Oberlandesgericht
Schleswig, fliegender Gerichtsstand, Persoenlichkeitsrechtsverletzung
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Aktenzeichen: Az. 2 AR
4/14 | 21.01.2014
|
Oberlandesgericht
Schleswig
Beschluss
In
dem Rechtsstreit
........................................
-
Kläger -
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
gegen
........................................
- Beklagte -
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
Tenor:
Als
örtlich zuständiges Gericht wird das Amtsgericht
Lübeck bestimmt.
Gründe:
I.
Der
Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz
außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch, die ihm
wegen der Veröffentlichung eines so genannten Paparazzi-Fotos
in einer Zeitschrift der Beklagten entstanden seien.
Im
Verlag der Beklagten erscheint unter anderem die Zeitschrift
„Die A.“. In der Ausgabe vom 13. April 2013
veröffentlichte sie zu dem Artikel mit der
Überschrift „Das Baby-Glück verzaubert
C.!“ ein Foto, auf dem der Kläger zu sehen ist. Die
Prozessbevollmächtigten des Klägers, denen er eine
umfassende Vollmacht zur gerichtlichen und außergerichtlichen
Vertretung in Medienangelegenheiten erteilt hat, forderten die Beklagte
mit Schreiben vom 17. April 2013 auf, die beigefügte
Unterlassungserklärung abzugeben. Dem kam die Beklagte mit
Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 18. April 2013
„ohne Präjudiz für einen etwaigen
Rechtsstreit“ nach (Anlage K 4, Bl. 11 f. d. A.).
Die
Bevollmächtigten des Klägers gaben mit Schreiben vom
selben Tag der Beklagten „den Schadensersatz unserer
Mandantschaft für die Kosten unserer
Inanspruchnahme“ auf. Beigefügt war die Rechnung der
Klägervertreter vom 18. April 2013 über 891,31
€ (1,5 Geschäftsgebühr nach einem Wert von
10.000,00 € zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale und
MwSt., Anlage K 5, Bl. 14 d. A.). Die Beklagte vertrat die Auffassung,
es sei lediglich eine Geschäftsgebühr mit einem Satz
von 0,5 zu erstatten, und zahlte 312,97 € (Anlage K 6, Bl. 15
d. A.). Wegen der Differenz von 578,34 € hat der
Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juli 2013 Klage beim
Amtsgericht Lübeck eingereicht. Der Kläger meint, die
Veröffentlichung des Paparazzi-Fotos sei ein rechtswidriger
Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht bzw. in sein
Recht am eigenen Bild. Der Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen
und von ihm bereits ausgeglichenen Rechtsanwaltskosten ergebe sich aus
§ 823 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK,
§§ 249, 683, 670 BGB.
Das
Amtsgericht Lübeck hat den Kläger mit Schreiben vom
18. Juli 2013 darauf hingewiesen, dass es auch unter dem Gesichtspunkt
„fliegender Gerichtsstand“ unzuständig
sein dürfe. Es fehle bislang am örtlichen Bezug zu
Lübeck. Ggf. sollte die Abgabe an das Amtsgericht
München beantragt werden.
Der
Kläger ist dem mit Schriftsätzen vom 23. Juli und 2.
August 2013 entgegengetreten. Er meint, das Amtsgericht Lübeck
sei nach § 32 ZPO, Art 5 Nr. 3 EuGVVO örtlich
zuständig. Die Zeitschrift „Die Aktuelle“
werde bundesweit ohne lokale Präferenz vertrieben und sei an
jedem Kiosk in Deutschland erhältlich, so auch in
Lübeck. Die Beklagte habe damit rechnen müssen bzw.
es auch beabsichtigt, dass die Zeitschrift in Lübeck verkauft
und einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werde.
Der Erfolgsort der Rechtsverletzung sei daher auch Lübeck.
Ausdrücklich nur hilfsweise hat der Kläger die
Verweisung an das Amtsgericht Hamburg beantragt.
Die
Beklagte hat mit ihrer Klageerwiderung vom 20. September 2013 die
internationale und örtliche Unzuständigkeit des
Amtsgerichts Lübeck gerügt. Sie ist der Auffassung,
§ 32 ZPO, Art 5 Nr. 1 und 3 EuGVVO seien nicht anwendbar, weil
mit der Klage in Wirklichkeit ein Anspruch aus
Geschäftsführung ohne Auftrag geltend gemacht und der
Ausgleich der – nicht an den Kläger, sondern an sie
gerichteten – Rechnung vom 18. April 2013 verlangt werde.
Zudem sei die Anrufung des Amtsgerichts Lübeck
rechtsmissbräuchlich. Die Klägervertreter als
ständige anwaltliche Vertreter der
„Monegassen-Familie“ würden Verfahren
über nahezu identische Fälle willkürlich und
ausschließlich zum Zweck der Kostenmaximierung an
verschiedenen Amtsgerichten anstrengen, die zudem möglichst
weit von München entfernt seien. Damit wollten sie die
Verfahren für sie, die Beklagte, wirtschaftlich so unattraktiv
wie möglich machen. In keinem der Verfahren hätten
die Klägervertreter je behauptet, überhaupt eines der
jeweiligen Zeitschriftenexemplare am Gerichtsort festgestellt zu haben.
Das
Amtsgericht Lübeck hat sich mit Beschluss vom 23. September
2013 für örtlich unzuständig
erklärt und den Rechtsstreit „an das Amtsgericht
Hamburg (fliegender Gerichtsstand mit Anknüpfungspunkt
‚Kanzleisitz‘)“ verwiesen. Das
Amtsgericht Hamburg hält den Verweisungsbeschluss dagegen
für nicht bindend und hat die Parteien zur beabsichtigten
Vorlage der Sache gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht angehört.
Der
Kläger hat daraufhin weiter zur bundesweiten Verbreitung der
Zeitschrift „Die Aktuelle“ vorgetragen (Anlage K 7,
Bl. 89 ff. d. A.) und die Auffassung vertreten, er und seine
Angehörigen seien berechtigt, ihre Rechte wegen verschiedener
vorsätzlich begangener
Persönlichkeitsrechtsverletzungen in getrennten Verfahren
geltend zu machen. Die Wahl des Gerichtsstandes sei auch nicht
notwendig Kosten erhöhend. Der Beklagten stehe es frei, einen
(kostengünstigen) Korrespondenzanwalt im Gerichtsbezirk des
angerufenen Amtsgerichts zu wählen oder einen Kollegen
für die Terminsvertretung vor Ort zu beauftragen.
Die
Beklagte hat ebenfalls an ihrer Rechtsauffassung festgehalten und
ausgeführt, dass selbst das Amtsgericht Hamburg nicht nach
§ 32 ZPO zuständig sei, jedenfalls aber nicht das
Amtsgericht Lübeck.
Das Amtsgericht Hamburg
hat sich mit Beschluss vom 11. Dezember 2013, auf den wegen der
Einzelheiten Bezug genommen wird, für örtlich
unzuständig erklärt und die Sache zur Bestimmung des
zuständigen Gerichts dem Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgericht vorgelegt.
II.
Auf
die zulässige Vorlage bestimmt der Senat das Amtsgericht
Lübeck als örtlich zuständiges Gericht
für den Rechtsstreit.
1.
Gemäß
§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht
durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht
bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den
Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig
für unzuständig erklärt haben. Dies ist hier
der Fall.
Die Amtsgerichte Lübeck und
Hamburg haben sich mit ihren Beschlüssen vom 23. September
2013 und 11. Dezember 2013 jeweils abschließend für
unzuständig erklärt. Beide Beschlüsse sind
den Parteien mitgeteilt worden und damit rechtskräftig im
Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl.
Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, § 36 Rn. 25). Ob
einem Verweisungsbeschluss im Einzelfall keine Bindungswirkung nach
§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPO zukommt, ist nicht für die
Frage der Zulässigkeit der Vorlage zu prüfen, sondern
bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts zu beachten
(Zöller-Vollkommer, a. a. O., m. w. N.).
Das
Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist nach § 36 Abs. 2
ZPO zur Entscheidung im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren
berufen, weil das Amtsgericht Lübeck zuerst mit der Sache
befasst gewesen ist.
2.
Für den
vorliegenden Rechtsstreit ist das Amtsgericht Lübeck
zuständig. Der Kläger hat dieses Gericht als
örtlich zuständiges Gericht angerufen und damit von
dem ihm zustehenden Wahlrecht unter mehreren Gerichtsständen
wirksam Gebrauch gemacht (a.). Die Zuständigkeit des
Amtsgerichts Lübeck ist auch nicht nachträglich durch
den Verweisungsbeschluss vom 23. September 2013 entfallen; der
Beschluss hat für das Amtsgericht Hamburg keine
Bindungswirkung (b.).
a.
Der
Verweisungsbeschluss vom 23. September 2013 ist in der Sache unrichtig,
weil das Amtsgericht Lübeck zu Unrecht seine örtliche
Zuständigkeit nach § 32 ZPO verneint hat.
(1)
Die
internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte
für den vorliegenden Rechtsstreit ist dabei entgegen der
Auffassung der Beklagten nicht ernsthaft zweifelhaft. Der in Frankreich
ansässige Kläger kann die Beklagte, eine nach
deutschem Recht gegründete GmbH mit Sitz in der Bundesrepublik
Deutschland, bereits nach Art. 2 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 EuGVVO vor den
deutschen Gerichten verklagen. Auch außerhalb des
Anwendungsbereichs der EuGVVO wären die deutschen Gerichte im
Übrigen zuständig für die Klage gegen eine
Person, die ihren allgemeinen Gerichtsstand nach §§
12, 17 ZPO in Deutschland hat. Soweit nach §§ 12 ff.
ZPO ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, ist
es nach deutschem Recht auch international zuständig (BGHZ 44,
46).
(2)
Das innerhalb der Bundesrepublik
Deutschland örtlich zuständige Gericht bestimmt sich
nach den Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO
(Zöller-Geimer, a. a. O., Art. 2 EuGVVO Rn. 6, 29). Hier
greift § 32 ZPO ein. Nach dieser Vorschrift ist für
Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht örtlich
zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist.
Der
Kläger klagt aus unerlaubter Handlung.
Die
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (bzw. hier
speziell des Rechts am eigenen Bild, vgl. dazu Palandt-Sprau, BGB, 73.
Auflage, § 823 Rn. 112a ff., m. w. N.) kann im Gerichtsstand
nach § 32 ZPO geltend gemacht werden (BGHZ 131, 332;
Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 32 Rn. 5, 17). Der
Kläger stützt den geltend gemachten Anspruch in der
Sache auf § 823 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Dazu hat
er Tatsachen über die Veröffentlichung des so
genannten Paparazzi-Fotos durch die Beklagte vorgetragen und behauptet,
ihm seien dadurch die nun gegenüber der Beklagten
abgerechneten Anwaltskosten entstanden, welche er auch bereits
ausgeglichen habe (Seite 3 unten der Klageschrift, Bl. 3 d. A.).
Ob
dem Kläger im Ergebnis tatsächlich ein
Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger
Persönlichkeitsrechtsverletzung zusteht, ist für die
Frage der örtlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Die
so genannten doppelrelevanten Tatsachen, die sowohl für die
Zulässigkeit, als auch für die Begründetheit
einer Klage von Bedeutung sind, bedürfen nicht schon bei der
Zulässigkeitsprüfung des Nachweises (BGH, Urteil vom
24. Oktober 2013, III ZR 82/11, bei juris; Zöller-Vollkommer,
a. a. O., § 12 Rn. 14).
Dass der
Kläger die Erstattung außergerichtlicher
Rechtsanwaltskosten auch unter dem Gesichtspunkt der
Geschäftsführung ohne Auftrag nach
§§ 683, 670 BGB verlangt, steht der
Zuständigkeit der Gerichte im deliktischen Gerichtsstand nicht
entgegen. Das zulässiger Weise im Gerichtsstand der
unerlaubten Handlung angerufene Gericht hat eine umfassende
Entscheidungskompetenz auch in Bezug auf konkurrierende
materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen (BGH, NJW 2003, S. 828 ff.).
Die
Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, dass sich aus § 32 ZPO
im vorliegenden Fall keine Zuständigkeit des Gerichts
für die Prüfung auch des Anspruchs aus
Geschäftsführung ohne Auftrag ergebe (so Seite 8 der
Klageerwiderung, Bl. 45 d. A.). Die umfassende Prüfungs- und
Entscheidungskompetenz unter allen rechtlichen Gesichtspunkten ist nur
in Bezug auf die internationale Zuständigkeit nicht
eröffnet (BGH, a. a. O.). Für die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte kommt es hier aber gar
nicht darauf an, ob und wo ggf. der Gerichtsstand der unerlaubten
Handlung begründet ist. Nur die örtliche
Zuständigkeit ist nach § 32 ZPO zu beurteilen.
Die
vom Kläger behauptete unerlaubte Handlung ist jedenfalls auch
in Lübeck begangen worden.
Unter dem
Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO ist zum einen der
Handlungsort zu verstehen, an dem der Rechtsverletzer gehandelt hat,
und zum anderen der Erfolgsort, an dem die Verletzung des Rechts
eintritt (BGHZ 184, 313; Zöller-Vollkommer, a. a. O.,
§ 32 Rn. 16, m. w. N.). Der Erfolgsort liegt hier –
unter anderem – im Bezirk des Amtsgerichts Lübeck.
Zur
Begründung des deliktischen Gerichtsstandes gerade
für dieses Gericht genügt es, dass der
Kläger schlüssig zur Verbreitung der Zeitschrift
„Die Aktuelle“ im gesamten Bundesgebiet und damit
auch in Lübeck vorgetragen hat. Ob gerade der Kläger
oder seine Bevollmächtigten positiv festgestellt haben, dass
mindestens ein Exemplar der betroffenen Ausgabe der Zeitschrift im
Bezirk des Amtsgerichts Lübeck verkauft worden ist, ist nicht
von Bedeutung. Entscheidend ist, dass die Zeitschrift dort
tatsächlich vertrieben worden ist. Die Beklagte hat dagegen
nur geltend gemacht, die Klägervertreter hätten dort
kein Exemplar festgestellt (Seite 11 der Klageerwiderung, Bl. 48 d. A.).
Angesichts
des unstreitigen Vertriebs im ganzen Bundesgebiet kann und will sie
offensichtlich nicht behaupten, der Bezirk des Amtsgerichts
Lübeck sei aus dem Verbreitungsgebiet ausgenommen. Dass die
Zeitschrift „Die Aktuelle“ sich
bestimmungsgemäß auch an Leser im Bezirk des
Amtsgerichts Lübeck wendet, ist nicht streitig.
Insoweit
betreffen die im Hinweis des Amtsgerichts Lübeck vom 18. Juli
2013 zitierten Entscheidungen (BGHZ 184, 313; OLG München, MMR
2013, S. 259 f.) grundlegend andere Fälle. Darin
heißt es, bei Internetdelikten sei nur dort der Erfolgsort im
Sinne des § 32 ZPO gegeben, wo der beanstandete
Internetauftritt gemäß der zielgerichteten
Bestimmung abrufbar sei (vgl. dazu auch Senat, Beschluss vom 13.
September 2013, 2 AR 28/13, bei juris). Diese Einschränkung
ist aber für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht von
Bedeutung, weil die Zeitschrift „Die Aktuelle“ sich
gerade nicht nur an einen lokalen oder regionalen Markt wendet, sondern
Leser im gesamten Bundesgebiet anspricht. Örtliche
Beschränkungen des angesprochenen Personenkreises gibt es
nicht.
Dementsprechend befindet sich hier der
Erfolgsort der unerlaubten Handlung bei allen Gerichten in Deutschland.
Dies gilt für den Bezirk des Amtsgerichts Lübeck
ebenso wie für den Bezirk des Amtsgerichts Hamburg, ohne dass
es Gründe für eine größere
Sachnähe des einen oder des anderen Gerichts gäbe.
(3)
Unter
den verschiedenen örtlich zuständigen Amtsgerichten
hatte der Kläger nach § 35 ZPO die Wahl.
Grundsätzlich
ist ein Kläger bei der Ausübung dieser Wahl frei und
braucht weder den Gerichtsstand auszuwählen, an dem geringere
Kosten entstehen, noch muss er auf die Belange des Beklagten
Rücksicht nehmen (Senatsbeschluss vom 13. September 2013, a.
a. O.; Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 35 Rn. 4, m. w.
N.). Insbesondere steht es dem Kläger offen, bestehende
Rechtsprechungsunterschiede zwischen den zuständigen Gerichten
auszunutzen oder zu testen sowie ein Gericht des fliegenden
Gerichtsstandes aus taktischen Gründen auszuwählen
(Senatsbeschluss vom 13. September 2013, a. a. O.; OLGR Rostock 2009,
S. 663 ff.; OLG Hamburg, NJW-RR 2007, S. 763 ff.; OLG München,
BayObLGR 2004, S. 239 f.).
Dies gilt allerdings
nicht schrankenlos. Die durch die Regelung des fliegenden
Gerichtsstandes ermöglichte deutschlandweite Gerichtswahl
schließt die Annahme einer im Einzelfall
rechtsmissbräuchlich getroffenen Wahl nicht aus
(Senatsbeschluss vom 13. September 2013, a. a. O.; OLGR Rostock 2009,
S. 663 ff.; KGR Berlin 2008, S. 470 ff.; LG Aurich, MMR 2013, S. 249
f.; Musielak-Heinrich, ZPO, 10. Auflage, § 35 Rn. 4;
Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 35 Rn. 4). Indem die
Klägerin das Amtsgericht Lübeck – und nicht
das Amtsgericht Hamburg – angerufen hat, hat sie die Schwelle
zum Ausnahmefall des Rechtsmissbrauchs jedoch nicht
überschritten.
Die Ausnutzung eines formal
gegebenen (fliegenden) Gerichtsstandes ist dann
rechtsmissbräuchlich, wenn sie aus sachfremden
Gründen erfolgt, insbesondere in der Absicht, den Gegner zu
schädigen (KGR Berlin 2008, S. 470 ff.; LG Aurich, MMR 2013,
S. 249 f.). Hier besteht dagegen keine ausreichende Grundlage
für die Annahme, der Kläger habe das Amtsgericht
Lübeck zu dem Zweck ausgewählt, der Beklagten die
Rechtsverteidigung zu erschweren und sie zu schikanieren.
Wie
bereits im Beschluss vom 13. September 2013 ausgeführt,
erachtet der Senat zwar die vom Landgericht Aurich getroffene
Entscheidung für den dort zugrunde liegenden Sachverhalt
für richtig. Das Landgericht Aurich hatte nicht nur keinen
Bezug zu den dortigen Verfahrensbeteiligten und deren
Prozessbevollmächtigten, sondern es zeichnet sich aus Sicht
eines Abmahners insbesondere dadurch aus, dass es im Bundesgebiet
besonders abgelegen ist und an seinem Sitz nicht einmal ein Bahnhof
für Personenbeförderung vorhanden ist (LG Aurich, a.
a. O.). Daraus leitete das Landgericht Aurich die Absicht der dortigen
Antragstellerin her, dem Antragsgegner die Rechtsverteidigung zu
erschweren und ihn durch die Wahl des nur schwer zu erreichenden
Gerichtsortes zu benachteiligen.
Diese Annahme liegt
nahe, wenn im fliegenden Gerichtsstand ausgerechnet ein besonders
entlegenes Gericht gewählt wird, nämlich in der
Hoffnung, der Gegner werde sich im gerichtlichen Verfahren nicht zur
Wehr setzen, weil er die Kosten und den erheblichen
persönlichen Aufwand einer Reise scheut. Hier dagegen hat der
Kläger sich mit dem Amtsgericht Lübeck zweifellos
nicht für ein besonders entlegenes und/oder
verkehrsmäßig schlecht angebundenes Gericht
entschieden.
Dass dieses Gericht – ebenso
wie die anderen zurzeit von dem Kläger und seinen
Angehörigen angerufenen Gerichte –
verhältnismäßig weit vom Sitz der Beklagten
entfernt liegt, ist dem nachvollziehbaren Umstand geschuldet, dass die
Klägervertreter in Hamburg ansässig sind und sich
offensichtlich für Gerichte in der Nähe ihres
Kanzleisitzes entschieden haben. Aus welchem Grund gerade das
Amtsgericht Lübeck gewählt wurde, ist dabei nicht von
Bedeutung. Es steht dem Kläger im Rahmen des fliegenden
Gerichtsstandes jedenfalls frei zu testen, welches der Amtsgerichte im
Umfeld der Kanzlei seiner Bevollmächtigten etwa besonders
zeitnah oder am ehesten in seinem Sinne entscheidet.
Der
vorliegende Fall ist entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl. Seite
11 der Klageerwiderung, Bl. 48 d. A.; Seite 2 des Schriftsatzes vom 5.
Dezember 2013, Bl. 152 d. A.) gerade nicht mit der Konstellation zu
vergleichen, die das Kammergericht in seinem Beschluss vom 25. Januar
2008 (KGR Berlin 2008, S. 470 ff.) zum Anlass genommen hat, von einer
rechtsmissbräuchlichen Gerichtswahl auszugehen. Die dortige
Antragstellerin hatte als Massenabmahner die Gerichtswahl in einer
Vielzahl von Fällen jeweils nicht nach ihren eigenen
Präferenzen getroffen, sondern prinzipiell in der Weise, dass
das angerufene Gericht möglichst weit vom Wohn- und
Geschäftssitz des Gegners entfernt lag. So hatte die dortige
Antragstellerin zum Beispiel vor dem Landgericht Köln
Antragsgegner aus Hamburg oder Bautzen in Anspruch genommen,
während das Landgericht Hamburg für Anträge
gegen Antragsgegner aus Bonn oder Düsseldorf angerufen wurde.
Nach derartigen Kriterien haben der Kläger und seine
Angehörigen die angerufenen Gerichte gerade nicht
gewählt. Sie haben vielmehr nur Gerichte angerufen, die in
verhältnismäßig geringer Entfernung zum
Kanzleisitz ihrer ständigen anwaltlichen Vertreter liegen.
Im
Übrigen liegt die Schwelle zur rechtsmissbräuchlichen
Gerichtswahl auch deutlich höher, wenn die behauptete
Verletzung von Persönlichkeitsrechten in Printmedien erfolgt,
die aufgrund einer bewussten unternehmerischen Entscheidung im gesamten
Bundesgebiet vertrieben werden, als wenn ein Massenabmahner wegen im
Internet begangener Delikte Verbraucher und Kleingewerbetreibende weit
entfernt von ihrem jeweiligen Wohnsitz in Anspruch nimmt. Letzteres
traf in dem Fall zu, der dem Senatsbeschluss vom 13. September 2013
zugrunde liegt. Der besonderen Schutzbedürftigkeit von
Verbrauchern in Urheberrechtssachen hat mittlerweile auch der
Gesetzgeber mit der seit dem 9. Oktober 2013 geltenden
Gerichtsstandsregelung in § 104a UrhG Rechnung getragen. Hier
dagegen steht dem Kläger und seinen Angehörigen ein
Unternehmen gegenüber, das nicht nur adäquat auf
möglicherweise unberechtigte Abmahnungen reagieren
könnte, sondern insbesondere auch alle Konsequenzen einer
möglichen Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits in
seine Prüfung und Entscheidung darüber einbeziehen
kann, ob wirklich ein bestimmtes Bild veröffentlicht werden
oder eine Berichterstattung erfolgen soll.
Schließlich
kann die Beklagte sich für die Frage der örtlichen
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht darauf berufen,
bereits das getrennte gerichtliche und/oder außergerichtliche
Vorgehen des Klägers und seiner Angehörigen aufgrund
einer einheitlichen Veröffentlichung sei
rechtsmissbräuchlich.
Wenn eine
Angelegenheit vorgerichtlich künstlich aufgespalten wird, um
mehrere Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 VV-RVG
geltend machen zu können, mag dies für die
Begründetheit einer Klage auf Erstattung der
Rechtsanwaltskosten von Bedeutung sein. Eine
rechtsmissbräuchliche gerichtliche Verfolgung derselben Sache
in mehreren Rechtsstreitigkeiten kann ggf. im
Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden; darauf bezieht sich
der von der Beklagten angeführte Beschluss des BGH vom 20.
November 2012 (VI ZB 3/12, NJW-RR 2013, S. 442 ff.). Hier dagegen geht
es zunächst nur um die Frage, ob der Kläger im Rahmen
des so genannten fliegenden Gerichtsstandes gerade das Amtsgericht
Lübeck auswählen durfte. Dies ist aus den
dargestellten Gründen der Fall.
(4)
Dass
der deliktische Gerichtsstand nach § 32 ZPO
ursprünglich auch beim Amtsgericht Hamburg eröffnet
war, ändert nichts daran, dass jetzt nur noch das Amtsgericht
Lübeck zuständig ist. Der Kläger hat das ihm
nach § 35 ZPO zustehende Wahlrecht wirksam und unwiderruflich
ausgeübt, indem er die Sache beim Amtsgericht Lübeck
rechtshängig gemacht hat. Die zuvor bloß
zusätzlich gegebenen Gerichtsstände sind mit der nach
§ 35 ZPO wirksam erfolgten Wahl entfallen.
b.
Das
Amtsgericht Lübeck ist auch nicht nachträglich durch
eine bindende Verweisung an das Amtsgericht Hamburg
unzuständig geworden. Verweisungsbeschlüsse sind zwar
grundsätzlich nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend. Der
Verweisungsbeschluss vom 23. September 2013 hat diese Wirkung jedoch
nicht.
Ein Verweisungsbeschluss ist ausnahmsweise
nicht nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend, wenn er jeder
Rechtsgrundlage entbehrt und daher objektiv willkürlich ist
(vgl. nur BGH, NJW 1993, S. 1273; Senat, NJW-RR 2010, S. 533 ff.; 1111
f.; Zöller-Greger, a. a. O., § 281 Rn. 17, m. w. N.)
bzw. mangels Begründung nicht erkennen lässt, ob er
auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (Prütting in:
Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, § 281 Rn.
56, m. w. N.). So liegt es hier.
Der
Verweisungsbeschluss vom 23. September 2013 ist nur mit dem
Klammerzusatz „fliegender Gerichtsstand mit
Anknüpfungspunkt ‚Kanzleisitz‘„
begründet worden. Er enthält nicht einmal im Ansatz
eine Auseinandersetzung mit den maßgeblichen Fragen des
Begehungsortes der streitgegenständlichen unerlaubten Handlung
und des möglichen Rechtsmissbrauchs im konkreten Fall. Dazu
bestand Anlass, nachdem beide Parteien ausführlich ihre
Standpunkte dazu dargelegt hatten. Der Kläger hat in seiner
Stellungnahme vom 23. Juli 2013 auch deutlich gemacht, warum jedenfalls
der Hinweis vom 18. Juli 2013 auf die Entscheidungen BGHZ 184, 313, und
OLG München, MMR 2013, S. 259 f., für den
vorliegenden Fall neben der Sache liegt. Auf den Vortrag beider
Parteien ist das Amtsgericht Lübeck nicht eingegangen. Die
objektive Willkürlichkeit der Verweisungsentscheidung
entfällt dementsprechend nicht etwa deshalb, weil das
verweisende Gericht sich für seine – wenn auch
unrichtige – Auffassung auf jedenfalls vertretbare Argumente
beruft (vgl. dazu Senat, NJW-RR 2010, S. 533 ff.).
Im
Übrigen hat ein Verweisungsbeschluss auch dann keine
Bindungswirkung, wenn er unter Verletzung des Anspruchs auf
Gewährung rechtlichen Gehörs ergeht
(Prütting in: Münchener Kommentar zur ZPO, a. a. O.,
§ 281 Rn. 57, m. w. N.). Das Amtsgericht Lübeck hat
die Verweisungsentscheidung am 23. September 2013 getroffen, ohne den
Kläger zu der am selben Tag eingegangenen Klageerwiderung
anzuhören, in der die Beklagte umfangreiche
Ausführungen zur Unzuständigkeit des Amtsgerichts
Lübeck gemacht hat. Die Frage eines möglichen
Rechtsmissbrauchs bei der Gerichtswahl, auf die es hier entscheidend
ankommt, war dementsprechend bei der Verweisung nicht einmal
hinsichtlich der zu berücksichtigenden Tatsachen
geklärt.
Da der Verweisungsbeschluss des
Amtsgerichts Lübeck damit keine Bindungswirkung nach
§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPO hat, ist es bei der
Zuständigkeit dieses Gerichts geblieben.