OLG Karlsruhe, OK-Vermerk Fax Zugangsnachweis
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Aktenzeichen: 12 U 65/08 |
Verkündet
am:
30.09.2008
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
OLG Karlsruhe
Im
Namen des Volkes
Urteil
Tenor:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts
Karlsruhe vom 6. März 2008 - 2 O 421/07 - im Kostenpunkt
aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert: Die Klage wird
abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung
kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil
vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die
Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von
Krankenversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.04.2007
bis 31.12.2007 aus einer zum 01.06.2003 genommenen Krankenversicherung.
Der Beklagte
nahm zum 01.01.2007 eine Tätigkeit als Angestellter auf und wurde
dadurch pflichtversichertes Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse.
Er trägt vor, den Versicherungsvertrag durch Telefaxschreiben vom
17.12.2006 unter Hinweis auf seine zum 01.01.2007 eintretende
gesetzliche Krankenversicherungspflicht „mit sofortiger
Wirkung“ gekündigt zu haben. Die Klägerin stellt den
Zugang des Telefaxschreibens in Abrede.
Das Landgericht,
auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil vom
06.03.2008 Bezug genommen wird, soweit sie mit den hier getroffenen
tatsächlichen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, hat der
Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten,
mit der er seinen erstinstanzlich gestellten Klageabweisungsantrag
weiterverfolgt. Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und
verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien in beiden Instanzen
nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der gerichtlichen Verfügungen
und Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben
durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des
Sachverständigen W vom 01.09.2008, auf dessen Inhalt ebenfalls
Bezug genommen wird, und durch Vernehmung der Zeugin H. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des
Sitzungsprotokolls vom 16.09.2008 verwiesen.
II.
Die
zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt
zur Abweisung der Klage. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
1. Der Beklagte
hat den bestehenden Versicherungsvertrag wirksam durch Telefaxschreiben
vom 17.12.2006 gekündigt. Entgegen der Vorinstanz ist der Senat -
sachverständig beraten - davon überzeugt, dass das
Telefaxschreiben vom 17.12.2006 der Klägerin am 18.12.2006 gegen
1.46 Uhr zugegangen ist. Dabei lässt der Senat offen, ob es am
Empfangsgerät der Klägerin zu einem Ausdruck des Schreibens
gekommen ist.
a) Der
Bundesgerichtshof hatte in seiner früheren Rechtsprechung mehrfach
ausgesprochen, dass ein durch Telefax übermittelter Schriftsatz
grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen ist,
in welchem das Telefaxgerät des Gerichts ihn vollständig
ausgedruckt hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93
- NJW 1995, 665 unter II 3 b bb aaa; Beschlüsse vom 4. Mai 1994 -
XII ZB 21/94 - NJW 1994, 2097 unter II 2; vom 19. April 1994 - VI ZB
3/94 - NJW 1994, 1881 unter II 2 a; vom 12. Dezember 1990 - XII ZB
64/90 - VersR 1991, 894 unter 2 b). Diese den technischen Gegebenheiten
der Telekommunikation nicht mehr gerecht werdende Auffassung hat der
Bundesgerichtshof jedoch inzwischen aufgegeben. Für den Eingang
eines per Telefax übermittelten Dokuments stellt er nunmehr auf
den vollständigen Empfang (Speicherung) der gesendeten technischen
Signale im Telefaxgerät des Gerichts ab (BGHZ 167, 214, 219 f.,
223).
b) Es liegt
nicht fern, diese Grundsätze auch auf die Zugangsproblematik im
Privatrechtsverkehr zu übertragen (vgl. BGH, Urteil vom 7.
Dezember 1994 aaO). Dem folgt der Senat zumindest dann, wenn es sich
beim Empfänger wie hier um eine Aktiengesellschaft handelt, die zu
den Kaufleuten zählt (§§ 1, 6 HGB, 3 Abs. 1 AktG).
Zumindest ihnen ist im geschäftlichen Verkehr ein Signalzugang als
Zugang im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls dann
zuzurechnen, wenn wie hier konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein
(ordnungsgemäßer) Ausdruck des Schreibens aus von der
Klägerin nicht zu vertretenden Gründen gescheitert sein
könnte, weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Denn damit ist
das Telefaxschreiben - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen
(vgl. nur Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Auflage 2008, §
130 Rn. 5) - so in ihren Empfangsbereich gelangt, dass sie die
Möglichkeit hatte, vom Inhalt der enthaltenen
Willenserklärung Kenntnis zu nehmen.
c) Die
Überzeugung dafür, dass der Beklagte das
Kündigungsschreiben vom 17.12.2006 an die Klägerin gesendet
hat und die gesendeten technischen Signale am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr
vollständig im Telefaxgerät der Klägerin angekommen
sind, hat der Senat kumulativ anhand der Aussage der Zeugin H, des
„OK“-Vermerks auf dem zugehörigen Sendebericht und den
überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W in
seinem Gutachten vom 01.09.2008 gewonnen.
Die Zeugin H hat
zur Überzeugung des Senats bestätigt, dass der Beklagte das -
in Ablichtung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am
18.12.2007 zur Akte gegebene - Kündigungsschreiben von ihrem
Telefaxanschluss aus versandt hat. Ihr Freund - der Beklagte - sei ein
Nachtarbeiter. Es sei am letzten Sonntag vor Weihnachten 2006 gewesen.
Als sie schon habe zu Bett gehen wollen, habe ihr ihr Freund
erklärt, dass er noch einen Brief an die Krankenversicherung
schreiben müsse. Sie sei dann noch aufgeblieben und habe gesehen,
wie er eine Faxvorlage verfass
Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt
sich auf die §§
708 Nr. 10, 711
ZPO. Die Revision ist gemäß §
543 Abs. 2 Satz 1 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage des
Zugangs eines per Telefax übermittelten Dokuments beim Empfänger zuzulassen.
t
und ausgedruckt habe. Sie habe sich das kurz angesehen und gemeint,
dass das so sicher in Ordnung gehe. Sie sei dann zwar nicht daneben
gestanden, als ihr Freund das Telefaxgerät bedient habe, sondern
habe sich für das Bett fertig gemacht. Als ihr Freund dann auch
ins Bett gekommen sei, habe er ihr jedoch erklärt, dass die
Faxübertragung geklappt und er sich auch einen Sendebericht
ausgedruckt habe. Der Senat hält diese Angaben für wahr.
Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin haben sich nicht ergeben.
Das Vorliegen
eines „OK“-Vermerks im Sendebericht belegt das
Zustandekommen der Verbindung (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1995 - II
ZB 6/95 - MDR 1996, 99 (Leitsatz 2) und in juris unter Tz. 8).
Infolgedessen steht aufgrund des vom Beklagten vorgelegten
Sendeprotokolls fest, dass zwischen dem von ihm benutzten
Telefaxgerät der Zeugin H und dem von ihm angewählten
Telefaxgerät der Klägerin am 18.12.2006 zwischen 1.45 Uhr und
1.46 Uhr eine Leitungsverbindung bestanden hat.
Die
Wahrscheinlichkeit, dass die Übermittlung der Telefaxnachricht
trotz Vorliegens eines Sendeberichts mit „OK“-Vermerk an
Leitungsstörungen, die zum Abbruch der Verbindung geführt
haben könnten und die nach dem Grundgedanken des § 120 BGB in
den Risikobereich des Beklagten gefallen wären (vgl. OLG
Brandenburg, Urteil vom 05.03.2008 - 4 U 132/07 - veröffentlicht
in juris - unter Tz. 22), gescheitert sein könnte, bewertet der
Sachverständige W mit 0%. Diesem eindeutigen Ergebnis
schließt sich der Senat an. Aufgrund des Ablaufs der
Kommunikation bei den hier verwendeten Geräten kann bei einem
„OK“-Vermerk generell davon ausgegangen werden, dass die
Faxübertragung im Speicher des empfangenden Geräts angekommen
ist. In Anbetracht dessen, dass die vom Sachverständigen
realitätsgerecht nachgestellte Übertragung des
Kündigungsschreibens vom 17.12.2006 per Telefax nach einer
Übertragungsdauer von 38 Sekunden erfolgreich abgeschlossen war
und der Übertragungsvorgang nach dem vom Beklagten vorgelegten
Sendebericht 39 Sekunden gedauert hat, hat der Senat keinen Zweifel,
dass die Seite nicht nur „mindestens in großen
Teilen“, sondern vollständig in das Empfangsgerät der
Klägerin übertragen wurde und nach § 130 Abs. 1 Satz 1
BGB zugegangen ist.
Welche Bedeutung
einem Empfangsjournal hier gegebenenfalls zugekommen wäre (vgl.
BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 aaO unter II 3 c), konnte der Senat
nicht prüfen, weil die Klägerin Telefaxeingänge nicht
dokumentiert bzw. archiviert.
2. Durch die
Kündigung vom 17.12.2006 ist ein (etwaiger) Prämienanspruch
der Klägerin mit Wirkung vom 01.01.2007, dem Tag des Eintritts der
gesetzlichen Krankenversicherungspflicht des Beklagten, nach den
§§ 178h Abs. 2 Sätze 1 und 2, 178o VVG a.F. entfallen
(vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2004 - IV ZR 214/03 - VersR 2005, 66
vor 1 und unter 2 d). Der Klägerin stehen daher für den
Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2007
Krankenversicherungsbeiträge nicht zu.
III.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch
über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf
die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist gemäß
§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung
der Frage des Zugangs eines per Telefax übermittelten Dokuments
beim Empfänger zuzulassen.