Abmahnung
Patentanwalt Kosten Marke
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Aktenzeichen:6 U 130/09 |
12.11.2009
|
Oberlandesgericht
Frankfurt am Main
URTEIL
IM
NAMEN DES VOLKES
In
dem Rechtsstreit
...
gegen
...
hat
der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
durch
die Richter ..., ... und ...
auf
die mündliche Verhandlung vom ...
für
R e c h t erkannt:
Die Berufung gegen das am 3.3.2009 verkündete
Teilversäumnis- und Schlussurteil der 18. Zivilkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die
Klägerin hat die Beklagte wegen einer Markenverletzung durch
ein von ihrer Rechtsanwältin und ihrem Patentanwalt
unterzeichnetes Schreiben vom 12.11.2008 (BI. 71 ff. d.A.) abmahnen
lassen. Nachdem die Beklagte eine Unterwerfungserklärung
abgegeben hat, verlangt die Klägerin mit der vorliegenden
Klage Erstattung der ihr durch die Abmahnung entstandenen
Rechtsanwalts- und Patentanwaltskosten in Höhe von insgesamt
4.161,- € nebst Zinsen. Die Beklagte war im erstinstanzlichen
Verfahren anwaltlich nicht vertreten.
Mit
dem angefochtenen Teilversäumnis- und Schlussurteil, auf
dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug
genommen wird (§ 540 I 1 ZPO), hat das Landgericht der auf die
Erstattung der Anwaltskosten gerichteten Klage stattgegeben. Dagegen
hat es die weitergehende, auf die Erstattung der Patentanwaltskosten
gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, die Vorschrift
des § 140 III MarkenG sei auf die vorgerichtlichen
Abmahnkosten nicht anwendbar; besondere Gründe, die im
vorliegenden Fall die Hinzuziehung eines Patentanwalts neben der
Beauftragung einer Rechtsanwältin hätten
rechtfertigen können, habe die Klägerin nicht
dargetan.
Mit
der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihre in
erster Instanz vertretene Auffassung, dass die Vorschrift des
§ 140 III MarkenG auf vorprozessuale Abmahnkosten anwendbar
sei.
Die
Beklagte war in der Berufungsverhandlung nicht vertreten.
Die
Klägerin beantragt,
im Wege des Versäumnisurteils das angefochtene Urteil
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die
Klägerin 4.161,00 € zuzüglich Zinsen in der
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 4.3.2008 zu zahlen.
Wegen
des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die
zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die
Voraussetzungen für den Erlass des beantragten
Versäumnisurteils liegen nicht vor, weil auch dann nicht nach
dem Berufungsantrag erkannt werden kann, wenn das tatsächliche
Vorbringen der Klägerin als zugestanden angenommen wird
(§ 539 II ZPO).
Der
Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung
der durch die Abmahnung - neben den vom Landgericht zuerkannten
Rechtsanwaltskosten - entstandenen Patentanwaltskosten nicht zu. Zwar
kann die Klägerin von der Beklagten sowohl unter dem
Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag
(§§ 670, 677, 683) als auch unter dem Gesichtspunkt
des Schadensersatzes (§ 14 VI MarkenG) Ersatz der
durch die Markenverletzung verursachten erforderlichen Aufwendungen
verlangen, zu denen grundsätzlich auch die Kosten der
Abmahnung gehören. Im vorliegenden Fall zählen hierzu
jedoch nicht die Kosten des Patentanwalts, weil die Vorschrift des
§ 140 III MarkenG in diesem Zusammenhang nicht anwendbar ist
und die Zuziehung des Patentanwalts - neben der Beauftragung der
Rechtsanwältin - nicht als erforderlich angesehen werden kann.
Der
erkennende Senat (vgl. GRUR 91, 72 - Hessenfunk) hat im Anschluss an
eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Mitt. 1982,
218, 219) bisher die Auffassung vertreten, dass die den prozessualen
Kostenerstattungsanspruch betreffende Regelung des § 140 III
MarkenG entsprechend anwendbar sei, soweit ein materiell-rechtlicher
Anspruch auf Erstattung von Patentanwaltskosten für die
vorgerichtliche Tätigkeit geltend gemacht wird. Diese
Auffassung wird - zum Teil ohne nähere Begründung -
von einigen Oberlandesgerichten (vgl. OLG Karlsruhe, 26.8.1998 - 6 U
36/98; OLG Köln, 28.4.2006 - 6 U 222/05; OLG Hamburg,
19.7.2007 - 3 U 241/06; OLG Stuttgart, 9.8.2007 - 2 Ll 23/07) geteilt
und ist auch in der Literatur (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2.
Aufl., Rdz. 61 zu § 140; einschränkend:
Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., Rdz. 53 zu §
140) auf Zustimmung gestoßen. Den Ausführungen des
Bundesgerichtshofs in der Entscheidung „Thermoroll" (Urteil
vom 26.2.2009 - I ZR 219/06; GRUR 2009, 888) unter Tz. 24 kann
entnommen werden, dass der Bundesgerichtshofs ebenfalls zu dieser
Ansicht neigt; jedoch enthält die
Entscheidungsbegründung hierzu keine näheren
Ausführungen.
Nach
erneuter Überprüfung hält der erkennende
Senat an der dargestellten Auffassung nicht fest und schließt
sich den Erwägungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil
sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Urteil vom
30.10.2007 - 1-20 U 52/07 - an, wonach § 140 III MarkenG bei
der Frage der Erstattungsfähigkeit vorprozessualer
Patentanwaltskosten keine Anwendung finden kann.
Es
geht im vorliegenden Zusammenhang nicht darum, dass dem in §
140 III MarkenG zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken zur Vermeidung
von Wertungswiderspruchen auch bei der Auslegung der Voraussetzungen
für den materiell-rechtlichen Ersatz- oder Erstattungsanspruch
insoweit Bedeutung zukommt, als an die Erforderlichkeit der
Beauftragung eines Patentanwalts in Kennzeichenstreitsachen keine zu
hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Entscheidend ist
vielmehr, ob auch die in § 140 III MarkenG vorgesehene
„Automatik", die eine Prüfung, ob die Hinzuziehung
des Patentanwalts erforderlich war, generell entbehrlich macht, auf den
materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch übertragen werden
kann. Dieses Ergebnis kann allenfalls im Wege der Analogie erreicht
werden. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von
§ 140 III MarkenG auf den in Rede stehenden Sachverhalt sind
jedoch nach Auffassung des erkennenden Senats nicht erfüllt.
Fraglich
ist bereits, ob (noch) von einer „planwidrigen
Regelungslücke" gesprochen werden kann, wenn der Gesetzgeber
bei der Neugestaltung des Kennzeichenrechts durch das Markengesetz in
Kenntnis des Problems die alte Vorschrift des § 32 V WZG im
Ergebnis unverändert in das neue Gesetz (§ 140 V
MarkenG a.F.) übernommen und keine ausdrückliche
Erstreckung auf den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch
vorgenommen hat (vgl. zu der gleichen Überlegung bei der Frage
einer analogen Anwendung der wettbewerbsrechtlichen
Dringlichkeitsvermutung auf das Markenrecht Senat - 6 W 103/02 - GRUR
2002, 1096).
Die
Frage kann jedoch dahinstehen, da eine derartige Lücke
jedenfalls nicht sachgerecht durch eine entsprechende Anwendung
des § 140 III MarkenG auf den materiell- rechtlichen
Kostenerstattungsanspruch geschlossen werden, weil wegen der
unterschiedlichen Ausgangssituation der durch § 140 III
MarkenG geregelte Sachverhalt, nämlich die Erstattung im
Prozess entstandener Patentanwaltskosten im Rahmen eines
Kostenfestsetzungsverfahrens, mit der Frage der
Erstattungsfähigkeit vorprozessualer Patentanwaltskosten auf
Grund materiell-rechtlicher Vorschriften nicht vergleichbar ist. Das
Oberlandesgericht Düsseldorf (a.a.O. Tz. 22) hat mit Recht
darauf hingewiesen, dass auch für die vorprozessualen
Rechtsanwaltskosten eine gesetzliche Regelung, wonach diese Kosten in
Kennzeichenstreitsachen stets erstattungsfähig seien, fehlt;
vielmehr beurteilt sich dort die Frage der
Erstattungsfähigkeit stets nach der - wenn auch in der Regel
zu bejahenden - Erforderlichkeit der Hinzuziehung. Dann kann
für die vorprozessualen Patentanwaltskosten nichts anderes
gelten. Denn andernfalls wären in Kennzeichenstreitsachen die
durch die Einschaltung eines Patentanwalts entstandenen Kosten unter
leichteren Voraussetzungen zu erstatten als die durch die Einschaltung
eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten. Für eine solche
Privilegierung der patentanwaltlichen gegenüber der
anwaltlichen Tätigkeit ist kein Grund ersichtlich.
Gründe,
warum im vorliegenden Fall die Zuziehung eines Rechtsanwalts und eines
Patentanwalts zum Zwecke der Abmahnung erforderlich waren, sind auch
nach dem Vortrag der Klägerin nicht gegeben.
Zwar
sind - wie bereits erwähnt - in Kennzeichenstreitsachen an die
Erforderlichkeit der Mitwirkung des Patentanwalts für die
Abmahnung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Auf der anderen
Seite reicht es aber nicht aus, dass sich die Tätigkeit des
Patentanwalts darauf beschränkt, etwa die vom Anwalt
vorgenommene markenrechtliche Bewertung zu
überprüfen; denn zu dieser rechtlichen Bewertung muss
ein Rechtsanwalt auch ohne die Hilfe eines Patentanwalts in der Lage
sein. Die ergänzende Zuziehung eines Patentanwalts kann
vielmehr nur dann als erforderlich angesehen werden, wenn dieser
Tätigkeiten übernommen und ausgeführt hat,
die - wie etwa Recherchen zum Registerstand oder zur Benutzungslage -
in das typische Arbeitsfeld des Patentanwalts gehören.
Insoweit können die gleichen Grundsätze gelten wie
bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen Patentanwaltskosten in
Wettbewerbssachen im Rahmen von § 91 I ZPO
erstattungsfähig sind (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 20.9.2006
- 6 W 185/06; OLGR 2007, 147).
Dass
der Patentanwalt der Klägerin im vorliegenden Fall derartige
Tätigkeiten übernommen hat, ist nicht dargetan.
Dagegen spricht auch, dass die Klägerin in der von Anwalt und
Patentanwalt gemeinsam unterzeichneten Abmahnung im Anschluss an die
kurze Darstellung des Sachverhalts hat ausführen lassen, dass
es „keiner weiteren Erläuterung" bedürfe,
warum eine Markenverletzung vorliegt.
Die
Kostentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die
Revision war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
zuzulassen (§ 543 II Nr. 2 ZPO), weil die Frage, ob §
140 III MarkenG auch für den materiell-rechtlichen Anspruch
auf Erstattung vorgerichtlicher Patentanwaltskosten gilt, durch
zahlreiche Gerichte anders beurteilt wird als durch den erkennenden
Senat.
(Unterschriften)