Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat unter
Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Prof. Dr. von
Heintschel-Heinegg sowie des Richters am Oberlandesgericht Dr. Dauster
und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Fischer
wegen
Missbrauchs von Titeln
am 3. März 2010
beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kempten (Allgäu) vom 6. August 2008 aufgehoben. Der Angeklagte
wird freigesprochen.
II. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die
dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 19. Februar 2008 von dem Vorwurf
des Missbrauchs von Titeln freigesprochen. Auf die Berufung der
Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den Angeklagten am 6. August
2008 des unbefugten Führens von Titeln schuldig gesprochen und
hierfür eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen
verhängt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner
Revision, mit der er einen Freispruch erstrebt. Die Revision des
Angeklagten hat Erfolg.
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen
getroffen:
Der 1957 in der Republik Indien geborene Angeklagte ist deutscher und
indischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1985 in Deutschland.
Sein Bundeszentralregisterauszug weist elf Vorverurteilungen wegen
Missbrauchs von Titeln auf. Diesen lag jeweils die Verwendung des
Begriffs „His Majesty Maharaja“ als Namenszusatz
u.a. in an das Landgericht Kempten (Allgäu) und an die Stadt
Kempten (Allgäu) gerichteten Schreiben zugrunde. Die erste
Eintragung datiert vom 5. Oktober 2005, die letzte vom 24. Oktober
2006. Die verhängten Geldstrafen wurden zum Teil zu
Gesamtgeldstrafen zusammengeführt und vom Angeklagten
vollständig im Wege der Ersatzfreiheitsstrafen von 200 und 105
Tagen verbüßt.
Zwischen Dezember 2006 und Juli 2007 fügte der Angeklagte in
zwei an das Amtsgericht Kempten (Allgäu) gerichteten Schreiben
und in neun bei der Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu)
schriftlich erstatteten Strafanzeigen seinem Namen die Bezeichnung
„His Majesty Maharaja“ oder deren
abgekürzte Form „H.M. Maharaja“ hinzu.
Der Begriff „Maharaja“ setzt sich aus den Worten
„maha“ und „raja“ zusammen, die
in der deutschen Übersetzung
„groß“ und
„Fürst“, also Großfürst
bedeuten. Er war zunächst ein erblicher Herrschertitel
für die Regenten der autonomen Fürstenstaaten und
blieb während der Kolonialzeit Indiens in Gebrauch. Der Titel
wurde auch von den britischen Kolonialherrschern verliehen und
knüpfte an die Herrschaft über ein bestimmtes Gebiet
an. Mit der Unabhängigkeit der indischen Union 1947 verloren
die Fürstenstaaten ihre Autonomie. Die Gebietsherrscher
übten ihr Amt nicht mehr aus. Der Titel wurde nicht mehr
vergeben, aber von den Angehörigen der jeweiligen
Fürstenhäuser meist weitergeführt. Anfang
der 70er Jahre schaffte die indische Regierung die vorhandenen Titel
und die damit verbundenen Privilegien ab. Tatsächlich war dem
Angeklagten dieser Titel nicht vererbt und nicht verliehen worden.
Dessen war er sich bewusst, allerdings meint er, sich
„Maharaja“ nennen zu dürfen, weil sein
Name in deutscher Übersetzung
„König“ bedeute,
„König“ aber ein Adelstitel sei.
II. Das Landgericht hat den Tatbestand des § 132a Abs. 1 Nr. 1
StGB in der Variante des unbefugten Führens eines
ausländischen Titels durch das Verwenden eines an eine
bestimmte Gebietsherrschaft geknüpften ausländischen
Herrschertitels für gegeben erachtet. Genau genommen handele
es sich um eine ausländische Amtsbezeichnung für
einen Gebietsherrscher. Auch ehemalige Titel aber unterfielen dem
Straftatbestand, denn deren Abschaffung durch indisches Gesetz bezwecke
nicht, dass nun jedermann den Titel führen könne,
sondern dass niemand diesen Titel mehr führen solle. Es sei
unerheblich, ob das Führen des Titels eine Genehmigung nach
dem Ordensgesetz erfordere oder nicht, denn der Regelungsbereich des
Ordensgesetzes sei ein völlig anderer.
III. Die Revision des Angeklagten ist begründet. Der Gebrauch
des Namenszusatzes „Maharaja“ in Schreiben an das
Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft erfüllt den Tatbestand
des § 132a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB nicht.
Nach § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird bestraft, wer unbefugt in-
oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische
Grade, Titel oder öffentliche Würden führt.
Den dort genannten Amts-, Dienstbezeichnungen, akademischen Graden,
Titeln und öffentlichen Würden stehen solche gleich,
die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind (§ 132a Abs. 2
StGB). Bei „Maharaja“ handelt es sich aber weder um
eine Amtsbezeichnung oder einen Titel noch um
„öffentliche Würden“ noch hat der
Angeklagte das Tatbestandsmerkmal des
„Führens“ erfüllt. Auch der
Bußgeldtatbestand des § 111 OWiG ist nicht gegeben.
1. „Maharaja“ ist keine
„Amtsbezeichnung“ nach § 132a Abs. 1 Nr. 1
StGB. Eine „Amtsbezeichnung“ ist eine
förmlich oder durch einen gesetzlich vorgesehenen Hoheitsakt
festgesetzte Bezeichnung für ein in- oder
ausländisches öffentliches Amt. Der Gesetzgeber hat
hier einen feststehenden Begriff des öffentlichen Dienstrechts
übernommen, der sich auf bestimmte Benennungen bezieht, die
durch Gesetz, vorwiegend durch die Besoldungsordnungen oder durch
gesetzlich legitimierte Hoheitsakte festgesetzt und aus Anlass von
Ernennungen und Beförderungen förmlich verliehen
werden (BGHSt 26, 267, 268, 269; Fischer, StGB 57. Auflage §
132a Rdn. 5, Krauß in LK 12. Auflage § 132a Rdn. 8).
Das Amt, auf das sich die „Amtsbezeichnung“
bezieht, muss als solches noch existieren. Dies ergibt sich aus der
Herkunft des Begriffs aus dem öffentlichen Dienstrecht und aus
dem Schutzzweck der Norm.
a) Zweck der Vorschrift ist der Schutz der Allgemeinheit vor dem
Auftreten von Personen, die durch den unbefugten Gebrauch falscher
Bezeichnungen den Anschein besonderer Funktion, Fähigkeit und
Vertrauenswürdigkeit erwecken (Fischer, aaO § 132a
Rdn. 2). Bei der Beratung der Neufassung des § 132a StGB
(Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch,
BT-Drucks. 7/550 – EGStGB vom 2. März 1974,
verkündet am 9. März 1974 im Bundesgesetzblatt, BGBl
I S. 469 ff) ging die Bundesregierung davon aus, „dass ein
unbefugtes Führen einer Amtsbezeichnung nur dann vorliegt,
wenn es in einer Weise geschieht, die die Interessen der Allgemeinheit
berührt“ (BT-Drucks. 7/550 S. 361). In der
Begründung des Regierungsentwurfs heißt es dazu:
„Geschützt werden also nicht die berechtigten
Inhaber von Amtsbezeichnungen usw. wegen ihrer
´herausgehobenen` Stellung, sondern die Allgemeinheit davor,
dass einzelne von ihnen im Vertrauen darauf, dass eine bestimmte Person
eine bestimmte Stellung hat, Handlungen vornehmen könnten, die
für sie oder andere schädlich sein
können“ (BT-Drucks. 7/550 S. 361). Das Vertrauen der
Allgemeinheit in solche persönlichen Eigenschaften beruht auf
der Annahme, dass der Träger eines bestimmten Titels,
akademischen Grades, einer Berufs- oder Amtsbezeichnung, einer Uniform
oder Amtskleidung die damit üblicherweise verbundenen
Funktionen oder Fähigkeiten besitzt (BGH NJW 1994, 808). Die
Amtsbezeichnung trägt damit im Interesse der
Öffentlichkeit auch zur Durchschaubarkeit des
Verwaltungsbereichs bei. Der Bürger soll erkennen
können, welche Qualifikation und Kompetenz dem Beamten
zukommt, dessen Amtsführung und Entscheidungen er sich
gegenüber sieht. Die „Amtsbezeichnung“
kennzeichnet damit die Stellung, Verantwortung, Befähigung und
z.T. auch die Zuständigkeit des Amtsträgers (BVerfG
NJW 1984, 912, 913; Krauß, aaO § 132a Rdn. 8;
Hohmann in MK § 132a Rdn. 7).
Der Schutzzweck der Vorschrift erfasst also nicht schon „den
rein äußerlichen Missbrauch, durch den sich der
Täter einen falschen Schein gibt“. Darauf hat der
Sonderausschuss des Deutschen Bundestages für die
Strafrechtsreform ausdrücklich hingewiesen (1. Entwurf des
Sonderausschusses des Deutschen Bundestages für die
Strafrechtsreform, BT-Drucks. 7/1261 S. 12).
Demgemäß sieht die herrschende Meinung den Zweck des
§ 132a StGB in erster Linie in dem Schutz der Allgemeinheit,
die gegenüber den Trägern bestimmter
Amtsbezeichnungen anders reagiert und dadurch leichter das Opfer von
Hochstaplern wird (BGHSt 36, 277, 279; BGH in GA 1966, 279; BGH NJW
1994, 808; OLG Köln NJW 2000, 1053, 1054; OLG Dresden NJW
2000, 2519, 2520; OLG Oldenburg NJW 1984, 2231, 2223, 2233; OLG
Stuttgart NJW 1969, 1777, 1778; Krauß, aaO § 132a
Rdn. 2; Cramer in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl.
§ 132a Rdn. 3; Fischer, aaO § 132aRdn. 2, 3;
Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl., § 132a Rdn. 1).
b) Allerdings schützt die Amtsbezeichnung mittelbar auch
staatliche Interessen, also die Autorität von
Behörden und Ämtern sowie die
Funktionsfähigkeit bestimmter Berufsgruppen (Fischer, aaO
§ 132a Rdn. 2). Sie verdeutlicht nach außen die
Bedeutung des Amtes unter Berücksichtigung des Amtsinhalts zur
Unterscheidung von anderen Ämtern und kennzeichnet
gleichzeitig den Inhaber des Amtes dahin, dass dieser auch nach Eignung
und Leistung befähigt ist, ein Amt dieses Inhalts wahrzunehmen
(BVerfG NJW 1984, 912, 913).
Hieraus folgt, dass § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB ein noch
tatsächlich existierendes in- oder ausländisches Amt
und eine sich hierauf beziehende Amtsbezeichnung voraussetzt.
§ 132a Abs. 2 StGB dehnt sodann die Strafdrohung aus, und zwar
nicht auf nicht existierende, jedoch auf Amtsbezeichnungen des
§ 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB ähnliche Bezeichnungen.
Die Bezeichnung „Maharaja“ war nur bis 1947 eine
Amtsbezeichnung, da den damaligen Gebietsherrschern Regierungsaufgaben
über ihre Fürstentümer zukamen. Mit der
Unabhängigkeit der Indischen Union im Jahr 1947 verloren die
Fürstenstaaten ihre Autonomie. Die Gebietsherrscher
übten ihr Amt nicht mehr aus, durften ihre ehemaligen
Herrschaftsbezeichnungen jedoch weiterführen.
c) Da § 132a StGB auch ausländische Titel und
Bezeichnungen erfasst, es aber nicht Aufgabe des Deutschen Strafrechts
ist, ausländische Behörden zu schützen, geht
es letztlich allein um ein Allgemeininteresse an der
Zuverlässigkeit formalisierter Zuschreibung von sozialen
Bedeutungen, Verdiensten und Machtpositionen (Fischer, aaO §
132a Rdn. 2). Ob eine ausländische Bezeichnung Amtsbezeichnung
in diesem Sinne ist, beurteilt sich daher nach dem gleichen
Maßstab, also nach dem deutschen Rechtsverständnis.
d) Die Verwendung einer nicht mehr existierenden Amtsbezeichnung
führt dann zu einer strafrechtlichen Sanktion, wenn sie einer
der in Abs. 1 der Vorschrift genannten Bezeichnungen für ein
noch existierendes Amt zum Verwechseln ähnlich ist (§
132a Abs. 2 StGB). Eine solche Ähnlichkeit besteht, wenn nach
dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau
prüfenden Betrachters eine Verwechslung möglich ist
(BGH GA 1966, 279), wobei bei einer Amtsbezeichnung darauf abzustellen
ist, ob nach der allgemeinen laienhaften Vorstellung von der
Ämterorganisation und deren Trägern der Eindruck
entstehen kann, es handele sich um eine förmliche
Amtsbezeichnung. Erfasst werden somit neben erfundenen Bezeichnungen,
die von dem unvorgebildeten Durchschnittsbürger als echte
Amtsbezeichnungen verstanden werden können und dies nach
Vorstellung und Willen des Trägers auch sollen (BGHSt 26, 267,
269; BGH GA 1966, 279; Krauß, aaO § 132a Rdn. 53,
54), auch solche förmlichen Amtsbezeichnungen, die sich auf
mittlerweile nicht mehr existierende Ämter beziehen, soweit
diese Bezeichnung nach Vorstellung des Täters vom Adressaten
seiner Äußerung als eine von § 132a Abs. 1
Nr. 1 StGB erfasste echte Amtsbezeichnung, also als Bezeichnung
für ein noch existierendes Amt, verstanden werden soll. Daran
fehlt es vorliegend.
2. „Maharaja“ ist auch kein ausländischer
Titel im Sinne von § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB.
In- oder ausländische Titel sind Bezeichnungen, die ohne Amt,
ausschließlich oder jedenfalls vornehmlich zum Zwecke einer
Ehrung nach Maßgabe des Gesetzes über Titel, Orden
und Ehrenzeichen (OrdenG vom 26. Juli 1957, BGBl I S. 844) verliehen
werden oder verliehen worden sind. Ohne Belang ist, ob sie heute noch
verliehen werden können. Gemeint sind Ehrentitel und nicht
Amtsbezeichnungen oder Adelstitel (Krauß, aaO § 132a
Rdn. 32; Fischer, aaO § 132a Rdn. 9; Cramer in
Schönke/Schröder aaO § 132a Rdn. 8).
a) § 132a StGB wurde durch das Gesetz zur Änderung
des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935 (RGBl I S. 839, 843) in das StGB
eingefügt.
Ursprünglich bedrohte der als Übertretung
ausgestaltete § 360 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs für
den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870 das unbefugte Führen
von Uniformen, Amtskleidungen, Amtszeichen, Orden oder Ehrenzeichen,
Titeln, Würden oder Adelsprädikaten sowie die
unbefugte Annahme von Titeln, Würden oder
Adelsprädikaten mit Geldstrafe bis zu 50 Thalern oder mit
Haft. Darüber hinaus sah er eine Strafdrohung für
denjenigen vor, der sich unbefugt eines ihm nicht zukommenden Namens
einem zuständigen Beamten gegenüber bediente.
Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund wurde nach
Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871 unter der
Bezeichnung „Strafgesetzbuch für das Deutsche
Reich“ im Wesentlichen unverändert
übernommen. Unverändert übernommen wurde
insbesondere auch § 360 Nr. 8 (siehe Frank, Das
Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl. 1931, S.
791, 792). Das Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) wurde am 15. Mai 1871
verkündet (RGBl. 1871 S. 127) und trat am 1. Januar 1872 in
Kraft.
Mit der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (RGBl I S.
1383, fortan bezeichnet als Weimarer Reichsverfassung
„WRV“), die in Art. 109 Abs. 1, 2 die Gleichheit
aller Deutschen vor dem Gesetz und dieselben
staatsbürgerlichen Rechte für Männer und
Frauen proklamierte, begann die sog. „ordenslose
Zeit“ (zu Art. 109 siehe Anschütz, Die Verfassung
des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Kommentar für
Wissenschaft und Praxis, 13. Aufl. 1930, S. 459 ff). Art. 109 Abs. 4
WRV bestimmte, dass Titel nur verliehen werden dürfen, wenn
sie ein Amt oder einen Beruf bezeichneten. Abs. 5 verbot die staatliche
Verleihung von Orden und Ehrenzeichen, Abs. 6 untersagte Deutschen die
Annahme von Titeln oder Orden von ausländischen Regierungen.
Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder
des Standes wurden aufgehoben.
Adelsbezeichnungen galten nur noch als Teil des Namens und durften
nicht mehr verliehen werden (
Art. 109 Abs. 3 WRV).
Diese Verbotsnormen der Absätze 4 bis 6 hatten allerdings
keine rückwirkende Kraft. Früher verliehene, also
nach altem Recht gültig erworbene Titel und Orden durften von
den Beliehenen weiter geführt werden; die alten deutschen
Titel und Orden behielten somit ihren strafrechtlichen Schutz nach
§ 360 Nr. 8 RStGB (Anschütz, aaO S. 471; Frank, Das
Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl. 1931, S.
795).
Art. 109 Abs. 4 WRV verdankt seine Entstehung dem Verfassungsausschuss
der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, der sich mit dem
„Titelwesen“ in seinen Sitzungen vom 28. Mai und
16. Juni 1919 bei der Beratung des sog.
„Gleichheitsartikels“ (Art. 109 Abs. 1, 2 WRV)
befasst hat und von dem Bestreben geleitet war, das „gesamte
Titelunwesen“ abzuschaffen. Diese Absicht bezog sich, da
Amts- und Berufsbezeichnungen von dem Verbot der Verleihung
ausdrücklich ausgenommen waren, nur auf die nach Auffassung
der Mehrheit des Verfassungsausschusses lediglich der
„menschlichen Schwäche und Eitelkeit
dienenden“ Ehrentitel, insbesondere solcher zur Auszeichnung
einzelner beamteter oder nicht beamteter Personen (siehe hierzu Entsch.
des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich vom 9. Dezember
1929, RGZ 127, S. 25, 37, 40, 41, 42, 47).
Das verfassungsändernde Gesetz über Titel, Orden und
Ehrenzeichen vom 7. April 1933 (RGBl I S. 180) beendete diese
„ordenslose Zeit“ und bestimmte nun in
§§ 1 bis 4, dass Titel, Orden, Ehrenzeichen und
Auszeichnungen nach Maßgabe dieses Gesetzes und der aufgrund
dieses Gesetzes ergehenden weiteren Vorschriften verliehen werden und
Titel, Orden und Ehrenzeichen ausländischer Regierungen von
Deutschen angenommen werden dürfen. Durch § 6 des
Gesetzes vom 15. Mai 1934 (RGBl I S. 379) wurde das unbefugte
Führen von inländischen oder ausländischen
Amts- oder Dienstbezeichnungen, Titeln oder Würden (auch
solcher der Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts)
und das unbefugte Tragen von inländischen oder
ausländischen Orden oder Ehrenzeichen und von Abzeichen, die
nach ihrer äußeren Form oder Tragweise den in
§ 5 genannten Orden und Ehrenzeichen ähneln, sowie
deren Herstellen, Anbieten, Feilhalten, Verkaufen oder sonstiges in den
Verkehr bringen, unter Strafe gestellt.
Durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches von 28.
Juni 1935 (RGBl I S. 839) wurde schließlich § 132a
in das StGB eingefügt. Nun sollte bestraft werden, wer
unbefugt inländische oder ausländische Uniformen,
Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt.
Das Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen vom 1. Juli 1937
(RGBl I S. 725) setzte sodann das Gesetz über Titel, Orden und
Ehrenzeichen vom 7. April 1933 und das Ergänzungsgesetz vom
15. Mai 1934 außer Kraft. Titel, Orden und Ehrenzeichen
konnten nun nach Maßgabe von § 1 dieses Gesetzes
verliehen werden. Das unbefugte Führen von
inländischen oder ausländischen Amts- oder
Dienstbezeichnungen, Titeln oder Würden wurde in § 6
unter Strafe gestellt. Art. 2 Nr. 20 des 3. StRÄndG vom 4.
August 1953 (BGBl I S. 735, 741) erweiterte den Anwendungsbereich des
§ 132a um Amts- und Dienstbezeichnungen sowie
öffentliche Würden. Durch Art. 18 Nr. 51 EGStGB vom
2. März 1974 (BGBl I S. 469, 482) wurde § 132a erneut
geändert und als umfassender Tatbestand ausgestaltet (vgl.
hierzu Göhler, Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch,
NJW 1974, 825, 832).
Mit dieser Neufassung des § 132a StGB verfolgte der
Gesetzgeber im Wesentlichen zwei Ziele. Zum einen sollten
„vergleichbare Verhaltensweisen, die in zahlreichen
Vorschriften des Nebenrechts mit Strafe bedroht sind, in den Tatbestand
aufgenommen werden, um so zu einer überschaubaren und das
Nebenstrafrecht entlastenden Gesamtregelung zu gelangen“
(BT-Drucks. 7/550 S. 221). Zum anderen wollte er „solche
Verhaltensweisen aus dem strafrechtlichen Bereich ausnehmen, deren
Bewertung als strafwürdiges Unrecht nicht erforderlich und
angemessen ist“ (BT-Drucks. 7/550 S. 221). Die
Bundesregierung ging hier davon aus, „dass eine
Gefährdung der Allgemeinheit davor, dass einzelne von ihnen im
Vertrauen darauf, dass eine bestimmte Person eine bestimmte Stellung
hat, Handlungen vornehmen könnten, die für sie oder
andere schädlich sein können“, zwar durch
unbefugtes Führen einer Amtsbezeichnung gegeben sein kann,
nicht aber durch das unbefugte Tragen eines Ordens oder Ehrenzeichens
hervorgerufen wird (BT-Drucks. 7/550 S. 361). Daher wurde davon
abgesehen, den „Strafschutz auch auf Orden und Ehrenzeichen
zu erstrecken“, und der Straftatbestand in einen
Bußgeldtatbestand umgewandelt (BT-Drucks. 7/550 S. 223, 361).
Der Missbrauch von Orden und Ehrenzeichen ist seitdem lediglich in
§ 15 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen
vom 25. Juli 1957 (OrdenG) als Ordnungswidrigkeit mit
Geldbuße bewehrt. Für den Missbrauch von Ehrentiteln
verblieb es dagegen bei dem Strafschutz, der von § 132a StGB
übernommen wird.
Die Trennung von Amts- und Ehrentiteln hat somit einen langen,
rechtsgeschichtlichen Hintergrund und hat nach wie vor Bestand. Der
Missbrauch von Amtstiteln (Amtsbezeichnungen im Sinne von §
132a StGB) wird nun ebenso wie der Missbrauch von Ehrentiteln (Titeln
iSv § 132a StGB) jeweils von § 132a StGB
sanktioniert, aber nicht mehr durch die jeweiligen Ordensgesetze. Titel
nach § 132a StGB ist daher nur der Ehrentitel. Der Begriff
„Maharaja“ aber war nicht Ehrentitel, sondern ein
ehemaliger indischer Herrschertitel und damit Amtsbezeichnung, weshalb
das Ordensgesetz auch keine Anwendung findet. Nur die Annahme
ausländischer Ehrentitel, die einem deutschen
Staatsangehörigen von einem ausländischen
Staatsoberhaupt oder einer ausländischen Regierung oder von
anderen Stellen außerhalb des Geltungsbereichs dieses
Gesetzes verliehen wurden, und die er zu führen beabsichtigt,
bedarf nach § 5 des Gesetzes über Titel, Orden und
Ehrenzeichen der Genehmigung des Bundespräsidenten.
„Maharaja“ war also nach dem Ordensgesetz nicht
genehmigungspflichtig und daher auch nicht Titel im Sinne von
§ 132a Abs. 1 und Abs. 2 StGB. § 132a Abs. 2 StGB
schützt nur die von Abs. 1 erfassten Titel.
b) Auch in- oder ausländische Adelsbezeichnungen werden von
§ 132a StGB nicht erfasst.
§ 360 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs für den
Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870 bedrohte die unbefugte Annahme von
Adelsprädikaten zunächst mit Strafe. Mit dem
Inkrafttreten der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919
(Weimarer Reichsverfassung – WRV) sind Adelsbezeichnungen nur
noch Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden
(
Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV). Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV gilt nach Art.
123 GG als einfaches Bundesrecht weiter, denn es handelt sich zwar um
Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Deutschen Bundestages, es
widerspricht aber dem Grundgesetz nicht.
Auch die Verfassung des Freistaates Bayern in der Fassung der
Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 bestimmt in Art. 118, dass alle
öffentlich-rechtlichen Vorrechte und Nachteile der Geburt oder
des Standes aufgehoben sind. Adelsbezeichnungen gelten nur als
Bestandteil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.
Titel dürfen nur verliehen werden, wenn sie mit einem Amt oder
einem Beruf in Verbindung stehen. Orden und Ehrenzeichen
dürfen vom Staat nur nach Maßgabe der Gesetze
verliehen werden. Die unbefugte Annahme eines Adelsprädikats
ist daher seit Inkrafttreten der Verfassung des Deutschen Reichs vom
11. August 1919 nicht mehr mit Strafe bedroht, es sei denn sie erfolgt
einem zuständigen Beamten gegenüber (siehe z.B. KG in
GA 71 (1926) S. 139, 140 zu § 360 Nr. 8 StGB und §
111 OWiG).
3. Öffentliche Würden sind auf
öffentlich-rechtlichen Vorschriften beruhende Ehrenstellungen,
die meist in Form der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft
ehrenhalber verliehen werden (Fischer, aaO § 132a Rdn. 10;
Cramer, aaO § 132a Rdn. 9). Auch diese Voraussetzung
erfüllt die Bezeichnung „Maharaja“ nicht.
4. Den Tatbestand des § 132aStGB erfüllt zudem auch
nicht jede unbefugte Inanspruchnahme eines Titels oder einer
Amtsbezeichnung, sondern erforderlich ist ein Verwenden unter solchen
Umständen, dass das durch § 132aStGB
geschützte Rechtsgut gefährdet wird (BGH NJW 1982,
2009, 2010; BayObLGSt 1973, 72, 73; BayObLG NJW 1979, 2359; Fischer,
aaO § 132a Rdn. 21; Cramer, aaO § 132a Rdn. 17;
Krauß, aaO § 132a Rdn. 61; Hohmann, aaO §
132a Rdn. 25 m.w.N.). Was als „Führen“
anzusehen ist, bestimmt sich daher nach dem geschützten
Rechtsgut und hängt von den jeweiligen Umständen des
Einzelfalls ab.
Eine Bezeichnung wird geführt, wenn der Täter sie im
sozialen Leben für sich beansprucht, sei es
öffentlich oder im privaten Verkehr; ein öffentliches
Verwenden gegenüber einer unbestimmten Allgemeinheit ist nicht
erforderlich (Krauß, aaO § 132a Rdn. 61 ff). Die
Tatbestandsmäßigkeit setzt nur voraus, dass die in
der jeweiligen Bezeichnung zum Ausdruck kommende Amts-, Dienst- oder
Berufseigenschaft in einer die geschützten Interessen der
Allgemeinheit – nach Art, Intensität und
Umständen der Verwendung – tangierenden Weise in
Anspruch genommen wird (BGHSt 31, 61, 62; BayObLGSt 1973, 72, 73;
BayObLGSt 1979, 99, 100; OLG Saarbrücken NStZ 1992, 236; OLG
Stuttgart NJW 1969, 1777, 1778) und der Täter eine irgendwie
geartete Einflussnahme erstrebt (Hohmann, aaO § 132a Rdn. 25).
Der in diesem Sinne verstandene Schutzzweck wurde durch das dem
Angeklagten im vorliegenden Strafverfahren zur Last gelegte Verhalten
jedoch aus zwei Gründen nicht berührt. Zum einen hat
der Angeklagte die Bezeichnung lediglich in Schreiben verwendet, die an
das Amtsgericht bzw. die Staatsanwaltschaft gerichtet waren. Von diesen
Adressaten ist jedoch zu erwarten, dass sie die Bezeichnung ihrem
Inhalt nach richtig einordnen können und unabhängig
davon ihre Entscheidung an objektiven, am Gesetz orientierten
Maßstäben ausrichten. Zutreffend hat das Amtsgericht
Kempten (Allgäu) in seinem Urteil vom 19. Februar 2008
dargelegt, dass Staatsanwaltschaft und Amtsgericht über jeden
Verdacht erhaben sind, sich durch die Bezeichnung „His
Majesty Maharaja“ in die vom Schutzbereich der Norm
beschriebene Richtung beeinflussen zu lassen, also dem Angeklagten im
Vertrauen auf eine gewichtige Stellung ein erhöhtes
Maß an Wertschätzung und eine entsprechend
unkritischere Haltung entgegenzubringen. Tatsächlich sind in
dem Zeitraum zwischen dem 15. Oktober 2005 und dem 24. Oktober 2006 und
damit noch vor der dem Angeklagten in den gegenständlichen
Verfahren zur Last gelegten Taten nach Strafbefehlsanträgen
der Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) durch das Amtsgericht
Kempten (Allgäu) elf Verurteilungen wegen Missbrauchs von
Titeln erfolgt. Schon insoweit liegt daher eine dem Schutzzweck des
§ 132a StGB tangierende Irreführung nicht vor. Zudem
fehlt es auch an der subjektiven Seite der erstrebten
„Einflussnahme“.
5. § 111 OWiG bedroht unrichtige Angaben über den
Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, den Ort oder Tag der Geburt, den
Familienstand, Beruf, Wohnort, die Wohnung oder die
Staatsangehörigkeit gegenüber einer
zuständigen Behörde, einem zuständigen
Amtsträger oder einem zuständigen Soldaten der
Bundeswehr mit Geldbuße. Die falsche Namensangabe war
früher in § 360 Abs. 1 Nr. 8 StGB als
Übertretungstatbestand ausgestaltet. Geschütztes
Rechtsgut ist das staatliche Interesse an der
Identitätsfeststellung einer Person und der Kenntnis weiterer
Personenangaben, so dass bei einer Identitätsfeststellung
§ 111 OWiG nicht anzuwenden ist, wenn die
Ordnungsbehörde die für die Durchführung der
jeweiligen staatlichen Aufgaben notwendigen Personalien bereits kennt
oder die Identität der Person nach den Umständen
feststeht (Gürtler in Göhler, OWiG 15. Aufl.
§ 111 Rdn.3; OLG Hamm NJW 1988, 274). § 111 OWiG
dient keinem Selbstzweck, sondern will das staatliche Interesse an
einer zutreffenden Identitätsfeststellung und an der Kenntnis
weiterer Personalangaben zur Erfüllung behördlicher
Aufgaben schützen (Rogall in KK-OWiG 2. Aufl. § 111
Rdn. 4; Gürtler, aaO § 111 Rdn. 2).
Den Justizbehörden in Kempten waren die zutreffenden
Personalien des Angeklagten infolge der vorangegangenen zahlreichen
Strafverfahren bereits bekannt, so dass die falsche Namensangabe durch
Beifügung eines Adelsprädikats, das
gemäß
Art. 109 Abs. 3 WRV Teil des Namens ist, nicht
unter § 111 OWiG fällt.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.