der wissenschaftlichen Rezeptionsleistungen Dritter,
durch die Stellungnahme der Klägerin nicht aus dem Weg
geräumt worden seien, so dass ein Vorsatz anzunehmen sei. Der
Promotionsausschuss empfahl dem Fakultätsrat der
Philosophischen Fakultät der beklagten Universität
(nachfolgend: Fakultätsrat), das Verfahren zur
Erklärung der Ungültigkeit der schriftlichen
Promotionsleistung zu eröffnen.
15
Mit
Schreiben vom 18. Dezember 2012 informierte der Dekan die
Prozessbevollmächtigten der Klägerin
darüber, dass der Promotionsausschuss seine Prüfung
abgeschlossen habe und der Fakultätsrat nunmehr in seiner
nächsten Sitzung am 22. Januar 2013 entscheiden werde, ob die
vom Promotionsausschuss ermittelten Befunde schwerwiegend genug seien,
um das Aberkennungsverfahren einzuleiten. Die Erklärung des
Promotionsausschusses wurde den Prozessbevollmächtigten der
Klägerin auf deren Bitte hin mit Schreiben vom 19. Dezember
2012 übersandt. Desweiteren wurde den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben
vom 16. Januar 2013 ein zwischenzeitlich von der beklagten
Universität in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten ihres
Prozessbevollmächtigten übermittelt, das den
bisherigen Ablauf des Verwaltungsverfahrens in juristischer Hinsicht
für beanstandungsfrei befand.
16
Mit
Schreiben vom 15. Januar 2013 beraumte der Dekan für den 22.
Januar 2013 die bereits angekündigte Sitzung des
Fakultätsrats an und setzte unter Ziffer 12 eine Entscheidung
über den “Plagiatsfall“ der
Klägerin auf die Tagesordnung. Am 22. Januar 2013 befasste
sich der Fakultätsrat mit dem vorgenannten Tagesordnungspunkt
in nicht-öffentlicher Sitzung. Ausweislich des
Sitzungsprotokolls wurde der Fakultätsrat durch den Dekan und
Prof. Dr.
S.
in den Sachverhalt eingeführt. Gegenstand der
Ausführungen von Prof. Dr.
S.
war sein von ihm im Nachgang zu der Sitzung des Promotionsausschusses
vom 12. Dezember 2012 ergänzter und vom Promotionsausschuss
gebilligter Bericht (Stand: 12. Dezember 2012). Für den Fall
der Eröffnung eines Verfahrens wurden die Mitglieder des
Fakultätsrats auf die Möglichkeit zur Akteneinsicht
in die im Nachgang zur Sitzung im Dekanat zur Verfügung
stehenden Unterlagen (Stehordner) informiert. Sämtliche
Unterlagen standen den Mitgliedern des Fakultätsrats auch
während der Sitzung am 22. Januar 2013 zur Verfügung.
Nach abschließender Beratung beschloss der
Fakultätsrat mit 14 Stimmen, bei einer Enthaltung,
“ein förmliches
Rücknahmeverfahren“ hinsichtlich der Promotion der
Klägerin einzuleiten. Als weiterer Sitzungstermin wurde der 5.
Februar 2013 anberaumt.
17
Mit
einer den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorab
zur Kenntnis übersandten Erklärung vom gleichen Tag
informierte der Dekan die Presse über die vom
Fakultätsrat nach geheimer Abstimmung mit 14 Ja-Stimmen
beschlossene Einleitung des “Haupt-verfahrens“
sowie darüber, dass für den 5. Februar 2013 eine
weitere Sitzung des Fakultätsrats einberufen werden
solle. Auf die Anfrage der Prozessbevollmächtigten der
Klägerin vom 24. Januar 2013, welche Planungen hinsichtlich
der weiteren Gestaltung des Verfahrens bestünden und ob noch
eine Entscheidung über die Einholung weiterer Gutachten
getroffen worden sei oder getroffen werden solle, wies der Dekan mit
Schreiben vom gleichen Tage darauf hin, dass der Fakultätsrat
in seiner Sitzung vom 22. Januar 2013
“das Verfahren zur Entscheidung über eine eventuelle
Ungültigerklärung der schriftlichen
Promotionsleistung der Klägerin“ eingeleitet habe,
dass die bereits übersandten Unterlagen der Klägerin
auch im weiteren Verfahren berücksichtigt würden und
dass es der Klägerin unbenommen bleibe, zum Rechtsgutachten
Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 28. Januar 2013 führte
er ergänzend aus, dass der Fakultätsrat einstimmig
beschlossen habe, jedenfalls derzeit keine externe Expertise
hinzuzuziehen.
18
Mit
Schreiben vom 4. Februar 2013 beantragten die
Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die
seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) für die
Dissertation der Klägerin, Prof. Dr.
X. und Prof. Dr.
I.
, als sachverständige Zeugen dazu zu hören, dass sie
bei der Bewertung der Dissertation der Klägerin nicht davon
ausgegangen seien, die aus der Sekundärliteratur rezipierten
Darstellungen von Primärliteratur seien durchgängig
selbständig erarbeitet worden, soweit sie nicht
ausdrücklich am Ort der Darstellung auf
Sekundärliteratur gestützt worden seien. Sie
beantragten ferner, ein Sachverständigengutachten eines
Erziehungswissenschaftlers zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass die
in dem Bericht von Prof. Dr.
S.
beanstandete Arbeitsweise, auf die der Vorwurf der “leitenden
Täuschungsabsicht“ gestützt sei, in den
Erziehungswissenschaften zur Zeit der Erstellung der Dissertation nicht
unüblich gewesen sei.
19
Am
5. Februar 2013 beschloss der Fakultätsrat in
nichtöffentlicher Sitzung, an der neben den
abstimmungsberechtigten 15 Mitgliedern außerdem der Dekan,
der seinerzeitige Prodekan Prof. Dr.
S.
, der Studiendekan und die Gleichstellungsbeauftragte der beklagten
Universität teilnahmen, zum einen die Dissertation als
Promotionsleistung der Klägerin für ungültig
zu erklären und zum anderen, ihr den Doktortitel abzuerkennen.
Grundlage der vorangegangenen Beratung zu den erhobenen
Plagiatsvorwürfen gegen die Klägerin waren der
Bericht des Promotionsausschusses mit Stand vom 12. Dezember 2012 sowie
die von der Klägerin eingereichte Stellungnahme nebst den mit
Schriftsatz vom 5. November
2012 übersandten Anlagen. Ausweislich des Protokolls setzten
sich die Fakultätsratsmitglieder in ihrer Diskussion eingehend
mit einer Vielzahl von Textpassagen exemplarisch auseinander,
prüften im Diskurs die Relevanz der vorgetragenen Argumente in
Bezug auf den Plagiatsvorwurf und beschäftigten sich ferner
mit der Frage, ob zum Zeitpunkt der Abfassung der Dissertation andere
Zitierregeln als heute gegolten hätten, was mehrheitlich
verneint wurde. Nach einer Gesamtbetrachtung der beanstandeten Passagen
in der Dissertation sowie deren Abgleich mit der Arbeit im
Übrigen kamen die Mitglieder des Fakultätsrats sodann
zu dem Ergebnis, dass die gravierende Anzahl von
Regelverstößen ein erkennbares Muster aufweise und
dies den Rückschluss auf eine vorsätzliche
Täuschung zulasse. Die Notwendigkeit der Beiziehung eines
zusätzlichen auswärtigen Gutachtens verneinte der
Fakultätsrat ebenso, wie die Einvernahme der seinerzeitigen
Gutachter (bzw. Referenten) im Promotionsverfahren, Prof. Dr.
X. und Prof. Dr.
I.
, als Zeugen. Ausweislich des Protokolls diskutierten die Mitglieder
des Fakultätsrats nach einleitender Erläuterung durch
den Prozessbevollmächtigten der beklagten Universität
anhand einer den Teilnehmern der Fakultätsratssitzung
vorgelegten Handreichung dazu, welche Punkte im Hinblick auf eine
pflichtgemäße Ausübung des Ermessens und
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu
beachten seien, abschließend im Rahmen einer
Abwägung des öffentlichen Interesses und des privaten
Interesses der Klägerin das Für und Wider einer
Ungültigerklärung der Dissertation und einer
Entziehung des Doktorgrades. In geheimer und getrennter Abstimmung
stimmten jeweils 12 Fakultätsratsmitglieder für die
Ungültigerklärung und Aberkennung des Doktorgrades,
zwei Mitglieder stimmten jeweils dagegen, ein Mitglied enthielt sich
jeweils.
20
Das
Ergebnis der Sitzung vom 5. Februar 2013 einschließlich
weiterer Erläuterungen im Einzelnen machte der Dekan im Rahmen
einer Presseerklärung, die der Klägerin vorab per Fax
über ihre Prozessbevollmächtigten zur Kenntnis
zugeleitet worden war, öffentlich bekannt.
21
In
Ausführung des Beschlusses des Fakultätsrats
erklärte der Dekan mit Bescheid vom 14. Februar 2013 die
Dissertationsschrift der Klägerin als Promotionsleistung
für ungültig und nahm die Verfügung vom 27.
November 1980, durch die der Klägerin der Doktorgrad
“Dr. phil.“ verliehen worden war, zurück.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der
Ungültigerklärung der schriftlichen
Promotionsleistung sowie der Rücknahme der Verleihung des
Doktorgrades liege die Entscheidung des Fakultätsrats vom 5.
Februar 2013 zugrunde. Die Durchführung des
Rücknahmeverfahrens sei nach der aktuell gültigen
Promotionsordnung vom 4. Juli 2000 erfolgt, die in den
§§ 20 und 21 die Entscheidung über die
Aberkennung von Teilleistungen im Promotionsverfahren und den Entzug
des Doktortitels dem Fakultätsrat zuweise. Für die
Rücknahme oder Entziehung des Doktorgrades, die in §
21 der Promotionsordnung geregelt sei, werde dort ergänzend
auf § 48 VwVfG (NRW) verwiesen. Die Promotion der
Klägerin erweise sich als durch vorsätzliche
Täuschung erlangt, so dass die jeweiligen tatbestandlichen
Voraussetzungen vorlägen. Der Fakultätsrat habe bei
seiner Prüfung darauf abgestellt, inwiefern und in welchem
Umfang in der Arbeit Textplagiate vorlägen und ob das
Einfügen nicht gekennzeichneter Textpassagen in ihrer
Dissertation als Täuschungsabsicht der Klägerin zu
bewerten sei. Dabei seien insbesondere diejenigen als kritisch
eingestuften Passagen gewürdigt worden, deren Existenz
grundsätzlich auch in den von der Klägerin
eingereichten Stellungnahmen von
C. ,
U. und
G. nicht bestritten worden sei. Der
Fakultätsrat sei dabei von einem allgemein anerkannten, auch
von der einschlägigen Rechtsprechung zugrunde gelegten
Verständnis von Textplagiaten ausgegangen, wonach ein Plagiat
die wörtliche und gedankliche Übernahme fremden
geistigen Eigentums ohne entsprechende Kenntlichmachung sei. Etwaige
Besonderheiten beim Zitieren unter Berücksichtigung der
erziehungswissenschaftlichen Promotionskultur in den frühen
80er Jahren seien nicht ersichtlich. Vielmehr deuteten entsprechende
Handreichungen für das Fach Erziehungswissenschaften, wie etwa
die von Kramp “Hinweise zur Anfertigung von Seminararbeiten,
8. Aufl. 1978“ darauf hin,
dass auch in den Erziehungswissenschaften nicht gekennzeichnete
wörtliche Übernahmen fremder Texte seinerzeit als
Textplagiate gewertet worden seien. Dies zugrunde legend habe
für den Fakultätsrat auch kein Anlass bestanden, den
Beweisanregungen der Klägerin nachzukommen. Auf die Frage, ob
sich die damaligen Gutachter (bzw. Referenten) der Arbeit
getäuscht gefühlt hätten, komme es nicht an,
da Adressat einer Promotionsleistung die Fakultät sei, die den
Doktorgrad verleihe. Die Einholung erziehungswissenschaftlicher
Gutachten sei nicht erforderlich, weil es vorliegend allein um die
Feststellung von Textplagiaten gehe, zu deren Beurteilung die
Fakultät über hinreichenden Sachverstand
verfüge. Die Fakultät sei unter
Berücksichtigung der ihr vorliegenden Unterlagen auch in der
Lage, sich ein genaues Bild von den bei Einreichung der Dissertation
gültigen wissenschaftlichen Standards zu machen. Nach den
Feststellungen der Fakultät handele es sich bei den im Bericht
von Prof. Dr.
S.
aufgezeigten Textstellen in der Dissertation um objektiv
schwerwiegende Verstöße gegen geltende
Zitierstandards, die den Schluss zuließen, dass
vorsätzlich über das Vorhandensein
eigenständiger wissenschaftlicher Leistungen
getäuscht worden sei. Entlastende Erklärungen
für die vielfältigen, in ihrer Qualität
durchaus unterschiedlichen Zitierfehler habe die Fakultät bei
sachgerechter Würdigung des umfänglichen Befundes
nicht zu ihrer Überzeugung ermitteln können.
Namentlich sei es nicht möglich, die beanstandeten Textstellen
etwa als bloße Ungenauigkeit oder
Flüchtigkeitsfehler zu werten. Zwar komme bei isolierter
Betrachtung in Bezug auf einige Stellen der beanstandeten Passagen,
namentlich bei übernommenen Textstellen aus Publikationen von
Niklas Luhmann, die nicht als Zitat gekennzeichnet
seien, und deshalb den Eindruck eines eigenständigen Referats
vermittelten, auch in Betracht, darin eine unsorgfältig
ausgewiesene Paraphrase zu sehen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der
Arbeit und unter Berücksichtigung zahlreicher sonstiger
eindeutiger Plagiate sei eine solche Sichtweise allerdings nicht mehr
möglich. Entsprechendes gelte auch für solche
Passagen, bei denen sich die Frage stelle, ob lediglich allgemein
bekanntes lexikalisches Wissen wiedergegeben werde oder ob nicht in der
Übernahme einzelner Wendungen aus den Werken beispielsweise
von Gehlen, Buytendijk und Landmann eine
“collagenhafte“ Technik der Aneignung von
Syntheseleistungen aus fremden Texten zu erkennen sei. Unter
Berücksichtigung der sehr deutlichen wörtlichen
Entsprechungen in der Formulierung und im Lichte des Gesamtkontextes
der Arbeit sei eine entlastende Bewertung jedoch ausgeschlossen. Im
Ergebnis entscheidend sei, dass sämtliche Passagen einem
durchgängigen – obschon im Detail variierenden
– Muster folgten, das die gesamte Dissertation durchziehe und
bei übergreifender Betrachtung zur Überzeugung der
Fakultät ein System erkennen lasse, entlehntes Wissen
– namentlich gelungene Zusammenfassungen von Streit- und
Forschungsständen – an entscheidenden Stellen durch
Weglassen der jeweiligen Quellen als eigene Erkenntnis bzw. eigene
Formulierung und Komprimierung erscheinen zu lassen.
Bekräftigt werde das durch eine Reihe eindeutiger und nicht
anders als durch eine vorsätzliche Vorgehensweise zu
erklärender Passagen, wie etwa der Textstücke, die
aus dem Werk “Psychoanalyse und Gewissen“ von Ernst
Stadter übernommen worden seien. In der Gesamtheit komme der
Fakultätsrat vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis, dass die
in der Voruntersuchung zusammengetragenen Befunde nur als
schwerwiegende und auf Grund ihrer Systematik auch
vorsätzliche Verstöße gegen die Regeln
wissenschaftlichen Zitierens gedeutet werden könnten. Hierbei
sei man zudem davon ausgegangen, dass bereits die eindeutigen Plagiate,
die sich insbesondere in Bezug auf die übernommene
Textpassagen aus dem Werk von Stadter selbst bei isolierter Betrachtung
nur durch vorsätzliches Vorgehen sinnvoll erklären
ließen, für sich gesehen ausreichend seien, die
Promotionsleistung für ungültig zu erklären.
Die von der Klägerin angeführten Erklärungen
zum angeblichen Zustandekommen der Zitierfehler seien unbeachtlich, da
sie sich entweder gar nicht auf die Vorhaltungen bezögen bzw.
allgemein exkulpatorischer Art oder sachfremd seien. Auch sei zu
berücksichtigen, dass die Klägerin jenseits der
beanstandeten Passagen grundsätzlich durchgängig
richtig zitiere, bei Bedarf Anführungszeichen verwende und
paraphrasiere. Schließlich habe der Fakultätsrat die
plagiierten Stellen auch in ihrem Verhältnis zur Gesamtheit
der Arbeit beurteilt. Eine hierarchische Unterordnung des zweiten
empirischen Teils der Dissertationsschrift und der dort festgestellten
gehäuften “Zitierfehler“ sei nicht
erkennbar, weil entgegen der anderslautenden Behauptung der
Klägerin das zweite Kapitel schon von seiner Ausdehnung her
ein Kernelement der Dissertation bilde, dessen Anspruch gerade auch
darin gelegen habe, sich dem Thema vergleichend aus der Perspektive
unterschiedlicher Disziplinen und ihrer Methoden zu nähern.
Dies gelte umso mehr, als gerade dieser Teil in den Gutachten der
seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) besonders gelobt worden sei.
22
Der
Fakultätsrat habe das ihm nach den §§ 20, 21
der Promotionsordnung eingeräumte Ermessen dahingehend
ausgeübt, dass er sowohl die schriftliche
Promotionsleistung
für ungültig erklärt als auch den Doktorgrad
entzogen habe. Dabei sei er davon ausgegangen, dass eine
Rücknahme nach § 48 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2
Satz 3 VwVfG NRW nur erfolgen könne, wenn kein
Vertrauensschutz bestehe, ferner, dass eine Rücknahme (allein)
wegen – hier zweifelsfrei festgestellter –
objektiver Falschangaben zwar im Hinblick auf den Zeitablauf
unverhältnismäßig sei, eine Entziehung aber
deswegen in Betracht komme, weil der Verwaltungsakt durch arglistige
Täuschung erwirkt worden sei. Im Rahmen seiner
Abwägungsentscheidung habe der Fakultätsrat keine in
der Person der Klägerin oder in den besonderen
Umständen des Einzelfalls liegenden, die öffentlichen
Interessen, nämlich die wissenschaftliche Redlichkeit als
Grundlage der Titelführung zu schützen sowie die
verletzten wissenschaftlichen Verhaltensregeln zu rehabilitieren,
überwiegenden Gründe feststellen können, die
angesichts des Umfangs und der Schwere der vorsätzlichen
Täuschung einer Ungültigerklärung der
schriftlichen Promotionsleistung und dem Entzug des Doktortitels
entgegenstünden bzw. einen Verzicht hierauf als
zweckmäßig erscheinen ließen. Auch eine
möglicherweise nachlässige Betreuung durch die
damaligen Gutachter (bzw. Referenten) ändere nichts daran,
dass die Klägerin als damalige Promovendin für die
gesamte Dissertation in dem abgegebenen Zustand die volle Verantwortung
getragen habe. Den Umstand, dass die Entziehung des Doktorgrades nach
über 30 Jahren für die Betroffene “einen
nicht unerheblichen Eingriff“ darstelle, habe der
Fakultätsrat im Rahmen der Abwägung ebenso
gewürdigt wie die Tatsache, dass es sich bei der Arbeit um
eine sogenannte grundständige Promotion handele. Beide
Umstände hätten indes kein hinreichendes Gewicht, das
öffentliche Interesse an der Korrektur der rechtswidrigen
Promotion zu überwinden. Frequenz und Umfang der betroffenen
Passagen, auch wenn sie sich einer genauen quantitativen Messung
entzögen, seien als so gravierend gewichtet worden, dass es
nicht als hinnehmbar erachtet worden sei, auf eine
Ungültigerklärung der Promotionsleistung sowie eine
Entziehung des Doktorgrades, für dessen Verleihung nunmehr der
Rechtsgrund weggefallen sei, zu verzichten. Dabei sei man davon
ausgegangen, dass die Ermächtigung zur Entziehung keiner
Verjährung unterworfen sei. Die Hochschule habe zudem ein
qualifiziertes Interesse daran, die fehlerhaften Weichenstellungen im
Rahmen des wissenschaftlichen Diskurszusammenhangs auch nach
längerer Zeit noch zu korrigieren, damit nicht aufgrund von
Täuschungshandlungen, die in der Einflusssphäre des
Täuschenden entstanden seien, schwerwiegender Schaden an der
Wissenschaftlichkeit als solcher, an der Validität
akademischer Grade und an der Richtigkeit wissenschaftlicher
Erkenntnisse eintrete. Die Komplexität, der Anspruch und
die entsprechend langsame Zeittaktung wissenschaftlicher
Forschung, die nicht mit der Ableistung berufsqualifizierender
Leistungen verglichen werden könne, erfordere es daher, auch
noch über längere Zeiträume hinweg das
signifikante Entdeckungsrisiko aufrechtzuerhalten. Die
Fakultät habe deswegen dem allgemeinen
Präventionsinteresse höheres Gewicht beigemessen als
den – mangels unmittelbarer Abhängigkeit von einer
konkreten Berufsqualifikation ohnehin im Vergleich zu anderen
Fällen bei einer Folgenbetrachtung zu relativierenden
– Nachteilen, die der Klägerin durch die Entziehung
entstünden. Schließlich habe der
Fakultätsrat auch die gleichmäßige
Rechtsanwendung (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie seine bisherige Praxis in
Plagiatsfällen berücksichtigt. Um einen Bagatellfall
handele es sich vorliegend ebenfalls nicht.
23
Gegen
die Entscheidung hat die Klägerin am 20. Februar 2013 Klage
erhoben.
24
Sie
beruft sich auf Verfahrensfehler und hält die Sachentscheidung
für rechtswidrig. Zur Begründung macht sie hierzu im
Wesentlichen geltend: Das Verwaltungsverfahren sei in mehrfacher
Hinsicht fehlerhaft durchgeführt worden. Es fehle an einem
Verfahren vor der Untersuchungskommission gemäß den
Grundsätzen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an
der beklagten Universität vom 27. Juni 2002. Jedenfalls sei es
rechtwidrig, zur Vorbereitung eines Einleitungsbeschlusses des
Fakultätsrats nach § 22 VwVfG NRW an Stelle des
Verfahrens vor der Untersuchungskommission Ermittlungen im
Promotionsausschuss durchzuführen und diese Ermittlungen dann
zur Grundlage sowohl der Einleitungsentscheidung als auch der
Entziehungsentscheidung zu machen. Es sei auch nicht
auszuschließen, dass die Durchführung des Verfahrens
vor der Untersuchungskommission zu einer anderen Empfehlung an den
Fakultätsrat geführt hätte als die
Empfehlung durch den Promotionsausschuss. Das durchgeführte
Verfahren sei zudem nicht mit § 21 PromO i. V. m. §
22 Satz 1 VwVfG NRW vereinbar. Der Dekan und der Promotionsausschuss
hätten praktisch ein eigenes Verwaltungsverfahren ohne die
dazu erforderliche Ermächtigung durch den zuständigen
Fakultätsrat durchgeführt. Darüber hinaus
sei der angefochtene und durch den Dekan verfasste Bescheid nicht nach
vorheriger Verständigung mit dem Fakultätsrat
über die tragenden Gründe ergangen. Das
Vorbereitungsverfahren durch den Promotionsausschuss sei auch deswegen
rechtswidrig, weil in Bezug auf die Mitglieder dieses Ausschusses unter
Berücksichtigung der Indiskretionen gegenüber der
Presse die Besorgnis der Befangenheit bestehe. Auch in Bezug auf die
Mitglieder des Fakultätsrats bestehe eine entsprechende
Besorgnis der Befangenheit, weil wenige Tage vor der entscheidenden
Sitzung am 5. Februar 2013 in der Presse über die Schrift
“Hinweise zur Anfertigung von Seminararbeiten“ von
Kramp berichtet worden sei sowie ferner darüber, dass die
gegen sie, die Klägerin, erhobenen Vorwürfe durch
diese Schrift angeblich gestützt würden. Die
Information der Öffentlichkeit in diesem Stadium des
Verfahrens könne nur durch das Dekanat oder Mitglieder des
Fakultätsrats erfolgt sein und allein dem Zweck gedient haben,
die Willensbildung im Fakultätsrat zu beeinflussen. Die
gemäß § 21 PromO i. V. m. § 28
Abs. 1 VwVfG NRW gebotene Anhörung vor der Entscheidung
über die Rücknahme des Doktorgrades sei
vollständig unterblieben. Die beklagte Universität
habe ferner bei der Ermittlung des Sachverhaltes § 24 Abs. 1
und 2 VwVfG NRW verletzt. Die Beweisanträge, die sie, die
Klägerin, schriftlich gestellt habe, seien mit fehlerhaften
Erwägungen abgelehnt worden.
25
Zur
Entscheidung in der Sache macht die Klägerin geltend: Der
Entscheidung nach § 20 Satz 1 PromO, die
Dissertation für ungültig zu erklären, liege
ein unzutreffendes Verständnis des Begriffs der
Täuschung zu Grunde. Im Übrigen seien die hierzu
getroffenen Feststellungen im Ergebnis falsch und die Entscheidung
ermessensfehlerhaft. Im Einzelnen wird hierzu im Wesentlichen
ausgeführt: Eine Täuschung sei nicht ohne Erregung
eines Irrtums möglich. Die am Promotionsverfahren beteiligten
Gutachter (bzw. Referenten) seien aber keinem Irrtum unterlegen. Die
von der beklagten Universität erhobenen Beanstandungen seien
auch nicht geeignet, den Täuschungsvorsatz zu belegen. Eine
Erarbeitung des interdisziplinären beschreibenden zweiten
Teils der Dissertation allein aus der jeweiligen
Primärliteratur habe von ihr nicht erwartet werden
können. Ein Rückgriff auf die
Sekundärliteratur sei zwingend erforderlich gewesen, was sie
im Grundsatz auch offen gelegt habe. Der Vorwurf, sie habe bedeutende
Rezeptionsleistungen Dritter fälschlich als eigene Leistungen
dargestellt, werde durch die Feststellungen nicht gestützt.
Soweit sie einzelne Stellen nicht als Rezeptionsleistungen Dritter
gekennzeichnet habe, komme diesen Befunden jedenfalls im
Gesamtzusammenhang der Arbeit nur eine geringe Bedeutung zu. Soweit sie
bei der Heranziehung von Sekundärliteratur Satzteile und
Wendungen übernommen habe, folgten die Darlegungen ihren
eigenen Gedanken. Auch seien die Titel – bis auf zwei
– sämtlich im Literaturverzeichnis angegeben. Im
Übrigen habe die beklagte Universität bei ihrer
Beurteilung ausgeblendet, dass Primär- und
Sekundärliteratur oftmals übereinstimmten und dass
ohne eine Analyse dieser Übereinstimmungen überhaupt
nicht erkennbar sei, in welchem Maße die benutzte
Sekundärliteratur eine wissenschaftliche Eigenleistung
enthalte, die sie sich zu Eigen gemacht haben könnte.
Schließlich müsse man auch berücksichtigen,
dass die von ihr praktizierte Vorgehensweise im Umgang mit der
Primär- und Sekundärliteratur in den
Erziehungswissenschaften seinerzeit verbreitet gewesen sei. In Bezug
auf vereinzelte Stellen räume sie Zitierfehler ein, allerdings
habe sie insoweit nicht in Täuschungsabsicht gehandelt. Das
gelte erst recht für die Stellen, in denen die Hinweise auf
die benutzte Sekundärliteratur lückenhaft seien.
26
Das
Ermessen zu § 20 Satz 1 PromO sei fehlerhaft ausgeübt
worden. Die Bedeutung des Zeitablaufs von mehr als 32 Jahren sei nicht
ausreichend gewichtet worden. Unberücksichtigt geblieben sei,
dass es in vielen Prüfungsordnungen
Verjährungsfristen von kürzerer Dauer gebe und die
hier streitgegenständliche grundständige Promotion
der Klägerin auch eine berufsqualifizierende Prüfung
darstelle. Die Erwägungen zum öffentlichen Interesse
seien nicht tragfähig. Dass die Dissertation im Vergleich zu
anderen Prüfungsleistungen eine Sonderstellung einnehme, sei
nicht ersichtlich. Eine Schädigung der Lauterkeit und
Richtigkeit des wissenschaftlichen Diskurszusammenhangs komme heute nur
noch in Betracht, wenn durch Mängel der Dissertation Gefahren
für wissenschaftliches Arbeiten Dritter im Rahmen eines
Rückgriffs auf die Dissertation begründet
würden. Hierzu verhalte sich der Bescheid nicht.
Generalpräventive Erwägungen, insbesondere der
Ansatz, das signifikante Entdeckungsrisiko und die damit einhergehenden
Schwierigkeiten einer Aufdeckung wissenschaftlichen Fehlverhaltens auch
noch über längere Zeiträume hinweg
aufrechtzuerhalten, seien hier angesichts des zu wahrenden Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf die
verstrichene Zeit nicht angezeigt. Auf den Einzelfall bezogene
Erwägungen, wie etwa die Frage nach dem wissenschaftlichen
Wert der Dissertation im Übrigen oder die Bedeutung der
Befunde unter Berücksichtigung ihres Umfangs mit Blick auf die
insgesamt erbrachte Leistung im Übrigen, seien im Bescheid
nicht enthalten.
27
Die
Entscheidung nach § 21 PromO i. V. m. § 48 VwVfG NRW
zur Rücknahme des Doktorgrades sei schon deswegen
rechtswidrig, weil keine rechtmäßige Entscheidung
gemäß § 20 PromO vorliege. Darüber
hinaus fehle es an einer bewussten Täuschung, so dass der
Vertrauensschutz nicht entfalle. Auch habe der Fakultätsrat
bei seiner Entscheidung in seiner Ermessensausübung nicht
ausreichend zwischen § 20 PromO und § 21 PromO
differenziert; insbesondere seien für die Rücknahme
weitere Ermessensaspekte zu berücksichtigen, da hier wegen der
Grundständigkeit der Promotion und des gleichzeitigen Entzugs
des Hochschulabschlusses in die Freiheit der Berufswahl eingegriffen
werde. Schließlich habe der Fakultätsrat auch nicht
geprüft, ob unter den genannten Umständen eine
Entscheidung nur nach § 20 PromO ausreichend gewesen
wäre. Die Berufung des Fakultätsrats auf die
Behandlung ähnlich gelagerter Fälle sei mangels
entsprechender Belegfälle nicht nachvollziehbar.
28
Die
Klägerin beantragt,
29
den
Bescheid des Dekans der Philosophischen Fakultät der Beklagten
vom 14. Februar 2013 aufzuheben.
30
Die
Beklagte beantragt,
31
die
Klage abzuweisen.
32
Zur
Begründung führt sie aus: Verfahrensfehler seien
nicht ersichtlich. Ein Verfahren vor der Untersuchungskommission nach
Maßgabe der Grundsätze zur Sicherung guter
wissenschaftlicher Praxis an der beklagten Universität habe
nicht durchgeführt werden müssen.
Maßgeblich sei hier allein das satzungsrechtlich in der
Promotionsordnung vorgesehene Verfahren. Die dort
einschlägigen Spezialermächtigungen gingen der Arbeit
der Untersuchungskommission vor. Die jeweiligen
Zuständigkeiten von Dekan und Fakultätsrat seien
beachtet worden. Über die Entziehung entscheide der
Fakultätsrat. Der Dekan, der auch Vorsitzender des
Fakultätsrats sei, treffe die außenwirksame
Entscheidung als zuständige Behörde, wobei hier die
Begründung des Bescheides vorab mit dem Fakultätsrat
besprochen worden sei. Dem Dekan obliege es außerdem,
gemäß §§ 22 Abs. 1
Satz 1, 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW das
Verfahren nach pflichtgemäßem Ermessen einzuleiten
und den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, um eine entsprechende
Entscheidung des Fakultätsrats vorzubereiten. Er
könne sich hierbei auch Dritter, wie hier veranlasst durch die
Beauftragung des Promotionsausschusses, bedienen, die ihn bei der
Erfüllung seiner Aufgaben unterstützten. Ungeachtet
dessen habe der Fakultätsrat die Vorgehensweise des Dekans
jedenfalls in seiner ersten Sitzung am 22. Januar 2013
nachträglich gebilligt. Das Anhörungserfordernis sei
gewahrt; eine vorherige Anhörung bezogen auf jeden
Einzelaspekt sei nicht erforderlich. Eine Besorgnis der Befangenheit
bestehe nicht. Dass das Gutachten von Prof. Dr.
S.
auf ungeklärtem Wege an die Presse gelangt sei, bedeute nicht,
dass damit jedes Mitglied des Fakultätsrats automatisch als
befangen gelte. Die Beweisanregungen der Klägerin seien
hinreichend berücksichtigt worden. Deren Ablehnung sei
rechtmäßig gewesen.
33
Auch
in materieller Hinsicht lägen keine Fehler vor: Die
Klägerin habe plagiiert, weil sie Textpassagen aus
einschlägigen Sekundärquellen übernommen und
diese nicht durch Nachweise gekennzeichnet habe; auf die insoweit mit
der Klageschrift geltend gemachten Einwände sei im Einzelnen
eingegangen worden. Die Klägerin habe objektiv bei dem
Betreuer (bzw. Referent) und dem Korreferenten sowie den anderen
promotionsberechtigten Mitgliedern der Fakultät einen Irrtum
darüber erregt, dass keine anderen als die jeweils angegebenen
Quellen genutzt und wörtliche oder
sinngemäße Übernahmen als solche
gekennzeichnet worden seien. Auch habe die Klägerin den
Täuschungsvorwurf selbst eingeräumt, indem sie
zugestanden habe, dass sie stellenweise Rezeptionsleistungen Dritter
übernommen, aber nicht hinreichend belegt habe. Ein
Täuschungsvorsatz liege nach eingehender
Gesamtwürdigung der Befunde vor. Ob die eingereichte
Dissertation annahmefähig gewesen wäre, wenn sie die
fehlenden Nachweise enthalten hätte, sei irrelevant. Eine
“geltungserhaltende Reduktion“ finde nicht statt.
Auf die Quantität der Plagiate im Verhältnis zur
Länge der Arbeit komme es jenseits einer hier nicht ernstlich
zu erwägenden Bagatellgrenze rechtlich nicht an.
Maßgeblich seien die große Zahl und vor allem die
teils ganz erhebliche Gravität der festgestellten Plagiate.
34
Ermessensfehler
seien nicht ersichtlich. Die Entscheidungen zu den §§
20 und 21 PromO seien im Fakultätsrat separat und nach
getrennten Abstimmungen erfolgt; ungeachtet dessen stünden die
Regelungen in einem funktionalen Zusammenhang. Deshalb ließen
sich die konkreten Ermessenserwägungen nicht voneinander
trennen. Im Rahmen der Rücknahmeentscheidung seien
schließlich auch die persönlichen Folgen einer
Doktorgradentziehung für die Klägerin
berücksichtigt worden. Eine Regelung zur Verjährung
gebe es nicht und, selbst wenn, hätte die Klägerin
einen entsprechenden Einwand verwirkt, da sie selbst um
Überprüfung gebeten habe und die
Begünstigung im Übrigen durch vorsätzliche
Täuschung erlangt worden sei. Der vorliegende Fall
könne auch nicht mit anderen Prüfungsordnungen, in
denen sich vereinzelt Verjährungsregelungen fänden,
verglichen werden, da es dort im Regelfall lediglich um
berufsqualifizierende Abschlüsse gehe und diese anders als
eine Dissertation nicht als Beleg für eine besondere
wissenschaftliche Befähigung dienten. Es gehe bei einer
Promotion um den Kern der wissenschaftlichen Leistung und ihrer
rechtlichen Funktion, die auch über längere
Zeiträume hinweg die jeweilige Qualifikation in akademischer
Hinsicht ausmachten. Schwerwiegende Verstöße gegen
korrektes wissenschaftliches Verhalten ließen die Leistung
als solche hinfällig werden, und zwar unabhängig von
dem Zeitraum, der verstrichen sei. Dass die Bedeutung einer
Dissertation für den wissenschaftlichen Diskurs praktisch
gesehen sehr unterschiedlich sei und mit der Zeit verblassen
könne, sei rechtlich bedeutungslos. Entscheidend sei, dass
eine Dissertation den Anspruch haben müsse, als
wissenschaftlicher Diskursbeitrag jederzeit aufgegriffen zu werden.
Deshalb sei auch namentlich das Strafrecht, das mit vergleichbar kurzen
Verjährungsfristen operiere, kein taugliches Vergleichsobjekt.
35
Der
in der mündlichen Verhandlung für die
Klägerin anwesende Prozessbevollmächtigte hat
Beweisanträge gestellt und beantragt, zum Beweis der Tatsache,
dass die Methode des Nachweises der von der Klägerin in der
Dissertation benutzten und im Beweisantrag im Einzelnen
aufgeführten Werke in der erziehungswissenschaftlichen
Literatur 1980 nicht unüblich gewesen sei, ein
Sachverständigengutachten einzuholen sowie ferner zum Beweis
der Tatsache, dass die seinerzeitigen Gutachter im Promotionsverfahren
bei der Bewertung der Dissertation der Klägerin nicht
angenommen hätten, die auf den zuvor genannten Seiten aus der
Literatur rezipierten Darstellungen der Auffassungen anderer Autoren
seien aus der Primärliteratur durchgängig
selbständig erarbeitet worden, Referent und Korreferent als
sachverständige Zeugen zu vernehmen. Die Kammer hat die
Beweisanträge abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Inhalt der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug
genommen.
36
Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge der beklagten
Universität Bezug genommen.
37
Entscheidungsgründe:
38
Die
Klage hat keinen Erfolg.
39
Die
Klage, die als Anfechtungsklage gemäß § 42
Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig
ist, ist unbegründet.
40
Der
angefochtene Bescheid des Dekans der Philosophischen Fakultät
der beklagten Universität vom 14. Februar 2013 und die diesem
zugrunde liegende Entscheidung des Fakultätsrats, mit dem die
Dissertation als schriftliche Promotionsleistung der Klägerin
für ungültig erklärt und unter
Berücksichtigung dessen der der Klägerin durch
Übergabe der Promotionsurkunde vom 27. November 1980
verliehene Doktorgrad “Dr. phil.“
zurückgenommen wurde, ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113
Abs. 1 S. 1 VwGO). Dies steht zur Überzeugung der Kammer ohne
die Notwendigkeit fest, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von
Amts wegen oder entsprechend den in der mündlichen Verhandlung
gestellten Beweisanträgen der Klägerin bzw. ihren
ergänzenden schriftsätzlichen Beweisanregungen weiter
aufzuklären.
41
Für
die Überprüfung der Rechtmäßigkeit
des Bescheides und der diesem zugrunde liegenden Entscheidungen des
Fakultätsrats ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt
des Erlasses des Bescheides abzustellen.
42
Vgl.
hierzu auch VG Karlsruhe, Urteil vom 4. März 2013, 7 K
3335/11, juris (Rdnr. 28).
43
Zugrunde
zu legen ist daher das Gesetz über die Hochschulen des Landes
Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG) vom 31. Oktober
2006 (GV NRW S. 474) in der bezogen auf den vorgenannten Zeitpunkt
durch Art. 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 2012 (GV NRW S. 672)
geänderten Fassung sowie die zu diesem Zeitpunkt geltende und
auf der Grundlage des Hochschulgesetzes erlassene Promotionsordnung der
Philosophischen Fakultät der beklagten Universität
vom 4. Juli 2000 (Amtl. Bek. vom 11. Juli 2000)
- PromO -, in der Fassung der zuletzt mit Ordnung vom 8. März
2011 erfolgten Änderungen.
44
Gemäß
§ 20 Satz 1 PromO können die Promotionsleistungen
durch den Fakultätsrat unter anderem dann für
ungültig erklärt werden, wenn sich nach
Aushändigung der Promotionsurkunde ergibt, dass sich die
Doktorandin oder der Doktorand bei der Zulassung zum
Promotionsverfahren einer Täuschung schuldig gemacht hat (vgl.
dazu nachfolgend Ziffer 2). Gemäß § 21
PromO kann zudem der Doktorgrad entzogen bzw. zurückgenommen
werden, wobei die Regelung auf die Vorschriften des
Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen verweist
(vgl. dazu nachfolgend Ziffer 3).
45
Die
Entscheidungen des Fakultätsrats sind danach formell (vgl.
Ziffer 1) und materiell (vgl. Ziffer 2 und 3)
rechtmäßig ergangen.
46
1.)
Die Einwände der Klägerin gegen die formelle
Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des
Fakultätsrats greifen nicht durch.
47
a)
Für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen
Entscheidungen rechtlich unerheblich ist, ob die von der
Klägerin gerügten Rechtsmängel den
Maßnahmen anhaften, die Dekan und Promotionsausschuss zwecks
Klärung der Frage ergriffen haben, ob sich der
Fakultätsrat mit den gegen die Klägerin erhobenen
“Plagiatsvorwürfen“ befassen soll. Dieses
“Vorprüfungsverfahren“ ist nicht
Bestandteil des mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen
Verwaltungsverfahrens, auf dessen Überprüfung die
gerichtliche Rechtskontrolle beschränkt ist.
48
Gemäß
§§ 20, 21 PromO entscheidet über die
Ungültigkeit der Promotionsleistung und über die
Rücknahme oder Entziehung des Doktorgrades der
Fakultätsrat, so dass das dem angefochtenen Bescheid zugrunde
liegende Verwaltungsverfahren mit der erstmaligen Befassung des
Fakultätsrats begann. Die zuvor ergriffenen
Aufklärungsmaßnahmen des Dekans und des von ihm
beauftragten Promotionsausschusses waren deshalb Bestandteil einer dem
Verfahren beim Fakultätsrat vorgelagerten Vorprüfung,
deren Ziel allein die Klärung der Frage war, ob die mit der
“Anzeige“ gegen die Klägerin erhobenen
Vorwürfe im Tatsächlichen hinreichend Anlass boten,
den Sachverhalt dem Fakultätsrat zur Entscheidung
darüber vorzulegen, ob in einem Verwaltungsverfahren die
Gültigkeit der Promotionsleistung der Klägerin sowie
deren Berechtigung zur Führung des Doktorgrades
überprüft werden sollten. Gemäß
§ 24 Abs. 1 VwVfG NRW, der gemäß §
2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG NRW Anwendung findet, ermittelt die
Behörde bzw. hier die beklagte Universität, vertreten
durch den Dekan, der gemäß § 27 Abs. 1 Satz
1 HG den Fachbereich (bzw. die Fakultät) leitet und ihn (bzw.
sie) innerhalb der Hochschule vertritt, den Sachverhalt von Amts wegen
und bestimmt hierbei Art und Umfang der Ermittlungen. Als Grundlage
für die Entscheidung, ob ein Verwaltungsverfahren eingeleitet
werden soll, sowie dafür, ob dieses Verfahren gegebenenfalls
mit einer Regelung abgeschlossen werden soll, begründen
etwaige formelle Mängel dieser Untersuchung deshalb
grundsätzlich keine selbständig durchsetzbare
Verfahrensposition und damit auch keinen Ansatz für einen
eigenen Verfahrensfehler, der sich auf die
Rechtmäßigkeit der angegriffenen Regelung auswirken
kann.
49
Vgl.
zum Zweck des § 24 VwVfG und zur Verfahrensposition im Falle
der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes: Kallerhoff in
Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 24
Rdnr. 5 ff.
50
b)
Mit dem Fakultätsrat hat, wie dargelegt, das nach
§§ 20, 21 PromO zuständige Organ
entschieden. Ob der Fakultätsrat die bei der beklagten
Universität auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 der
Grundsätze zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an
der beklagten Universität vom 27. Juni 2002 (Amtl. Bek. Nr.
14/2002 vom 28. Juli 2002) - nachfolgend: Grundsätze - zum
Zwecke der Verfolgung wissenschaftlichen Fehlverhaltens eingerichtete
ständige Untersuchungskommission hätte bitten
dürfen, dem Verdacht gegen die Klägerin nachzugehen
und den Sachverhalt aufzuklären, kann offen bleiben. Eine
rechtliche Verpflichtung hierzu bestand entgegen der Auffassung der
Klägerin jedenfalls nicht. Eine solche ergibt sich weder aus
den vorgenannten Grundsätzen selbst noch aus der
Promotionsordnung. Vielmehr bestimmt § 8 Abs. 2 Satz 1 der
Grundsätze, dass das Verfahren vor der Untersuchungskommission
nicht andere, gesetzlich bzw. satzungsrechtlich geregelte Verfahren
ersetzt. Dementsprechend stellt § 8 Abs. 2 Satz 2 der
Grundsätze auch ausdrücklich klar, dass die
anderweitig gesetzlich oder satzungsrechtlich geregelten Verfahren von
den jeweils zuständigen Organen eingeleitet werden.
Erfüllt daher – wie im vorliegenden Fall –
die Behauptung wissenschaftlichen Fehlverhaltens zugleich
möglicherweise einen Tatbestand, der nach der
einschlägigen Promotionsordnung Sanktionen rechtfertigt, so
ist das dafür vorgesehene Verfahren unter Beachtung der in der
Promotionsordnung normierten Zuständigkeiten
durchzuführen.
51
Vgl.
zu einer ähnlichen Fallgestaltung auch VG Berlin, Urteil vom
25. Juni 2009, 3 A 319.05, juris (Rdnr. 36 ff).
52
c)
Eine Anhörung der Klägerin in dem Verfahren, das der
Fakultätsrat mit den Entscheidungen zur Ungültigkeit
der Dissertation und zur Rücknahme des Doktorgrades
“Dr. phil.“ abgeschlossen hat, ist
gemäß § 20 Satz 2 PromO, der der
allgemeinen verwaltungsrechtlichen Regelung in § 28 Abs. 1
VwVfG NRW entspricht und wonach der Fakultätsrat seine
Entscheidung nach Anhörung der oder des Betroffenen durch den
Dekan trifft, bzw. gemäß § 21 PromO i. V.
m. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW erfolgt.
53
Anhörung
im Sinne der vorgenannten Vorschriften bedeutet, dass die
Behörde, das heißt der Amtsträger, der
für die in der Sache zu treffenden Entscheidung
zuständig ist, dem Betroffenen Gelegenheit zur
Äußerung zum Gang des Verfahrens, zum Gegenstand, zu
den entscheidungserheblichen Tatsachen und zum möglichen
Ergebnis innerhalb einer angemessenen Frist gibt.
54
Vgl.
Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 14. Aufl. 2013 (Kopp/Ramsauer),
§ 28 Rdnr. 12
m. w. N. aus der Rechtsprechung.
55
Danach
ist hier bezogen auf beide Entscheidungen des Fakultätsrats
eine ordnungsgemäße Anhörung der
Klägerin erfolgt.
56
Abgesehen
davon, dass dem Fakultätsrat im Rahmen seiner Sitzung am 22.
Januar 2013 bereits ausführliche Stellungnahmen der
Klägerin aus dem Vorprüfungsverfahren vorlagen und
der Klägerin der Bericht von Prof. Dr.
S.
bereits bekannt war, hatte die Klägerin auch nach der Sitzung
des Fakultätsrats vom 22. Januar 2013, in der dieser allein
die “Einleitung eines förmlichen
Rücknahmeverfahrens“ beschlossen hatte, hinreichend
Gelegenheit zum Sach- und Streitstand weiter vorzutragen. Über
die vom Fakultätsrat beschlossene Einleitung des
“Hauptverfahrens“ sowie darüber, dass der
Fakultätsrat für den 5. Februar 2013 zu einer
weiteren Sitzung einberufen werden sollte, ist die Klägerin
durch die vom Dekan an ihre Prozessbevollmächtigten
übermittelte Presseerklärung am Tag der
Beschlussfassung am 22. Januar 2013 informiert worden. Auf die Anfrage
der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 24.
Januar 2013, welche Planungen hinsichtlich der weiteren Gestaltung des
Verfahrens bestünden und ob noch eine Entscheidung
über die Einholung weiterer Gutachten getroffen worden sei
oder getroffen werden solle, hat der Dekan mit Schreiben vom gleichen
Tage nochmals ergänzend klargestellt, dass der
Fakultätsrat in seiner Sitzung vom 22. Januar 2013
“das Verfahren zur Entscheidung über eine eventuelle
Ungültigkeitserklärung der schriftlichen
Promotionsleistung der Klägerin“ eingeleitet habe,
und zugleich darauf hingewiesen, dass die bereits übersandten
Unterlagen der Klägerin auch im weiteren Verfahren
berücksichtigt würden und dass es der
Klägerin unbenommen bleibe, zum Rechtsgutachten Stellung zu
nehmen. Mit Schreiben vom 28. Januar 2013 führte der Dekan
zudem ergänzend aus, dass der Fakultätsrat einstimmig
beschlossen habe, jedenfalls derzeit keine externe Expertise
hinzuzuziehen. Damit waren der Klägerin die Grundlagen der
weiteren Verfahrensweise des Fakultätsrats in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entsprechend der
Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs offen
gelegt. Dass der in der Presseerklärung verwandte Begriff
“Hauptverfahren“ dabei untechnisch gemeint war und
sowohl das Verfahren zur Erklärung der Ungültigkeit
als auch das Verfahren zur Rücknahme des Doktorgrades
beinhaltete, musste sich für die Klägerin bei
lebensnaher Betrachtungsweise aus den bisherigen
Verfahrensabläufen ergeben, in denen der Dekan ihr
gegenüber mehrfach zum Ausdruck gebracht hatte, dass es um die
Frage der Einleitung eines “Aberkennungsverfahrens“
im Sinne der vorgenannten Verfahrensschritte gehe. Dementsprechend
haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit
Schreiben vom 4. Februar 2013 die Gelegenheit, für die
Klägerin vorzutragen, auch tatsächlich genutzt und
Beweisanträge gestellt sowie im Rahmen ihrer Stellungnahme
unter Bezugnahme auf das Rechtsgutachten des
Prozessbevollmächtigten der beklagten Universität zum
Verfahrensablauf außerdem zum Ausdruck gebracht, dass ihnen
(und damit der Klägerin) unter Berücksichtigung der
im Gutachten ausdrücklich erfolgten rechtlichen Befassung mit
der Möglichkeit einer Entziehung des Doktorgrades auf der
Grundlage von § 21 PromO i. V. m. § 48 VwVfG NRW vor
dem Hintergrund einer Ungültigerklärung der
Promotionsleistung nach § 20 PromO die Tragweite der mit der
Presseerklärung bekannt gemachten Einleitung des gegen die
Klägerin gerichteten Verfahrens bewusst war. Eine
darüber hinaus gehende Verpflichtung, die Betroffene auf die
Möglichkeit zu Äußerungen zur Sache
ausdrücklich hinzuweisen oder sie dazu aufzufordern bzw.
dafür eine Frist zu setzen, bestand nicht.
57
Vgl.
dazu Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 28 Rdnr. 20 m. w. N.
58
Ungeachtet
der vorherigen Ausführungen wäre ein etwaiger
Anhörungsmangel gemäߠ
§ 45 Abs. 2 VwVfG NRW aber auch geheilt.
59
d)
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 7 HG war es Aufgabe
des Dekans, den Beschluss des Fakultätsrats vom 5. Februar
2013 auszuführen. Anhaltspunkte dafür, dass der Dekan
den Beschluss dem objektiv erkennbaren Willen des
Fakultätsrats zuwider vollzogen hat,
60
vgl.
zur Umsetzung solcher Beschlüsse nach Maßgabe der
früheren Regelung in § 27 Universitätsgesetz
in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. August 1993 (GV NRW S. 532):
Leuze in Leuze/Bender, Kommentar zum WissHG NW, letzter Stand
Dezember 1998, § 27 Rdnr. 6; vgl. ferner Denninger, Kommentar
zum Hochschulrahmengesetz (1984), S. 420 f zu § 64 Rndr. 64
ff.,
61
sind
unter Zugrundelegung der protokollierten Beschlussfassung nicht
ersichtlich. Einer vorhergehenden Genehmigung des genauen Wortlauts des
Bescheides durch den Fakultätsrat bedurfte es entgegen der
anderslautenden Auffassung der Klägerin nicht. Ein solches
Gebot findet sich weder im Hochschulgesetz noch in anderen hier
maßgeblichen Regelungen bzw. Ordnungen.
62
e)
Formell rechtswidrig sind die angefochtenen Entscheidungen des
Fakultätsrats auch nicht mit Blick auf die von der
Klägerin behauptete Befangenheit der Mitglieder des
Fakultätsrats. Für eine Besorgnis der Befangenheit im
Sinne von § 21 VwVfG NRW, der hier gemäß
§ 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG NRW Anwendung findet, bestehen objektiv
keine Anhaltspunkte. Das diesbezügliche Vorbringen der
Klägerin erschöpft sich in Mutmaßungen und
ist unsubstantiiert. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag,
die Befangenheit der Mitglieder des Fakultätsrats ergebe sich
aus dem Umstand, dass der von Prof. Dr.
S.
Ende September 2012 dem Promotionsausschuss vorgelegte Bericht auf
ungeklärtem Wege an die Presse gelangt sei. Inwieweit dieser
Umstand geeignet sein soll, die Besorgnis zu begründen, dass
die Mitglieder des Fakultätsrats nicht unparteilich
entscheiden würden, erschließt sich aus dem
schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin nicht und
ist auch sonst nicht ersichtlich.
63
f)
Der Umstand, dass, wie von der Klägerin beanstandet, die
seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) ihrer Dissertation nicht als
sachverständiger Zeuge vernommen wurden, begründet
schon vom Ansatz her keinen selbständigen formellen Mangel.
Ungeachtet dessen kam es auf ihre Einvernahme aber auch nicht an, wie
im Weiteren noch auszuführen sein wird.
64
Die
angefochtenen Entscheidungen des Fakultätsrats, die
Dissertation der Klägerin für ungültig zu
erklären (vgl. dazu nachfolgend Ziffer 2) und den Doktorgrad
“Dr. phil.“ zurückzunehmen (vgl. dazu
nachfolgend Ziffer 3), sind auch materiell
rechtmäßig.
65
2.)
Nach § 20 Satz 1 PromO können die
Promotionsleistungen durch den Fakultätsrat
unter anderem dann für ungültig
erklärt werden, wenn sich nach Aushändigung der
Promotionsurkunde ergibt, dass sich die Doktorandin oder der Doktorand
bei der Zulassung zum Promotionsverfahren einer Täuschung
schuldig gemacht hat. Die tatbestandlichen Voraussetzungen (vgl. Ziffer
2 a – c) sind gegeben. Schließlich hat der
Fakultätsrat auch das ihm nach der Vorschrift
eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (vgl.
Ziffer 2 d).
66
Mit
dem Begriff der Täuschung knüpft die
Promotionsordnung an die dem Tatbestand des § 263 StGB
innewohnenden Merkmale an. Danach sind Voraussetzungen einer
Täuschung das Vorliegen einer rechtserheblichen
Täuschungshandlung - durch Vorspiegeln oder
Unterdrücken von Tatsachen - (vgl. dazu Ziffer 2 a), ferner
das Erregen eines Irrtums sowie die Ursächlichkeit der
Täuschungshandlung für den erregten Irrtum (vgl. dazu
Ziffer 2 b) und schließlich das Vorliegen eines
Täuschungsvorsatzes (vgl. dazu Ziffer 2 c).
67
Dass
der Fakultätsrat diese Voraussetzungen in objektiver und
subjektiver Hinsicht in Bezug auf die Dissertation der
Klägerin als gegeben angesehen hat, ist rechtlich nicht zu
beanstanden, wobei die Frage der Erheblichkeit der
Täuschungshandlung wegen des dem Fakultätsrat hier
eingeräumten Beurteilungsspielraums gerichtlich nur
eingeschränkt überprüfbar ist.
68
Vgl.
zum Beurteilungsspielraum im vorbeschriebenen Zusammenhang etwa VGH
Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000, 9 S 2435/99,
juris (Rdnr. 34); vgl. ferner im Rahmen eines Überblicks
über die Rechtsprechung: Schroeder, Die Entziehung des
Doktorgrades wegen Täuschung in der verwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung, NWVBl 2010 S. 176 (179); vgl. zu den Grenzen des
Beurteilungsspielraums im Prüfungsrecht allgemein:
Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rdnr. 639 ff.
69
a)
Eine rechtserhebliche Täuschungshandlung durch Vorspiegeln
oder Unterdrücken von Tatsachen liegt, soweit hier von
Interesse, vor, wenn Passagen der zur Bewertung abgegebenen
Dissertation nicht vom Promovenden selbst, sondern von einem anderen
Autor stammen und der Promovend dies nicht kennzeichnet.
70
Vgl.
VG Berlin, Urteil vom 15. April 2009, 12 A 319.08, juris (Rdnr. 21) und
BayVGH, Beschluss vom 19. August 2004, 7 CE 04.2058, juris (Rdnr. 18).
71
aa)
Unter Zugrundelegung des für das Prüfungsrecht aus
dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) abgeleiteten
Gebots, eine Prüfungsleistung persönlich zu
erbringen, ist Grundvoraussetzung für eine der Bewertung
zugängliche und außerdem für den Abschluss
des Studiums bedeutende Prüfungsleistung, wie hier in Gestalt
der grundständigen Promotion der Klägerin, dass der
Promovend die für den Erfolg maßgeblichen Leistungen
eigenständig und unverfälscht erbringt. Die
Anforderungen, die an den Nachweis der Eigenständigkeit
wissenschaftlichen Arbeitens zu stellen sind, ergeben sich aus dem
Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit. Dieses erfordert wiederum,
geistiges Eigentum Dritter nachprüfbar zu machen, indem
sämtliche wörtlich oder sinngemäß
übernommenen Gedanken aus Quellen und Literatur als solche
kenntlich gemacht werden.
72
Diese
Anforderungen entsprechen auch der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG
NRW), das hierzu in seinem Urteil vom 20. Dezember 1991 (15 A 77/89) im
Zusammenhang mit einer Täuschung bei einer im Jahre 1976
angefertigten Habilitationsschrift das Folgende ausgeführt hat
(vgl. juris, Rdnr. 11):
73
“...Es
ist ein grundlegendes, jedermann einsichtiges und allseits anerkanntes
Gebot der Redlichkeit, in einer wissenschaftlichen Arbeit Gedanken
anderer Autoren, selbst wenn sie nur Ausgangspunkt eigener
Überlegungen sein sollen, als solche kenntlich zu machen, sei
es im Text oder in den beigefügten Zitaten. Noch mehr und erst
recht gilt dies, wenn eine fremde gedankliche Leistung in weithin nur
wiederholender Darstellung aufgegriffen und lediglich in Einzelheiten
weitergeführt, vervollkommnet [...] werden soll. Unterbleibt
in diesem [...] Fall die Kenntlichmachung der fremden Leistung, so muss
der unbefangene Leser in dem selbstverständlichen Vertrauen,
dass jene grundlegende Regel wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten
ist, einen falschen Eindruck von Umfang und Wert der eigenen Leistung
des Verfassers gewinnen; zumindest aber gerät er in die
Gefahr, einem solchen Irrtum zu erliegen....“
74
Dementsprechend
hat die Klägerin auch gemäß § 3
Ziff. 3c der zum Zeitpunkt der Anfertigung ihrer Dissertation
einschlägigen Promotionsordnung vom 15. Februar 1977
(nachfolgend: PromO a.F.), genehmigt mit Erlass des damaligen
“Ministerium für Wissenschaft und
Forschung“ des Landes Nordrhein-Westfalen –
abgekürzt: MWF NW – Az. I B 2 8101/071 (Amtl. Bek.
1/1977 vom 27. Mai 1977), eine eidesstattliche Versicherung des Inhalts
abgegeben, dass sie die vorgelegte Dissertation selbst und ohne
unerlaubte Hilfe verfasst und keine anderen als die angegebenen
Hilfsmittel benutzt habe.
75
Hier
hat die Klägerin über den Umfang der
Eigenständigkeit ihrer Leistung getäuscht, wobei dem
Fakultätsrat die maßgeblichen Umstände erst
nach Aushändigung der Promotionsurkunde bekannt geworden sind.
76
Entgegen
den zuvor dargestellten Anforderungen hat die Klägerin in
rechtserheblichem Umfang ohne erforderliche Kennzeichnung und ohne
Angabe der von ihr genutzten Quellen wörtliche oder leicht
umgewandelte oder sinngemäß übernommene
Passagen aus den von ihr verwendeten Quellen in ihre Dissertation
übernommen und damit den falschen Eindruck erweckt, der
Dissertationsschrift liege auch insoweit eine eigene gedankliche
Leistung zugrunde. Dies steht zur Überzeugung der Kammer nach
Maßgabe des dem Fakultätsrat vorliegenden Berichts
von Prof. Dr.
S.
(Stand: 12. Dezember 2012) fest, der nach einer eigenständigen
Überprüfung der Dissertation der Klägerin
anhand der Originaltexte im Rahmen einer synoptischen
Gegenüberstellung der einzelnen Belegstellen aus der
Dissertation mit den jeweils nicht genannten Quellen in rechtlich nicht
zu beanstandender Weise festgestellt hat, dass die Dissertationsschrift
mit den in dem Bericht im Einzelnen bezeichneten Textstellen Passagen
enthält, die als nicht eigenständige Leistung der
Klägerin zu werten sind. Die Kammer hat im Rahmen eines von
ihr selbst vorgenommenen Textabgleichs die von Prof. Dr.
S.
behaupteten Textgleichheiten oder Textähnlichkeiten, die sich
in allen drei Teilen der Dissertation, im Schwerpunkt allerdings im
zweiten Teil der Arbeit (“Theorien über
das Gewissen“), finden,
überprüft. Danach sind die in dem Bericht von Prof.
Dr.
S.
aufgeführten Befunde (vgl. zusammenfassend Seite 87 des
Berichts) in ihrer Richtigkeit nicht in Zweifel zu ziehen.
77
Im
Einzelnen handelt es sich um folgende Befundstellen:
78
(1) Erster Teil der Arbeit (“Der
Verstehenshorizont“, S. 20 – 58):
79
Zu
Recht hat Prof. Dr.
S.
moniert, dass Seite 23 der Dissertation mehrfache Übernahmen
aus der Schrift von David Katz (Mensch und Tier. Studien zur
vergleichenden Psychologie, Zürich 1948) enthält,
ohne dass ein Verweis auf diese Arbeit erfolgt. Den Autor
erwähnt die Klägerin in anderem Zusammenhang erstmals
in einer Fußnote auf Seite 25 (und nicht wie von ihr
behauptet auf Seite 24) und im Fließtext erstmals auf Seite
27.
80
Seite
26 der Dissertation beinhaltet, wie im Bericht von Prof. Dr.
S.
zutreffend aufgeführt wird, nicht kenntlich
gemachte wörtlich übernommene oder leicht angepasste
bzw. leicht abgewandelte Textstellen aus den Schriften von F.J.
Byutendijk (Mensch und Tier, Hamburg 1970) und Arnold Gehlen (Der
Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, Frankfurt 1974),
die sich beide zu Jakob von Uexküll (Streifzüge durch
die Umwelten von Tieren und Menschen, Stuttgart 1970) verhalten und den
Eindruck erwecken, dass unmittelbar auf die Primärquelle (von
Uexküll) zurückgegriffen wurde. Als Zitat aus
Byutendijk ist lediglich ein Halbsatz im Fließtext
ausgewiesen.
81
Auf
Seite 45 finden sich im Sinne von Prof. Dr.
S.
“Collagen von Versatzstücken“ aus der
Arbeit von Helmut Fend (Sozialisierung und Erziehung. Eine
Einführung in die Sozialisierungsforschung, Weinheim, Berlin,
Basel 1969), in denen sich die Klägerin mit den Aussagen von
Emile Durkheim (= Primärquelle) auseinandersetzt. Belegt wird
als Zitat aus der Schrift von Fend nur ein Halbsatz; auch Durkheim
selbst wird, was die Kammer ergänzend festgestellt hat, erst
in einer Fußnote auf Seite 46 belegt.
82
Auf
Seite 47 bezieht sich die Dissertationsschrift der Klägerin
auf die deutsche Ausgabe des Werks von George Herbert Mead (Geist,
Identität und Gesellschaft, Zürich und Stuttgart
1971), der auch – allerdings ohne konkrete Seitenangabe
– in der Fußnote aufgeführt wird. Die
komplette Argumentation entspricht allerdings, wie von Prof. Dr.
S.
zutreffend ausgeführt wird, der Arbeit von Helmut Fend
(a.a.O.), der lediglich in Bezug auf ein in einem Halbsatz befindliches
wörtliches Zitat als Beleg angeführt wird.
83
Das
wörtliche Zitat auf Seite 49 der Dissertation, für
das als Beleg das Werk von Theodor Scharmann (Die individuelle
Entwicklung in der sozialen Wirklichkeit, in: Handbuch der Psychologie,
Bd. 6: Entwicklungspsychologie, hrsg. von Hand Thomae,
Göttingen 1959, S. 535 – 582) aufgeführt
wird, wurde aus einer anderen als der angegebenen
Veröffentlichung von Scharmann übernommen
(nämlich aus Theodor Scharmann, Psychologische
Beiträge zu einer Theorie der sozial-individuellen
Integration, in: Sozialisation und Personalisation, Beiträge
zu Begriff und Theorie der Sozialisation aus der Sicht der Soziologie,
Psychologie, Arbeitswissenschaft, Medizin, Pädagogik,
Sozialarbeit, Kriminologie, Politologie, hrsg. von Gerhard Wurzbacher,
Stuttgart 1974). Auch der bibliographische Nachweis entstammt dem
vorgenannten Werk von Scharmann, wobei der in der Dissertation der
Klägerin unter Fußnote 3 aufgeführte Titel
allerdings fehlerhaft aus einer unmittelbar benachbarten
Fußnote des vorgenannten Werkes von Scharmann bezogen wird.
Auf die diesbezüglichen Ausführungen von Prof. Dr.
S.
auf Seite 24 seines Berichts wird ergänzend Bezug genommen.
84
Die
Seiten 50 – 52 der Dissertation enthalten, wie Prof. Dr.
S.
zu Recht rügt, Übernahmen aus der Arbeit von Joseph
Speck (Die anthropologische Fundierung erzieherischen Handelns. Zur
Problematik “personaler“ Pädagogik,
Münster 1968), die sich zum Personenbegriff verhalten, wie ihn
Max Müller und Alois Halder (Person – I. Begriff und
Wesen der Person, in Staatslexikon: Recht, Wirtschaft, Gesellschaft,
hrsg. von der Görres-Gesellschaft, Bd. 6, Freiburg 1961, Sp.
197 – 206) entwickelt haben, ohne diese Übernahmen
als solche kenntlich zu machen.
85
Auf
Seite 56 umfasst die Dissertation einen Absatz, der als Zitat von Karl
Jaspers (Allgemeine Psychopathologie, Berlin, Heidelberg 1948, S. 275)
gekennzeichnet wird. Tatsächlich handelt es sich aber, wie von
Prof. Dr.
S.
zu Recht beanstandet wird, um ein “Zitat im Zitat“;
dabei wurde der Absatz in Gänze aus einer Arbeit von Walter
Tröger (Erziehungsziele, München 1967)
übernommen.
86
(2) Zweiter Teil der Arbeit (“Theorien über das
Gewissen“, S. 59 – 253):
87
Die
Seiten 62 – 70 der Dissertation, auf denen sich die
Klägerin mit zwei Arbeiten von Niklas Luhmann auseinandersetzt
(Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, in: Archiv des
Öffentlichen Rechts, Bd. 90, H. 3 (1965), S. 257 –
286, und, Das Phänomen des Gewissens und die normative
Selbstbestimmung der Persönlichkeit, in: Naturrecht in der
Kritik, hrsg. von Franz Böckle und Ernst-Wolfgang
Böckenförde, Mainz 1973, S. 223 – 243),
umfassen, wie im Bericht von Prof. Dr.
S.
zutreffend moniert wird, etliche nicht kenntlich gemachte
Textübernahmen (Satzstücke und/oder Wendungen) aus
den vorgenannten Publikationen von Luhmann. Stellenweise (vgl. etwa
Seite 70 der Dissertation) wird der Eindruck erweckt, ein korrekt
ausgewiesenes Luhmann-Zitat werde mit einer bereits zuvor gebrachten
vermeintlich eigenständigen, tatsächlich aber
ebenfalls aus den Werken von Luhmann stammenden Folgerung verbunden.
Auf den Bericht von Prof. Dr.
S.
(vgl. dort die Seiten 29 – 42) wird insoweit Bezug genommen.
88
Die
auf den Seiten 75 – 76 der Dissertation dargestellte
Freud-Rezeption ist, wie im Bericht von Prof. Dr.
S.
ebenfalls zu Recht beanstandet wird, fast vollständig aus
nicht gekennzeichneten, identisch übernommenen oder
geringfügig abgewandelten Textbausteinen aus der Schrift von
Ernst Stadter (Psychoanalyse und Gewissen. Von der Stimme
“Gottes“ zum
“Über-Ich“, Stuttgart, Berlin,
Köln, Mainz 1970) zusammengefügt worden. Stadter wird
auch gar nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt.
89
Zu
Recht hat Prof. Dr.
S.
ferner gerügt, dass sich Seite 78 der Dissertation nahezu in
Gänze als “Collage“ von solchen
Textstellen erweist, die ohne Kennzeichnung aus den Werken von Josef
Nuttin (Psychoanalyse und Persönlichkeit, Freiburg/Schweiz
1956), Gustav Bally (Einführung in die Psychoanalyse Siegmund
Freuds, Hamburg 1974) sowie Jean Laplanche und Jean-Bertrand Pontalis
(Das Vokabular der Psychoanalyse, 2 Bde., Frankfurt am Main 1972)
übernommen wurden. Letzteres Werk wird ebenfalls nicht im
Literaturverzeichnis aufgeführt.
90
Auf
den Seiten 82 – 83 der Dissertation finden sich, wie im
Bericht von Prof. Dr.
S.
zutreffend ausgeführt wird, über mehrere Abschnitte
hinweg nicht kenntlich gemachte Übernahmen fast identischer
oder sprachlich nur geringfügig veränderter
Textpassagen aus einer Arbeit von Heinz Häfner (Das Gewissen
in der Neurose, in: Handbuch der Neurosenlehre und Psychotherapie unter
Einschluss wichtiger Grenzgebiete, hrsg. von Victor E. Frankl u.a., Bd.
2: Spezielle Neurosenlehre, München 1959, S. 692 –
726).
91
Seite
84 der Dissertation betrifft die Rezeption von Erik H. Erikson
(Identität und Lebenszyklus, Frankfurt 1972). Diese umfasst,
worauf Prof. Dr.
S.
zu Recht hinweist, nicht kenntlich gemachte wörtliche oder
leicht angepasst übernommene Textbausteine aus einer Arbeit
von Gerhard Klier (Gewissensfreiheit und Psychologie. Der Beitrag der
Psychologie zur Normbereichsanalyse des Grundrechts der
Gewissensfreiheit, Berlin 1978).
92
Auf
den Seiten 90 – 94 der Dissertation finden sich, wie im
Bericht von Prof. Dr.
S.
richtigerweise ausgeführt wird, nicht kenntlich gemachte,
wörtlich übernommene oder sprachlich leicht
angepasste Textpassagen und Textstellen aus den Werken von Henry Jacoby
(Alfred Adlers Individualpsychologie und dialektische Charakterkunde,
Frankfurt/Main 1974), Antoni J. Nowak (Gewissen und Gewissensbildung
heute in tiefenpsychologischer und theologischer Sicht, Wien, Freiburg,
Basel 1978) und Otto Baumhauer (Das Vor-Urteil des Gewissens, Limburg
1970), die allesamt Rezeptionen von Alfred Adler betreffen.
93
Die
Seiten 101 – 105 weisen zahlreiche nicht kenntlich gemachte
textidentische oder nur geringfügig abgewandelte Elemente aus
der Arbeit von Jolande Jacobi (Der Weg zur Individuation,
Zürich, Stuttgart 1965) auf. Auf die diesbezüglichen
Ausführungen im Bericht von Prof. Dr.
S.
(vgl. dort die Seiten 54 – 58) wird Bezug genommen.
94
Die
Seiten 113 – 114 der Dissertation umfassen, wie von Prof. Dr.
S.
im Bericht zu Recht beanstandet wird, über mehrere
Absätze hinweg und im Umfang einer vollen Seite weitgehend
wörtlich übernommene oder leicht angepasste
“Textbausteine“ aus dem Werk von Nowak (a.a.O.) in
Bezug auf die Rezeption der Texte von Igor A. Caruso (Der
Vorstoß ins Weltall als psychologisches Problem, in:
“Der Psychologe“ 12, 11, 1960), wobei Nowak auf den
vorgenannten Seiten nur in Bezug auf zwei kleinere Halbsätze
als Autor zitiert wird.
95
Zutreffend
weist Prof. Dr.
S.
ferner darauf hin, dass Seite 135 der Dissertation textidentisch
übernommene oder leicht angepasste, teilweise voneinander
getrennte und neu zusammengefügte Textpassagen aus dem Werk
von Alfred L. Baldwin (Theorien primärer
Sozialisationsprozesse, 2 Bde., Weinheim, Basel 1974) umfasst, die sich
unmittelbar auf Piaget (= Originalquelle) beziehen. Baldwin wird
lediglich als Urheber eines Satzes durch ein Zitat ausgewiesen.
96
Auf
den Seiten 140 – 143 der Dissertation finden sich, was Prof.
Dr.
S.
zutreffend rügt, nicht kenntlich gemachte vollständig
übernommene oder leicht abgewandelte Textbausteine aus dem
Werk von Fritz Oser (Das Gewissen lernen. Probleme intentionaler
Lernkonzepte im Bereich der moralischen Erziehung, Olten, Freiburg
1976), die sich ebenfalls zu Piaget verhalten. Oser wird nur im
Zusammenhang mit vereinzelten Textstellen als Autor, nicht aber auch
als Ausgangsquelle im Übrigen benannt.
97
Der
Text auf Seite 165 der Dissertation, der sich mit Kant auseinandersetzt
(vgl. Ziffer 6. der Dissertation der Klägerin “Das
Gewissen als Richter der Vernunft“), enthält
über das korrekt ausgewiesene Zitat (Fußnote 4)
hinaus weitere, nicht kenntlich gemachte Übernahmen aus einer
Arbeit von Johannes Schwartländer (Der Mensch ist Person,
Kants Lehre vom Menschen, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz
1968), in denen die Klägerin mit den von
Schwartländer übernommenen Textpassagen
eigenständige Überlegungen vorspiegelt.
Ergänzend wird insoweit auf Seite 65 des Berichts von Prof.
Dr.
S.
Bezug genommen.
98
Auf
den Seiten 216 – 217 der Dissertation finden sich, wie Prof.
Dr.
S.
weiter zu Recht moniert, erneut wörtlich übernommene
oder sprachlich leicht angepasste Textbausteine aus dem Werk von
Reinhold Mokrosch (Das religiöse Gewissen, Stuttgart, Berlin,
Köln, Mainz 1979) in Bezug auf die Wiedergabe der
Traditionsgeschichte des Gewissens als Gegenstand theologischer
Reflexion. Mokrosch wird lediglich im Zusammenhang mit zwei
wörtlichen Zitaten aus seinem Werk als Beleg
aufgeführt.
99
Die
Seiten 225 – 227 und 231 – 233 der Dissertation
weisen in erheblichem Umfang (teilweise über mehrere
Absätze hinweg im Umfang einer vollen Seite) nicht kenntlich
gemachte wörtlich übernommene oder leicht
abgewandelte “Textbausteine“ aus einer Arbeit von
Alfons Auer (Autonome Moral und christlicher Glaube, in: Katechetische
Blätter, Zeitschrift für Religionsunterricht,
Gemeindekatechese,
kirchliche Jugendarbeit, 102 [1977], S. 60 – 76) zum
Verständnis der Moraltheologie in der
Auseinandersetzung zwischen Vertretern einer Glaubensethik und einer
autonomen Moral im christlichen Kontext auf. Verweise auf
Auer als Autor erfolgen nur in Bezug auf vereinzelte Aussagen (vgl. S.
226, Fußnote 1) und in Bezug auf ein wörtliches
Zitat (vgl. S. 227, Fußnote 2). Die Ausführungen auf
Seite 231 der Dissertation, die fast vollständig textidentisch
von Auer übernommen wurden, enthalten ebenso wie die auf Seite
232 abgehandelten und von Auer übernommenen Darlegungen zu den
Positionen von Wilhelm H. van der Marck und Josef Fuchs keinerlei
Nachweise auf das Werk von Auer. Auf den Bericht von Prof. Dr.
S.
(vgl. dort die Seiten 69 – 73) wird ergänzend Bezug
genommen.
100
Seite
241 der Dissertation umfasst, worauf Prof. Dr.
S.
zu Recht hinweist, nicht kenntlich gemachte Übernahmen eines
Textausschnitts und eines Zitats zu Bruno Schüller aus dem
Werk von Wilhelm Korff (Kernenergie und Moraltheologie. Der Beitrag der
theologischen Ethik zur Frage ethischer Kri-terien allgemeiner
Entscheidungsprozesse, Frankfurt a. M., 1979).
101
(3)
Dritter Teil der Arbeit (“Thesen zu einem
pädagogischen Begriff des Gewissens und Erfordernissen
heutiger Gewissensbildung“), S. 254 – 335:
102
Auf
den Seiten 259 – 260 folgt die Dissertationsschrift im Rahmen
der Rezeption von Martin Buber (Ich und Du, in: Das dialogische
Prinzip, Heidelberg 1973, S. 7 – 136) vollständig
dem Aufbau und den Formulierungen in der Arbeit von Johannes
Nosbüsch (Das Personenproblem in der gegenwärtigen
Philosophie, in: Personale Erziehung. Beiträge zur
Pädagogik der Gegenwart, hrsg. von Berthold Gerner, Darmstadt
1965, S. 33 – 88), ohne die jeweils übernommenen
Textpassagen kenntlich zu machen. Auf die diesbezüglichen
Ausführungen von Prof. Dr.
S.
auf Seite 76 des Berichts wird ergänzend Bezug genommen.
103
Die
Ausführungen auf den Seiten 279 - 280 der Dissertation weisen
im Sinne von Prof. Dr.
S.
nicht kenntlich gemachte “Collagen aus
Textbausteinen“ auf, die zunächst aus dem Werk von
Johannes Stelzenberger (Das Gewissen. Besinnliches zur Klarstellung
eines Begriffes, Paderborn 1961), zum weit überwiegenden Teil
aber aus dem Werk von Alexander F. Schischkin (Das Gewissen, in: Das
Gewissen in der Diskussion, hrsg. von Jürgen
Blühdorn, Darmstadt 1976, S. 343 – 352)
übernommen wurden. Zur weiteren Begründung nimmt die
Kammer insoweit auf die Seiten 77 – 79 des Berichts von Prof.
Dr. S.
Bezug.
104
Zu
Recht moniert Prof. Dr.
S.
weiter, dass die Seiten 296 - 297 der Dissertation nicht kenntlich
gemachte, fast vollständig textidentische Übernahmen
aus dem Werk von Dietmar Mieth (Normative Sittlichkeit und ethisches
Lernen, in: Ethisch handeln lernen. Zu Konzeption und Inhalt ethischer
Erziehung, hrsg. von Günter Stachel und Dietmar Mieth,
Zürich 1978, S. 183 – 201) beinhalten, die sich zu
Johannes Schwartländer verhalten. Die diese Passage
beschließende Fußnote auf Seite 297
(Fußnote 1) signalisiert dagegen eine unmittelbare und
eigenständige Rezeption Schwartländers durch die
Klägerin.
105
Die
Seiten 307 – 308 der Dissertation vermitteln, wie im Bericht
von Prof.
Dr. S.
zutreffend ausgeführt wird, den Eindruck, dass die relevante
und in den Fußnoten aufgeführte Literatur in Bezug
auf den Text eigenständig rezipiert wurde.
Tatsächlich wurden die zitierten Begriffsprägungen
ebenso wie die entsprechenden Nachweise in den Fußnoten und
auch die auf Seite 308 dargestellten Textausschnitte ohne dies
kenntlich zu machen vollständig aus dem Werk von Antoni J.
Nowak (a.a.O.) übernommen. Hinsichtlich der im
Fließtext übernommenen Bezugnahme auf Griesl fehlt
es darüber hinaus gänzlich an einem bibliographischen
Nachweis. Seine Arbeit ist auch im Literaturverzeichnis nicht
aufgeführt.
106
Auf
den Seiten 312, 315, 316 und 322 der Dissertation finden sich nicht
kenntlich gemachte Übernahmen von textidentischen oder leicht
abgewandelten Stellen aus dem Werk von Lutz Hupperschwiller (Gewissen
und Gewissensbildung in jugendkriminologischer Sicht, Stuttgart 1970),
die sich zu S. Freud., H. Roth, H. Zulliger, E. Hapke und Igor
A. Caruso verhalten und, wie Prof.
Dr. S.
in seinem Bericht zu Recht ausführt, den Anschein einer
eigenständigen Leistung der Klägerin erwecken.
107
Die
gegen die Annahme einer Täuschungshandlung gerichteten
Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Sie sind
schon sämtlich nicht schlüssig, weil sie inhaltlich
den Kern der der Klägerin zum Vorwurf gemachten
Täuschungshandlungen nicht treffen.
108
Rechtlich
unerheblich ist, dass die Klägerin die meisten der betroffenen
Werke, aus denen sie Textpassagen wortgleich oder leicht abgewandelt
übernommen hat, in das Literaturverzeichnis aufgenommen hat.
Denn es entspricht der wissenschaftlichen Redlichkeit, dass etwaige
Übernahmen von anderen Autoren bei den jeweiligen Textstellen
als Zitate oder auf andere geeignete Weise kenntlich gemacht werden.
109
Vgl.
OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2010, 14 A 847/09, m. w.
N., juris (Rdnr. 18); vgl. ferner VG Karlsruhe, Urteil vom 4.
März 2013, 7 K 3335/11, m. w. N., juris (Rdnr. 78), VG
Frankfurt, Urteil vom 23. Mai 2007, 12 E 2262/05, juris (Rdnr. 14).
110
Der
Fakultätsrat ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass sich
die von ihm zugrunde gelegten Anforderungen, dass jeder Gedankengang
und jede Fußnote, die nicht aus eigener gedanklicher
Leistung, sondern von dem Werk eines anderen herrühren, sowie
sämtliche aus fremden Werken wörtlich
übernommenen oder ähnlichen Textpassagen als solche
kenntlich zu machen sind und auch indirekte, umschreibende
Fremdtextwiedergaben (Paraphrasierung) so deutlich gemacht werden
müssen, dass der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu
ihm spricht.
111
Vgl.
zu den Anforderungen: OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 1991, 15 A
77/89, a. a. O.
112
Die
Rechtmäßigkeit dieser Anforderungen wird von der
Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellt.
113
Die
Behauptung der Klägerin, die von ihr in der Dissertation
praktizierte Vorgehensweise habe der üblichen Zitierweise in
den 80er Jahren entsprochen, ist für die Entscheidung des
Rechtsstreits rechtlich unerheblich, weil eine solche Zitierpraxis
unter Berücksichtigung der sich allein aus dem Gebot der
wissenschaftlichen Redlichkeit ergebenden Anforderungen an den Nachweis
der Eigenständigkeit wissenschaftlichen Arbeitens rechtswidrig
gewesen wäre. Auf die insoweit von der Klägerin mit
dem Beweisantrag zu 1.) und den ergänzenden
schriftsätzlichen Beweisanregungen begehrte
Sachaufklärung dazu, dass die von ihr praktizierte Methode zum
Nachweis von Literatur üblich gewesen sei, kam es und kommt es
daher offenkundig ebenso wenig an, wie darauf, dass sich in den 80er
Jahren ein als verbindlich angesehener Standard, der die von ihr
praktizierte Darstellungsweise ausgeschlossen habe, nicht etabliert
habe.
114
Daran
ändert auch die diese Behauptung der Klägerin
stützende Stellungnahme des emeritierten Professors
für Philosophie an der Universität
C2. ,
M.
I1.
, nichts, der zufolge in den Fächern der
Erziehungswissenschaften in den 80er Jahren eine Praxis der
Quellenverweise als geläufig zu beobachten gewesen sei, bei
der nur summarisch verfahren worden sei in der Annahme, für
den fachkundigen Leser habe kein Zweifel daran bestanden, dass sich
auch die dem kenntlich gemachten wörtlichen Zitat
voraufgehende und folgende Paraphrase auf diesen Autor beziehe.
Abgesehen davon, dass diese Verfahrensweise ohnehin nicht alle in der
Dissertation der Klägerin beanstandeten Befundstellen abdecken
würde, da die Klägerin mehrfach auch ohne Bezug zu
irgendeinem wörtlichen Zitat Textstellen aus der
Sekundärliteratur übernommen hat (vgl. etwa auf S. 75
– 76, S. 78, S. 297 und S. 308 der Dissertation),
und abgesehen davon, dass bei etlichen Befundstellen zwischen dem
wörtlichen Zitat und den übernommenen
Textstellen schon wegen des erheblichen Umfangs der Paraphrasen kein
unmittelbarer Bezug mehr zwischen dem wörtlichem Zitat und der
Paraphrase festzustellen ist (vgl. etwa S. 26 und S. 50 – 51
der Dissertation ), redet
I1.
in seiner Stellungnahme etwaigen Verstößen gegen die
wissenschaftliche Redlichkeit in Gestalt der von der
Klägerin reklamierten Vorgehensweise das Wort, in dem er vom
“Verschleierungszitat“ (also einer Textstelle, die
erkennbar von einer fremden Quellen abstammt, aber umformuliert und
weder als Paraphrase noch als Zitat erkennbar gemacht worden ist) bis
hin zur “Bauernopferreferenz“ (bei der zwar eine
Fußnote eingefügt wird, der übernehmende
Autor den Leser jedoch über den Umfang der Übernahme
im Unklaren lässt),
115
vgl.
zum Begriff “Bauernopfer“: Weber-Wulff, Technische
Möglichkeiten der Aufdeckung von Plagiaten – Was
kann, wie und durch wen kontrolliert werden, in: Plagiate,
Wissenschaftsethik und Recht, hrsg. von Thomas Dreier und Ansgar Ohly,
Tübingen 2013, unter Hinweis auf Lahusen, Goldene Zeiten
– Anmerkungen zu Hans-Peter Schwintowski, Juristische
Methodenlehre, UTB basics Recht und Wirtschaft, 2005, KJ 2008, 398, 405,
116
Arbeitsmethoden
als wissenschaftsadäquat rechtfertigt, die das
Vortäuschen der Eigenständigkeit einer
wissenschaftlichen Leistung erlauben.
117
Im
Übrigen bestehen auch keine verifizierbaren Anhaltspunkte
für die Annahme, dass gerade für das Fach
Erziehungswissenschaften an der philosophischen Fakultät der
beklagten Universität etwas anderes gegolten habe. Vielmehr
sprechen alle Umstände auch hier für eine umfassende
Kennzeichnungspflicht im Sinne der eingangs dargestellten
Anforderungen. So heißt es etwa in den in einer Schrift von
Wolfgang Kramp von 1978 (Düsseldorfer Materialien zum Studium
der Erziehungswissenschaften) enthaltenen Hinweisen zur
Literaturverarbeitung in Seminar-Arbeiten, deren Mitverfasser der
für die Dissertation der Klägerin zuständige
Erstgutachter (bzw. Referent) Prof. Dr.
X. war, unter Ziffer 6.) zur
Wiedergabe sinngemäßer Zitate:
118
“...
Wenn man längere Ausführungen eines Autors
zusammenfassend wiedergeben will, kommt an Stelle eines
wörtlichen nur ein sinngemäßes Zitat, das
man in eigene Worte fassen muss, in Frage. Jedes
sinngemäße Zitat muss genauso wie ein
wörtliches Zitat mit einer genauen Quellenangabe versehen
werden. ...“,
119
und
unter Ziffer 9.) zu Quellenangaben bei Zitaten aus erster und zweiter
Hand:
120
“...
Zitiert wird grundsätzlich der Originaltext, nicht die
Sekundärschrift, aus der u.U. das Zitat entnommen ist. Kann
der Originaltext nicht eingesehen werden, so schreibt man bei
Verwendung des MLA-Zitiersystems: “...“ (Goffman
1959, S. 145 f ; zit. nach Cicourel 1974, S. 98 f); entsprechend
verfährt man auch bei Quellenangaben in Fußnoten
oder Anmerkungen. ...“.
121
Es
unterliegt aus Sicht der Kammer keinem Zweifel, dass auch seinerzeit
die Anforderungen an die Darstellungs- und Zitierweise in einer
Dissertation nicht unterhalb derjenigen Anforderungen gelegen haben,
die an die Anfertigung einer Seminararbeit gestellt wurden.
122
Ungeachtet
dessen spricht gegen die Behauptung der Klägerin, ihr Vorgehen
habe den Anforderungen an die Zitierweise zum Zeitpunkt der Erstellung
der Dissertation entsprochen, schließlich auch, dass sie in
ihrer Arbeit an den nicht beanstandeten Stellen im Einklang mit den
vorbeschriebenen Regeln zitiert. Das gilt sowohl für die
Kennzeichnung unmittelbar wörtlicher oder
sinngemäßer Übernahmen (vgl. etwa den
ersten Absatz auf S.
279 und Fußnote 2 auf S. 280), als auch für die
Kennzeichnung der Übernahme von Zitaten aus Zitaten in den
Werken Dritter (vgl. etwa auf S. 46 sowie ähnlich auf S. 53,
54, 55, 160, 165, 223, 266, 280, 289, 295 und 322), sowie für
die Kennzeichnung der Übernahme von Literaturangaben aus den
Werken Dritter (vgl. etwa Fußnote 4 auf S. 279 der
Dissertation).
123
Rechtlich
unerheblich ist schließlich, ob es in der Vergangenheit an
der Philosophischen Fakultät der beklagten
Universität bei der Anfertigung von Dissertationen zu
Verstößen gegen das Gebot der wissenschaftlichen
Redlichkeit gekommen ist, die in rechtswidriger Weise unbeanstandet
geblieben sind. Auf eine Gleichbehandlung im Unrecht kann sich die
Klägerin nicht mit Erfolg berufen.
124
Ob
die Klägerin, wie sie weiter behauptet, die von ihr benannten
Quellen der Primärliteratur tatsächlich selbst
überprüft hat oder nicht und ob sie die Werke in
ihrer Bibliothek vorhält, ist ebenfalls rechtlich ohne
Bedeutung. Der Vortrag geht in der Sache am objektiven Gehalt des
Täuschungsvorwurfs vorbei, der beinhaltet, dass die
Klägerin ihre Entlehnungen aus der Sekundärliteratur
zwecks Darstellung der Erkenntnisse zu der Primärliteratur,
wie bereits dargelegt, in ihrer Dissertation nicht durchweg hinreichend
kenntlich gemacht hat. Dass die Klägerin insbesondere in Bezug
auf die den zweiten Teil der Dissertation betreffenden Befunde und die
von ihr dort dargestellten “Theorien des Gewissens“
keine eigenen Lösungen präsentiert, sondern lediglich
fremdes Wissen rezipiert, ist für die Frage, ob eine
Täuschungshandlung vorliegt, ebenfalls irrelevant und bedarf
keiner weiteren Sachaufklärung. Denn auch der Reproduktion
bzw. der Paraphrasierung fremder Texte liegt stets eine fachlich
wertende wissenschaftliche Leistung zu Grunde, die darin besteht, wie
die Inhalte erfasst und komprimiert wiedergegeben werden. Mithin
unterliegt auch die Verwendung solcher fremd erstellten Reproduktionen
und Paraphrasierungen genauso den wissenschaftlichen Zitierregeln, wie
die Schöpfung eines gänzlich neuen Inhalts.
125
Vgl.
VG Köln, Urteil vom 6. Dezember 2012, 6 K 2684/12, juris
(Rdnr. 20), vgl. ferner VG Münster, Urteil vom 20. Februar
2009, 10 K 1212/07, juris (Rdnr. 24), nachgehend OVG NRW, Beschluss vom
12. August 2010, 14 A 847/09, juris.
126
Es
ist ferner rechtlich unerheblich, ob von der Klägerin, wie sie
unterstützt durch die von ihr hierzu vorgelegten
Stellungnahmen von
I3.
G. und
I2.
-F.
U. moniert,
eine Erarbeitung des interdisziplinären beschreibenden zweiten
Teils der Arbeit allein aus der jeweiligen Primärliteratur
nicht erwartet werden konnte. Der Vortrag geht auch hier am Kern des
Täuschungsvorwurfs vorbei. Maßgeblich ist insoweit
ausschließlich, ob und inwieweit die der
Sekundärliteratur entnommenen Paraphrasen, die sich zu den
Primärquellen verhalten, als solche kenntlich gemacht worden
sind. Fehlt es, wie hier, an einer solchen Kenntlichmachung und bezieht
sich die Klägerin auf eine Primärquelle, deren Inhalt
und / oder Deutung sie letztlich aus einer nicht nachgewiesenen
Sekundärquelle abschreibt, täuscht sie. Dabei muss
der Rückgriff auf Sekundärliteratur auch nicht
lediglich im Grundsatz offen gelegt werden, sondern immer, also in
jedem Einzelfall, in dem Sekundärliteratur gedanklich bzw.
sinngemäß oder wörtlich übernommen
wird. Unerheblich ist daher auch, ob und gegebenenfalls inwieweit sich
eine von der Klägerin verwendete Textaussage bereits aus der
angegebenen Primärquelle erschließt. Entscheidend
ist lediglich, dass sie Passagen wörtlich oder leicht
abgewandelt ohne entsprechenden Nachweis der
“Zwischenquelle“ übernommen hat, ohne
diese Fremdleistung erkennbar zu machen.
127
Rechtlich
bedeutungslos ist auch der Einwand der Klägerin, die
Darstellung des “Zeckenbeispiels“ von
Uexküll (vgl. Fußnote 1 auf S. 26 der Dissertation)
habe seinerzeit zum Standardwissen in den Erziehungswissenschaften
gehört. Selbst wenn es sich hierbei um
selbstverständliches Allgemeinwissen der
Erziehungswissenschaften gehandelt haben sollte, ändert dieser
Umstand nichts daran, dass sich das
“Zeckenbeispiel“ in der von der Klägerin
in ihrer Dissertation geschilderten Fassung in dieser konkreten Form
gerade nicht in der Originalquelle wiederfindet, sondern so einer von
ihr an dieser Stelle nicht kenntlich gemachten Sekundärquelle
entnommen worden ist. Auf die von der Klägerin angeregte
Sachaufklärung dazu, dass es sich bei dem
“Zeckenbeispiel“ um erziehungswissenschaftliches
Allgemeinwissen gehandelt habe, kommt es daher ebenso wenig an wie
darauf, ob die Wiedergabe dieses Standardbeispiels in ihrer
Dissertation eine wissenschaftliche Leistung darstellt.
128
Soweit
die Klägerin in Bezug auf die die Seiten 225 ff der
Dissertation betreffenden Befundstellen (hier die Übernahme
von Textpassagen aus der Arbeit von Alfons Auer, a.a.O.), geltend
macht, das Thema (Verständnis der Moraltheologie) sei
Gegenstand der Vorlesungen bei Franz Böckle sowie zahlreicher
Buchveröffentlichungen gewesen, außerdem
entsprächen ihre Formulierungen an vielen Stellen der
damaligen moraltheologischen Literatur und gehörten gleichsam
zum Allgemeingut der Moraltheologie dieser Zeit, verfehlt auch dieser
Einwand den Kern der Täuschungsvorwürfe. Die
Abhängigkeit der beanstandeten Textpassagen von den von Alfons
Auer (a.a.O.) gewählten Formulierungen, dessen Text die
Klägerin teilweise wörtlich übernommen oder
leicht angepasst bzw. teilweise zerlegt und neu arrangiert hat, wird
damit nicht etwa widerlegt, sondern im Gegenteil von der
Klägerin der Sache nach eingeräumt.
129
Dass
einzelne Autoren (zum Beispiel Stadter und Fend) sich durch das
Nichtzitieren ihrer Werke in der Dissertation der Klägerin
nicht nachteilig betroffen fühlen, ist für die hier
allein entscheidende Frage, nämlich ob die Klägerin
getäuscht hat, offensichtlich ebenfalls irrelevant.
130
bb)
Nicht zu beanstanden ist aus Rechtsgründen auch, dass der
Fakultätsrat die Täuschungshandlung als erheblich
angesehen hat und davon ausgegangen ist, dass kein Bagatellfall
vorliegt.
131
Hinsichtlich
der Frage, ob eine erhebliche Täuschungshandlung oder nur ein
Bagatellfall vorliegt, verbleibt dem zuständigen
wissenschaftlichen Gremium ein gerichtlich nur eingeschränkt
überprüfbarer Beurteilungsspielraum. Zwar obliegt
diesem im “Aberkennungsverfahren“ keine fachlich
(neue) Beurteilung der Dissertation als Prüfungsleistung. Ein
Beurteilungsspielraum besteht aber hinsichtlich des Umfangs oder des
Gewichts eines Plagiats und des Ausmaßes der damit
verbundenen Schädigung der öffentlichen Interessen.
132
Vgl.
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000, 9 S 2435/99,
a. a. O.
133
Die
Beurteilung dieser nach den konkreten Verhältnissen des
Einzelfalls nach prüfungsrechtlichen Gesichtspunkten zu
beantwortenden Fragen hat der Satzungsgeber in § 20 PromO
bewusst dem Fakultätsrat als wissenschaftlichem Gremium
zugewiesen. Innerhalb dieses Beurteilungsspielraums ist die
gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob
die getroffene Entscheidung gegen das Willkürverbot
verstößt oder von sachfremden Erwägungen
getragen wird.
134
Vgl.
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000, 9 S 2435/99,
a. a. O.; vgl. ferner im Rahmen eines Überblicks über
die Rechtsprechung: Schroeder, Die Entziehung des Doktorgrades wegen
Täuschung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, a.
a. O.; vgl. ferner zu den Grenzen des Beurteilungsspielraums im
Prüfungsrecht allgemein: Niehues/Fischer,
Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rdnr. 639 ff.
135
Anhaltspunkte
für einen Verstoß gegen das Willkürverbot
oder aber dafür, dass der Verneinung eines Bagatellfalls durch
den Fakultätsrat sachfremde Erwägungen zugrunde
gelegen hätten, sind nicht ersichtlich.
136
Der
Fakultätsrat hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass
für die Beurteilung der Frage, ob die
Täuschungshandlung der Klägerin erheblich ist,
maßgeblich auf die Quantität und Qualität
der aufgedeckten Befunde abzustellen ist.
137
Rechtlich
nicht zu beanstanden ist insoweit, dass der Fakultätsrat unter
Berücksichtigung der Anzahl der
Täuschungsverstöße in der Dissertation, die
laut Bericht von Prof.
Dr. S.
insgesamt 60 Befunde betreffen, in der Gesamtschau davon ausgegangen
ist, dass damit quantitativ die Bagatellgrenze überschritten
wird. Denn in der Sache zutreffend hat er dabei darauf abgestellt, dass
die vorgenannten Befundstellen alle drei Teile der Arbeit betreffen,
sich jeweils mindestens über mehrere Zeilen, wenn nicht sogar
über mehrere Seiten erstrecken und sich auf eine Vielzahl von
Werken verschiedener Autoren beziehen. Dass die Dissertation seiner
Meinung nach in erheblichem Umfang Verstöße gegen
das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit enthält, hat der
Fakultätsrat damit in sich schlüssig und
nachvollziehbar begründet.
138
Aus
Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden ist ferner, dass
der Fakultätsrat darauf abgestellt hat, die Befunde
beträfen auch in qualitativer Hinsicht wesentliche Teile der
Arbeit. Ohne erkennbare Rechtsfehler hat er dabei angenommen, dass dem
zweiten Teil der Dissertation, in dem sich die festgestellten
Täuschungsbefunde schwerpunktmäßig finden
und in dem die verschiedenen “Theorien des
Gewissens“ vorgestellt werden, keine nur untergeordnete
wissenschaftliche Bedeutung zukommt. Seine diesbezügliche
Begründung, das zweite Kapitel, das schon von seinen
Ausdehnungen her einen Großteil der Arbeit einnehme, bilde
auch inhaltlich ein Kernelement der Arbeit, deren Anspruch gerade darin
gelegen habe, sich dem Thema vergleichend aus der Perspektive
unterschiedlicher Disziplinen und ihrer Methoden zu nähern,
ist plausibel und daher rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit er
außerdem die korrekte Aufbereitung des Materials, seine
Einordnung und wechselseitige Zuordnung sowie das Verständnis
der unterschiedlichen – teils disparaten –
Sichtweisen als einen wesentlichen Teil der spezifischen
Promotionsleistung der Klägerin angesehen hat, ist dies
nachvollziehbar. Denn auch die komprimierte Darstellung der Theorien
und die Gewinnung gedanklicher Schlussfolgerungen auf der Grundlage von
Auffassungen anderer Wissenschaftler, die Strukturierung und Gewichtung
dieser Schlussfolgerungen sowie ihre sprachliche Umsetzung in einen
wissenschaftlichen Text stellen eigenständige
wissenschaftliche Leistungen dar.
139
Die
Bedeutung des dies leistenden zweiten Kapitels der Dissertation der
Klägerin hat der Fakultätsrat dabei rechtsfehlerfrei
aus den Stellungnahmen der Gutachter (bzw. Referenten) des
seinerzeitigen Promotionsverfahrens entnommen. Wie sich aus diesen
Stellungnahmen ergibt, wurde gerade der abgewogenen Darstellung und
Interpretation der Primärquellen durch die Klägerin
im Rahmen der theoretischen Synthese - und insoweit dem Mittelteil
ihrer Dissertation (Theorien über das Gewissen) - eine
zentrale Bedeutung für ihre Befähigung zum
wissenschaftlichen Arbeiten und die Qualität ihrer
schriftlichen Promotionsleistung beigemessen.
140
Im
Gutachten des Erstgutachters (bzw. Referenten) Prof. Dr.
X. heißt es hierzu
wörtlich:
141
“...Der
zweite, weitaus umfangreichste Teil der Arbeit leistet eine
ausgreifende Orientierung über Gewissenstheorien, wie sie von
verschiedenen Disziplinen in unterschiedlicher Form und Absicht
vorgelegt wurden. [...] Das Spektrum der vorgestellten Theorien
über das Gewissen ist breit und vermag umfassend zu
orientieren. [...] Die zehn Kapitel dieses zweiten Teils stellen
durchweg die Fähigkeit der Verfasserin unter Beweis,
unterschiedliche theoretische Konzepte auf den wesentlichen Kern zu
bringen; dabei wird die Verfasserin in ihren Darlegungen der z.T.
höchst unterschiedlichen Terminologien der Theorien gerecht,
ohne dass dabei die gesamte Arbeit an durchgängiger Lesbarkeit
verliert [...] eine jeweils stimmige Leistung....“
142
Auch
der Zweitgutachter (bzw. Korreferent) Prof. Dr.
I.
hebt in seinem Gutachten hervor, dass “vor allem der
umfangreiche Mittelteil `Theorien des Gewissens´ von
zentraler Bedeutung“ sei, “die Ausbreitung einer
Reihe von Gewissenstheorien […] der Untersuchung ein hohes
Maß an sachlicher Korrektheit“ gebe, “die
Einbindung der hier vorliegenden Fragestellung in Nachbardisziplinen
wie Philosophie und Psychologie“ deutlich werde und
“der Aufbereitung der einzelnen Gewissenstheorien
[…] ein Bearbeitungsschema zugrunde“ liege,
“das die Lesbarkeit“ fördere
“und der Vergleichbarkeit der einzelnen
Ansätze“ diene.
143
Angesichts
dessen kann offen bleiben, ob allein schon die von der
Klägerin aus der Arbeit von Ernst Stadter (Psychoanalyse und
Gewissen) auf den Seiten 75 und 76 der Dissertation
übernommenen und nicht kenntlich gemachten Textpassagen dazu
führen könnten, von einer erheblichen
Täuschungshandlung auszugehen.
144
Vgl.
OVG NRW, Beschluss vom 12. August 847/09, juris (Rdnr. 22) zur
Täuschungssanktion und
Verhältnismäßigkeit bei einem Plagiat
über 1 1/3 Seiten
bei einer 47-seitigen Arbeit.
145
b)
Die Klägerin hat durch ihre Verfahrensweise bei den
seinerzeitigen Gutachtern (bzw. Referenten) sowie bei den
übrigen an der Promotionsentscheidung beteiligten Mitgliedern
der Fakultät auch einen Irrtum erregt.
146
Irrtum
ist jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung und der
Wirklichkeit. Die Erregung bzw. Hervorrufung eines Irrtums setzt
voraus, dass die Fehlvorstellung des Getäuschten durch die
Täuschungshandlung begründet wird.
147
Vgl.
Fischer, Kommentar zum StGB, 61. Aufl. 2014 (Fischer), § 263
Rdnr. 54 und 64.
148
Zur
Überzeugung der Kammer steht auch ohne die Notwendigkeit einer
weiteren Sachaufklärung, wie sie von der Klägerin mit
dem Beweisantrag zu 2.) und den entsprechenden Beweisanregungen
beantragt worden ist, fest, dass die Klägerin im Sinne der
vorbezeichneten Definition dadurch, dass sie in ihrer Dissertation
schriftlich in den vom Fakultätsrat beanstandeten Passagen
Gedanken anderer Autoren aufgenommen hat, ohne dies (hinreichend)
kenntlich zu machen, bei dem vorgenannten Personenkreis die
tatsächlich fehlerhafte Vorstellung herbeigeführt
hat, auch diese Textstellen seien von ihr im Sinne der eidesstattlichen
Erklärung ohne Hilfsmittel verfasst worden und damit das
Ergebnis einer eigenständigen wissenschaftlichen Leistung.
Denn es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass
die seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) die Annahme der
Dissertation der Klägerin in der vorgelegten Form empfohlen
hätten, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, dass die
Klägerin dem Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit und
ihrer eidesstattlichen Erklärung zuwider in ihrer Arbeit im
vorbezeichneten Umfang sowohl andere als die von ihr in den
Fußnoten angegebenen Quellen verwendet als auch
wörtliche oder sinngemäße
Übernahmen als solche nicht gekennzeichnet hat. Etwas anderes
ergibt sich auch nicht aus dem in der mündlichen Verhandlung
vorgelegten Zeitungsartikel vom 16. Dezember 2012 (XX Online). Dass
sich der seinerzeitige Erstgutachter (bzw. Referent) Prof. Dr.
X. danach nicht vorstellen
kann, dass die Klägerin getäuscht hat, belegt im
Gegenteil, dass er von der der Klägerin zum Vorwurf gemachten
plagiierenden Verfahrensweise gerade keine Kenntnis hatte. Für
die Berechtigung des andernfalls den Gutachtern (bzw. Referenten)
gegenüber zu erhebenden Vorwurfs, sie hätten
rechtswidrig, wenn nicht sogar in kollusivem Zusammenwirken mit der
Klägerin, deren Arbeit in Kenntnis um die
Verstöße gegen das Gebot der wissenschaftlichen
Redlichkeit angenommen, spricht ebenfalls nichts.
149
Abgesehen
davon wäre es aber auch rechtlich unerheblich und bedurfte
auch deshalb keiner weiteren Sachaufklärung, wenn, wie die
Klägerin behauptet, die Gutachter (bzw. Referenten) Kenntnis
von den Übereinstimmungen der Arbeit mit den von der
Klägerin an den beanstandeten Stellen nicht gekennzeichneten
Sekundärquellen gehabt hätten bzw. dem Umstand, dass
die Klägerin aus der Sekundärliteratur Quellen der
Primärliteratur übernommen hat, ohne diese
entsprechend zu kennzeichnen, keine Bedeutung beigemessen haben
sollten. Weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich ist
nämlich, dass dieser Umstand allen am Promotionsverfahren
beteiligten Mitgliedern der Fakultät bekannt gewesen ist. Denn
ein durch die Täuschungshandlung hervorgerufener Irrtum liegt
auch bereits dann vor, wenn nur einzelne Amtswalter, die an der
Entscheidung maßgeblich beteiligt waren, irregeführt
worden sind.
150
Vgl.
hierzu OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 1991, 15 A 77/89, a .a. O.,
juris (Rdnr. 25)
151
Für
die Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der
Täuschung und dem Irrtum ist es schließlich
unerheblich, ob die Dissertation der Klägerin ohne die
diskreditierten Textstellen noch eine eigenständige
wissenschaftliche Leistung darstellt (die gegebenenfalls mit einer
schlechteren Note hätte bewertet werden können), und
ob ohne die beanstandeten Stellen bzw. bei korrekter Zitierung die
Promotionsleistung der Klägerin angenommen und der Doktorgrad
hätte verliehen werden können. Die Kammer folgt
insoweit den Rechtsausführungen des VGH
Baden-Württemberg,
152
vgl.
Urteil vom 19. April 2000, 9 S 2435/99. juris (Rdnr. 25),
153
in
denen es unter Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 18. November
1980,
IX 1302/78, [ESVGH 31, 54 (57)] heißt:
154
“…
Auszugehen ist von der konkreten Identität der vorgelegten
Arbeit. Es ist für die Frage der Ursächlichkeit nicht
von Bedeutung, ob dem Kläger für eine andere Arbeit,
als er sie tatsächlich vorgelegt hat, der Doktorgrad verliehen
worden wäre, und erst recht nicht, ob der Anteil
selbständiger Eigenleistung an seiner Dissertation mit irgend
einer – auch einer schlechteren – Note
hätte bewertet werden können. Die Dissertation ist
ein Form- und Sinnganzes, das der zuständigen
Fakultät zur Bewertung vorliegt. Sie soll beweisen, dass der
Bewerber selbständig wissenschaftlich arbeiten kann.
[…] Diesen Beweis kann sie nur als eigenständige
– inhaltliche und formale – Gesamtleistung
erbringen. Die Arbeit wird so, wie sie vom Bewerber vorgelegt worden
ist, entweder angenommen oder abgelehnt oder mit bestimmten
Änderungen angenommen. […] Eine hypothetische
Beurteilung einer in dieser Form und mit diesem Inhalt nicht
vorgelegten Arbeit ist nicht möglich; denn sie würde
eine gedankliche Äußerung des Bewertungsgegenstandes
voraussetzen, die auf den Beurteiler und nicht auf den Urheber des
Bewertungsgegenstandes zurückgeht. Das gilt selbst
für die Beantwortung der […] Frage, was geschehen
wäre, `wenn der Kläger die Arbeit […]
ordnungsgemäß zitiert hätte´.
Denn es lässt sich nicht unterstellen, dass der
Kläger eine in dieser Form gedachte Arbeit überhaupt
noch mit gleichem Text vorgelegt hätte oder hätte
vorlegen können. […]“
155
Die
vorbezeichneten Erwägungen gelten auch für die
streitgegenständliche Dissertation der Klägerin.
156
c)
Die Klägerin hat auch zumindest bedingt vorsätzlich
gehandelt.
157
Vgl.
dazu, dass bedingter Vorsatz genügt: VGH
Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000,
9 S 2435/99, juris (Rdnr. 24), ferner VG Frankfurt,
Urteil vom 23. Mai 2007, 12 E 2262/05, juris (Rdnr. 15) und BayVGH,
Urteil vom 4. April 2006, 7 BV 05.388, juris (Rdnr. 13).
158
Danach
muss der Täuschende zumindest billigend in Kauf nehmen, dass
bei dem Getäuschten ein Irrtum hervorgerufen wird.
159
Vgl.
Fischer, a. a. O., § 263 Rdnr. 180.
160
Diese
Voraussetzung liegt hier vor.
161
Die
Klägerin hat bei der Anfertigung ihrer Dissertation zumindest
zustimmend akzeptiert und damit billigend in Kauf genommen, dass die
von ihr vorgelegte schriftliche Promotionsleistung durch die Gutachter
(bzw. Referenten) und sonstigen promotionsberechtigten Mitgliedern der
Fakultät durchgängig, soweit sie keine anderen
Quellen angeführt hat, als gedanklich eigenständige
von ihr verfasste wissenschaftliche Leistung begutachtet worden ist.
Dies ergibt sich ohne Weiteres aus dem wiederholten Zuwiderhandeln
gegen das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit, obwohl sie sich zu
dessen Einhaltung durch die von ihr unterschriebene eidesstattliche
Versicherung ausdrücklich verpflichtet hatte.
162
Dem
kann die Klägerin auch nicht entgegenhalten, die aufgedeckten
Übereinstimmungen erklärten sich daraus, dass sich
die Art und Weise, wie die betroffenen Textpassagen gestaltet bzw.
abgesetzt worden seien, durch Verwendung derselben
Primärquellen sozusagen zwangsläufig ergeben
hätten, weil sie gewissermaßen parallel zu den
Sekundärquellen vorgegangen sei, dabei auf dieselben
Primärquellen gestoßen sei und durch deren
Auswertung im Wortlaut und in der Syntax unvermeidbar gleich- oder
ähnlich lautende Textpassagen produziert habe, wie sie in den
(von ihr nicht) zitierten Sekundärquellen zu finden seien.
Selbst wenn sich derartige inhaltliche Übereinstimmungen und
Ähnlichkeiten ergeben sollten, was die Kammer
ausdrücklich nicht ausschließt, wären sie
kein Beleg dafür, dass die Klägerin durch
eigenständige Wiedergabe dieser Primärquellen nur
zufällig bzw. zwangsläufig zu ihrer Art der
Darstellung gekommen ist. Denn die in der Dissertation der
Klägerin durch Prof. Dr.
S.
aufgedeckten, nicht hinreichend gekennzeichneten Textstellen lassen
sich in ihrer Gesamtheit nach dem Eindruck der Kammer nicht anders
erklären, als dass die Klägerin gezielt mit von ihr
nicht genannten und aufgeführten Sekundärquellen
gearbeitet und ihre textliche Übernahmen hieraus insoweit
bewusst verschleiert hat. Die in Bezug auf die übernommenen
Textstellen vorgenommenen Umformulierungen und Umstellungen der Syntax
(vgl. beispielsweise die Textpassage auf S. 45 der Dissertation
“…Nach Durkheim lebt der Mensch durch Triebe
ständig bedrängt von Natur aus in einem instabilen
Zustand. Erst durch soziale Normen und Werte erfährt sein
Streben Begrenzung und Zielsetzung und werden die Triebe und
Wünsche der Mitglieder einer Gesellschaft in realisierbare
Bahnen gelenkt. Die Reichweite möglicher Verhaltensweisen wird
durch die moralische Ordnung als dem umfassenden System von Verboten
und Geboten bestimmt...“, die ohne Kennzeichnung aus dem Werk
von Helmut Fend, Sozialisierung und Erziehung, S. 28 – 30
übernommen wurde, wo es heißt:
“…Der Mensch lebt nach Durkheim von Natur aus in
einem unstabilen Zustand, in dem er von Trieben bedrängt wird.
[…] Eine Begrenzung und Zielsetzung erfolgt aber durch
soziale Normen und Werte. Durch sie werden die Triebe und
Wünsche der Mitglieder einer Gesellschaft in realisierbare
Bahnen gelenkt. Eine moralische Ordnung ist für Durkheim ein
umfassendes System von Verboten und Geboten. Ihr Ziel ist es, die
Reichweite der möglichen Verhaltensweisen zu
begrenzen…“), die Verwendung von Synonymen (vgl.
beispielsweise auf S. 83 der Dissertation
“…Versagung von
Bedürfnisbefriedigung…“ statt nach
Häfner, Das Gewissen in der Neurose, S. 702,
“…Versagung primitiver
Bedürfnisse…“, sowie auf S. 92 der
Dissertation “…die Genese eines
Menschen…“, statt nach Nowak, Gewissen und
Gewissensbildung, S. 31 – 32, “…die
Geschichte eines Menschen…“) sowie einzelne
Auslassungen (vgl. z.B. auf den S. 75 – 76, S. 105 der
Dissertation u. a.) lassen ebenfalls keinen anderen Schluss zu als den
einer gezielten Auswertung und Verwendung von Sekundärquellen
durch die Klägerin. Dem hat die Klägerin letztlich
substantiiert nichts entgegengesetzt. Sie behauptet lediglich pauschal
für die Fälle, in denen sie Zitatfehler
einräumt, diese beruhten jeweils auf einem Versehen im Sinne
von Fahrlässigkeit. Angesichts der dargestellten Art und Weise
ihrer Befassung mit den nicht kenntlich gemachten
Sekundärtexten bzw. Textstellen ohne hinreichende
Quellenangabe kann jedoch von einem bloß versehentlichen
Verstoß gegen das Redlichkeits- und Zitiergebot nicht die
Rede sein. Auch der Hinweis der Klägerin, etwaige von ihr
nicht kenntlich gemachte Rezeptionsleistungen Dritter, auf die sie sich
bei der Abfassung der Dissertation gestützt habe, seien auf
die damals übliche und fehleranfällige Arbeitsweise
(“Zettelkasten“) zurückzuführen
und stellten bloße “handwerkliche“ Fehler
dar, entlastet sie nicht. Es ist zwar grundsätzlich denkbar,
fehlerhafte Zitierungen als bloße Zitierfehler
außer Acht zu lassen. Der hier zu verzeichnende
Täuschungsbefund und der dabei deutlich werdende Umgang der
Klägerin mit den von ihr benutzten, aber nicht kenntlich
gemachten Sekundärquellen, bei denen sie Formulierungen
entweder wörtlich übernommen oder nur in Details
verändert hat, indem sie Sätze umgestellt, Begriffe
durch Synonyme ersetzt hat usw., spricht allerdings dagegen, dass die
beanstandeten Textpassagen auf bloßen
“Montagefehlern“ oder einer ungenauer Arbeitsweise
beruhen. Das gilt erst recht für die von der Klägerin
aus dem Werk von Ernst Stadter übernommenen Textpassagen (vgl.
S. 75 – 76 der Dissertation), dessen Arbeit sie auch im
Literaturverzeichnis nicht angeführt hat.
163
d)
Ist damit der Tatbestand des § 20 Satz 1 PromO
erfüllt, hält die zu Lasten der Klägerin
getroffene, in das Ermessen des Fakultätsrats gestellte
Entscheidung, die Promotionsleistung nachträglich für
ungültig zu erklären, der gemäß
§ 114 Satz 1 VwGO auf eine reine Rechtskontrolle
beschränkten gerichtlichen Überprüfung
ebenfalls stand. Das Gericht prüft insoweit, ob der
Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des
Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer
dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht worden ist.
164
Die
Entscheidung des Fakultätsrats die Dissertation für
ungültig zu erklären, lässt danach keine
Ermessensfehler erkennen.
165
aa)
Der Fakultätsrat hat sein Ermessen in dem rechtlich gebotenen
Umfang ausgeübt. Der hiergegen gerichtete Einwand der
Klägerin geht fehl. Dem Protokoll über die Sitzung
des Fakultätsrats vom 5. Februar 2013 ist zu entnehmen, dass
im Rahmen einer Abwägung des öffentlichen Interesses
einerseits und des privaten Interesses der Klägerin
andererseits das Für und Wider einer
Ungültigerklärung diskutiert wurde. Auch der
angefochtene Bescheid vom 14. Februar 2013 stellt auf Seite 19
ausdrücklich darauf ab, dass der Fakultätsrat das ihm
von § 20 PromO eingeräumte Ermessen ausgeübt
und hierbei das öffentliche Interesse mit dem privaten
Interesse der Klägerin abgewogen hat. Zwar verhalten sich die
weiteren Ausführungen zum Ermessen im Rahmen der
Begründung dieses Ergebnisses in dem Bescheid
wörtlich nur zu der “Entziehung“.
Allerdings ist der Begriff der “Entziehung“ im
vorgenannten Zusammenhang offensichtlich nur untechnisch gemeint und
erfasst – wie sich auch aus den ausdrücklich
genannten Normen ergibt –, sowohl die
Ungültigerklärung der Dissertation als auch die
Rücknahme des Doktorgrades. Angesichts des durch den
Fakultätsrat danach ausgeübten Ermessens ist es
rechtlich unerheblich, ob – wie die beklagte
Universität im gerichtlichen Verfahren erstmals und wohl zu
Unrecht geltend gemacht hat – eine schwerwiegende
Täuschung im Regelfall sanktioniert werden müsse.
166
Vgl.
zum sog. intendierten Ermessen: BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012, 6 C
3.11, BVerwGE 143, 87, juris (Rdnr. 51), sowie Beschluss vom 7. Juli
2004, 6 C 24.03, BVerwGE 121, 226, juris (Rdnr. 15).
167
bb)
Die Ermessensausübung durch den Fakultätsrat
lässt auch im Übrigen keine Ermessensfehler erkennen.
Der Fakultätsrat ist insbesondere von einer richtigen, auf der
Grundlage des Berichts von Prof. Dr.
S.
und der Stellungnahmen der Klägerin vollständig
ermittelten Tatsachengrundlage ausgegangen, er hat alle
widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen
umfassend gewürdigt und gegeneinander abgewogen und hierbei
auch in der Sache zutreffende Rechtsauffassungen zugrunde gelegt.
168
(1)
Die vom Fakultätsrat zugunsten des öffentlichen
Interesses eingestellten Aspekte begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
169
Soweit
der Fakultätsrat die wissenschaftliche Redlichkeit als
öffentliches Interesse in seine Abwägung eingestellt
hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Denn
hierbei handelt es sich um ein zum Schutz der
Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses
überragend wichtiges und verfassungsrechtlich in dem
objektiven Regelungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankertes
Gemeinschaftsgut.
170
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013, 6 C 9/12, m. w. N, juris (Rdnr. 31)
171
Dabei
ist der Fakultätsrat rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass
die Einhaltung “wissenschaftlicher Lauterkeit“ zu
den Kardinalspflichten jedes Wissenschaftlers gehört und
Plagiate, die wegen ihrer Dimension nicht als Bagatellfall einzustufen
sind, als eine schwerwiegende Störung des wissenschaftlichen
Diskurses zu werten und entsprechend zu sanktionieren sind. Denn dass
die Nutzung fremden Gedankenguts durch die genaue Angabe der Quelle
(Fundstelle) kenntlich gemacht werden muss, hat - neben
urheberrechtlichen Gründen - im wissenschaftlichen Diskurs den
Sinn, Aussagen, Fakten und Daten überprüfbar zu
machen und dem Leser die Möglichkeit zu geben, selbst weiter
zu forschen. Der wissenschaftliche Erkenntnisprozess kann sich
überhaupt nur dann sachgerecht fortentwickeln, wenn der wahre
Urheber einer Aussage bekannt ist. Es liegt auf der Hand, dass die
Nichtkenntlichmachung benutzter Quellen diesen Ansatz nachhaltig
beeinträchtigt. Das gilt auch für die insbesondere im
zweiten Teil der Dissertation von der Klägerin praktizierte
Verfahrensweise, ihre “Zwischenquelle“ oder
Sekundärquelle, also die Fundstelle, aus der die von ihr
wörtlich oder sinngemäß
übernommene Textpassage tatsächlich stammt und die
ihrerseits wiederum auf die “Primärquelle“
verweist, nicht anzugeben.
172
So
auch VG Berlin, Urteil vom 15. April 2009, 12 A 319.08, juris (Rn 25).
173
Denn,
wie bereits in anderem Zusammenhang dargestellt, führt auch
diese Handhabung nicht nur dazu, dass der Autor nicht offen
legt, wie er zu der Primärquelle gelangt ist, und
bloße Formulierungen übernimmt. Vielmehr wird auch
nicht sichtbar, dass die in der Dissertation befindliche komprimierte
Darstellung und Interpretation der Primärquelle hinsichtlich
der darin enthaltenen fachlichen wissenschaftlichen Wertung gar nicht
von dem Autor selbst vorgenommen, sondern von ihm aus einer
“Zwischenquelle“ übernommen worden ist.
174
Dass
der Fakultätsrat entgegen der anderslautenden Auffassung der
Klägerin nicht davon ausgegangen ist, ihrer Dissertation komme
heute keine messbare Bedeutung mehr zu, und dementsprechend auch nicht
zugrunde gelegt hat, dass sich die Störung des
wissenschaftlichen Diskurses als nicht mehr so gewichtig darstelle,
hält ebenfalls einer Rechtskontrolle stand. Denn für
die Beurteilung der Bedeutung einer Dissertation für den
wissenschaftlichen Diskurs gibt es unter Berücksichtigung des
eingetretenen Zeitablaufs keinen allgemeingültigen, objektiven
Gradmesser. Vielmehr ist die wissenschaftliche Bedeutung einer
angenommenen Dissertation immer eine potentielle, weil es an den nicht
verlässlich vorhersehbaren Forschungsthemen, Methoden und
Fragestellungen der einzelnen Wissenschaftler liegt, welche
ältere Arbeit wieder Bedeutung erlangt. Dass für die
Dissertation der Klägerin etwas anderes gilt, ist weder
substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich.
175
Rechtsfehlerfrei
hat der Fakultätsrat in seine Abwägung auf Seiten des
öffentlichen
Interesses ferner eingestellt, dass der Sanktionierung auch ein
generalpräventiver Zweck zukomme, und dies beanstandungsfrei
damit begründet, diejenigen, die ihren akademischen Grad
redlich erworben hätten, müssten vor einer Entwertung
ihrer eigenen Leistungen durch derartige Täuschungen
geschützt werden und deshalb müsse auch über
längere Zeiträume hinweg das Entdeckungsrisiko
aufrechterhalten werden. Innerhalb bestimmter Schranken ist die
Hochschule grundsätzlich befugt, auch auf
generalpräventive Gründe abzustellen, soweit diese
nicht so verselbständigt werden, dass andere Umstände
des Falles als von vornherein bedeutungslos zurücktreten.
176
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1980, 1 C 19/78, m. w. N. auf die
höchstrichterliche Rechtsprechung, juris (Rdnr. 23) .
177
Da
der Fakultätsrat seine das öffentliche Interesse
begründenden Ermessenserwägungen auf ein ganzes
Bündel von Gründen und nur unter anderem auch auf den
vorgenannten generalpräventiven Zweck gestützt hat,
kann von einer Verselbständigung dieses Grundes hier nicht die
Rede sein. Die vom Fakultätsrat zugrunde gelegten
generalpräventiven Erwägungen sind auch nicht
sachwidrig. Denn zum einen nimmt die Hochschule gegenüber den
Doktoranden bzw. Promovierten, die ihre Dissertation redlich erwerben
wollen bzw. erworben haben, eine Schutzverantwortung wahr. Zum anderen
wäre die Hochschule ihrerseits vorsätzlichen
Täuschungen mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert,
würde das Damoklesschwert der Sanktionierung nicht
über unredlich erlangten Dissertationen schweben.
178
(2)
Der Fakultätsrat hat im Rahmen seiner Ermessensentscheidung
auch die privaten Belange der Klägerin und die
Beeinträchtigung ihrer beruflichen und sozialen Stellung
hinreichend eingestellt.
179
(a)
Keinen rechtlichen Bedenken begegnet insoweit, dass und wie der
Fakultätsrat die Tatsache, dass seit Aushändigung der
Promotionsurkunde mehr als 30 Jahre vergangen sind, und den Umstand,
dass es im Falle der Klägerin um eine grundständige
Promotion geht, bei der mit der Promotion zugleich das Hochschulstudium
abgeschlossen wird und die Promotion auch den (einzigen) akademischen
Hochschulabschluss darstellt, in seiner dem Bescheid vom 14. Februar
2013 zugrunde liegenden Abwägung berücksichtigt hat.
Auf die erstmals im gerichtlichen Verfahren - und insoweit wohl auch
verfehlt - vertretene Auffassung der beklagten Universität,
der Klägerin sei die Berufung auf den Aspekt des Zeitablaufs
verwehrt, weil sie nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe in
der Öffentlichkeit selbst gegenüber der beklagten
Universität eine Überprüfung ihrer
Dissertation beantragt hat, kommt es daher rechtlich nicht an.
180
Dass
der Fakultätsrat den Zeitfaktor nur als Gewichtungsfaktor
berücksichtigt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden.
181
Zutreffend
ist der Fakultätsrat davon ausgegangen, dass sich weder aus
der Promotionsordnung selbst noch aus sonstigen Regelungen eine
absolute Ausschluss- bzw. Verjährungsfrist für die
Ungültigerklärung von Promotionsleistungen ergibt.
182
Vgl.
in Bezug auf eine Promotionsordnung der Philosophischen
Fakultät der Universität zu Köln mit
ähnlichen Erwägungen: VG Köln, Urteil vom
23. März 2012, 6 K 6097/11, juris (Rdnr. 53).
183
Für
eine analoge Anwendung von sonstigen Verjährungsregeln (aus
anderen Rechtsgebieten) besteht ebenfalls kein Raum. Belastbare
Anhaltspunkte dafür, dass eine planwidrige
Regelungslücke vorliegen könnte, sind nicht
ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass
sonstige Hochschulabschlüsse den jeweils
einschlägigen Prüfungsordnungen zufolge im Regelfall
nur binnen einer Ausschlussfrist – überwiegend gilt
hier eine Fünfjahresfrist (vgl. etwa auch § 29 Abs. 4
Satz 2 der aktuellen Ordnung für die Prüfung zur
Magistra Artium oder zum Magister Artium der Philosophischen
Fakultät der
I5.
-I6. -Universität
E1.
vom 19. März 1998) – entzogen werden können.
184
Die
unterschiedliche Ausgestaltung der Prüfungsordnungen
einerseits und der hier einschlägigen Promotionsordnung
für die grundständige Promotion der Klägerin
andererseits verstößt auch nicht gegen den in Art. 3
Abs. 1 GG enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn die jeweiligen
Ordnungen sind bezüglich ihres Regelungsgegenstandes
und in ihren Zielrichtungen nicht miteinander vergleichbar.
185
Vgl.
hierzu auch VG Köln, Urteil vom 6. Dezember 2012, 6 K 2684/12,
juris (Rdnr. 34).
186
Sachlicher
Grund für die Fristenregelungen in den
Prüfungsordnungen sind die Folgen einer Aberkennung bzw.
Entziehung des berufsqualifizierenden Abschlusses für die
Berufsfreiheit des Betroffenen (Art. 12 Abs. 1 GG). Die Promotion, und
insoweit auch die grundständige Promotion, stellt dagegen in
erster Linie eine wissenschaftliche Arbeit dar, mit der eine
wissenschaftliche Qualifikation nachgewiesen wird und insoweit
vorrangig eine andere Zielrichtung verfolgt wird als mit einem
berufsqualifizierenden Hochschulabschluss.
187
Durch
die Promotion wird gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1
HG regelmäßig eine über das allgemeine
Studienziel gemäß § 58 Abs. 1 HG
hinausgehende Befähigung zu selbständiger
wissenschaftlicher Arbeit nachgewiesen, bei der es maßgeblich
darum geht, eigenständige und kreative Gedanken mit bereits
vorliegenden wissenschaftlichen Befunden systematisch und kontrolliert
zu verbinden. Die Dissertation stellt dabei als schriftliche
Promotionsleistung im Rahmen der Promotion – anders als eine
den Berufs-zugang vermittelnde Hochschulabschlussprüfung
– die maßgebliche wissenschaftliche Leistung dar,
mit der sich ein Bewerber für die akademische Laufbahn
empfiehlt oder jedenfalls eine herausgehobene besondere
wissenschaftliche Befähigung nachweist. Vor diesem Hintergrund
betreffen Verstöße gegen wissenschaftliche
Sorgfaltspflichten bei einer Promotion regelmäßig
nicht nur handwerkliche Mängel. Vielmehr geht es um den Kern
der wissenschaftlichen Leistung sowie ihrer tatsächlichen und
rechtlichen Funktion, die auch noch über längere
Zeiträume hinaus den jeweiligen Wert einer Promotion in
akademischer Hinsicht ausmacht. Dass die Promotion der
Klägerin wegen des von ihr absolvierten
grundständigen Promotionsverfahrens gleichzeitig einen ersten
und einzigen Abschluss auch ihres Hochschulstudiums darstellt,
ändert an der Zielrichtung der auch im Rahmen eines
grundständigen Promotionsverfahrens ausschließlich
wissenschaftlich ausgerichteten schriftlichen Promotionsarbeit nichts.
Dieser Ansatz verletzt auch nicht den aus Art. 3 Abs. 1 GG
herzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit. Dass dem Absolventen
eines grundständigen Promotionsstudiums die
Möglichkeit eingeräumt wird, sein Studium
ausschließlich mit der Promotion und ohne weiteren
akademischen Abschluss zu beenden, stellt gegenüber den sonst
üblichen mit einer akademischen Abschlussprüfung zu
beendenden Hochschulstudiengängen insbesondere mit Blick auf
die deutlich geringere Arbeitsbelastung sowie in zeitlicher Hinsicht
einen erheblichen Vorteil dar. Gleichzeitig erhöht sich
für den Absolventen allerdings wegen der Abhängigkeit
von Promotion und Studienabschluss das Risiko eines erfolglosen
Hochschulabschlusses. Das hat zur Folge, dass der Promovend als
Kehrseite der von ihm freiwillig getroffenen Risikoentscheidung
für eine grundständige Promotion nicht nur den
erfolgreichen Abschluss seines Studiums vom Erfolg der Promotion
abhängig macht, sondern zugleich in Kauf nimmt bzw. nehmen
muss, dass sein Hochschulabschluss auch zukünftig das weitere
Schicksal seiner Promotion teilt.
188
Aus
Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass sich
der Fakultätsrat nicht gezwungen gesehen hat, wegen des
Zeitablaufs von über 30 Jahren seit Beendigung des
Promotionsverfahrens aus Gründen der Verwirkung auf eine
Ungültigerklärung zu verzichten. In der
Rechtsprechung ist zwar geklärt, dass die Verwirkung als
Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben in Gestalt des Verbots
widersprüchlichen Verhaltens für die gesamte
Rechtsordnung Gültigkeit hat und besagt, dass ein Recht nicht
mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit
der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere
Umstände hinzutreten, welche die verspätete
Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere
der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens
des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser sein Recht
angesichts der verstrichenen Zeit nicht mehr geltend machen werde
(Vertrauensgrundlage), er zudem tatsächlich auch darauf
vertraut hat (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen
Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm
durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer
Nachteil entstehen würde.
189
Vgl.
BVerwG, Beschlüsse vom 17. August 2011, 3 B 36.11, juris
(Rdnr. 5), und vom 12. Januar 2004, 3 B 101.03, juris (Rdnr. 3) sowie
Urteil vom 7. Februar 1974, 3 C 115.71, BVerwGE 44, 339 (343 f); vgl.
ferner zu diesem Ansatz auch VG Köln, Urteil vom 6. Dezember
2012, 6 K 2684/12, juris (Rdnr. 36).
190
Davon
ist hier aber nicht auszugehen. Die beklagte Universität, die
von den Täuschungsvorwürfen erstmals im Mai 2012
erfahren hat, hat dies umgehend zum Anlass genommen, den Sachverhalt
aufzuklären, und sie hat den Fakultätsrat im Januar
2013 mit den vorgenannten Vorwürfen befasst. Anhaltspunkte
für ein gegenüber der Klägerin
festzumachendes früheres Verhalten der beklagten
Universität oder des Fakultätsrats, aus dem die
Klägerin darauf schließen und vertrauen konnte, dass
nicht mehr gegen sie eingeschritten werden würde, sind nicht
ersichtlich.
191
(b)
Dass der Zeitfaktor, auch wenn diesem für sich allein keine
eigenständige Bedeutung zukommt, im Rahmen der
Ermessensausübung zu berücksichtigen ist, weil die
verstrichene Zeit neben anderen Umständen ein gewichtiger
Beurteilungsfaktor dafür ist, ob nach Treu und Glauben unter
Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse des
Einzelfalles eine nachträgliche
Ungültigerklärung noch als
rechtmäßig anzusehen ist,
192
vgl.
zur Frage der Bedeutung des Zeitablaufs bei der
Rücknahme eines Verwaltungsakts gemäß
§ 48 VwVfG NRW: OVG NRW, Urteil vom 8. November 2012, 11 A
1548/11, juris, sowie ferner BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1976, III C
21.75, Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 57,
193
hat
der Fakultätsrat ebenfalls rechtsfehlerfrei in seine
Ermessensentscheidung als Abwägungskriterium eingestellt.
Ausweislich der im angefochtenen Bescheid enthaltenen
Begründung hat der Fakultätsrat seiner
Abwägung insoweit zugrunde gelegt, dass die Sanktionierung der
hier in Rede stehenden Täuschung nach über 30 Jahren,
und damit einem Zeitraum, nach dessen Ablauf in weiten Teilen der
Rechtsordnung spätestens eine Verjährung eintritt
(vgl. z.B. § 78 StGB, § 197 BGB), für die
Klägerin “einen nicht unerheblichen
Eingriff“ in ihre Berufsausübungsfreiheit
gemäß Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Dabei ist vom
Fakultätsrat auch berücksichtigt worden, dass es sich
im Falle der Klägerin um eine grundständige Promotion
handelt.
194
(c)
Dass der Fakultätsrat das Interesse der Klägerin an
der Bewahrung ihrer Promotionsleistung dennoch, also auch vor dem
Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs, dem öffentlichen
Interesse an einer Sanktionierung der mit dem Makel der
Täuschung behafteten Dissertation und insoweit der
Durchsetzung der Regeln der wissenschaftlichen Redlichkeit
untergeordnet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere
hat der Fakultätsrat dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den
berechtigten Belangen der Klägerin Rechnung getragen und mit
der nachträglichen Ungültigerklärung
gegebenenfalls für die Klägerin einhergehende
nachteilige Folgen für ihre Reputation und die durch Art. 12
Abs. 1 GG geschützte Freiheit von
Berufswahl und Berufsausübung auch rechtsfehlerfrei gewichtet.
195
Die
vom Fakultätsrat dem Fehlverhalten, das der Klägerin
mit Blick auf den quantitativen und qualitativen Umfang der
aufgedeckten Täuschung vorzuwerfen ist, beigemessene Schwere,
stellt einen rechtlich zu billigenden Anlass dar, der betroffenen
Promotionsleistung ihre Funktionstauglichkeit als Teil des
wissenschaftlichen Diskurses zu entziehen. Gravierende Fälle
wissenschaftlicher Unredlichkeit bedürfen einer wirkungsvollen
Sanktionsmöglichkeit, um das Vertrauen der
Öffentlichkeit in die Wissenschaft nicht zu
beschädigen und die Vertrauensbasis der Wissenschaftler
untereinander zu erhalten, ohne die erfolgreiche wissenschaftliche
Arbeit nicht möglich ist. Anlass, stattdessen etwaige mildere
Mittel, z.B. in Gestalt einer Rüge, zu erwägen,
bestand deshalb für den Fakultätsrat nicht. Abgesehen
davon enthält weder die Promotionsordnung eine
Ermächtigungsgrundlage hierzu, noch ist eine solche sonst
ersichtlich.
196
Das
Ergebnis steht auch mit den Grundrechten in Einklang. Die
Maßnahme greift zwar in die durch Art. 12 Abs. 1 GG
geschützte Sphäre der Berufsfreiheit ein.
Einschränkungen der Berufsfreiheit und faktische
Beeinträchtigungen einer Berufsausübung, die sich als
Folge einer nachträglichen Ungültigerklärung
einer Promotionsleistung ergeben, sind allerdings erforderlich und auch
sonst verhältnismäßig und damit
hinzunehmen, wenn sie, wie hier durch den Fakultätsrat, ohne
Rechtsfehler zum Schutz der Funktionsfähigkeit des
Wissenschaftsprozesses, einem überragend wichtigen und
verfassungsrechtlich, wie bereits an anderer Stelle dargelegt, in dem
objektiven Regelungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten
Gemeinschaftsgutes für notwendig gehalten werden. Fachlich
zutreffend hat der Fakultätsrat darüber hinaus in
seine Abwägung eingestellt, dass die Klägerin durch
die nachträgliche Ungültigerklärung ihrer
Promotion auch nicht zur Beendigung ihrer im Zeitpunkt der Entscheidung
konkret ausgeübten beruflichen Tätigkeit gezwungen
wird. Sie kann vielmehr auch ohne gültige Promotion und ohne
Hochschulabschluss weiterhin als Berufspolitikerin mit den sich daraus
ergebenden Verwendungsmöglichkeiten arbeiten, was ihr im
Status einer Bundestagsabgeordneten auch gegenwärtig bereits
gelingt.
197
(d)
Rechtlich unbedenklich ist ferner der Hinweis des
Fakultätsrats, er habe bei seiner Entscheidung auch die
gleichmäßige Rechtsanwendung (Art. 3 Abs. 1 GG) zu
berücksichtigen. Die Behauptung der Klägerin, eine
Gleichbehandlung von Inhabern des Doktorgrades, die wie sie vor langer
Zeit promoviert worden seien und dadurch zugleich den einzigen
berufsqualifizierenden Abschluss erlangt hätten, sei dadurch
nicht gewährleistet, geht schon deswegen fehl, weil die
insoweit darlegungspflichtige Klägerin keinen Referenzfall
für eine etwaige Ungleichbehandlung benannt oder einen
entsprechenden Nachweis geführt hat. Auf den Umstand, dass
künftige Sachverhalte voraussichtlich keine Fallgestaltungen
mit grundständiger Promotion und damit eine andere
Ausgangskonstellation betreffen werden, kommt es für die vom
Fakultätsrat zugesicherte gleichmäßige
Rechtsanwendung in Täuschungsfällen nicht an.
198
(e)
Der Fakultätsrat hat auch zu Recht dem Umstand, dass
Erstgutachter (bzw. Referent) und Zweitgutachter (bzw. Korreferent) die
Täuschungsbefunde nicht schon bei der Annahme bzw. bei der
Bewertung der Dissertation der Klägerin entdeckt haben und
dass die Betreuung der Dissertation durch die seinerzeitigen Gutachter
(bzw. Referenten) insoweit möglicherweise nachlässig
war, keine Bedeutung zugemessen. Denn weder rechtfertigt dies, die
elementaren Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens missachten zu
dürfen, noch lässt sich daraus ein
“Mitverschulden“ Dritter und damit eine
Verschiebung der persönlichen Verantwortung des Promovenden
für die Dissertation konstruieren.
199
Vgl.
auch VG Karlsruhe, Urteil vom 4. März 2013, 7 K 3335/11, juris
(Rdnr. 93) m. w. N. auf BayVGH, Urteil vom 4. April 2006, 7 BV 05.388,
juris (Rdnr. 13).
200
Insbesondere
bestand auf Seiten der seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) keine
Verpflichtung, die Dissertation der Klägerin bereits bei ihrer
Abgabe und unabhängig von einem konkret begründeten
Verdacht auf einen Verstoß gegen die allgemeinen
Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens zu
kontrollieren. Darüber hinaus hat der Fakultätsrat
ausweislich der Begründung im Bescheid zutreffend darauf
abgestellt, dass etwaige Mängel in der Betreuung jedenfalls
nicht als kausal für die festgestellte Täuschung
anzusehen seien, da die Klägerin an zahlreichen Stellen ihrer
Dissertation durch korrekte Angabe ihrer Quellen zu erkennen gegeben
hat, dass ihr die gebotene Vorgehensweise durchaus bekannt war.
201
3.)
Angesichts der danach rechtlich nicht zu beanstandenden
Ungültigerklärung der schriftlichen
Promotionsleistung der Klägerin erweist sich auch die
Rücknahme des der Klägerin mit Promotionsurkunde vom
27. November 1980 verliehenen Doktorgrades, gestützt auf
§ 21 PromO i. V. m. § 48 VwVfG NRW, als
rechtsfehlerfrei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind hier
ebenfalls erfüllt (vgl. Ziffer 3 a). Außerdem hat
der Fakultätsrat das ihm hiernach eingeräumte
Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (vgl. Ziffer 3 b).
202
a)
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine
Rücknahme sind gegeben. Nach § 21 Satz 1 PromO
entscheidet der Fakultätsrat über die
Rücknahme oder Entziehung des Doktorgrades unter Beachtung des
Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen. In der
Sache wird damit auf die in § 48 VwVfG NRW geregelte
Möglichkeit zur Rücknahme rechtswidriger
Verwaltungsakte verwiesen.
203
Gemäß
§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW kann ein rechtswidriger
Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder
teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit
zurückgenommen werden, wobei im Falle der Rücknahme
eines - wie hier - begünstigenden Verwaltungsaktes,
dieser gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW
nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4
zurückgenommen werden darf.
204
Ein
rechtswidriger Verwaltungsakt liegt hier vor, weil die Dissertation der
Klägerin gemäߠ § 20 Satz 1 PromO
rechtmäßig für ungültig
erklärt wurde und damit die Grundlage für die
Verleihung des Doktorgrades entfallen ist.
205
b)
Die Entscheidung des Fakultätsrats, den der Klägerin
mit Promotionsurkunde vom 27. November
1980 verliehenen Doktorgrad “Dr. phil“
zurückzunehmen, weist auch im Übrigen keine
Rechtsfehler auf.
206
Der
Fakultätsrat hat nicht verkannt, dass die Entscheidung
gemäß § 48 VwVfG NRW in seinem Ermessen
steht. Er hat unter Zugrundelegung der Ausführungen im
angefochtenen Bescheid vom 14. Februar 2013 sein Ermessen in dem
gebotenen Maße ausgeübt und seine Entscheidung
umfassend begründet. Auf die im gerichtlichen Verfahren von
Seiten der beklagten Universität vertretene Auffassung, eine
schwerwiegende Täuschung sei im Regelfall durch
Rücknahme bzw. Entziehung des Doktorgrades zu sanktionieren,
und auf die damit verbundene Frage, ob der Entscheidung zur
Rücknahme der Grundsatz des intendierten Ermessens zugrunde zu
legen ist, kommt es daher nicht an.
207
Vgl.
auch OVG NRW, Beschluss vom 7. September 2005, 13 A 1181/02, juris
(Rdnr. 26) im Zusammenhang mit der Rücknahme der Anerkennung
zum Führen der Bezeichnung “Praktische
Ärztin“, wonach der Grundsatz des intendierten
Ermessens auch im Hinblick auf eine nach § 48 Abs. 1 und 3
VwVfG NRW zu treffende Rücknahmeentscheidung lediglich zu
Begründungserleichterungen führt.
208
Die
Ermessenserwägungen des Fakultätsrats sind auch nicht
rechtsfehlerhaft im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO.
209
Dabei
ist der Fakultätsrat zu Recht davon ausgegangen, dass (auch)
§ 48 VwVfG NRW weder eine absolute Ausschlussfrist
für die Rücknahme bzw. Entziehung eines
rechtswidrigen Verwaltungsaktes enthält, noch im Wege der
Auslegung in die Norm eine solche hineinzulesen ist. Letzterem Ansatz
steht schon der aus der Gesetzesbegründung erkennbare Wille
des Gesetzgebers entgegen.
210
Der
Gesetzgeber hat beim Erlass des – insoweit wortgleichen
– Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes die Frage einer
absoluten Ausschlussfrist erwogen, letztlich aber nicht ins Gesetz
aufgenommen. In der Gesetzesbegründung zu § 44 Abs. 4
E-VwVfG (vgl. BT-Drucks. 7/910, S. 71) heißt es:
211
“...
Eine absolute Ausschlussfrist, für die es auf Kenntnis der
Ausschließungsgründe nicht ankommt, erscheint nicht
gerechtfertigt, da es durchaus Fälle geben kann, in denen ein
so weitgehender Schutz des Betroffenen nicht angemessen wäre
(z.B. Rücknahme einer ärztlichen Approbation, durch
strafbare Handlung erlangte Vermögensvorteile). Auch das
Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung dem Zeitablauf
allein keine eigenständige Bedeutung beigemessen; es ist
vielmehr davon ausgegangen, dass die verstrichene Zeit ein
Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein
kann, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der
Gesamtverhältnisse eine Rücknahme noch als
rechtmäßig anzusehen ist (BVerwG, Beschl. vom 5.
September 1972, III B 67.72)...“
212
Auch
unter Zugrundelegung der einschlägigen ober- und
höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben sich keine
Anhaltspunkte für eine andere Auslegung. Die Kammer folgt
insoweit den auf die vorgenannte Rechtsprechung eingehenden
Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 8. November 2012, 11 A 1548/11
(juris). In den Entscheidungsgründen wird insoweit
ausgeführt (vgl. juris, Rdnr. 44 - 56):
213
“…
Die auch vom Gesetzgeber in Bezug genommene damalige Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ging davon aus, dass die Zeit, die seit
Unanfechtbarkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts bis zum
Erlass des Änderungsbescheides verstrichen war, allein
für sich gesehen keine eigenständige Bedeutung habe.
Die verstrichene Zeit könne aber ein Beurteilungsfaktor neben
anderen Umständen dafür sein, ob nach Treu und
Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse
des Einzelfalles eine Rücknahme noch als
rechtmäßig anzusehen sei.
214
Vgl.
etwa BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1976, III C 21.75, Buchholz 427.3
§ 335a LAG Nr. 57, m. w. N.
215
Auch
nach Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetztes hat das
Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass weder
§ 48 Abs. 4 VwVfG noch den verwandten Vorschriften in der
Abgabenordnung und des Sozialgesetzbuches ein allgemeiner Rechtsgedanke
entnommen werden könne, der auf eine absolute zeitliche Grenze
hinauslaufe, nach deren Erreichen ein rechtswidriger Bescheid nicht
mehr zurückgenommen werden dürfe. Auch eine analoge
Anwendung des § 48 Abs. 4 VwVfG scheide aus,
216
vgl.
zusammenfassend BVerwG, Beschluss vom 4. August 1993, 3 B 7.93, NVwZ-RR
1994, 338.
217
Die
Behörde sei jedoch bei der Ermittlung der
Rücknahmevoraussetzungen dem Grundsatz von Treu und Glauben
unterworfen, der sich insbesondere im Rechtsinstitut der Verwirkung
manifestiere,
218
vgl.
BVerwG, Beschluss vom 12. September 1997, 3 B 66.97, Buchholz 316
§ 48 VwVfG Nr. 87.
219
Demgegenüber
hat das Bundessozialgericht für die Parallelvorschrift des
§ 45 SGB X entschieden, dass ein rechtswidriger
begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung 30 Jahre nach
seinem Erlass nicht mehr für die Vergangenheit
zurückgenommen werden könne, auch wenn er
durch arglistige Täuschung erwirkt worden sei,
220
vgl.
BSG, Urteil vom 24. März 1993, 9/9a RV 38/91, BSGE 72, 139 =
NVwZ-RR 1994, 628 ff.
221
In
der Kommentarliteratur wird die Auffassung vertreten,
unabhängig vom Gesichtspunkt der Verwirkung sei die
Rücknahme mit Blick auf den Vertrauensgrundsatz der
Rechtssicherheit nicht unbefristet vorstellbar,
222
vgl.
Meyer in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz. 9. Aufl. 2010,
§ 48 Rdnr. 44.
223
Weiter
findet sich der Hinweis, die verstrichene Zeit erlange als
Beurteilungsfaktor u.a. vor allem bei längeren
Zeiträumen im Hinblick zumal auf Verschlechterungen der
Beweissituation besonderes Gewicht,
224
vgl.
Sachs in: Stelkens u.a., Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008,
§ 48 Rdnr. 203.
225
Der
Senat geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass § 48 VwVfG nach
seinem eindeutigen Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers keine
absolute Ausschlussfrist enthält. Das Bundessozialgericht
leitet die Annahme einer absoluten Ausschlussfrist von 30 Jahren
letztlich – unter Einbeziehung weiterer
übergreifender Gesichtspunkte – aus dem in
§ 45 SGB X geschaffenen Fristensystem her, das § 48
VwVfG in dieser Form nicht enthält. Diese Rechtsprechung ist
daher auf § 48 VwVfG nicht
übertragbar….“
226
Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus der in die mündliche
Verhandlung für die Klägerin eingeführten
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,
227
Beschluss
vom 5. März 2013, 1 BvR 2457/08, juris,
228
die
sich zur Verjährung von Geldleistungsansprüchen
verhält und in dem Zusammenhang fordert, dass das
Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der
Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -
vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben
zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des
Vorteils festgesetzt werden können. Der darin zu Tage tretende
Rechtsgrundsatz, dass der Bürger in den Bestand der
Rechtsordnung vertrauen können müsse, ist weder neu
noch auf den Fall der Klägerin übertragbar, der -
anders als im entschiedenen Fall des Bundesverfassungsgerichts - keine
abstrakt generelle Rechtslage, sondern einen individuellen Einzelakt
betrifft.
229
Der
Zeitablauf ist jedoch, was der Fakultätsrat gesehen hat, auch
hier, wie bei der Ungültigerklärung, im Rahmen der
Ermessensentscheidung angemessen zu berücksichtigen. Insoweit
gelten die Ausführungen der Kammer zur
Überprüfung der Ermessensausübung im Rahmen
von § 20 Satz 1 PromO (vgl. Ziffer 2 d) entsprechend. Zur
Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird hierauf Bezug
genommen.
230
Ein
möglicherweise vorhandenes Vertrauen der Klägerin
darauf, dass ihr der verliehene Grad erhalten bleibt, steht dessen
Rücknahme hier ebenfalls nicht entgegen. Zum einen hindert ein
Vertrauensschutz die Rücknahme eines rechtswidrigen
Verwaltungsakts, der, wie hier, keine Geld- oder Sachleistung
gewährt, grundsätzlich nicht, da § 48 Abs. 2
Satz 1 VwVfG NRW in solchen Fällen nicht gilt (§ 48
Abs. 3 VwVfG NRW). Im Übrigen wäre die
Klägerin aber auch nach § 48 Abs. 2 VwVfG NRW nicht
gegen eine Rücknahme der Begünstigung
geschützt, da sie die Gradverleihung durch arglistige
Täuschung bewirkt hat (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG
NRW). Arglist in diesem Sinne liegt vor, wenn die bewusste
Irreführung darauf gerichtet war, auf den
Erklärungswillen der Behörde einzuwirken.
231
Vgl.
etwa Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum
Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 48 Rndr. 152.
232
Sie
ist damit bei einer vorsätzlichen Täuschung wie der
der Klägerin regelmäßig gegeben;
Anhaltspunkte für das Gegenteil liegen nicht vor.
233
Vgl.
dazu: VG Karlsruhe, Urteil vom 4. März 2013, 7 K 3335/11,
juris (Rdnr. 90) und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.
April 2000, 9 S 2435/99, juris (Rdnr. 27).
234
Damit
steht ferner fest, dass der Entziehung des Doktorgrades auch die
Vorschrift des § 48
Abs. 4 VwVfG NRW nicht entgegensteht, die bestimmt, dass die
Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der
Kenntnisnahme zulässig ist. Denn die Jahresfrist ist nach
§ 48 Abs. 4 Satz 2 VwVfG NRW in den Fällen
arglistiger Täuschung nicht zu beachten. Dies gilt auch
für die Rücknahme begünstigender
Verwaltungsakte nach
§ 48 Abs. 3 VwVfG NRW.
235
Vgl.
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum
Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008,
§ 48 Rndr. 209 m. w.
N.
236
Davon
abgesehen ist die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW hier
auch eingehalten worden. Sie beginnt erst zu laufen, sobald eine
Behörde Kenntnis von allen die Rücknahme
rechtfertigenden - also auch von den für eine
Ermessensentscheidung maßgeblichen - Tatsachen hat. Nach
dieser Maßgabe begann die Jahresfrist hier mit der ersten
Befassung durch den Fakultätsrat in seiner Sitzung am 22.
Januar 2013 zu laufen. Selbst wenn man die Übermittlung der
Materialzusammenstellung aus dem Internet an die beklagte
Universität im Mai 2012 zugrunde legen würde,
wäre zum Zeitpunkt der Entscheidung des Fakultätsrats
am 5. Februar 2013 die Jahresfrist noch nicht abgelaufen gewesen.
237
Dem
Fakultätsrat war nach der Begründung in dem
angefochtenen Bescheid bei seiner Entscheidung schließlich
bewusst, dass sich die im Rahmen der Abwägung zu
berücksichtigenden Nachteile für das berufliche
Fortkommen der Klägerin und insbesondere für deren
Reputation auch bzw. im Besonderen im Zusammenhang mit der
Rücknahme bzw. Entziehung des Doktorgrades auswirken
können. Er ist allerdings auch insoweit beanstandungsfrei
davon ausgegangen, dass die aufgedeckten Plagiatsbefunde in der
Dissertation gerade wegen des Gewichts der Täuschung neben der
Ungültigerklärung auch eine Rücknahme bzw.
Entziehung des Doktorgrades erforderlich machen und die
Rücknahme bzw. Entziehung des Doktorgrades neben der
Ungültigerklärung nicht
unverhältnismäßig ist, insbesondere ein
etwaiger, mit der Entziehung des Doktorgrades
zusammenhängender Verlust gesellschaftlichen Ansehens und ein
damit verbundener Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art.
1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Klägerin zum Schutz der
Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesse ebenfalls
hinzunehmen sind. Auch stellt die Ungültigerklärung -
entgegen der anderslautenden Auffassung der Klägerin - alleine
keine geeignete Maßnahme dar, um den mit der
Rücknahme bzw. Entziehung des Doktorgrades verfolgten weiteren
Zweck zu erreichen. Denn mittels der Rücknahme des
Doktorgrades infolge einer aufgedeckten Täuschung sollen nicht
nur, wie bei der Ungültigerklärung, die akademischen
Lauterkeitsregeln durchgesetzt und die Wissenschaftlichkeit des
akademischen Promotionswesens von Störungen bereinigt werden.
Die Rücknahme des Doktorgrades dient vielmehr auch dazu,
außenwirksam klarzustellen, dass der Klägerin, der
seinerzeit mit der Erlaubnis zur Führung eines Doktorgrades
die Befähigung zu vertiefter – und auch
selbständiger – wissenschaftlicher Arbeit
bescheinigt worden war und die durch die Verleihung des Doktorgrades
öffentlich sichtbar als Mitglied der akademischen
Wissenschaftsgemeinde (“scientific community“)
ausgewiesen war, aufgrund ihrer nachträglich für
ungültig erklärten Promotionsleistung die
erforderliche Qualifikation zur berechtigten Führung des
Doktorgrades fehlt.
238
Lediglich
vorsorglich ist anzumerken, dass auch im Übrigen keine
Anhaltspunkte für mildere Maßnahmen ersichtlich sind.
239
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
240
Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der
Kostenentscheidung beruht
auf § 167
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Unterschriften