Aktenzeichen: 3 U 2675/06 (1
HKO 1284/06 LG Regensburg)
Verkündet
am: 20.07.2007
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Oberlandesgericht
Nürnberg
IM
NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In Sachen
...
vertr. durch den
Vorstand ...
- Kl. und
Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
gegen
Rechtsanwalt ...
- Bekl. und
Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte
...
wegen Unterlassung
hat der 3. Zivilsenat
des OLG Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am OLG Dr.
Seidel, den Richter am OLG Prof. Dr. Sosnitza und die Richterin im OLG
Scheib auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. 7. 2007
für Recht
erkannt: 1. Die
Berufung des Bekl. gegen das Endurteil des LG Regensburg vorn 26. 10.
2006 wird zurückgewiesen. 2. Der Bekl.
trägt die Kostendes Berufungsverfahrens. 3. Das Urteil
ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert
für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,– Euro
festgesetzt. Gründe:
A.
Die Kl. macht gegen den
Bekl. einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.
Der Bekl. Ist als
Rechtsanwalt Mitglied der Kl., der Rechtsanwaltskammer in
Nürnberg. Er führt die Fachanwaltsbezeichnung
„Fachanwalt für Arbeitsrecht” und
„Fachanwalt für Strafrecht”.
Im Brachentelefonbuch
„Gelbe Seiten” 2006/2007 war folgender Eintrag
vorhanden:
Versicherungsrechtsspezialist
geprüfter Absolvent des Fachanwaltslehrganges für
Versicherungsrecht d. Instituts für angewandtes Recht
Auch auf seinem
anwaltlichen Briefkopf bezeichnet sich der Bekl. als
„Versicherungsrechtsspezialist” mit dem
gleichlautenden Sternchenzusatz wie in den „Gelben
Seiten”.
Die Kl. hat in erster
,Instanz den Standpunkt vertreten, dass diese Bezeichnung aus drei
Gründen irreführend sei:
Es bestehe
Verwechslungsgefahr zwischen der in der BORA ausdrücklich
vorgesehenen Bezeichnung „Fachanwalt für
Versicherungsrecht” und der vom Bekl. selbst entwickelten
Bezeichnung „Versicherungsrechtsspezialist”.
Bereits die Tatsache, dass der Bekl. zwei
Fachanwaltschaftsqualifizierung an erworben habe, schließe es
aus, dass er zusätzlich auch noch die Qualifikation, als
Spezialisten auf dem Gebiet des Versicherungsrechts erwerben
könne. Ein echter Versicherungsrechtsspezialist müsse
zudem über eine deutlich höhere Qualifikation als ein
Fachanwalt für Versicherungsrecht verfügen. Eine
solche habe der Bekl. jedoch nicht nachweisen können. Die im
Sternchenzusatz genannte erfolgreiche Absolvierung des, dort genannten
Fachanwaltschaftslehrganges genüge dafür nicht.
Der Bekl. vertritt die
Ansicht, auf Grund der Entscheidung des BVerfG vorn 28. 7. 04, Az.: 1
BvR 159/04 wäre es verfassungswidrig, ihm das Recht
abzusprechen, mit der Bezeichnung
„Versicherungsspezialist” zu werben. Auch
genüge zur Führung dieser Bezeichnung; eine geringere
Qualifikation als die für die Bezeichnung eines Fachanwalts
für Versicherungsrecht. Im Übrigen sehe § 7
I Satz 2 BORA nach Ihrem Wortlaut die Bezeichnung
„Spezialist” vor. Danach müssten zur
Legitimierung dieses qualifizierenden Zusatzes theoretische Kenntnisse
sowie eine praktische Tätigkeit in erheblichen Umfang
vorliegen. Aus § 56 I S. 1 BRAO i.V. mit § 24 II BORA
ergebe sich, dass es der Kl. obliege, die entsprechenden qualifizierten
Nachweise in theoretischer und praktischer Hinsicht zu benennen Und
dann von ihm anzufordern. Dies sei jedoch nicht erfolgt.
Das Erstgericht hat dem
Klageantrag stattgegeben und sich im Wesentlichen der Argumentation der
Kl. angeschlossen: Aus der Entscheidung des BVerfG ergebe sich, dass es
nicht möglich sei, sich, wie der Bekl. als
Versicherungsspezialist und zugleich als Fachanwalt für
Strafrecht und Verkehrsrecht anzubieten. Im Übrigen liege auch
in der Sache kein Spezialistentum vor, da die Angaben des Bekl.
über einen Tätigkeitsbereich keineswegs alle Fragen
des Versicherungsrechts abdeckten. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Urteilsbegründung, der in erster Instanz, gestellten
Anträge sowie des genauen Verfahrensablaufs
einschließlich des Erlasses des Versäumnisurteils
wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils
Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat
der Bekl. Berufung eingelegt. Er begründet diese wie folgt:
In erster Instanz
hätte mangels wirksamer Zustellung der Klage gegen ihn niemals
ein Versäumnisurteil ergehen dürfen.
Soweit das LG unter
Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG ausführe, dass
Spezialistentum neben einer zweifachen Fachanwaltschaft ausscheide, sei
diese Rechtsauffassung mittlerweile von der Rechtswirklichkeit,
nämlich die Neufassung des § 7 I Satz 2, II BORA
überholt. Mit dem Inkrafttreten des neuen § 7 BORA
werde weit über die vom BVerfG in seiner Entscheidung
dargestellten und vorgegebenenverfassungsrechtlichen Standards sowie
dem damaligen Status quo hinausgegangen.
Das LG wende das
bestehende Recht auch falsch an, wenn es ausführe, dass in der
Sache kein Spezialistentum vorliege. Es verkenne, dass es der Kl.
oblegen hätte, nach §§ 50 BRAO i.V. mit
§ 24 II BORA von ihm (Bekl.)-Auskunft über seine
theoretischen und praktischen Kenntnisse für das –
behauptete – Spezialistentum zu verlangen. Auf diese
Argumentation sei das Gericht überhaupt nicht eingegangen. Bis
heute sei die Kl. auch nicht ihrer Pflicht nachgekommen, darzulegen;
welche Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sein
müssten, um sich ihrer Meinung nach berechtigter Weise als
Spezialist zu bezeichnen. Auch in der Berufungserwiderung der Kl. sei
dies nicht erfolgt.
Das Gericht
hätte auch; bevor es davon ausgegangen sei, dass in der Sache
kein Spezialistentum vorliege, ihm einen entsprechenden Hinweis nach
§ 139 ZPO erteilen müssen. Dann hätte er
noch weitere umfangreiche Nachweise für sein
tatsächlich vorhandenes Spezialistentum vorgelegt.
Auch
berücksichtige das Erstgericht nicht die europarechtlichen
Vorgaben zur Berufsfreiheit. Aus der Entscheidung Mangold/Deutschland
(EuGH vom 22. 11. 05 – C-144/04) ergebe sich, dass das
nationale Gericht ggf. der europarechtlichen Berufsfreiheit
widersprechende nationale Bestimmungen unangewendet zu lassen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Bekl. in der
Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Bekl. beantragt,
1. Das
(Versäumnis-)Urteil des LG Regensburg vom 26. 10. 2006 wird
aufgehoben. 2. Die Sache wird zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Regensburg
zurückverwiesen. Hilfsweise: 3. Die Klage wird
abgewiesen.
Die Kl. beantragt,
Zurückweisung
der Berufung.
Sie stellt nach dem
gerichtlichen Hinweis vom 7. 2. 07 (Bl. 79 d.A.) klar, dass sie
keinesfalls der Ansicht sei, dass sich ein Anwalt nur deshalb nicht als
„Spezialist” auf einen bestimmten Rechtsgebiet
bezeichnen dürfe, weil er bereits über zwei
Fachanwaltschaften verfüge. Bei der Frage, ob die auf seiner
Selbsteinschätzung als „Spezialist”
beruhende Werbung zutreffend sei, sei zu fordern, dass der Anwalt in
dem von ihm angegebenen speziellen Fachgebiet tatsächlich
über Kenntnisse und Erfahrungen verfüge, weiche ihn
weit über den Durchschnitt der Mitbewerber hinaushebe. Die
Vorgaben, die z.B. die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf
für den Begriff „Spezialist” gegebenen
habe, (siehe Bl. 5d, klägerischen Schriftsatzes vom 2. 3. 2007
= BI. 88 d.A.) wolle sie jedoch nicht machen. Denn sie habe im
Wettbewerbsrecht nicht die rechtlichen Möglichkeiten, den
Begriff Versicherungsspezialist in verbindlicher Weise vorzugeben, weil
das letzte Wort in einem Wettbewerbsprozess immer den Gerichten
vorbehalten sei.
Soweit der Bekl. die
Auffassung vertrete, die Kl. müsse vor einer Abmahnung
entsprechend § 56 BRÄO i.V. mit § 24 II BORA
Auskunft fordern; verkenne er, dass die Kl. im Rahmen der Abwehr von
Wettbewerbsverstößen keine Aufgabe i.S. der
§§ 56 BRAO, 24 II BORA wahrnehme. In
Wettbewerbssachen werde die Anwaltskammer gerade nicht in
„Aufsichts- und Beschwerdesachen” tätig,
und zum anderen befasse sich § 56 I BRAO nicht mit
Obliegenheiten der Anwaltskammer, sondern mit Verpflichtungen des
Rechtsanwalts der Kammer gegenüber. Mit seinem Hinweis auf das
Europarecht verkenne der Bekl., dass das Europarecht unlauteres
Werbeverhalten gerade nicht toleriere.
Nach Hinweis des Senats
auf die Ausführungen des Erstgerichts zum Sternchenzusatz
(siehe a.a.O.), hat die Kl. dargestellt, dass sie die Werbung des Bekl.
auch mit dem streitgegenständlichen Sternchenzusatz
für wettbewerbswidrig halte.
Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
B.
Die zulässige
Berufung des Bekl. ist unbegründet.
Der Kl. steht ein
Anspruch darauf zu, dass der Bekl. es unterlässt, sich im
geschäftlichen Verkehr in Wettbewerbssachen mit
„Versicherungsspezialist” zu bezeichnen. Dieser
Anspruch resultiert aus § 8 I, Abs. Nr. 3 i.V. mit §
5 II Nr. 3 UWG (Bezeichnung der
„Befähigung” des Bekl.).
I. Wettbewerbsrechtliche
Ansprüche der Kl.:
1. Von Anfang an hat die
Kl. einen wettbewerbsrechtlichen, auf das UWG gestützten
Unterlassungsanspruch verfolgt. Die früher strittige
Klagebefugnis der Kl. ergibt sich nach der Neufassung des UWG aus
§ 8 III Nr. 2 UWG.
2. Da die Kl. einen
wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend macht, ist sie
nicht an die verfahrensrechtlichen Vorgaben der BORA gebunden. Auf die
oben unter A aufgeführte zutreffende Argumentation der Kl.
wird Bezug genommen.
3. Die Kl. hat in ihrer
Berufungserwiderung nach dem Hinweis des Senats ebenfalls klargestellt,
dass, sie eine Irreführung nach § 5 II Nr. 3 UWG
allein darin sieht, dass der Bekl. die Qualifikation, sich als
Versicherungsspezialist zu bezeichnen tatsächlich nicht
erworben hat. Die Kl. hat damit zugleich klargestellt, dass sie ihren
Unterlassungsanspruch weder auf die in § 7 II BORA
aufgeführte Verwechslungsgefahr noch auf § 43c I Satz
3 BRAO, nämlich die Beschränkung auf zwei
Fachanwaltsbezeichnungen, stützen will.
II. Irreführung
nach § 5 II Nr. 3 UWG:
1. Die Ansicht des
Bekl., dass in einem auf Irreführung des Verbrauchers
gestützten Wettbewerbsprozess die Klagepartei vorzugeben hat,
worin die Irreführung im konkreten Fall, eher der Verwendung
des Begriffes „Versicherungsspezialist” liegen
soll, ist zutreffend. Diese Vorgaben hat die Kl. erfüllt:
Nach dem gerichtlichen
Hinweis, dass sie (Kl.) wiederholt mit einer negativen Definition
argumentiere, hat die Kl. nun klargestellt, dass sie keineswegs bereits
auf Grund des Erwerbs zweier Anwaltsbezeichnungen ohne nähere
Sachprüfung die weitere Qualifikation
„Versicherungsspezialist” verneinen wolle. Die Kl.
hat insbesondere gestützt auf die Vorgaben des BVerfG im Fall
des „Spezialanwalts für Verkehrsrecht”
(siehe oben) folgende Qualifikationsmerkmale genannt, die
erfüllt sein müssen, damit sich ein Rechtsanwalt
befugtermaßen gegenüber den Verbraucher als
Versicherungsspezialist bezeichnen kann:
– der Begriff
Versicherungsspezialist suggeriere dem, rechtsuchendem Publikum mehr
Kompetenz als der Hinweis auf eine Fachanwaltschaft für
Versicherungsrecht (siehe Klage vom 6. 6. 2006 = BI. 4 d.A.).
– der
Versicherungsrechtsspezialist gebe zu erkennen, dass er in der
beworbenen beruflichen Tätigkeit qualitativ weit über
die Mitbewerber – hierzu zählen insbesondere auch
die Fachanwälte für Versicherungsrecht –
herausrage (siehe BI. 5. d. Klageschrift = BI. 4 d.A.). Zur
Begründung, bezieht sich die Kl. auf die Entscheidung des
BVerfG a.a.O. in Absatz Nr. 21 und 22
– der
Verbraucher erwarte von einem Spezialisten, dass er gerade auf seinem
speziellen Rechtsgebiet über herausragende Kenntnisse und
Erfahrungen verfügt, welche ihm ein „Wald- und
Wiesenanwalt” oder auch ein Fachanwalt nicht bieten
könne (siehe BI. 4 der Berufungserwiderung vom 2. 3. 2007 =
BI. 87 d.A.).
Die Kl. hat so eine
positive Definition des Begriffes
„Versicherungsspezialist” gegeben. Derjenige, der
sich als solcher bezeichnet, muss Kenntnisse und Erfahrungen haben, die
über die eines Fachanwalts hinausgehen. Mit dieser Definition
genügt die Kl. den Anforderungen an ihre zivilprozessuale
Darlegungslast in einem Wettbewerbsverfahren.
In ihrer
Berufungserwiderung hat die Kl. nochmals klarstellend dargelegt, dass
der Begriff „Versicherungsrecht” deckungsgleich mit
der Definition in der Fachanwaltsordnung, dort § 14a ist, was
vom Bekl. im Übrigen auch gar nicht in Abrede gestellt wird.
In der Sache ist dies auch zutreffend, nämlich bei der
Verwendung eines rechtlichen Begriffes wie dem des
„Versicherungsrechts” auf die Definition der
rechtsanwaltschaftlichen Fachanwaltsordnung zu rekurrieren.
2. Zutreffend ist auch
der Hinweis der Kl., dass es in einem Wettbewerbsprozess, bei dem es um
die Beurteilung des Einzelfalles eines ganz konkreten
Wettbewerbsverhaltens durch ein Zivilgericht geht und nicht um die
Überprüfung der Vorgaben einer Berufsordnung, es
allein; dem Zivilgericht vorbehalten ist, wettbewerbsrechtliche
Vorgaben nach dem UWG auf eine konkrete Wettbewerbshandlung eines
Rechtsanwalts anzuwenden.
3. Der Senat teilt im
Gegensatz zum Bekl. die Auffassung der Kl., dass die Verwendung des
Begriffes „Spezialist für
Versicherungsrecht” beim Verbraucher eine – noch
höhere Erwartung als die bezogen auf die Bezeichnung
„Fachanwalt für Versicherungsrecht”
hervorruft:
Zu Recht beruft sich die
Kl. dabei auf die Entscheidung des BVerfG, welches unter als Spezialist
auf einem weiteren Rechtsgebiet zu etablieren, verwehrt wird.
Schließlich muss Raum für besonders hoch begabte und
engagierte Rechtsanwälte bleiben, die ähnlich dem
Sprachgenie, welches z.B. fünf Sprachen fließend
beherrscht unter Einsatz aller Kräfte weitere
Qualifikationenerwerben und damit auch werben wollen. Allerdings
besteht auch nach der Neufassung des § 7 I, BORA nach wie vor
ein Definitionsbedarf hinsichtlich der von einem Anwalt
gewählten Selbstbezeichnungen. Spezialist ist etwas anderes
als der Fachanwalt. Denn welche Erwartungen der Verbraucher an einen
solchen stellen darf und kann, ist in der Fachanwaltsordnung
abschließend definiert. Wie der Fachanwaltsordnung zu
entnehmen ist, verlangt diese in ihrem Anforderungsprofil keineswegs
auf allen Spezialgebieten auch Spezialkenntnisse, sondern
begnügt sich mit Grundzügen (siehe § 14a,
Nr. 3 und Nr. 9), dies erst recht auch bei dem Erwerb der besonderen,
praktischen Fähigkeiten, da nach § 5
Fachanwaltsordnung sogar praktische Tätigkeiten auf nur drei
verschiedenen Bereichen der insgesamt neun in § 14a
Fachanwaltsordnung genannten verlangt werden. Von jemand, der sich als
Spezialist auf einem Gebiet der Fachanwaltsordnung bezeichnet, werden
jedoch Spezialkenntnisse auf, theoretischer und praktischer Art in
allen in der Fachanwaltsordnung aufgelisteten Untergebieten erwartet.
Die Entscheidung des
BVerfG, auf die sich die Kl. zur Begründung dieser hohen
Erwartungshaltung des Verbrauchers beruft, hat ihre Gültigkeit
nicht verloren. Vielmehr bestätigt, der vom BVerfG mitgeteilte
Sachverhalt, in dem die Qualifikationsmerkmale eines Spezialisten auf
dem Gebiet des Verkehrsrechts ausführlich geschildert werden,
welche Maßstäbe auch unter Berücksichtigung
des Art. 12 GG angelegt werden dürfen. Diese gehen –
wie der Bekl. im Übrigen selbst einräumt –
über die Anforderungen, an einen Fachanwalt weit hinaus.
4. Den Bekl. trifft
für die Darlegung, dass er diese Erwartungen erfüllt,
die sekundäre Beweislast, da nur er in der Lage ist, den
tatsächlichen Erwerb der oben definierten Qualifikationen
darzulegen. Wie in der mündlichen Verhandlung
ausgeführt, ist diese sekundäre Beweislast im Bereich
des Wettbewerbs eine allseits anerkannte Anforderung an die Form des
substantiierten Bestreitens Im Sinne des § 138 II und 3 ZPO
(siehe z. B. Zöller, ZPO, 26. Aufl., RdNr. 8 b zu 138 ZPO).
Dieser sekundären Darlegungslast ist der Bekl. wie folgt
nachgekommen:
a. durch den Hinweis auf
die erfolgreiche Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang für
Versicherungsrecht mit Abschlussprüfung unter Vorlage des
entsprechenden Teilnahmezertifikats,
b. durch Vorlage von ihm
verfasster Aufsätze (siehe Anlage zum Schriftsatz vom 16. 3.
07),
c. durch Bezugnahme auf
„erstrittene Urteile”,
d. durch Vorlage einer
Liste seines Tätigkeitsbereichs (siehe Anlage zum Schriftsatz
vorn 16. 3. 2007).
Eine Rechtfertigung,
sich als Versicherungsrechtsspezialist bezeichnen zu dürfen,
kann daraus nicht hergeleitet werden
zu a): Wie oben
dargelegt, entspricht die Qualifikation zum Fachanwalt für
Versicherungsrecht gerade nicht derjenigen zum Spezialisten
für Versicherungsrecht.
zu b): Auch durch diese
Aufsätze wird nur ein Ausschnitt aus dem durch die
Fachanwaltsordnung definierten Gebiet des Versicherungsrechts
abgedeckt, ganz anders als beim „Spezialisten dessen
Qualifikation nach dem vom BVerfG (a.a.O.) mitgeteilten Sachverhalt zu
bewerten war.
Zu c): Aus der
Bezugnahme auf die „erstrittenen Urteile” (siehe
Schriftsatz vom 16. 3. 07, BI. 5 oben) ist nicht ersichtlich, dass und
in welchem Umfang spezielle theoretische und praktische Kenntnisse des
Bekl. in die Entscheidungsfindung eingeflossen sind.
d) Der Bekl. hat den
Sachvortrag der Kl. nicht bestritten, dass es sich bei der zum
Schriftsatz vom 18. 9. 2006 vorgelegten Liste, um die identische Liste
handelt, die der Bekl. in einem ebenfalls vor diesem Senat zwischen ihm
und der Kl. geführten Rechtsstreit betreffend die Bezeichnung
„Verkehrsrechtsspezialist” vorgelegt hat. Eine
solche Liste ist dann, aber tatsächlich nicht geeignet,
gleichzeitig noch die Qualifikation zum Spezialisten für
Versicherungsrecht zu begründen. Im Übrigen
heißt es in der eigenen Erläuterung des Bekl.:
Höchst
vorsorglich wird – pars pro toto nur für die Jahre
2001, 2002 im Bereich des Verkehrsstraf- und Zivilrechts –
eine Fallübersicht beigeschlossen, aus welchen sich die
Tätigkeit gegenüber der Rechtsschutzversicherung in
der konkreten Akte bzw. der Kfz-Haftpflichtversicherung belegen
lässt.”
Auch diese eigene
Erläuterung verdeutlicht; dass die gesamt Palette des
§ 14a Fachanwaltsordnung durch diese Liste gerade nicht
abgedeckt wird.
Festzuhalten bleibt,
dass der Bekl. selbst nicht vorgetragen hat in sämtlichen
Sparten des Versicherungsrechts, das zumindest die von der Kl. Im
Schriftsatz vom 2. 3. 2007, Seite 3; aufgeführten Teilbereiche
umfasst, tätig gewesen zu sein und Fertigkeiten erworben zu
haben, die die SeIbsteinschätzung
„Versicherungsrechtsspezialist” rechtfertigen
würden. Sie werden aber vom Verbraucher von einem Rechtsanwalt
als „Spezialisten für Versicherungsrecht”
erwartet. Diese Erwartungen erfüllt der Bekl. nicht, auch wenn
er in einzelnen Bereichen des Versicherungsrechts in der vom Ihm
behaupteten Weise tätig gewesen sein mag.
5. Wie dem Bekl. in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat mitgeteilt geht seine
Rüge, das Erstgericht habe seine Aufklärungspflicht
nach § 139 ZPO vernachlässigt, ins Leere:
Auch wenn die Kl. in
erster Instanz dem Bekl.. Bereits aus formellen Gründen (siebe
oben A) die Befugnis, sich als Spezialist zu bezeichnen zu
dürfen, abgesprochen hat, so hat sie doch bereits in erster
Instanz ihre tatsächlichen Anforderungen an einen Spezialisten
auf dem, Gebiet des Versicherungsrechts dargelegt (siehe oben). Per
Hinweis des Senats vom 7. 2. 07 diente lediglich dazu, eine
Klarstellung herbeizuführen, ob die Kl. weiter an ihrer
„Negativ-Definition” (siehe oben A) festhalten will.
Die Rüge des
Bekl., er hätte; wenn er schon in erster Instanz darauf
hingewiesen worden wäre, dass das Erstgericht auch diese,
sachlichen Anforderungen als nicht erfüllt ansieht, sein
Spezialistentum noch durch weiteren Sachvortrag erhärtet,
greift nicht. Schließlich ist im Berufungsverfahren alles das
berücksichtigt worden, was der Bekl. auch nach Schluss der
mündlichen Verhandlung und im Berufungsverfahren selbst an
Tatsachen für sein, Spezialistentum vorgetragen hat. Und
schließlich ist in der mündlichen Verhandlung von
Seiten des Senats vor Erlass des Urteils unmissverständlich
und klar erläutert worden, welche Anforderungen an einen
Spezialisten zu stellen sind. Weiterer Sachvortrag erfolgte danach aber
von Seiten des Bekl. nicht.
6. Der Einwand des
Bekl., das Ersturteil, welches in der Berufungsinstanz
bestätigt wird, vorstoße im Ergebnis gegen
europarechtliche Vorgaben zur Berufsfreiheit, übersieht, dass
das hier anzuwendende nationale UWG in seiner neuen Fassung
europarechtliche Vorgabe in vollem Umfang umgesetzt hat
(Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl.,
Einleitung, 2.13). Es ist kein Grund ersichtlich, inwiefern diese
Umsetzung europarechtlicher Vorgaben, die aus Gründen des
Verbraucherschutzes und des Schutzes der Mitbewerber geschaffen worden
sind, europarechtlichen Bestimmungen oder Artikel 12 GG widersprechen
sollte. Durch die Entscheidung des BVerfG vom 13. 10. 2005, Az. 1 BVerf
88/05, ist ohnehin unmissverständlich klargestellt, das
Gründe des Gemeinwohls Eingriffe in die Freiheit der
Berufsausübung rechtfertigen. Der Schutz des Verbrauchers, vor
Irreführung und der damit verbundenen Verletzung der
Interessen von Mitbewerbern ist ein solcher hinreichender, in
§ 5 II Nr. 3 UWG gesetzlich normierter Grund.
7. Die für ein
Unterlassungsantrag nach § 8 UWG erforderliche
Wiederholungsgefahr ist gegeben, da sich der Bekl. bereits
tatsächlich zweifach, nämlich im Briefkopf und in den
„Gelben Seiten” als Versicherungsrechtsspezialist
bezeichnet hat. Wie nun ebenfalls von der Kl. auf Grund des
gerichtlichen Hinweises klargestellt, vertritt sie die – auch
vom Senat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich
gebilligte – Ansicht, dass auch der Sternchenzusatz
(„geprüfter Absolvent des Fachanwaltslehrganges
für Versicherungsrecht des Instituts für angewandtes
Recht”) nicht geeignet ist, die Irreführungsgefahr
zu beseitigen. Wie bereits dargelegt, unterliegt, die Verwendung des
Wortes Spezialist dem oben aufgeführten
Verbraucherverständnis mit ganz, bestimmten Erwartungen. Diese
sind nicht erfüllt. Der Bekl. ist, nicht berechtigt, diesen
Begriff nur mittels eines Sternchenzusatzes mit einem ganz anderen
Inhalt auszufüllen, nämlich dass Spezialist schon
derjenige ist, der einen Fachanwaltslehrgang absolviert hat.
Schließlich werden hier nicht Möbel, Brillen oder
Elektrogeräte beworben, bei denen ein gewisser Begriffsverfall
auch im Rahmen des Verbraucherverständnisses zu beobachten
ist, sondern ein Organ der Rechtspflege. Die einmal begründete
Irreführung bleibt somit auch mit einem Sternchenhinweis
bestehen. Eine die Wiederholungsgefahr begründende
Verletzungshandlung liegt damit vor, der Unterlassungsantrag ist dann
aber im vollen Umfang begründet, die Berufung
unbegründet.
8. Die Kosten des
Berufungsverfahrens hat der Bekl. nach § 91 ZPO zu tragen. Die
vom Bekl. behauptete Unzulässigkeit des
Versäumnisurteils erster Instanz hat keine
kostenmäßige Auswirkung. Denn
Versäumniskosten werden nur in dem eng begrenzten und
gesetzlich definierten Fall des § 344 ZPO ausgeschieden.
Dieser liegt nicht vor. Ansonsten bleibt es bei der Regelung des
§ 91 ZPO. Auch der Kostenausspruch des Ersturteils ist
zutreffend.
9. Die Zulassung der
Revision ist nicht veranlasst.
Die
maßgeblichen Fragen sind durch die oben mehrmals zitierten
Entscheidungen des BVerfG (wobei der Entscheidung BVerfG 1188/05 sogar
eine Entscheidung des BGH vorangegangen ist) geklärt. lm
vorliegenden Fall liegt eine Einzelfallentscheidung vor, d.h. die
Subsumtion eines ganz bestimmten Sachverhalts unter einen In seinen
rechtlichen Voraussetzungen bereits geklärten Tatbestand des
UWG.
10. Der Anregung der
Kl., nämlich den Streitwert heraufzusetzen, ist nicht zu
folgen. Schließlich hat die Kl. diesen Streitwert selbst in
der Klage mitgeteilt und keine nachvollziehbaren Gründe
für eine Heraufsetzung mitgeteilt.
Dr. Seidel
Vorsitzender Richter am OLG
Dr. Seidel
Vorsitzender Richter am OLG
Scheib
Richterin am OLG
Ri OLG Prof Dr. Sosnitza ist an der Unterschriftsleistung durch Urlaub
verhindert.