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Oberlandesgericht
Frankfurt, Urteil I 11 U 63/06, Unterlassung frewillige Aenderung
Wiederholungsgefahr
Aktenzeichen: 11 U 63/06
2/3 O 356/06
Landgericht Frankfurt |
08.05.2007 |
Oberlandesgericht Frankfurt am Main
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
dem Rechtsstreit
.........
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt ..........................
gegen
.........
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ..........................
hat
der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts durch die Richter
am Oberlandesgericht … auf die mündliche
Verhandlung vom ...
für R e c h t erkannt:
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der
3.Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 05.10.2006 wird
zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
- Das Urteil ist rechtskräftig.
G r ü n d e
I.
Der
Verfügungskläger (nachfolgend Kläger)
verbüßt seit 1991 eine lebenslange Freiheitsstrafe
wegen Mordes an dem … A. Die Verfügungsbeklagte
(nachfolgend Beklagte) berichtete in der online-Ausgabe des
…Stadtanzeigers am 04.05.2006 unter der Überschrift
„A-Mörder wollen Freiheit“ unter voller
Namensnennung über den Kläger und dessen Halbbruder
im Hinblick auf deren mögliche vorzeitige
Haftentlassung.
Nach einer Abmahnung durch den Halbbruder des Klägers
entfernte die Beklagte in der im Internet abrufbaren Berichterstattung
die Namen des Klägers und seines Halbbruders.
Mit
anwaltlichem Schreiben vom 30.05.2006 ließ der
Kläger die Beklagte wegen der Veröffentlichung
ebenfalls abmahnen und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung auf, die die Beklagte mit der
Begründung verweigerte, infolge der redaktionellen Korrektur
des Beitrags sei die Wiederholungsgefahr entfallen.
Mit
Beschlussverfügung vom 01.06.2006 hat das Landgericht der
Beklagten untersagt, über den Kläger im Zusammenhang
mit dem Mord an A in identifizierender Weise, insbesondere wie aus der
Anlage AS 1 ersichtlich, zu berichten. Auf den hiergegen von der
Beklagten eingelegten Widerspruch hat das Landgericht die
Beschlussverfügung mit dem angefochtenen Urteil vom 05.10.2006
bestätigt.
Hiergegen
richtet sich die Berufung der Beklagten, die meint, die
Wiederholungsgefahr sei durch die freiwillige Korrektur des
streitgegenständlichen online-Beitrags vom 04.05.2006
entfallen.
Die Beklagte beantragt,
unter
Abänderung des Urteils LG Frankfurt 2-03 O 356/06 vom
05.10.2006
die
einstweilige Verfügung des LG Frankfurt 2-03 O 356/06 vom
01.06.2006
aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag
zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die
Berufung vom 09.11.2006 wird zurückgewiesen.
Das
Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 05.10.2006 wird
aufrechterhalten.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf
die in der
Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die
Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Zu
Recht hat das Landgericht die Beschlussverfügung vom
01.06.2006 bestätigt, weil die Wiederholungsgefahr nicht
entfallen ist.
Die
Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die
Berichterstattung in ihrer ursprünglichen Form das
Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzte, weil
darin über den Kläger in identifizierender Weise
unter Namensnennung berichtet wurde.
Dies
entspricht auch der Rechtsprechung des Senats (zuletzt Senatsurteil vom
06.02.2007, 11 U 51/06).
Die
Parteien sind sich weiter darüber einig, dass die von der
Beklagten gegenüber dem Halbbruder des Klägers
abgegebene Unterwerfungserklärung nicht ausreicht, um die
Wiederholungsgefahr auch im Verhältnis zum Kläger
auszuräumen.
Die
Beklagte ist vielmehr der Auffassung, die Wiederholungsgefahr sei
bereits dadurch entfallen, dass sie den Artikel durch Entfernen der
voll ausgeschriebenen Namen des Klägers und dessen Halbbruders
korrigiert habe. Dabei stützt sie ihre Auffassung auf eine
Entscheidung des OLG Köln (AfP 93, 744 ).
Dem
vermag der Senat im zu entscheidenden Fall nicht zu folgen.
Die
Wiederholungsgefahr ist materielle Anspruchsvoraussetzung für
einen Unterlassungsanspruch. Sie ist die auf Tatsachen
gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer
Störungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen
Tatsachenverhandlung. In der Regel begründet die
vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine
tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr
(BGH NJW 04, 1035), an deren Widerlegung durch den Störer hohe
Anforderungen zu stellen sind (BGH NJW 99, 356).
Das
gilt grundsätzlich auch bei
Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch
Presseberichterstattung (Soehring, Presserecht, 3. Auflage Rn. 30.7 ff;
Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 334 ff.). Die im Wettbewerbsrecht
entwickelten Grundsätze zur Wiederholungsgefahr sind
weitgehend ins Medienrecht übernommen worden. An den Nachweis
des Wegfalls der Wiederholungsgefahr sind deshalb auch hier strenge
Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich wird die
Wiederholungsgefahr auch im Presserecht daher nur durch die Abgabe
einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung
beseitigt. Nur ausnahmsweise ist es möglich, dass durch ein
bestimmtes Verhalten des Verletzers – wie zum Beispiel eine
freiwillige Korrektur – die Wiederholungsgefahr
entfällt.
Der
Verletzte braucht sich aber grundsätzlich nicht mit einer
einfachen ungesicherten Erklärung zu begnügen. Ob und
unter welchen Voraussetzungen eine redaktionelle Richtigstellung die
Wiederholungsgefahr entfallen lässt, ist deshalb nicht
unumstritten. So hat das OLG Hamburg die Richtigstellung selbst in Form
eines Widerrufs nicht ausreichen lassen, sondern als Voraussetzung
für den Wegfall der Wiederholungsgefahr noch eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert ( NJW
–RR, 96,90).
Die
Entscheidung des OLG Köln betrifft aber ohnehin schon einen
völlig anderen, nicht vergleichbaren Sachverhalt.
Zum
einen erfolgte die „Korrektur“ hier nicht
freiwillig, sondern erst nach einer Verwarnung durch den Halbbruder des
Klägers. Der entscheidende Unterschied besteht aber in der
vorgenommenen „Korrektur“ an sich. Während
in dem Fall des OLG Köln die Korrektur in einem inhaltlichen
Abrücken von der vorausgegangenen Berichterstattung bestand,
geht es vorliegend um eine eher redaktionelle Änderung,
nämlich ob der Name des Klägers in der
Berichterstattung künftig in anonymisierender oder
identifizierender Weise angeführt wird.
In
dem vom OLG Köln entschiedenen Fall war zunächst eine
schwarze Liste von Unternehmen veröffentlicht worden, die
angeblich „dual –use“ Produkte in den O1
exportierten,die einer militärischen Verwendung
zugeführt werden konnten. Wenn es dann in einer
überarbeiteten Fassung des Flugblatts hieß, die
gegen einige Unternehmen erhobenen Vorwürfe hätten
sich als falsch erwiesen, diese Firmen, (so auch die Klägerin
des dortigen Rechtsstreits) seien deshalb von der schwarzen Liste
gestrichen worden, handelt es sich um eine inhaltliche Richtigstellung
bzw. eine Distanzierung von der früheren Behauptung.
Diese
inhaltliche Distanzierung mag die Annahme rechtfertigen, die
Wiederholungsgefahr sei ausgeräumt, weil es
äußerst unwahrscheinlich erscheint, dass der
ursprüngliche, aber ausdrücklich und freiwillig
zurückgenommene Vorwurf trotz der Distanzierung und Korrektur
in der späteren Berichterstattung wider besseres Wissen erneut
aufgegriffen und wiederholt werden könnte.
Diese
Situation ist mit dem zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar. Eine
Wiederholung der rechtsverletzenden Berichterstattung setzt hier
nämlich nicht voraus, dass sich die Beklagte in Widerspruch zu
ihrer früheren Berichterstattung setzen und Behauptungen wider
besseres Wissen verbreiten müsste. Da die Rechtsverletzung
allein auf redaktionellen Modalitäten der Berichterstattung
beruhte, könnte die Beklagte jederzeit wieder zu dieser Form
der Berichterstattung zurückkehren, ohne damit eine
inhaltliche Aussage verbinden oder sich zu früheren Artikeln
in Widerspruch setzen zu müssen. Vor diesem Hintergrund
erscheint die Gefahr einer Wiederholung – und sei es infolge
ungenügender redaktioneller Kontrolle oder eines
bloßen Versehens – deutlich höher, als
wenn die Wiederholung der inkriminierten Berichterstattung inhaltlich
eine „Korrektur der Korrektur“ darstellen
würde.
Die
Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungsverpflichtungserklärung wäre deshalb zur
Ausräumung der Wiederholungsgefahr notwendig gewesen, weil die
Beklagte nur so ausreichend zur erforderlichen Sorgfalt und
Überwachung angehalten werden kann ( so auch OLG Hamburg
a.a.O.).
Mit
dieser Entscheidung kommt weder ein besonderes Misstrauen der Beklagten
gegenüber zum Ausdruck, noch gereicht es der Beklagten
ungerechtfertigt zum Nachteil, dass die Beseitigung der rechtswidrigen
Veröffentlichung keine „inhaltliche
Richtigstellung“ voraussetzt, also ein Widerruf nicht
möglich ist. Vielmehr gilt auch im Presserecht, dass die
rechtswidrige Berichterstattung die Wiederholung indiziert und die
Wiederholungsgefahr begründet, die in aller Regel nur durch
ein Unterlassungsverpflichtung beseitigt werden kann.
Soll
ausnahmsweise schon die Korrektur einer Berichterstattung die
Wiederholungsgefahr entfallen lassen, so sind daran strengere
Anforderungen zu stellen. Die bloße Einstellung der
rechtsverletzenden Handlung kann dafür grundsätzlich
nicht ausreichen, weil andernfalls Grundsatz und Ausnahme umgekehrt
würden, wozu kein Anlass besteht.
Nach
allem tritt der Senat der Würdigung des Landgerichts bei, so
dass es beim erstinstanzlichen Urteil verbleibt.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Das
Rechtsmittel der Revision findet nicht statt ( § 542 Abs. 2
ZPO).
(Unterschriften)