Oberlandesgericht
Stuttgart Urteil Spezialistin für Mietrecht
Spezialist Rechtsanwalt Anwalt
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Aktenzeichen: 2 U 91/07
|
Verkündet
am:
24.01.2008
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
Oberlandesgericht
Stuttgart
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In Sachen
...
- Kl. und
Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
gegen
Rechtsanwälte
...
- Bekl. und
Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte
...
wegen Unterlassung
Tenor
1. Auf die Berufungen der
Verfügungsklägerinnen wird das Urteil des
Vorsitzenden der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Heilbronn vom 18.10.2007 – Az.: 23 O 132/07 – wie
folgt abgeändert:
Die Verfügungsbeklagten werden verurteilt, es bei Meidung
eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen
Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,–, ersatzweise
Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, welche hinsichtlich
der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 an den Partnern zu
vollstrecken ist, zu unterlassen, Werbung, insbesondere Anzeigen, zu
schalten, in welcher Frau Rechtsanwältin A.B. als
„Spezialistin für Mietrecht“ bezeichnet
wird.
2. Die Verfügungsbeklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits
in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.
Streitwert für beide Rechtszüge: jeweils
30.000,– EUR
Tatbestand
A.
Die Verfügungsklägerinnen machen gegen die
Verfügungsbeklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.
1. Die Verfügungsklägerinnen betreiben jeweils eine
Rechtsanwaltskanzlei in S.H., die Verfügungsbeklagte Ziff. 1
eine solche in Ö. Letztere eröffnete am 01.10.2007
eine Niederlassung in S.H. in Bürogemeinschaft mit dem
Verfügungsbeklagten Ziff. 2.
Die Verfügungsbeklagten schalteten zwei gleichlautende, am
26.09. und 29.09.2007 in der örtlichen Presse erschienene
Anzeigen, in denen die Kanzleibezeichnung der
Verfügungsbeklagten Ziff. 1 sowie darunter die Namen der in
dieser tätigen Partner und sonstigen Rechtsanwälte
sowie der Name des Verfügungsbeklagten Ziff. 2
aufgeführt waren. Den Namen der Rechtsanwälte waren
dabei bis auf Rechtsanwältin A.B. (im Folgenden:
Rechtsanwältin B.), die seit 01.01.2007 bei der
Verfügungsbeklagten Ziff. 1 als angestellte
Rechtsanwältin tätig ist, die von diesen jeweils
geführten Fachanwaltsbezeichnungen beigefügt.
Rechtsanwältin B. wurde als „Spezialistin
für Mietrecht“ bezeichnet.
Die Verfügungsklägerinnen haben vorgetragen, die
Bezeichnung von Rechtsanwältin B. als „Spezialistin
für Mietrecht“ verstoße gegen § 7
der Berufsordnung für Rechtsanwälte (im Folgenden:
BORA) und sei auch irreführend i. S. v. § 5 UWG. Die
Kenntnisse eines „Spezialisten“ müssten
über die eines Fachanwalts noch deutlich hinausgehen; zudem
sei von diesem zu erwarten, dass er eine Inanspruchnahme auf anderen
Rechtsgebieten weitgehend ablehne. Diese Anforderungen erfülle
Rechtsanwältin B. nicht. Zudem führe die
gewählte Bezeichnung zu einer unzulässigen
Verwechslungsgefahr mit der Bezeichnung „Fachanwalt
für Miet- und Wohnungseigentumsrecht“.
Die Verfügungsbeklagten haben hingegen die Auffassung
vertreten, die von Rechtsanwältin B. insbesondere
während ihrer gut fünfjährigen
Tätigkeit als Leiterin der Rechtsabteilung mit
Anwaltszulassung für ein großes, in erheblichem
Umfang Mietverhältnisse verwaltendes Unternehmen
rechtfertigten die Führung der beanstandeten Bezeichnung.
Rechtsanwältin B. sei damit i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz
2 BORA sowohl in erheblichem Umfang auf dem Gebiet des Mietrechts
tätig gewesen und habe in diesem auch besondere theoretische
Kenntnisse erworben.
Im Übrigen wird auf die Feststellungen des angegriffenen
Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
2. Der Vorsitzende der 3. Kammer für Handelssachen beim
Landgericht Heilbronn hat die Anträge mit der
Begründung zurückgewiesen, die Angabe in den
beanstandeten Anzeigen, Rechtsanwältin B. sei
„Spezialistin für Mietrecht“, stelle keine
unlautere und irreführende Werbung i. S. v. § 5 Abs.
2 Nr. 3 UWG dar. Es liege auch kein Verstoß gegen §
7 BORA und damit kein Fall des § 4 Nr. 11 UWG vor.
Es bestehe keine Verwechslungsgefahr mit einer Fachanwaltsbezeichnung,
die nach § 7 Abs. 2 BORA zur Unzulässigkeit des
Qualifizierungshinweises führen würde. Dies sehe auch
die Rechtsanwaltskammer Stuttgart so, wenn wie hier der qualifizierende
Hinweis nicht den vollständigen Inhalt einer Fachanwaltschaft
abdecke. Es wäre schwer verständlich, wenn man
annähme, dass Anwälte, die den Ratschlägen
der Standesvertretung folgten, wettbewerbswidrig handeln
würden. Einem kundigen Rechtssuchenden sei auch zuzutrauen,
dass er einen einschlägig definierten Begriff wie den des
Fachanwalts nicht mit einem anderen wie etwa dem des
„Spezialisten“ gleichsetze.
Wenn das OLG Nürnberg in der von den
Verfügungsklägerinnen zitierten Entscheidung vom
20.03.2007 - 3 U 2675/06 (NJW 2007, 1984) meine, von einem
„Spezialisten“ werde erwartet, dass er
über herausragende Kenntnisse und Fähigkeiten, die
über diejenigen eines Fachanwalts hinausgehen,
verfügen müsse, sei dem nicht zu folgen. Dies
könne letztlich ebenfalls wie die Frage, ob ein
„Spezialist“ seine Berufstätigkeit auf
bestimmte Gebiete unter Abwehr der Inanspruchnahme für andere
Rechtsmaterien einengen müsse, offen bleiben. Denn jedenfalls
könne dies im vorliegenden Verfügungsverfahren
ohnehin nicht abschließend beurteilt werden. Nach den Angaben
der Rechtsanwältin B. in ihrer eidesstattlichen Versicherung,
an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass bestehe, könne
die Werbeaussage „Spezialistin für
Mietrecht“ nicht von vornherein untersagt werden.
3. Die Berufungen der Verfügungsklägerinnen wenden
sich in vollem Umfang gegen die Zurückweisung ihrer
Anträge.
Sie tragen zur Begründung vor, die angesprochenen
Verkehrskreise verstünden unter einem Spezialisten eine
Person, die sich auf einem speziellen Rechtsgebiet Kenntnisse und
Erfahrungen angeeignet habe, die über diejenigen eines
Fachanwalts hinausgingen. Das Landgericht begründe nicht,
warum es insoweit von der bisherigen Rechtsprechung abweiche. Es werde
nur gesagt, ein „Spezialist“ müsse keine
herausragenden Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen. Im
angegriffenen Urteil fehlten aber Ausführungen dazu, welche
Anforderungen an die Führung des Zusatzes
„Spezialist“ zu stellen seien.
Die angesprochenen Verkehrskreise würden über die
Qualifikation des Beworbenen irregeführt, auch weil die
Selbstanpreisung als „Spezialist“ einer
überprüfbaren Begründung entbehre. Die
frühere Tätigkeit von Rechtsanwältin B. als
Leiterin der Rechtabteilung eines Immobilienunternehmens weise sie noch
nicht als „Spezialistin für Mietrecht“
aus. Das Landgericht habe auch verkannt, dass Rechtsanwältin
B. einen Nachweis für ihr
„Spezialistentum“ erbringen müsse. Dieser
Nachweis sei nicht erbracht, auch nicht durch ihre Angaben in ihrer
eidesstattlichen Versicherung, zumal sie als Leiterin der
Rechtsabteilung eines Immobilienunternehmens keinesfalls mit einem
anwaltstypischen Aufgabenbereich befasst gewesen sei.
Sie erfülle auch die in der Fachanwaltsordnung (FAO)
gestellten Anforderungen nicht. Sie habe keine entsprechenden
Qualifikationen nachgewiesen, welche die von § 4 FAO
geforderten theoretischen Kenntnisse vermuten ließen. Die
vorgelegten Belege ergäben ein
„Spezialistentum“ allenfalls für die
Vergangenheit.
„Spezialist“ könne außerdem nur
sein, wer eine Inanspruchnahme anderer Rechtsgebiete weitgehend
ablehne. Es müsse ein ausschließlicher Bezug zum
Mietrecht vorliegen. Daran fehle es schon ausweislich der
Internet-Präsentation der Rechtsanwältin B., wonach
sie überwiegend in den Bereichen „Gewerbliches Miet-
und Pachtrecht, Wohnraummietrecht, Gesellschaftsrecht,
Insolvenzrecht“ tätig sei.
Das Landgericht verkenne auch die rechtliche Bedeutung der BORA und der
Aussagen der Rechtsanwaltskammer Stuttgart auf deren Homepage. Letztere
hätten keinerlei präjudizielle Aussagekraft
für die Frage eines Wettbewerbsverstoßes. Diese habe
die ordentliche Gerichtsbarkeit nach dem UWG zu prüfen.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei es dem durchschnittlichen
Rechtssuchenden gerade nicht zuzutrauen, dass er Begriffe wie
„Spezialist“ oder „Experte“ von
der Bezeichnung „Fachanwalt“ abschichten
könne.
Der Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 28.07.2004 (1 BvR 159/04; NJW 2004, 2656) zugrunde
gelegen habe,
sei nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar, zumal es damals um
die Bezeichnung „Spezialist für
Verkehrsrecht“ gegangen sei und das Bundesverfassungsgericht
auch darauf abgestellt habe, dass es (damals) keinen Fachanwalt
für Verkehrsrecht gegeben habe.
Die Verfügungsbeklagten verteidigen das landgerichtliche
Urteil.
Die Verfügungsklägerinnen würden verkennen,
dass § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA keinerlei Angaben darüber
enthalte, wie die „besonderen theoretischen
Kenntnisse“ erlangt werden müssten. Aus den
vorgelegten Unterlagen ergebe sich im Übrigen, dass
Rechtsanwältin B. „auf dem benannten Gebiet
(Mietrecht) in erheblichem Umfang tätig gewesen“
sei. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Leiterin der
Rechtsabteilung habe sie mehr Fälle im Bereich des Mietrechts
bearbeitet, als ein werdender Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht bei der Stellung des Antrags auf Verleihung der
Fachanwaltsbezeichnung nachweisen müsse.
Außerdem sei Rechtsanwältin B. bis in die
jüngste Zeit überwiegend auf dem Gebiet des
Mietrechts tätig gewesen. Ca. 60 % ihrer
Ganztagstätigkeit bei der Verfügungsbeklagten Ziff. 1
verwende sie auf gewerbliches und privates Mietrecht.
Ferner habe sie außer an den bereits in erster Instanz
vorgetragenen Fortbildungsveranstaltungen zwischenzeitlich an weiteren
teilgenommen. Auch seien durch die von ihr damals als Leiterin der
Rechtsabteilung zweimal jährlich abgehaltenen
Fortbildungsveranstaltungen zwangsläufig theoretische
Kenntnisse erworben und weitergegeben worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens im
Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
B.
Die zulässigen, insbesondere fristgerecht eingegangenen
Berufungen der Verfügungsklägerinnen sind
begründet. Ihnen stehen die geltend gemachten
Unterlassungsansprüche aus §§ 8 Abs. 1, Abs.
3 Nr. 1; 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs.
1 Satz 2, Abs. 2 BORA zu. Der Verfügungsgrund ergibt sich aus
§ 12 Abs. 2 UWG.
Soweit die Verfügungsklägerin Ziff 1 beantragt hat,
den Verfügungsbeklagten die Schaltung von
„Werbung“ mit dem beanstandeten Inhalt zu
untersagen, während die Verfügungsklägerin
Ziff. 2 „Werbungen bzw. Anzeigen“ formuliert hat,
ergibt sich kein sachlicher Unterschied. Die
„Anzeige“ ist in dem Oberbegriff
„Werbung“ enthalten.
Der Senat kann daher wie geschehen in den Verbotstenor gem. §
938 ZPO die Formulierung „Werbung, insbesondere
Anzeigen“ aufnehmen, ohne in der Sache über die
gestellten Anträge hinauszugehen (§ 308 ZPO) oder
hinter diesen zurückzubleiben.
I.
Die Verfügungsklägerinnen sind - wie das Landgericht
zu Recht unangegriffen festgestellt hat - als Mitbewerber der
Verfügungsbeklagten aktiv legitimiert (§§ 8
Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Unterlassungsansprüche sind
gegen beide Verfügungsbeklagten begründet, da nach
den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts beide
die angegriffenen Anzeigen geschaltet haben.
II.
Die Bezeichnung von Rechtsanwältin B. als
„Spezialistin für Mietrecht“ durch die
Verfügungsbeklagten ist sowohl unter dem Gesichtspunkt eines
Verstoßes gegen das Marktverhalten der Marktteilnehmer
regelnde Vorschriften (§ 4 Nr. 11 UWG) als auch des Verbots
irreführender Werbung (§ 5 UWG) wettbewerbswidrig.
1. Die Bezeichnung als „Spezialistin für
Mietrecht“ stellt einen Verstoß gegen § 7
Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BORA dar, so dass ein Fall des § 4 Nr.
11 UWG gegeben ist.
a) Zwar handelt es sich bei den anwaltsrechtlichen Vorschriften der
BRAO und der BORA nicht durchweg um Marktverhaltensregelungen i. S. v.
§ 4 Nr. 11 UWG (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Gesetz
gegen den unlauteren Wettbewerb, 26. Aufl., § 4 Nr. 11 UWG Rn.
11.59), bei der Werbebeschränkung des § 43b BRAO und
den dieses konkretisierenden Vorschriften der §§ 6
bis 10 BORA ist dies aber der Fall (Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
a.a.O., § 4 UWG Rn. 1.185). Nachdem es sich bei der BORA um
autonomes Satzungsrecht handelt, weist diese auch Rechtsnormcharakter
auf; ihre Regelungen sind daher gesetzliche Vorschriften i. S. v.
§ 4 Nr. 11 UWG (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O.,
Rn. 11.24).
b) Bei der Bezeichnung „Spezialistin für
Mietrecht“ handelt es sich um einen qualifizierenden Zusatz
i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA (vgl.
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 11.100 und
Hartung-Römermann, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl.,
§ 7 BerufsO Rn. 74), dessen Führung voraussetzt, dass
der Betreffende über entsprechende theoretische Kenntnisse
verfügt und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang
tätig gewesen ist. Diese muss der die Bezeichnung
führende Anwalt nachweisen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Satz 1).
Auch nach der eigenen Darstellung der Verfügungsbeklagten
genügt Rechtsanwältin B. im Hinblick auf die
Bezeichnung „Spezialist“ diesen Anforderungen nicht.
aa) Die Anforderungen, die § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA stellt, sind
dabei nicht generell oder abstrakt für alle möglichen
qualifizierenden Bezeichnungen zu bestimmen. Vielmehr ist für
die jeweils geführte Bezeichnung zu entscheiden, welche
Anforderungen sowohl hinsichtlich des Umfangs der bisherigen
Tätigkeit als auch der „besonderen theoretischen
Kenntnisse“ zu stellen sind. Entscheidend sind die mit der
Führung der Bezeichnung beim rechtsuchenden Publikum geweckten
Erwartungen.
bb) Die Bezeichnung „Spezialist“ löst beim
rechtsuchenden Publikum hohe Erwartungen aus. Von einem Spezialisten
wird erwartet, dass er sich nicht nur vom Durchschnitt (hier dem
durchschnittlichen Anwalt) abhebt, sondern den Durchschnitt weit
übersteigende Kenntnisse und Erfahrungen besitzt.
Dies vermag der Senat aus eigener Sachkunde zu beurteilen, nachdem die
Verfügungsbeklagten ihre Dienste an das gesamte rechtsuchende
Publikum richten und aufgrund dessen auch die Senatsmitglieder zu den
angesprochenen Verkehrskreisen gehören und überdies
der Senat als spezialisierter Spruchkörper ständig
mit Wettbewerbssachen befasst ist (vgl. zur Irreführung i. S.
v. § 5 UWG Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O.,
§ 5 UWG Rn. 3.11ff).
Mit diesen Anforderungen bewegt sich der Senat auch im Rahmen des
allgemeinen Sprachgebrauchs. Wird bei verkürzter Definition
ein „Spezialist“ einem
„Fachmann“ gleichgesetzt (vgl. etwa Duden, Band 8,
Sinn- und sprachverwandte Wörter, überarb. 2. Aufl.
(1997); Duden, Band 5, Fremdwörterbuch, 6. Aufl. (1997) und
Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 22, 1978), so erweist
sich bei genauerer Definition, dass „Spezialist“
(nur) jemand ist, der „besondere Kenntnisse,
Fähigkeiten auf einem Gebiet hat, der in einem bestimmten Fach
spezielle Fähigkeiten erworben hat“ (so Duden, Das
große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs
Bänden, Band 6 (1981)), der „in einem bestimmten
Fach genaue Kenntnisse hat, der auf einem bestimmten Gebiet spezielle
Fähigkeiten erworben hat“ (so Der Große
Duden Band 10 - Bedeutungswörterbuch (1970)) bzw. (u. a.) ein
bestimmtes Fachgebiet besonders eingehend studiert hat (vgl.
Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch in sechs
Bänden (1983), Stichwort „Spezialist“
i.V.m. „sich spezialisieren“).
cc) Den so zu definierenden Anforderungen an einen
„Spezialisten“ entspricht Rechtsanwältin
B. nicht.
Zwar ist nach den unbestrittenen und den durch die eidesstattliche
Versicherung von Rechtsanwältin B. sowie durch vorgelegte
Unterlagen glaubhaft gemachten Angaben der Verfügungsbeklagten
davon auszugehen, dass Rechtsanwältin B. sowohl Kenntnisse
aufweist als auch praktische Erfahrungen in einem Umfang nachgewiesen
hat, die mit Sicherheit diejenigen eines durchschnittlichen
Rechtsanwalts übersteigen. Den Durchschnitt weit
übersteigende Kenntnisse und Erfahrungen mit der Folge des
Erwerbs „spezieller“ und
„besonderer“ Kenntnisse und Erfahrungen sind jedoch
weder konkret vorgetragen noch glaubhaft gemacht:
(1) Die vierzig Jahre alte Rechtsanwältin B. ist danach seit
10 Jahren als Anwältin zugelassen und seit 8 Jahren bevorzugt
auf dem Gebiet des Mietrechts (Wohnraum- und Gewerberaummietrecht)
tätig.
Dabei war sie vom 01.01.1999 bis zum 29.02.2004 als Leiterin der
zentralen Rechtsabteilung eines Immobilienunternehmens, das u. a. als
Mietverwaltungsunternehmen mehrere tausend Mietverhältnisse
betreut hat, darunter etwa zur Hälfte Fremdverwaltungen,
nahezu ausschließlich im Bereich des Mietrechts (zu ca. 70 %
Wohnraummiete und zu ca. 30 % Gewerberaummiete) tätig. Sie
beriet dabei u. a. die Mietsachbearbeiter in sämtlichen
mietrechtlichen Fragestellungen und gestaltete die
Mietverträge ihrer Arbeitgeberin (einschließlich der
Erarbeitung und Überarbeitung der Mietvertragsformulare),
wobei sie hinsichtlich der Gewerberaummietverhältnisse sowohl
ausschließlich für den Abschluss dieser
Verträge und die vorausgehenden Verhandlungen
zuständig war. In dieser Zeit bearbeitete sie ca. 800
Fälle, wovon ca. 1/3 auf gerichtliche Verfahren entfiel.
Zu den geforderten „besonderen theoretischen
Kenntnissen“ verweisen die Verfügungsbeklagten
ferner darauf, dass Rechtsanwältin B. zweimal
jährlich gemeinsam mit dem weiteren in der Rechtsabteilung
beschäftigten Juristen Fortbildungsveranstaltungen
für die Mietsachbearbeiter ihrer Arbeitgeberin abgehalten hat.
Sie haben ferner Teilnahmebescheinigungen vorgelegt, wonach
Rechtsanwältin B. in den Jahren 1999, 2000 und 2001 je einmal
und im Jahr 2007 nach Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens
zweimal an eintägigen Fortbildungen im Mietrecht für
Juristen teilgenommen hat.
(2) Danach ist bereits nicht zweifelsfrei, ob Rechtsanwältin
B. in einem Umfang auf dem Gebiet des Mietrechts tätig gewesen
ist, den der Verkehr von einem „Spezialisten“
erwartet. Zwar geht die Zahl der von ihr während ihrer
Tätigkeit als Leiterin der Rechtsabteilung gerichtlich und
außergerichtlich bearbeiteten Fälle weit
über diejenige hinaus, die von einem Fachanwalt für
Miet- und Wohnungseigentumsrecht verlangt wird (120 Fälle in
drei Jahren, davon 60 gerichtliche Verfahren, vgl. § 5j FAO).
Es liegt jedoch andererseits nicht fern, dass trotz der unter (1)
geschilderten Aufgabenkreise die Tätigkeit für einen
Arbeitgeber zu einer Einengung der zu behandelnden Problemstellungen
führt, Rechtsanwältin B. also das (Raum-)Mietrecht
nicht in der gesamten Breite durchdrungen hat, die von einem
„Spezialisten“ erwartet wird. Zudem handelt es sich
um einen zwar nicht kurzen, aber doch überschaubaren Zeitraum
(vgl. LG Dortmund, NJW-RR 2006, 345), der überdies bereits
einige Jahre zurückliegt, so dass sich die Frage stellt, ob
das „Spezialistentum“ noch aktuell ist und bei ihr
tatsächlich „besondere Erfahrungen“ (wie
es das Bundesverfassungsgericht bei der Bezeichnung von Ärzten
als „Spezialisten“ formuliert hat, BVerfG NJW 2002,
1331, 1332) vorliegen.
(3) Dies kann aber letztlich dahinstehen, da jedenfalls keine den
Durchschnitt weit übersteigenden Kenntnisse dargelegt sind,
wie sie der Verkehr nach dem oben unter aa) Gesagten von einem
Spezialisten erwartet.
Anders als nach der Fachanwaltsordnung (die zur Erlangung des
Fachanwalts notwendigen theoretischen Kenntnisse können nicht
allein durch praktische Tätigkeit erlangt werden, vgl.
Hartung-Scharmer, a.a.O., § 4 FAO Rn. 43) können zwar
die „theoretischen Kenntnisse“ i. S. v. §
7 Abs. 1 Satz 2 BORA grundsätzlich auch durch
„Berufstätigkeit“ erlangt werden. (vgl.
Hartung-Römermann, a.a.O., § 7 BerufsO Rn. 79) und
kann für deren Erlangung auch die Zahl der bearbeiteten
Mandate ein Indiz sein (Hartung-Römermann, a.a.O., Rn. 65).
Doch erfordert die an einen „Spezialisten“
gestellte Erwartung nach dem oben unter aa) Gesagten den Durchschnitt
weit übersteigende Kenntnisse und eine theoretische
Durchdringung des Fachgebiets, welche sich aus den Angaben der
Verfügungsbeklagten und der Rechtsanwältin B. nicht
ergibt. Ihre geschilderte jetzige und frühere
Tätigkeit und die dargelegten Fortbildungen zeigen lediglich,
dass Rechtsanwältin B. sich hinsichtlich aktueller Fragen des
Raummietrechts „auf dem Laufenden“ gehalten hat.
Kann damit zwar davon ausgegangen werden, dass sie infolge ihrer
Tätigkeit über dem Durchschnitt liegende Kenntnisse
erworben hat, so fehlt es doch an den von einem
„Spezialistin“ erwarteten
„besonderen“, „genauen“
Kenntnissen auf dem Fachgebiet, das sie „besonders eingehend
studiert“ haben muss.
cc) Erfüllt aufgrund dessen Rechtsanwältin B. nicht
die Anforderungen, die sich aus § 7 Abs. 1 BORA an die
Führung der Bezeichnung „Spezialistin für
Mietrecht“ ergeben, so kann dahinstehen, ob - wie die
Verfügungsklägerinnen in Übereinstimmung mit
dem OLG Nürnberg (NJW 2007, 1984, 1985;
ebenso LG Dortmund
a.a.O. und LG Regensburg NJW-RR 2004, 1044, 1045) meinen - die
Befähigung eines „Spezialisten“ generell
über diejenige eines vergleichbaren Fachanwalts hinausgehen
müsse, weil das rechtsuchende Publikum diese Erwartungen hege.
b) Ruft nach dem Gesagten die Bezeichnung „Spezialistin
für Mietrecht“ bei den angesprochenen
Verkehrskreisen Vorstellungen über die Qualifikation von
Rechtsanwältin B. hervor, die diese tatsächlich nicht
erfüllt, erweist sich aufgrund dessen ihre Führung
auch als irreführend i. S. v. § 7 Abs. 2 BORA (die
inhaltlichen Anforderungen an eine nicht irreführende Angabe
werden ja gerade in § 7 Abs. 1 BORA aufgestellt, vgl.
Hartung-Römermann, a.a.O., § 7 BerufsO Rn. 86).
2. Die Bezeichnung von Frau Rechtsanwältin B. als
„Spezialistin für Mietrecht“ stellt auch
eine irreführende Werbung i. S. v. § 5 Abs. 1, Abs. 2
Nr. 3 UWG dar.
a) Auch im Rahmen des § 5 UWG haben die
Verfügungsbeklagten darzulegen und im Bestreitensfall
glaubhaft zu machen, dass Rechtsanwältin B. die Qualifikation
aufweist, die das rechtsuchende Publikum von einem Spezialisten
erwartet. Zwar trifft grundsätzlich den Anspruchsteller die
Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Annahme
einer Irreführung (vgl. nur BGH GRUR 2007, 251, 253) und damit
auch für die Unrichtigkeit der beanstandeten Angaben
(Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rn.
1.18), letzteres gilt aber dann nicht uneingeschränkt, wenn es
um Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich des Werbenden
gehören. Dann trifft diesen eine sekundäre
Darlegungslast, etwa bei innerbetrieblichen Vorgängen (vgl.
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rn. 3.23f
und § 12 UWG Rn. 2.92), und dies gilt auch hier, da nur die
Verfügungsbeklagten und nicht die
Verfügungsklägerinnen in der Lage sind, die
tatsächliche Qualifikation von Rechtsanwältin B.
darzutun (vgl. auch OLG Nürnberg, a.a.O., 1986).
b) Aus den Darlegungen der Verfügungsbeklagten ergibt sich
aber nicht, dass Rechtsanwältin B. die (hohen) Erwartungen
erfüllt, die bei dem angesprochenen Verkehrskreis des
rechtsuchenden Publikums durch die Bezeichnung
„Spezialistin“ geweckt werden. Hierzu kann auf die
Ausführungen zu § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA (s. o. 1.a))
verwiesen werden, denn aus § 7 BORA und § 5 UWG
ergeben sich keine unterschiedlichen Maßstäbe,
vielmehr wurde mit § 7 Abs. 2 BORA in der Sache lediglich das
Irreführungsverbot des § 5 UWG in die BORA
übernommen (vgl. Kleine-Cosack, AnwBl. 2005, 275, 277;
Hartung-Römermann, a.a.O., § 7 BerufsO Rn. 85 und 43).
3. Die wettbewerbsrechtliche Untersagung der beanstandeten Bezeichnung
ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Grundrecht der
Berufsfreiheit in Verbindung mit dem Übermaßverbot
steht einem Verbot von Angaben über spezielle Qualifikationen
nicht entgegen, wenn diese irreführend sind (BVerfG NJW 2004,
2656, 2657f und BVerfG NJW 2002, 1331 - zu Ärzten;
jeweils
m.w.N.). Dies ist nach dem Gesagten der Fall.
Auch soweit nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2005, 2656,
2658) eine Irreführungsgefahr nur angenommen werden
kann, wenn
der Betreffende „im allgemeinen Wortsinn kein Spezialist
wäre“, hält sich vorliegend die Untersagung
im Rahmen des Übermaßverbots, denn genau dies ist
bei Rechtsanwältin B. nach dem oben zu 1. a) aa) Gesagten der
Fall.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 1 Nr. 1
GKG i.V.m. § 3 ZPO. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass es sich um vom Landgericht gem. § 147 ZPO verbundene
Verfahren zweier Verfügungsklägerinnen handelt. Bei
mehreren Klägern ist von dem Beteiligten mit dem
höchsten Interesse auszugehen und ein Zuschlag zu machen, der
dem Interesse der übrigen Kläger entspricht, den
titulierten Anspruch ggf. selbständig geltend machen zu
können (BGH GRUR 1998, 958 und GRUR 2003, 358, 359; Senat,
Beschluss vom 25.04.1988 - 2 W 2/88, Kurzwiedergabe in WRP 1988, 632;
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 UWG Rn. 5.11;
Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9.
Aufl., Kap. 49 Rn. 24). Hier erscheint es angemessen, einen Zuschlag zu
einem der jeweils gleich zu bewertenden Anträge eines der
Verfügungsklägerinnen von 50 % zu machen.
Den Streitwert für die erste Instanz hat der Senat gem.
§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG entsprechend abgeändert.
Unterschriften