Oberlandesgericht Hamm Urteil 4 U 100/11, Kanzlei DEKRA-Siegel Zertifizierung ISO 9001
zurück
Aktenzeichen: 4 U 100/11 |
31.01.2012
|
Oberlandesgericht
Hamm
Urteil
Im
Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
........................................
-
Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
gegen
........................................
- Beklagte
und Berufungsklägerin -
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die
mündliche Verhandlung vom ... 2008 durch die Richter ...
für Recht erkannt:
Die
Berufung der Beklagten gegen das am 27. April 2011 verkündete
Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen
wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die
Beklagte verurteilt wird, unter Androhung der gesetzlichen
Ordnungsmittel es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
auf Briefbögen und/oder Kanzleischildern das
DEKRA-Prüfsiegel zusammen mit der Aussage
„DEKRA-zertifiziert, Qualitätsmanagement, wir sind
zertifiziert“ so zu verwenden, wie es aus der Ablichtung des
anliegenden Briefbogens ersichtlich wird.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der
Kläger 35 % und die Beklagte 65 %.
Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der
Kläger 25 % und die Beklagte 75 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des
Klägers durch Sicherheitsleistung von 60.000,- €
abzuwenden, falls nicht zuvor der Kläger Sicherheit in dieser
Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Parteien betreiben Anwaltskanzleien in N2. Sowohl der
Kläger als auch der Gesellschafter Dr. N der Beklagten sind im
Medizinrecht tätig.
Die Beklagte verwendete jedenfalls am 18. Februar 2010 auf ihren
Briefbögen im unteren Bereich links neben einem Hinweis auf
ihre Apraxa-Zugehörigkeit ein DEKRA-Siegel über eine
Zertifizierung ihres Qualitätsmanagements nach DIN EN ISO
9001:2000. Neben dem Siegel war vermerkt:
"Qualitätsmanagement. Wir sind zertifiziert.
Regelmäßige freiwillige Überwachung nach
ISO 9001:2000". Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den zum
Gegenstand des Unterlassungsantrags gemachten Briefbogen der Beklagten
vom 18. Februar 2010 (Bl.8, 9) Bezug genommen. Das DEKRA-Siegel mit dem
Zusatz verwendete die Beklagte auch auf ihren Kanzleischildern oberhalb
des Eingangs zur Kanzlei und rechts neben dem Hauseingang. Mit
Schriftsatz vom 14. März 2011 teilte die Beklagte mit, dass
sie in Zusammenhang mit dem Siegel nicht mehr auf die ISO 9001:2000
hinweise. Stattdessen wurde nunmehr auf die ISO 9001:2008 Bezug
genommen. Mittlerweile verwendet die Beklagte nicht mehr das
DEKRA-Siegel, sondern ein TÜV CERT Siegel auf ihren
Briefbögen (Anlage BB 2 Bl.214).
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 1.
März 2010 wegen der Verwendung des DEKRA-Siegels ab. Die
Beklagte wies den geltend gemachten Unterlassungsanspruch
zurück. Der Kläger machte den Anspruch
zunächst in einem Verfügungsverfahren (42 O 24 / 10)
geltend und nahm dann wegen Terminsproblemen den
Verfügungsantrag zurück. Mit der am 21. April 2010
eingegangenen und am 17. Juni 2010 zugestellten Klage hat der
Kläger von der Beklagten verlangt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr und/oder mit
Werbemaßnahmen, insbesondere auf Briefbögen und/oder
Kanzleischildern das DEKRA-Prüfsiegel mit dem
maßgeblichen Inhalt "DEKRA-zertifiziert,
Qualitätsmanagement, wir sind zertifiziert" -wie aus der
Ablichtung des Briefbogens der Beklagten vom 18.02.2010 (Bl.8)
ersichtlich- zu verwenden.
Die Unterlassung sollte gemäß dem Hauptantrag bei
Meidung einer an den Kläger zu zahlenden Vertragsstrafe bis zu
250.000,-- €, mindestens jedoch 5.000,01 € erfolgen
und hilfsweise bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel.
Der Kläger hat gemeint, die Verwendung des Siegels sei
irreführend, da sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen den
falschen Eindruck erwecke, die Anwälte der Beklagten seien als
zertifizierte Anwälte besonders qualifiziert. Er hat auf
Urteile der Landgerichte Köln und Berlin aus dem Jahre 1999
verwiesen, in denen die Gerichte die Verwendung eines fachlichen
Prüfsiegels der DEKRA für Rechtsanwälte als
unzulässige irreführende Werbung angesehen
hätten. Zwar sei das streitgegenständliche
DEKRA-Siegel nunmehr anders gestaltet und auf das
Qualitätsmanagement nach der DIN EN ISO 9001 (in Zukunft ISO
9001) bezogen. Es sei aber nach wie vor zur Irreführung des
Verkehrs über die berufliche Qualifikation der
Anwälte geeignet, auf die es dem Verkehr auch entscheidend
ankomme. Dieser könnte aus seiner maßgeblichen Sicht
ein solches Qualitätssiegel der DEKRA in dieser
Präsentation für gleichwertig mit einem
Fachanwaltstitel halten. Das gelte insbesondere auch deshalb, weil das
Siegel mit dem zuvor verwandten unzulässigen DEKRA-Siegel
verwechselt werden könne. Der Mandant glaube, dass
für ihn eine besondere Leistung erbracht werde. Die
tatsächlichen Gegenstände der Bewertung wie etwa die
Organisation des Büros und die Kundenzufriedenheit
hätten aber mit dem anwaltlichen Beruf und der Art von dessen
fachlicher Beratung nichts zu tun.
Es komme hinzu, dass das Siegel sittenwidrig und auf strafbare Weise
durch die Verletzung der Schweigepflicht der Rechtsanwälte
erlangt worden sei und schon deshalb keine Verwendung finden
dürfe.
Der Kläger hat ferner gemeint, die Irreführung durch
das Siegel ergebe sich auch daraus, dass die Grundsätze der
DEKRA im Rahmen der Beurteilung des Qualitätsmanagements nach
der ISO 9001 nicht eingehalten worden seien. Insoweit hat er
bestritten, dass die Beklagte die geforderten Grundsätze
einhalte und dass dies durch die DEKRA überhaupt oder
regelmäßig überprüft worden sei.
Dagegen spreche, dass zunächst das veraltete auf die ISO
9001:2000 bezogene Siegel verwandt worden sei und erst viel
später die neuere ISO 9001:2008 in Bezug genommen worden sei.
Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt. Sie hat gemeint, die
Verwendung des von der Ausrichtung her völlig anderen
DEKRA-Siegels als das, welches den Entscheidungen der Landgerichte
Köln und Berlin zugrunde gelegen hat, sei nicht
irreführend. Das Siegel ISO 9001:2008 habe sie damals zu Recht
verwendet. Das Qualitätsmanagement-System der DEKRA
könne im Hinblick auf die Zertifizierung in Untergruppen
eingeteilt werden. Eine Untergruppe habe die Zertifizierung von
Anwälten nach ihrem fachlichen Wissen betroffen, mit der die
DEKRA vor den Gerichten gescheitert sei. Eine ganz andere Untergruppe
betreffe weiter die Zertifizierung von Organisationen und
Prozessabläufen in den jeweiligen Anwaltsbüros.
Ausschließlich um diese Zertifizierung mit ihren Aussagen zur
Qualität der Kanzleiorganisation und Kundenfreundlichkeit gehe
es ersichtlich hier. Die ISO 9001:2008 führe
Qualitätsstandards ein, die die kanzleiinternen
Abläufe prüfe, verbessere und ständig
überwache. Die Zertifizierung habe auch nicht zu einer
Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht geführt,
weil die Mandanten der erforderlichen Untersuchung
ausdrücklich zugestimmt hätten. Es sei jedenfalls
auch von einer konkludenten oder vermuteten Einwilligung auszugehen.
Gerade diese Art der Zertifizierung werde auch für die
Mitgliedschaft in der APRAXA, einer Genossenschaft von
Anwälten vorausgesetzt. Die Verwendung von Logos zu bestimmten
Qualitätsstandards sei den angesprochenen Verkehrskreisen
geläufig und könnte sie deshalb nicht verunsichern.
Die Beklagte hat sich insoweit auf eine Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts bezogen, in der einem Zahnarzt die Verwendung
von solchen Logos gestattet worden sei, die über den
Kontrolleur nur kurz informierten, wenn der interessierte Verkehr mit
leicht zugänglichen sonstigen Mitteln weitere Informationen
zum verwendeten Logo und dem geprüften
Qualitätsstandard erhalten könnte.
Das Landgericht hat die Klage nach dem Hilfsantrag zugesprochen. Es hat
zunächst ausgeführt, warum der Hauptantrag mit der
Androhung einer Vertragsstrafe nicht begründet gewesen sei.
Dem Kläger stünde aber unter Androhung der
gesetzlichen Ordnungsmittel ein Anspruch auf Unterlassung der Werbung
mit der DEKRA-Zertifizierung in der beanstandeten Form,
nämlich der Verwendung des konkreten Siegels auf die konkrete
Weise, zu. Zwar bestünden für Anwälte aus
berufsrechtlichen Gründen wohl keine grundsätzlichen
Hindernisse dafür, mit einer Zertifizierung nach ISO 9001 zu
werben. Voraussetzung dafür seien aber zum einen eine auf den
Ablauf einer Anwaltskanzlei abgestimmte Überprüfung,
zum anderen ein unmissverständlicher Hinweis darauf, was
Gegenstand der Überprüfung gewesen sei. An einem
solchen Hinweis fehle es aber bei der Verwendung des Siegels mit der
Aufschrift "Qualitätsmanagement -wir sind zertifiziert" und
dem Hinweis auf die ISO 9001, so dass sich sowohl beim Abdruck auf dem
Briefpapier als auch auf dem Kanzleischild die Gefahr einer
Irreführung des angesprochenen Verkehrs ergebe.
Dem breiten Publikum, das hier angesprochen werde, sei der
Prüfungsumfang einer Zertifizierung nach der ISO 9001 ebenso
wenig geläufig wie die Bedeutung des Fachbegriffes des
Qualitätsmanagements. Im Vordergrund der Wahrnehmung stehe bei
diesem das Emblem der DEKRA als Gütesiegel und der Hinweis
"Wir sind zertifiziert". Das begründe die greifbare Gefahr
einer Fehlvorstellung dahin, dass sich die Zertifizierung auch auf die
anwaltliche Qualifikation beziehe. Diese Fehlvorstellung sei auch
relevant, weil vieles dafür spreche, dass ein Mandant auf der
Suche nach einem geeigneten Anwalt einen solchen bevorzuge, der mit dem
Prüfsiegel der DEKRA für seine Qualifikation werbe.
Der Tatbestand einer irreführenden Werbung sei hier auch nicht
aufgrund der erforderlichen Interessenabwägung zu verneinen.
Es sei nämlich gut denkbar, dass der Hinweis auf eine
Zertifizierung nach ISO 9001 sehr viel aussagekräftiger
erfolgen könne. Außerdem stelle eine solche Werbung
auch gerade nicht die nach § 43b BRAGO gebotene sachliche
Werbung dar.
Die Wiederholungsgefahr sei nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte
kein Briefbogen mehr mit dem DEKRA-Siegel ISO 9001:2000 verwende. Das
alte Siegel finde sich weiter auf dem Kanzleischild. Außerdem
stelle die Verwendung des gleichen Siegels, auch wenn es nun auf die
ISO 9001:2008 abstelle, eine kerngleiche Verletzungshandlung dar.
Die Beklagte greift das Urteil mit der Berufung an. Sie rügt
zunächst unter auszugsweiser Bezugnahme auf den
TÜV-Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs, dass hier eine
unzulässige alternative Klagehäufung durch den
Kläger vorgelegen habe. Der Kläger habe den Antrag,
eine bestimmte Werbung unter Verwendung eines Siegels zu verbieten,
mehrfach alternativ begründet, ohne eine Reihenfolge
anzugeben, in der die Klagegründe geprüft werden
sollten. So habe beispielsweise auf der einen Seite der falsche
Eindruck einer fachlichen Qualifikation der Anwälte erweckt
werden sollen und auf der anderen Seite das geforderte
Qualitätsmanagementsystem der Unabhängigkeit des
Anwalts widersprechen sollen. Es sei aufgrund der vielfältigen
Klagegründe nicht möglich, sich
ordnungsgemäß zu verteidigen oder klar zu erkennen,
auf welche Weise sie dem Verbotstitel genügen müsse.
Außerdem komme noch hinzu, dass das Verbot
widersprüchlich sei, weil es zum einen ein Schlechthinverbot
für alle Werbemaßnahmen enthalte und zum anderen auf
eine konkrete Verletzungsform abstelle, die die Verwendung des Siegels
auf einem Briefbogen zum Gegenstand habe.
Die Beklagte erhebt erstmals die Einrede der Verjährung. Dazu
trägt sie vor, der Kläger habe bereits seit dem 4.
Mai 2009 und danach auch durch weitere Schriftsätze aus Mai
und Juni 2009 Kenntnis davon gehabt, dass die Beklagte auf ihren
Schreiben an und für die Mandanten das fragliche DEKRA-Siegel
verwendet habe. Zum Zeitpunkt der Abmahnung vom 1. März 2010
sei deshalb schon Verjährung eingetreten. Jedenfalls
hätte die Beklagte angesichts der sonstigen ständigen
Streitigkeiten zwischen den Parteien zu diesem Zeitpunkt darauf
vertrauen können, dass ihr öffentlicher Auftritt aus
Sicht des Klägers keine weiteren zu beanstandenden Elemente
mehr enthalten würde.
In der Sache rügt die Beklagte, dass das Landgericht die
beanstandete Werbung nicht in ihrer Gesamtheit gewürdigt habe.
Das Landgericht habe die Aussagen "ISO 9001:2000", "DEKRA zertifiziert"
und "Regelmäßige freiwillige Überwachung
nach ISO 9001:2000" nicht mitberücksichtigt. Insbesondere die
letzte Aussage könnte von den angesprochenen Verkehrskreisen
nur so verstanden werden, dass die Zertifizierung die Organisation der
Anwaltskanzlei und nicht die fachliche Qualität der
Anwälte betreffe. Deren fachliche Qualität
könne nicht überwacht, sondern nur geprüft
werden. Von erheblicher Bedeutung sei es auch, an welcher Stelle des
Briefbogens sich das DEKRA-Siegel befinde. Es sei dort im unteren
Bereich abgedruckt und stehe in keiner Verbindung zu den einzelnen
Anwälten, die auf der rechten Seite aufgezählt worden
seien. Da es an einem Personenbezug zu dem Siegel fehle, könne
es nur so verstanden werden, dass es sich auf die Anwaltskanzlei als
solche und deren Organisation beziehe. Dem entspreche auch die
Darstellung des Apraxa-Symbols neben dem Siegel, dem die angesprochenen
Verkehrskreise entnähmen, dass insoweit auf eine weitere
Organisation Bezug genommen werden sollte. Somit häuften sich
aus ihrer Sicht am unteren Rand des Briefbogens Angaben, die allgemein
die Kanzlei beträfen. Die Beklagte weist insoweit noch einmal
ausdrücklich auf das neue Verbraucherleitbild hin, auf das das
Landgericht ersichtlich noch nicht abgestellt habe. Lege man den
durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher
zugrunde, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit
entgegen bringe, so hätte dieser angesichts der
streitgegenständlichen Werbung keiner zusätzlichen
Aufklärung mehr bedurft. Ein solcher Verbraucher wisse
jedenfalls mit dem seit über 25 Jahren international und auch
in Deutschland verbreiteten Begriff des
"Qualitätsmanagementsystems" etwas anzufangen. Ein hoher
Anteil der Bevölkerung habe damit berufsbedingt bereits
Erfahrungen gesammelt und danach dazu beigetragen, den Begriff auch der
restlichen Bevölkerung bekannt zu machen. Dieser Teil der
Verbraucher wisse dann auch, dass beim Qualitätsmanagement
systembedingt keine Aussagen über fachliche
Qualitäten in Betracht kämen.
Die Beklagte meint, im Hinblick auf die Darstellung des Siegels auf
ihren Kanzleischildern fehle es an einer ausreichenden Darstellung der
Verletzungsform, so dass nicht klar sei, inwieweit auch bei dieser
Darstellung ein ausreichend konkreter Hinweis fehle. Es seien ohne
Weiteres auch Werbeformen denkbar, in denen sich deutliche
Bezüge auf die Kanzleiorganisation herstellen ließen.
Die Beklagte weist erneut auf eine vom angefochtenen Urteil abweichende
Rechtsprechung hin, insbesondere auf die Entscheidung des Landgerichts
Detmold vom 14. September 1999, in der die Werbung mit dem Slogan
"Diese Kanzleien sind nach DIN ISO 9001 zertifiziert für
anwaltliches Dienstleistungs- und Kanzleimanagement" für
zulässig erachtet worden sei. Sie wiederholt den Hinweis auf
die bereits in Bezug genommene Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts.
Mit näheren Ausführungen macht die Beklagte
schließlich noch deutlich, dass sich das Landgericht nicht
ausreichend deutlich mit den zur Abwägung bereit stehenden
grundrechtlich geschützten Rechtsgütern der
Beklagten, insbesondere der durch das Verbot eingeschränkten
Werbefreiheit, auseinandergesetzt habe. Sie bezieht sich insoweit im
Hinblick auf die erforderliche Abwägung der Interessen auf
eine Entscheidung des Kammergerichts (GRUR-RR 2010,437).
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er meint, dass die Beklagte die
Einrede der Verjährung verspätet erhoben und auch die
Tatsachen, auf die die Einrede gestützt werde,
verspätet vorgetragen habe. Vorsorglich weist er darauf hin,
dass er vor der Antragstellung keine Kenntnis von den
anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt habe. Das habe sich in
einem Strafverfahren im Anschluss an das Verfügungsverfahren
herausgestellt. Außerdem habe es sich bei der
gerügten Verletzungshandlung um eine dauerhafte, quasi
täglich neu auftretende Verletzungshandlung gehandelt. Bereits
das stehe einer Verjährung entgegen. Durch die Erstattung der
Strafanzeige habe die Beklagte auch das Recht zur Erhebung der Einrede
der Verjährung ohnehin verwirkt.
Der Klageantrag sei auch nicht unzulässig, weil keine
unterschiedlichen Streitgegenstände vorlägen. Es gehe
allein um die Unterlassung der Verwendung des
DEKRA-Prüfsiegels. Unschädlich sei es, dass er
diverse Gründe aufgeführt habe, aus denen sich die
Wettbewerbswidrigkeit der entsprechenden Verwendung ergebe. Antrag und
Urteilstenor seien unmissverständlich in dem Sinne, dass die
Beklagte die Verwendung des DEKRA-Siegels gleich in welcher Weise und
auf welchem Werbeträger zu unterlassen habe. Sie
dürfe es insbesondere auch in einer Kanzleibroschüre
oder auf einer Webseite nicht verwenden. Selbst mit einem weiteren
Hinweis wäre die Verwendung unzulässig. Das wisse die
Beklagte auch genau. Der Aussage "regelmäßige
freiwillige Überwachung nach ISO 9001:2000" komme nicht die
Bedeutung zu, die ihr die Beklagte beilegen wolle. Die angesprochenen
Verkehrskreise würden nicht zwischen "Überwachung"
und "Prüfung" unterscheiden. Selbst wenn jemand bei der
Erlangung der Berechtigung zur Führung der Bezeichnung
"Fachanwalt" zunächst eine Prüfung abzulegen habe,
werde er anschließend seitens der Anwaltskammer
überwacht. Die Ausführungen der Beklagten zur
Platzierung des Logos überzeugten gleichfalls nicht. Das Logo
der Beklagten sei dem Briefbogen zentral vorangestellt und habe die
gleiche Größe wie das DEKRA-Siegel neben dem Logo
der APRAXA. Am rechten Rand seien die Rechtsanwälte lediglich
ein zweites Mal namentlich erwähnt. Der angesprochene Verkehr
mache sich auch nicht die Gedanken der Beklagten. Man sehe das
DEKRA-Siegel und schließe auf eine besondere
Qualität der Rechtsanwälte. Zu dieser
Qualität komme dann nach dem Verständnis des Verkehrs
noch die Mitgliedschaft in der APRAXA hinzu. Der durchschnittlich
informierte Verbraucher verfolge nicht jede Werbeaussage bis ins
Letzte. Auch der Hinweis im APRAXA-Logo ziele im Übrigen auf
die Person des Rechtsanwalts. Er, der Kläger, habe im Hinblick
auf das Praxisschild auch genau vorgetragen, wo es sich befinde und wie
es aussehe.
Der Kläger weist zusätzlich darauf hin, dass der
interessierte Verbraucher seit Jahren damit konfrontiert werde, dass
die Rechtsanwälte sich in Form von Fachanwälten
spezialisieren können.
Zunächst sei eine Zertifizierung der fachlichen Qualifikation
der Anwälte im Rang unterhalb des Fachanwalts gerade auch
durch die DEKRA angestrebt worden. Das habe dazu geführt, dass
die Wahrnehmung einer besonderen Qualifikation in der
Öffentlichkeit sich auf die Person des Rechtsanwaltes
erstreckte. Kein Rechtssuchender sei wirklich daran interessiert, wie
der Betrieb des Rechtsanwaltes organisiert sei. Gerade auch im Hinblick
auf das Qualitätsmanagement sei eine Anwaltskanzlei nicht mit
einem beliebigen anderen Wirtschaftsunternehmen zu vergleichen. Dabei
gehe es um das Management, unter dem auch die Tätigkeit eines
Managers als die ein Unternehmen leitende Person verstanden werde.
Der seinerzeit vom Landgericht Detmold entschiedene Fall sei schon
deshalb nicht mit dem hiesigen Fall vergleichbar, weil es dort um einen
Slogan gegangen sei und es hier um ein Siegel gehe, das einen
hoheitlichen Charakter vorgebe und eine ganz andere Werbewirkung habe.
Mit näheren Ausführungen legt der Kläger
dar, warum auch die anderen angesprochenen Entscheidungen den
vorliegenden Fall nicht treffen würden. Die
Einschränkung der anwaltlichen Werbung sei hier aus
ausreichenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt,
nämlich denen des Zugangs zum Recht und des lauteren
Wettbewerbs.
Die Beklagte hat mit weiterem Schriftsatz vom 30. November 2011 darauf
hingewiesen, dass sie nunmehr durch den TÜV Rheinland
zertifiziert werde und deshalb auch das DEKRA-Siegel nicht mehr
verwende. Im Begleittext heiße es nun:
"Büroorganisation zertifiziert durch". Die Beklagte verweist
insoweit auf einen aktuellen Briefbogen vom 29.11.2011, den sie als
Anlage BB 2 vorlegt.
II.
Die Berufung ist unbegründet, nachdem der Kläger die
konkrete Verletzungshandlung zum Gegenstand des Verbots gemacht und
damit seinen Antrag eingeschränkt hat.
1) Zum Klageziel und zur Antragstellung ist noch einmal darauf
hinzuweisen, dass Verbotsgegenstand des Unterlassungsanspruchs des
Klägers die Verwendung des DEKRA-Siegels auf
Briefbögen und/oder Kanzleischildern mit dem
maßgeblichen Inhalt "DEKRA-zertifiziert,
Qualitätsmanagement, wir sind zertifiziert" -war und dass als
konkrete Verletzungshandlung diese Verwendung auf einem Briefbogen vom
18. Februar 2010 in den Antrag einbezogen worden ist. Der
Kläger hat die in der Verwendung gesehene
irreführende geschäftliche Handlung der Beklagten
zunächst auf verschiedene alternativ mitgeteilte
Klagegründe gestützt. Insoweit handelte es sich nach
der bisherigen Auffassung des BGH (GRUR 2007, 161
-dentalästhetica II) und des Senats nach wie vor um
verschiedene Streitgegenstände und damit um eine alternative
Klagehäufung. Nach den TÜV-Entscheidungen des BGH ist
nunmehr klar, dass dem Landgericht nicht überlassen werde
durfte, sich einen vorrangigen Klagegrund herauszusuchen, um das Verbot
auszusprechen. Der Kläger hätte damals dartun
müssen, in welcher Reihenfolge er welchen der auf eine jeweils
andere Art der Irreführung gestützten
Klagegründe zur Begründung des begehrten Verbots
heranziehen wollte. Daran fehlte es.
2) Das Landgericht hat aber eine Irreführungsgefahr zuletzt
allein daraus hergeleitet, dass das DEKRA-Siegel in der konkreten
Verletzungsform ohne unmissverständlichen Hinweis darauf
verwendet worden ist, was Gegenstand der Überprüfung
gewesen ist, nämlich das anwaltliche
Qualitätsmanagement nach der ISO 9001. Der Verkehr
könne die Werbung mit dem konkreten Siegel auf die konkrete
Weise dann so verstehen, dass sich diese auch auf die anwaltliche
Qualifikation bezieht. Diese Fehlvorstellung könne er
insbesondere dem Gütesiegel der DEKRA und der Aussage "wir
sind zertifiziert" entnehmen.
Dieses auf eine bestimmte Fehlvorstellung des Verkehrs und damit auf
einen bestimmten Klagegrund beschränkte Verbot verteidigt der
Kläger im Berufungsverfahren. Damit ist allein diese Form der
Irreführung Gegenstand des Berufungsverfahrens. Dem hat der
Kläger durch eine weitergehende Klarstellung seines Antrages
und damit des ausgesprochenen Verbots Rechnung getragen. Es ist
insbesondere nicht (mehr) Streitgegenstand, ob die Beklagte mit der
Verwendung des Siegels auch zu Unrecht den Eindruck erweckt hat, sie
sei von der DEKRA ordnungsgemäß
überprüft und zertifiziert worden. Es bedarf deshalb
jetzt auch keiner weiteren Erklärungen des Klägers
zur Reihenfolge der zur Begründung des Verbots herangezogenen
Klagegründe mehr.
3) Dieses auf den nunmehr eindeutigen Klagegrund gestützte und
ausgeurteilte Verbot ist nach der erfolgten Klarstellung des
mehrdeutigen Inhalts auch bestimmt genug im Sinne des § 253
Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist berücksichtigt, dass die Verwendung
des Siegels "im geschäftlichen Verkehr" und "mit
Werbemaßnahmen" keine Alternative sein kann. Nach dem
ergänzenden Vortrag des Klägers und einer Vorlage
eines Fotos des heutigen Kanzleischildes ist auch klar, dass sich auf
dem Schild nicht nur das Siegel als solches, sondern auch die weitere
Werbeaussage, die auf dem Briefbogen zusätzlich neben dem
Siegel steht, angebracht ist. Somit geht es bei der Verwendung des
Siegels auf dem Briefbogen erkennbar um dieselbe Verletzungsform wie
die auf dem Kanzleischild. Der Verzicht auf das Wort "insbesondere"
stellt klar, dass es bei dem Verbot nur um die konkrete, abgebildete
Verletzungsform geht.
4) Dem Kläger steht der eingeschränkt geltend
gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs.
3 Nr. 1, 3, 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG zu. Die Beklagte hat mit der Verwendung
des DEKRA-Siegels in der konkreten Verletzungsform auf dem einbezogenen
Briefbogen und den Kanzleischildern eine irreführende
geschäftliche Handlung vorgenommen, die unwahre oder sonstige
zur Täuschung geeignete Angaben über ihre fachliche
Qualifikation enthält. Selbst objektiv zutreffende Angaben
können insoweit die Gefahr einer Irreführung
begründen, wenn sie aufgrund missverständlicher
Verwendung lückenhaft und daher zur Irreführung
geeignet sind (vgl. Fezer/ Peifer, UWG, 2. Auflage, § 5 Rdn.
237).
a) Der Kläger ist als Mitbewerber der Beklagten, der wie diese
Anwaltsleistungen auch ähnlicher Art in N2 anbietet, nach
§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert.
b) Eine irreführende Handlung im Sinne des § 5 Abs. 1
UWG liegt hier vor, weil die angesprochenen Verkehrskreise sich
aufgrund der streitgegenständlichen Verwendung des
DEKRA-Siegels eine Vorstellung machen, die nicht der Wirklichkeit
entspricht und deshalb täuschen kann. Jedenfalls ein nicht
unerheblicher Teil der maßgeblichen allgemeinen
Verkehrskreise nimmt bei dieser Art der Werbung der Beklagten mit dem
DEKRA-Siegel irrig an, dass sich die beworbene Zertifizierung auch auf
die Qualität der Dienstleistungen der zur Beklagten
gehörenden Anwälte bezieht.
Angesprochen werden hier mit der Werbung der Beklagten mit dem
"Gütesiegel" alle Verbraucher, die sich im regionalen Umfeld
der Beklagten anwaltlich beraten lassen wollen. Das ist das breite
Publikum nach der Diktion des Landgerichts. Es sind keine Fachkreise,
sondern die allgemeinen Verkehrskreise. Zu diesen könnten bei
entsprechendem regionalen Bezug auch die Senatsmitglieder
gehören, so dass der Senat die Verbrauchervorstellung aufgrund
eigener Betroffenheit, insbesondere aber aufgrund eigener Sachkunde
durch die Befassung mit vergleichbaren Fällen und der
Lebenserfahrung selbst beurteilen kann.
aa) Das von der Beklagten verwendete DEKRA-Siegel weist die
angesprochenen Verkehrskreise hier zwar ausdrücklich auf eine
Zertifizierung nach der ISO 9001 :2000 oder später der ISO
9001:2008 hin. Entsprechend der üblichen Verwendung des
Begriffes wird "Zertifizierung" vom angesprochenen Verkehr als ein
Verfahren verstanden, mit dessen Hilfe die Einhaltung bestimmter
Anforderungen an Produkte oder Dienstleistungen nachgewiesen werden
kann. Die Zertifizierungen werden dabei bekanntermaßen von
unabhängigen Stellen nach festgelegten Standards vergeben (BGH
WRP 2012, 75, 76 -Zertifizierter Testamentsvollstrecker). Der Verkehr
geht hier somit von einer Überprüfung von
Dienstleistungen durch die als unabhängig empfundene DEKRA
aus, die auf eine besondere Qualität hinweist. Er sieht darin
somit ein Gütesiegel. Da er die ISO 9001:2000 und deren Inhalt
nicht kennt, macht er sich nur ganz allgemeine Vorstellungen
darüber, worauf sich die Überprüfung und
damit auch die Qualität beziehen könnte. In der
beanstandeten Werbung ist allerdings auch von
Qualitätsmanagement die Rede. Das mag der durchschnittlich gut
informierte und aufmerksame Verbraucher, der anwaltlichen Rat
benötigt, zwar dann auf das Anwaltsbüro beziehen,
wenn er entsprechende Vorkenntnisse über das allgemeine
Qualitätsmanagement und die damit verbundene Organisation von
Arbeitsabläufen hat. Es ist aber schon fraglich, ob er dann
auch annimmt, es gehe hier nur und ausschließlich um die
Büroorganisation der Beklagten. Solche Vorkenntnisse sind aber
auch nicht zwingend und bei dem überwiegenden Teil der
angesprochenen Verkehrskreise gerade nicht vorhanden. Es verbleibt
somit in jedem Fall ein ganz erheblicher Teil von Interessenten, die
auch im Rahmen des erwähnten Qualitätsmanagements
nicht von sich aus zwischen den Anwälten, um deren Dienste es
ihnen vorrangig geht, und dem Anwaltsbüro als modernem
Dienstleistungsunternehmen unterscheiden, wenn sie nicht zugleich auf
diesen Unterschied hingewiesen werden. Sie gehen dann
zwangsläufig davon aus, dass auch die Anwälte selbst
überprüft und für gut befunden worden sind.
Dem steht auch nicht entgegen, dass auf dem Briefbogen zwischen der
Aufzählung der einzelnen Rechtsanwälte der Praxis der
Beklagten auf der rechten Seite und der Stelle ganz im unteren Bereich,
an der das Siegel nebst Begleittext abgedruckt wurde, keine Verbindung
besteht. Diese Verbindung wird angesichts des nicht genau bekannten
Gegenstands der Qualifikation gedanklich hergestellt. Dafür
spricht insbesondere auch die zusätzliche Aussage "wir sind
zertifiziert" in der konkreten Verletzungsform, die sich unmittelbar
neben dem Siegel befindet. Gerade das Personalpronomen "wir" deutet in
den Augen der Unsicheren eher auf die Anwälte als Personen hin
als auf das Unternehmen. Dagegen spricht bei der angesprochenen
Vorkenntnis insbesondere auch nicht die zusätzlich
angesprochene regelmäßige Überwachung nach
der ISO 9001:2000. Der Verkehr kann sich unter der genannten Norm
nichts vorstellen und nimmt auch nicht an, dass es
ausschließlich um eine Überwachung und um keinerlei
Überprüfung gehen kann. Auch das APRAXA-Symbol kann,
wenn es im Zusammenhang mit dem Siegel überhaupt wahrgenommen
wird, an dem Eindruck der Verbraucher nichts Entscheidendes
ändern. Es macht nicht deutlich, dass es bei den in seiner
Nähe befindlichen Angaben nur um die Büroorganisation
gehen kann. Für das Verbraucherverständnis, wie es
der Senat und das Landgericht übereinstimmend annehmen, mag
zusätzlich auch noch eine Rolle spielen, dass die DEKRA
früher Anwälte gerade auch in Bezug auf ihre
Dienstleistungen geprüft und zertifiziert hat, bevor ihr das
gerichtlich verboten wurde. So ist es dem Verkehr jedenfalls nicht
fremd, dass sich solche Zertifikate auf anwaltliche Leistungen beziehen
können.
bb) Eine solche Verbrauchervorstellung ist unstreitig falsch. Die
Zertifizierung und die Prüfung der Qualität durch die
DEKRA im Rahmen der Zertifizierung nach der ISO 9001 konnte sich, wie
die Beklagte selbst erstinstanzlich dargelegt hat, völlig
unabhängig davon, ob sie wirklich stattgefunden hat,
ausschließlich auf die Büroorganisation der
Anwälte und die Qualität der dortigen
Organisationsabläufe beziehen. Die Qualität der
anwaltlichen Dienstleistungen wurde nicht überprüft.
e) Eine solche Fehlvorstellung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant.
Gerade eine falsche Vorstellung über die von neutraler dritter
Seite wie der DEKRA mit einem Gütesiegel zertifizierte
Qualität von anwaltlichen Dienstleistungen, die entsprechenden
Dienstleistungen anderer Anwälte nicht zukommt, kann die
Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise beeinflussen, die
Dienste des vermeintlich qualifizierteren Anwalts für sich in
Anspruch zu nehmen.
f) Auch wenn es sich insoweit um eine inhaltlich richtige Werbeangabe
gehandelt hätte, weil die Beklagte nach ihrem Vortrag damals
tatsächlich nach der ISO 9001 von der DEKRA im Hinblick auf
ihr Büromanagement zertifiziert worden ist, rechtfertigt sich
das begehrte Verbot in der jetzigen Form. Auch wenn man dann mit dem
EuGH eine Interessenabwägung für erforderlich halten
wollte (vgl. Fezer/Peifer, a.a.O. Rdn. 538) und es im Interesse einer
umfassenden Marktinformationen zulässig wäre, auf ein
solches Zertifikat hinzuweisen, kann kein Interesse der Beklagten daran
bestehen, gerade auf die hier praktizierte lückenhafte Art und
Weise mit der Zertifizierung zu werben. Es hätte der Beklagten
keine große Mühe gemacht, dem angesprochenen Verkehr
mit einem erläuternden Satz deutlich zu machen, worauf genau
sich die Prüfung bezogen hat, und gleichzeitig die Aussage
"wir sind zertifiziert" zu vermeiden. Als Beispiel kann insoweit der
Slogan dienen, der im Jahre 1999 Gegenstand der Entscheidung des
Landgerichts Detmold war. Dort hieß es "Diese Kanzleien sind
nach DIN ISO 9001 zertifiziert für anwaltliches
Dienstleistungs- und Kanzleimanagement." Da die potentiellen Mandanten
durch die Art der Werbung angelockt werden und sich dann bereits
näher mit den Anwälten beschäftigen, reicht
es auch nicht aus, wenn sie sich später unschwer über
Art und Inhalt der Zertifizierung informieren können. Die
Information muss vielmehr in Zusammenhang mit der Verwendung des
Siegels gegeben werden. Diese vermeidbare Art der lückenhaften
Werbung mit der Zertifizierung verlässt jedenfalls auch das
Sachlichkeitsgebot und wäre auch als Verstoß gegen
die §§ 43 b, 6 BORA unlauter. Ihr Verbot stellt auch
schon deshalb keinen Verstoß gegen die verfassungsrechtlich
durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsausübungsfreiheit
der Beklagten dar (vgl. BGH, zertifizierter Testamentsvollstrecker,
a.a.O.).
g) Schließlich scheitert der Unterlassungsanspruch auch nicht
an der fehlenden Wiederholungsgefahr. Die konkrete Verletzungshandlung
begründet eine Wiederholungsgefahr in Bezug auf identische und
kerngleiche Verstöße. Diese Wiederholungsgefahr wird
nicht bereits dadurch ausgeräumt, dass die Beklagte auf ihren
Briefbögen weder das DEKRA-Siegel noch die beigefügte
Erläuterung weiterhin verwendet, sondern nunmehr auf eine
TÜV-Zertifizierung in anderer Form hinweist. Für die
Beseitigung der Wiederholungsgefahr wäre es vielmehr
erforderlich gewesen, dass die Beklagte eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung abgibt. Gerade daran fehlt es aber bis
heute.
h) Eine Verjährung des Unterlassungsanspruchs nach §
11 UWG scheitert hier unabhängig von der Frage der Kenntnis
vom Verstoß schon daran, dass es sich bei der Verwendung des
Siegels in der streitgegenständlichen Form um ein Dauerdelikt
handelte, so dass die irreführende geschäftliche
Handlung jedenfalls bis zur Klageerhebung und der erst danach erfolgten
Änderung der Werbung dauerhaft fortgesetzt wurde, so dass etwa
die konkrete Verletzungshandlung vom 18. Februar 2010 einen eigenen
Unterlassungsanspruch begründete. Bei der Klagezustellung am
17. Juni 2010 waren seit dieser neuen Verletzungshandlung noch keine
sechs Monate vergangen. Dafür, dass der Kläger hier
seinen Unterlassungsanspruch verwirkt haben könnte, spricht
nichts. Es fehlt völlig an einem Umstandselement. Die Beklagte
konnte gerade nicht darauf vertrauen, dass der Kläger ihren
öffentlichen Auftritt seit dem Jahre 2009 über die
erhobenen Beanstandungen hinaus nicht mehr angreifen würde.
Der Kläger hatte weder die Verpflichtung, den gesamten
öffentlichen Auftritt der Beklagten auf
Wettbewerbsverstöße zu überprüfen,
noch konnte ein Untätigbleiben seinerseits gleichsam als
Duldung der Werbung im Übrigen verstanden werden.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, die sich
aus § 543 Abs. 2 ZPO ergeben, liegen hier nicht vor, da es
sich wegen der Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung um eine
Einzelfallentscheidung handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 269
Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
(Unterschriften)