Oberlandesgericht
Saarbrücken 1 W
232/07-49
Wiederholungsgefahr Beschluss
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Aktenzeichen: 1 W
232/07-49 |
29. Oktober 2007 |
Oberlandesgericht
Saarbrücken
Beschluss
In
dem Rechtsstreit
........................................
-
Antragsstellerin -
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
gegen
........................................
-
Antragsgegner -
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
hat der 1.Zivilsenat des Oberlandesgericht Saarbrücken durch
...... am 29.10.2007 beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den
Beschluss des
Landgerichts Saarbrücken vom 09. August
2007 –
Az.: 12 O 28/07 – wird
zurückgewiesen.
2. Ohne
Kostenentscheidung.
Gründe:
A.
Die
Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine gegen
die Antragsgegner gerichtete Klage, mit der sie einen
Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UrhG sowie
einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten
in Höhe von 461,60 EUR geltend zu machen beabsichtigt.
Die
Antragstellerin verfasste das Gedicht „Die Liebe
sprach“. Mehrere registrierte Nutzer des von den
Antragsgegnern betriebenen Internetportals „g.....“
gaben dieses Gedicht in ihren Profildarstellungen wieder; die
Antragstellerin wendet sich allein gegen die Veröffentlichung
des Gedichts durch die Nutzerin mit der Nummer .... Mit E-Mail vom
03.12.2006 (Bl 40 d.A.) wies die Antragstellerin die Antragsgegner auf
die Verwendung des von ihr selbst im Internet veröffentlichten
Gedichtes durch die im Einzelnen benannten Nutzer hin und verlangte,
den Gedichttext umgehend zu entfernen. Die Antragsgegner wandten sich
daraufhin mit Mail vom 04.12.2006 an die einzelnen Nutzer und forderten
sie dazu auf, „die entsprechenden Inhalte umgehend aus deinem
Userprofil zu entfernen. Andernfalls sehen wir uns gezwungen deinen
Account zu deaktivieren“ (Bl 41 d.A.). Die Antragstellerin
wurde über diese Anschreiben informiert; in gleicher Weise
hatten die Antragsgegner auch schon auf frühere Hinweise
darauf reagiert, dass einzelne Nutzer das Gedicht der Antragstellerin
in ihrem Lebensprofil verwendet hatten. Bei einer Nachkontrolle am
12.12. wurden vier Nutzer, die das Gedicht noch nicht entfernt hatten,
nochmals auf den Verstoß hingewiesen. Bei einer weiteren
Kontrolle am 01.01.2007 stellten die Antragsgegner fest, dass nur noch
die Nutzerin ... das Gedicht in ihrem Profil verwendete; die
Administration der Antragsgegner entfernte daraufhin das Gedicht aus
dem Profil dieser Nutzerin.
Nach
ihrer Aufforderung vom 04.12.2006 schaltete die Antragstellerin
ihre jetzige Prozessbevollmächtigte ein, wobei der Zugang
eines ersten Schriftsatzes vom 18.12.2006 mit der Aufforderung zur
Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung streitig
ist. Auf einen zweiten Schriftsatz vom 30.12.2006 (Bl 27 d.A.), bei der
Post eingeliefert am 03.01.2007, antworteten die Antragsgegner mit
Schreiben vom 05.01.; sie verweigerten die Abgabe der
Unterlassungserklärung mit dem Hinweis darauf, dass sie in
adäquater Weise den Aufforderungen zur Entfernung des
beanstandeten Gedichts nachgekommen seien (Bl 46 f d.A.).
Mit
Antragsschrift vom 29.01.2007 begehrt die Antragstellerin
Prozesskostenhilfe für einen Unterlassungsantrag, mit dem den
Antragsgegnern verboten werden soll, das Gedicht „Die Liebe
sprach“ auf der Internetadresse www.g.....de mit der id ...
öffentlich zugänglich zu machen, sowie für
einen Zahlungsantrag in Höhe von 461,60 EUR nebst
Rechtshängigkeitszinsen „zur Freistellung von der
Rechtsanwaltsgebührenforderung“.
Mit
Beschluss vom 09.08.2007 (Bl 48 ff d. A.) hat das Landgericht den
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der
Begründung zurückgewiesen, dass die beabsichtigte
Klage keine Aussicht auf Erfolg habe. Gegen den ihr am 13.08.2007
zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 24.08.2007 sofortige
Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage weiter verfolgt
(Bl 58 f d.A.). Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom
03.09.2007 nicht abgeholfen (Bl 61 f d.A.).
B.
Die
sofortige Beschwerde ist gem. §§ 127 Abs. 2, 567,
569 ZPO zulässig; in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Das Landgericht hat es zu Recht abgelehnt, der Antragstellerin
Prozesskostenhilfe für die Klage zu bewilligen, weil dieser
die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt (§ 114 ZPO), und zwar
sowohl in Bezug auf den Unterlassungs- (1.) als auch den Zahlungsantrag
(2.).
1.
Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch
aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG nicht zu. Nachdem das Gedicht der
Antragstellerin aus dem Profil der Nutzerin ... entfernt wurde, richtet
sich der Unterlassungsantrag allein gegen künftige
Verwendungen durch diese Nutzerin. Dieser Unterlassungsanspruch ist
jedoch nicht begründet, da die Gefahr einer in der
Verantwortung der Antragsgegner stehenden Rechtsverletzung durch
nochmalige Veröffentlichung des Gedichtes unter der Nummer ...
nicht gegeben ist. Die Antragsgegner sind nämlich nicht als
Störer verantwortlich für die inzwischen behobene
Urheberrechtsverletzung, so dass diese Verletzung nicht die
tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr
begründen kann; Anhaltspunkte für eine
Erstbegehungsgefahr, an die eine vorbeugende Unterlassungsklage
anknüpfen könnte, sind weder ersichtlich noch
dargetan.
Im
Einzelnen:
Wie
vom Landgericht bereits zutreffend ausgeführt, worauf zur
Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, setzt eine Haftung
der Antragsgegner als Störer jedenfalls für die
ungenehmigte Vervielfältigung (§§ 15 Abs. 1
Nr. 1, 16 UrhG) des Gedichtes durch die Nutzerin ... den
Verstoß gegen eine zumutbare Prüfungspflicht voraus.
Kommt eine solche – präventive –
Kontrollpflicht vor Kenntnisnahme des Internetanbieters fremder Inhalte
von dem Urheberrechtsverstoß nicht in Betracht, wie es
vorliegend in Ansehung der Nutzerin ... außer Streit steht,
dann muss er nachfolgend nach Kenntniserlangung
„unverzüglich tätig“ werden,
„um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu
sperren“ (§ 10 Nr. 2 TMG, wortgleich mit
§§ 11 Nr. 2 TDG). Nach inzwischen gefestigter
Rechtsprechung des BGH finden die Haftungsprivilegien der
§§ 10 TMG bzw. 11 TDG zwar keine unmittelbare
Anwendung auf den urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch; zur
Begründung einer die Störereigenschaft
begründenden Garantenstellung nach Kenntnis von einer
rechtswidrigen Handlung wird jedoch die in §§ 10 Nr.
2 TMG bzw. 11 Nr. 2 TDG normierte Pflicht zu unverzüglichem
Handeln herangezogen (statt vieler BGH GRUR 2004, 860, 864 –
Internet I). Vom Ergebnis her verlangt § 10 Nr. 2 TMG die
Sperrung oder Entfernung der rechtswidrigen Information, wobei der
Anbieter unverzüglich tätig werden muss. Die
Unverzüglichkeit wiederum ist im Sinne eines Verschuldens zu
verstehen, so dass Zumutbarkeitsfragen eine Rolle spielen. Geht es um
die Verletzung nicht hochrangiger Rechtsgüter, kann der
Anbieter grundsätzlich zunächst den Nutzer zur
Stellungnahme und Entfernung des inkriminierten Inhaltes auffordern
(Spindler /Schmitz/ Geis, TDG, 2004, § 11 Rdn. 50 f, 55).
Ausgehend
hiervon ist eine Störereigenschaft der Antragsgegner
wegen Verletzung der Pflicht zu unverzüglicher Reaktion auf
den ihnen zur Kenntnis gebrachten Urheberrechtsverstoß nicht
begründbar. Denn die Antragsgegner sind unmittelbar nach
Hinweis der Antragstellerin vom 03.12. tätig geworden, indem
sie am Folgetag die einzelnen Nutzer zur Entfernung des Gedichtes
aufforderten. Unter Berücksichtigung der besonderen
Umstände des vorliegenden Falles durften die Antragsgegner die
Aufforderung an die Nutzer nach acht Tagen wiederholen, bis sie
schließlich weitere 14 Tage später von sich aus
– da der Zugang des Schriftsatzes vom 18.12.2006 von der
beweispflichtigen Antragstellerin nicht nachgewiesen werden kann
– das Gedicht aus dem Profil der Nutzerin ...
löschten; mit dieser Vorgehensweise sind sie gerade noch im
Rahmen dessen geblieben, was in zeitlicher Hinsicht bis zur Entfernung
der beanstandeten Information als pflichtgemäß zu
akzeptieren ist.
Bei
der gebotenen Konkretisierung der Verhaltensanforderung des
§ 10 Nr. 2 TMG im dargestellten Sinne sind im Einzelnen
folgende Umstände zu berücksichtigen: Es handelt sich
um eine äußerst geringfügige
Urheberrechtsverletzung, indem die Einbindung des Gedichtes in die
individuell erstellten Profile der jugendlichen Nutzer nicht nur weit
jenseits jeglicher Kommerzialisierung liegt, sondern sich sogar einer
rein privaten Zwecksetzung annähert, vergleichbar einer
Wiedergabe des Gedichtes in den „Poesiealben“ oder
„Freundschaftsbüchern“ früherer
Zeiten. Die Antragstellerin hat zu dieser Verwendung des inhaltlich die
Altersgruppe der 13-, 14-Jährigen ansprechenden Gedichtes auch
regelrecht eingeladen, indem sie dieses kopierbar auf ihrer
Internetseite darstellte, wie unwidersprochen von den Antragsgegnern
vorgetragen. Die von den Antragsgegnern gewählte
Vorgehensweise, zunächst die Nutzer selbst anzusprechen, um
auf freiwilliger Basis eine Entfernung des beanstandeten Inhaltes zu
erreichen, genügte in der Vergangenheit den Erwartungen der
Antragstellerin; auch vorliegend wurde sie hiervon in Kenntnis gesetzt,
wobei zwangsläufig damit zu rechnen war, dass auf diesem Weg
der Verstoß nicht innerhalb weniger Tage zu beseitigen sein
würde, da nicht jeder private Nutzer
regelmäßig E-Mail-Eingänge kontrollieren
wird. Da schließlich die Antragsgegner die Befolgung ihrer
ersten Aufforderung vom 04.12. kontrollierten, bis sie
schließlich eingriffen und das Gedicht löschten,
sind sie insgesamt – im vorliegenden konkreten Fall
– noch unverzüglich tätig geworden.
Dies
bedeutet, dass die erfolgte Urheberrechtsverletzung durch die
Nutzerin ... nicht den Antragsgegnern als Störern anzulasten
ist. Hieraus folgt wiederum, dass bereits keine widerrechtliche
Verletzung im Sinne des § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG vorliegt, die
eine Wiederholungsgefahr indizieren könnte, so dass schon aus
diesem Grund dem Unterlassungsanspruch keine Aussicht auf Erfolg
zukommt (§ 114 ZPO). Damit bedarf es keiner Vertiefung, ob im
vorliegenden Fall überhaupt die Regelannahme erlaubt ist, die
vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung trage die
tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr, da es
hierfür kumuliert zweier rechtswidriger Verhaltensweisen
bedürfte – einer nochmaligen Verwendung des
Gedichtes durch die Nutzerin ... und einer verzögerten
Reaktion der Antragsgegner; dies erscheint durchaus fraglich.
2.
Auch dem Antrag auf Zahlung der außergerichtlichen
Anwaltskosten – sei er nun als Zahlungs- oder als
Freistellungsantrag auszulegen – kommt keine hinreichende
Erfolgsaussicht zu. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH
sind Abmahnkosten nur dann gemäß § 683 BGB
unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne
Auftrag erstattungsfähig, wenn berechtigterweise abgemahnt
wurde (Palandt/Sprau, BGB, 65. Auflage, § 683 Rdn. 7 a
m.w.N.), wobei zur Beurteilung auf die Sach- und Rechtslage bei Zugang
der entsprechenden Schreiben abzustellen ist. Von einer berechtigten
Abmahnung kann vorliegend keine
Rede sein, da der Schriftsatz vom
18.12.2006, der bereits zum Anfall der geltend gemachten Anwaltskosten
führte, nicht nachweisbar zuging, und bei Zugang des
Schriftsatzes vom 30.12. das Gedicht aus dem Profil der Nutzerin ...
bereits entfernt worden war. Insbesondere aber erfolgte die
Einschaltung der jetzigen Prozessbevollmächtigten nach
Maßgabe der voranstehenden Ausführungen unter Ziff.
1 verfrüht, nämlich zu einem Zeitpunkt, da den
Antragsgegnern noch keine Verletzung ihrer Handlungspflicht nach
Kenntnisnahme von der Urheberrechtsverletzung vorgeworfen werden kann.
Damit kann die begehrte Erstattung der Anwaltskosten auch nicht auf
Verzug (§ 286 Abs. 1 BGB) gestützt werden.
Insgesamt
war daher die sofortige Beschwerde mangels Erfolgsaussicht
der Klage zurückzuweisen.
Eine
Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die Antragstellerin
die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gemäß
§ 22 GKG, 1811 KV auch ohne besonderen Ausspruch zu tragen hat
und Kosten der Antragsgegner nicht erstattet werden (§ 127
Abs. 4 ZPO).