OLG Frankfurt am Main, Second-Level-Domain Ziffern Zahlen
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Aktenzeichen: 11 U 24/06 (Kart)) |
Verkündet
am:
13.02.2007
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
OLG
Frankfurt am Main
URTEIL
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 17.05.2006 – Az.: 2/6 O 547/05 – wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
[Die genannten Rufnummern und Internetadressen wurden aus datenschutzrechtlichen Gründen verfremdet.]
I. Die
Klägerin verlangt von der Beklagten die Registrierung und
Freischaltung einer allein aus Ziffern bestehenden Second-Level-Domain
(nachfolgend SLD).
Die
Klägerin bietet unter der Rufnummer AAHHO deutschlandweit
telefonische Auskunftsdienstleistungen sowie eine Vielzahl von weiteren
Diensten wie z. B. Staunachrichten und Routenplaner an. Mit einem
Marktanteil von 31% ist sie die größte Wettbewerberin der X
AG, die ihre Leistungen unter der Telefonnummer AAHHC anbietet. Die
Klägerin weitete ihr telefonisches Service-Portal im Jahre 2000
auf das Internet aus. Sie bietet dort Leistungen (u. a. ein
Branchenverzeichnis) unter www.AAHHO.com und www.AAHHO.info an. Ferner
kann sie unter weiteren Internetadressen, z. B. www.Y.de und
www.AAHHO-Z.de erreicht werden.
Die Beklagte ist
die bundesweit zentrale Registrierungs- und Vergabestelle für SLDs
unter der Top-Level-Domain (nachfolgend TLD) „.de“. Auf
ihrer Website teilt die Beklagte mit, sie erfülle ohne
Gewinnerzielungsabsicht zum Nutzen und Wohle aller am Internet
Interessierten und in Übereinstimmung mit den international
anerkannten Standards für den Betrieb einer
ccTLD-Registrierungsstelle ihre Aufgabe in Deutschland (Bl. 97 d. A.).
Die
Klägerin beantragte mit Schreiben vom 08.07.2005 die Registrierung
der Domain „AAHHH.de“ als SLD. Die Beklagte lehnte dies
unter Hinweis auf ihre Registrierungsrichtlinien ab. In den
„DENIC-Domain-Richtlinien“ unter IV. heißt es:
„Eine
Domain kann (ungeachtet der TLD.de) nur bestehen aus Ziffern (0 –
9), Bindestrichen, den Buchstaben A – Z und den weiteren
Buchstaben, die in der Anlage aufgeführt sind. Sie muss wenigstens
einen Buchstaben enthalten ... “ (Bl. 105 d. A.).In den FAQs
für Domain-Anmelder begründet die Beklagte dies damit, dass
die Rechner im Internet sich gegenseitig nicht anhand der Domain,
sondern mittels sogenannter IP-Adressen, also reiner Zahlen, erkennen.
Wenn man in seinen Browser eine Domain eingebe, werde diese durch einen
sogenannten Name-Server in die zugehörige IP-Adresse
übersetzt. Eine allein aus Ziffern bestehende Domain könne
jedoch mit einer IP-Nummer verwechselt werden, was zu technischen
Schwierigkeiten führen würde. Dies könne nicht nur die
Erreichbarkeit der Website des Nutzers gefährden, sondern
darüber hinaus auch andere Internet-Nutzer beeinträchtigen
(Bl. 119 d. A.).
Die
Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei als
markbeherrschendes oder zumindest als marktstarkes Unternehmen im Sinne
des § 20 GWB anzusehen. Die Beklagte verstoße dadurch, dass
sie ihr (Klägerin) die gewünschte Domain AAHHO.de nicht
zuteile, gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB und
behindere sie unbillig. Zugleich behandle die Beklagte sie ohne
sachlichen Grund ungleich. Die Klägerin hat behauptet, die
Registrierung einer reinen Ziffern-Domain könne keine Störung
verursachen, die nicht genau so durch eine kombinierte Ziffern- und
Buchstaben-Domain verursacht werden könne. Eine Verwechselung der
IP-Nummern sei aufgrund der Verbesserung der technischen Gegebenheiten
nicht mehr denkbar. Die Klägerin hat auf den Standard des RFC
(Request for Comments) 1123 aus dem Jahre 1989 verwiesen, wonach in
Abweichung des RFC 952 aus dem Jahre 1985 die Beschränkung
für das erste Zeichen in einer Domain dahin erleichtert worden
sei, dass entweder ein Buchstabe oder eine Ziffer erlaubt sei (Bl. 132
d. A.). Weiterhin hat die Klägerin darauf verwiesen, dass die
generischen TLDs .com, .net, .org, .biz, .info und .eu die Verwendung
reiner Zifferndomains zulassen und von den Länder-TLDs (ccTLDs)
inzwischen beispielsweise Belgien, Luxemburg, Frankreich, Italien,
Finnland, Portugal und Spanien ebenfalls reine Ziffern-TLDs
registrierten. In Westeuropa würden – außer durch die
Beklagte – lediglich in Österreich, Schweden, Norwegen und
den Niederlanden derzeit keine solche Domains registriert. Im
Übrigen bezieht sich die Klägerin dafür, dass die
Verwechselung einer reinen Zifferndomain mit einer IP-Adresse
tatsächlich nicht möglich sei, auf ein von ihr eingeholtes
Gutachten von Herrn Prof. Dr. SV1 vom 20.09.2005 (Bl. 120 – 131
d. A.) nebst ergänzender Stellungnahme vom 06.03.2006 (Bl. 274
– 287 d. A.).
Weiter hat die
Klägerin gemeint, dass die Beklagte sich selbst verpflichtet habe,
die RFCs als internationale Standards einzuhalten. Die Beklagte
diskriminiere sie (die Klägerin) gegenüber anderen
Telefongesellschaften, für die die von diesen gewünschten
SLDs registriert würden. Aus der Verweigerung der Zuweisung der
Domain AAHHO.de entstünden ihr erhebliche Wettbewerbsnachteile, da
sie – unstreitig – aufgrund ihrer Werbestrategie diese
Ziffernkombination und nicht ihre Firmenbezeichnung werblich in den
Mittelpunkt gestellt habe und daher ausschließlich mit der
Ziffernkombination identifiziert werde. Da ihre Leistungen unter der
Telefonnummer AAHHO ausschließlich auf den deutschen Markt
bezogen seien, seien generische TLDs, wie z. B. .com oder .info,
für sie keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, für sie (Klägerin) die Internetdomain www.AAHHO.de zu registrieren und frei zu schalten;
sowie hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, für sie (Klägerin) die Internetdomain AAHHO.de zu registrieren und frei zu schalten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat
gemeint, dass sie im Bereich der Vergabe von SLDs nicht
marktbeherrschend sei. Bei der sachlichen Marktabgrenzung seien auch
die generischen Domains mit einzubeziehen. Insbesondere habe die
TLD.com eine überragende Bedeutung für kommerzielle Anwender
wie die Klägerin. Die Beklagte verweist dabei darauf, dass unter
der TLD .com 45 Millionen Adressen registriert seien, denen nur 9,37
Millionen .de-Adressen gegenüber stünden (vgl. Domainzahlen
Bl. 213 d. A.). Insgesamt bestünden neben der TLD .de weitere 240
ccTLDs sowie sechs globale generische TLDs für verschiedene
Sektoren. Von den zehn beliebtesten TLDs hätten sieben höhere
Zuwachsraten als die von ihr verwaltete TLD. Selbst wenn man bei der
räumlichen Marktabgrenzung als relevanten Markt das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland zugrunde legen würde, stünden dort
die generischen TLDs, vor allem .com, .net, .org, .biz und .info, mit
der geografischen TLD .de funktionell austauschbar nebeneinander. Aus
diesen Gründen handele es sich bei ihr (Beklagter) auch nicht um
ein marktstarkes Unternehmen.
Die Beklagte hat
weiterhin vorgetragen, dass die behauptete Behinderung bzw.
Diskriminierung nicht in einem Geschäftsverkehr erfolge, der
gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich sei. Im
Streitfall sei auf die Telefongesellschaften abzustellen. Sie behandele
diese jedoch nicht ungleich, weil sie es keinem dieser Unternehmen
gestatte, unter der TLD .de eine ausschließlich aus Ziffern
bestehende SLD zu registrieren. So sei auch für die X AG nicht
deren Nummer AAHHC als SLD registriert worden. Die Klägerin habe
dabei mit der Domain AAHHO-Z.de einen Weg gefunden, ihre Rufnummer in
einer .de-Domain unterzubringen, die ihren Richtlinien genüge.
Die Beklagte hat
ferner behauptet, dass bei der Registrierung einer lediglich aus einer
Zahlenfolge bestehenden Domain die Gefahr bestehe, dass eine solche
Domain mit der IP-Nummer eines am Internet teilnehmenden Rechners
verwechselt werde und es in diesen Fällen zu fehlgeleiteten
Informationen und anderen Störungen kommen könne. Daher sei
durch den RFC 952 vom Oktober 1985 festgelegt worden, dass eine Domain
nicht mit einer Ziffer beginnen dürfe. Nachdem der RFC 1123 diese
Bestimmung gelockert habe, habe der RFC 1912 aus dem Jahr 1996
ausdrücklich festgehalten: „Labels may not be all
numbers“, d. h., dass Domanis nicht allein aus Ziffern bestehen
dürfen (Bl. 229 d. A.). Die Beklagte hat sich deshalb darauf
berufen, dass rund ¾ der 240 ccTLDs reine Zifferndomains nicht
erlauben.
Die Beklagte hat
die Auffassung vertreten, bei der nach § 20 GWB vorzunehmenden
Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die von ihr
vergebenen Domains auch funktionierten und nicht mit dem Risiko von
Adressverwechselungen und den daraus resultierenden Fehlleitungen und
Schäden behaftet seien. Für solche Schäden wäre sie
ersatzpflichtig.
Die Klägerin hat erwidert, dass bei der Festlegung des sachlich
relevanten Marktes die generischen TLDs wegen des fehlenden nationalen
Bezuges nicht zu berücksichtigen seien. Die Beklagte sei mit einem
Marktanteil von weit über 30% marktbeherrschend. Durch ihre
Verweigerung beeinflusse die Beklagte sie (Klägerin) negativ in
der Ausnutzung des Werbe- und Wiedererkennungswertes der Nummer AAHHO.
Demgegenüber sei die Hauptkonkurrentin, die X AG, unter ihrem
Namen bekannt.
Ferner hat die Klägerin erwidert, dass die von der Beklagten
herangezogene RFC 1912 nicht bindend sei. Die Verwechselung einer SLD
AAHHO mit einer IP-Adresse komme schon deshalb nicht in Betracht, weil
die SLD durch die Endung .de eindeutig nicht dem Format einer
IP-Adresse entspreche. Auch könne der Zusatz .de bei einer Abfrage
nicht „verloren gehen“. Tatsächlich habe es auch seit
dem Jahr 2000 keine Berichte mehr über Probleme mit reinen
Zifferndomains gegeben. Selbst wenn eine solche Verwechselung
aufträte, wäre das Resultat doch nur, dass ein Internetnutzer
einmal eine falsche Adresse erreiche. Dies würde im Ergebnis einem
„Verwählen“ beim Telefonieren gleichen.
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass in der Nichteintragung
der Domain AAHHO.de keine unbillige Behinderung oder Ungleichbehandlung
der Klägerin liege. Zwar behandle die Beklagte die Klägerin
insofern gegenüber anderen Telefongesellschaften ungleich, als sie
die von diesen gewünschten SLDs, die nicht lediglich aus Ziffern
bestehen, registriert habe. Diese Ungleichbehandlung sei jedoch
sachlich gerechtfertigt. Für die Beurteilung des sachlichen
Grundes sei im Einzelfall eine Interessenabwägung erforderlich.
Dabei sei einerseits das Interesse der Klägerin zu
berücksichtigen, unter einer SLD registriert zu werden, die einer
Ziffernfolge entspreche, die von ihr umfangreich für
Dienstleistungen verwendet und beworben werde, eine besondere
Bekanntheit in Deutschland genieße und zu ihren Gunsten als Marke
geschützt sei. Die von ihr unter der Ziffernfolge angebotene
deutschsprachige nationale Telefonauskunft habe auch einen besonderen
Bezug zum deutschen Markt, so dass ein besonderes Interesse an der
Registrierung unter der TLD .de bestehe. Andererseits müsse der
Beklagten ein unternehmerischer Spielraum hinsichtlich der
Anmeldekriterien verbleiben, der nicht vollständig von Interessen
der Anmelder überlagert werden dürfe. Zugunsten der Beklagten
sei in Rechnung zu stellen, dass sie die Klägerin nicht
willkürlich, sondern nach den auf alle Anmelder
gleichmäßig angewandten Registrierungsbedingungen behandle.
Damit sei es auch anderen Telefonanbietern, die in besonderem
Maße mit den ihnen zugewiesenen Telefonnummern werben, nicht
möglich, eine ausschließlich aus diesen Ziffern bestehende
SLD zu registrieren. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es der
Klägerin möglich gewesen wäre, vor der Bewerbung ihrer
Bezeichnung AAHHO in Deutschland zu klären, ob eine entsprechende
Bezeichnung als SLD unter der TLD .de eingetragen werden könne.
Außerdem versperre die Beklagte der Klägerin nicht
gänzlich den Zugang zum Internet, wie die zahlreich vorhandenen
Domains der Klägerin zeigten. Insbesondere stelle die Domain
AAHHO.com trotz des Bezugs der von der Klägerin angebotenen
Leistungen zum deutschen Markt für diese eine zwar nicht
vollkommen gleichwertige, aber zumutbare Alternative dar. Daher
könne nicht verlangt werden, dass die Beklagte eine zwingende
technische Notwendigkeit jeder einzelnen Beschränkung der
Registrierung nachweise. Vorliegend beruhten die Beschränkungen
seitens der Beklagten auf vernünftigen, nachvollziehbaren
Erwägungen. Für die Gefahr einer Verwechselung bei der
Verwendung reiner Ziffern-Domains mit IP-Adressen könne sich die
Beklagte auf die RCF 1912 berufen. Diese sei nicht deshalb
unbeachtlich, weil es sich hierbei um eine Information für die
Internetgemeinde handele, die keinerlei Internet-Standard spezifiziere.
Die RCF 1912 beschreibe Fehler, die häufig im Zusammenhang mit dem
Ablauf von DNS-Servern und den dort befindlichen Daten aufgetreten
seien, und folgere daraus, dass reine Zifferndomains vermieden werden
müssen bzw. sollen. Die Gefahr, dass bei der Verwendung reiner
Ziffern-Domains Schwierigkeiten auftreten könnten, werde durch das
von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten nebst ergänzender
Stellungnahme bestätigt. Denn auch der Gutachter stelle fest, dass
noch einige DNS-Server mit einer Software liefen, die nicht den
Spezifikationen der entsprechenden RFCs genüge. Damit seien
derzeit tatsächlich Schwierigkeiten aufgrund der Verwendung von
nur aus Ziffern bestehenden SLDs zu befürchten. Auch in seiner
ergänzenden Stellungnahme habe der Gutachter festgestellt, dass es
seit dem Jahr 2000 mit Ausnahme des „internen Microsoftproblems
mit dem Active Directory 2000“ keine Problemberichte gebe.
Hieraus sei zu schließen, dass derzeit noch Probleme entstehen,
auch wenn der Sachverständige diese als gering einstufe. Dem
Anliegen der Beklagten, eine möglichst reibungslose Nutzung des
Internets zu ermöglichen, müsse bei der
Interessenabwägung besonders Rechnung getragen werden. Dass die
von dem Gutachter angegebenen Probleme auf der Gefahr der Verwechselung
reiner Zifferndomains mit der IP-Adresse beruhten, werde durch die
ergänzende Stellungnahme des Gutachters bestätigt. Nach dem
in der Gutachtenergänzung wiedergegebenen Zitat von Dr. SV2 sei
das Hauptproblem, dass bei Zifferndomains ein Host eine Nummer eher als
IP-Adresse als einen Namen interpretieren könne. Für das
Bestehen solcher technischer Probleme spreche schließlich auch,
dass in verschiedenen europäischen Ländern derzeit SLDs aus
reinen Ziffern unzulässig seien. Wegen der Feststellungen und der
Begründung des angefochtenen Urteils im Einzelnen wird auf Bl. 418
– 426 d. A. verwiesen.
Gegen das am 19.05.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am
09.06.2006 Berufung eingelegt und diese mit am 19.07.2006 eingegangenem
Schriftsatz begründet.
Mit der Berufung
wiederholt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag und
behauptet, dass die in der RFC 1912 geschilderten Probleme heute nicht
mehr bestehen würden. Das Landgericht habe die ergänzende
Stellungnahme des Sachverständigen Prof. SV1 sowie die darin
zitierte Stellungnahme von Dr. SV2 fehlerhaft gewürdigt. Die
Vorinstanz hätte bei der Frage der internationalen Behandlung
reiner Zifferndomains den Sachverhalt dahingehend würdigen
müssen, dass die Tendenz eindeutig zur Zulassung reiner
Zifferndomains gehe. Dazu weist die Klägerin auf den unstreitigen
Umstand hin, dass die nationalen Domainvergabestellen Österreichs,
der Niederlande und Schwedens inzwischen reine Zifferndomains
registrieren und in Norwegen derzeit eine Umfrage durchgeführt
wird, ob Zifferndomanis zugelassen werden sollen. Ferner hätte das
Landgericht verlangen müssen, dass die Beklagte nicht nur das
tatsächliche Bestehen einer Gefahr von Verwechselungen mit
IP-Adressen beweist, sondern auch, dass tatsächlich negative
Folgen entstehen könnten. Der sachliche Grund zur
unterschiedlichen Behandlung der Beklagten mit ihren Konkurrenten
könne nicht bereits in einer abstrakten Verwechselungsgefahr
gesehen werden. Bei der nur nach Vorliegen eines sachlichen Grundes
vorzunehmenden Interessenabwägung habe das Landgericht ein reales
Interesse der Beklagten an der Verweigerung reiner Zifferndomains nicht
festgestellt. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht auch
berücksichtigt, dass sie (Klägerin) sich im Jahr 2000 trotz
Kenntnis der Registrierungsrichtlinien der Beklagten dazu entschlossen
habe, die Rufnummer AAHHO in den Vordergrund ihrer Werbestrategie zu
stellen. Selbst wenn im Jahr 2000 die behauptete Verwechselungsgefahr
von Zifferndomains mit IP-Adressen noch bestanden habe, bestehe diese
jedenfalls heute nicht mehr.
Die Klägerin beantragt,
das am 17.05.2006 verkündete Urteil des LG Frankfurt, Az.: 2/06 O
547/06, aufzuheben;
die Beklagte zu verurteilen, für sie (Klägerin) die
Internetdomain „AAHHO.de“ zu registrieren und frei zu
schalten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres
erstinstanzlichen Vortrags. Unter anderem führt sie an, dass nach
wie vor drei Viertel aller Registrierungsstellen auch weiterhin
Zifferndomains nicht zulassen, und verweist in einem nachgelassenen
Schriftsatz darauf, dass auch unter den TLDs .uk (mit fünf
Millionen Registrierungen) .br und .ar Zifferndomains nicht zugelassen
sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.
Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin
gemäß § 20 Abs. 1, 33 Abs. 1, Abs. 3 GWB verneint.
Die Beklagte ist allerdings Normadressatin des § 20 GWB. Sie hat
eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1
GWB, weil sie auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne
Wettbewerber ist. Nach dem für die Abgrenzung des sachlich
relevanten Marktes geltenden Bedarfsmarktkonzept sind auf
Angebotsmärkten sämtliche Erzeugnisse gleichwertig, die sich
nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und
ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Verbraucher
sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in
berechtigter Weise abwägend miteinander vergleicht und als
gegeneinander austauschbar ansieht. Aus Sicht desjenigen, der
gewerblich Leistungen über das Internet bewerben oder anbieten
will, sind die von der Beklagten verwaltete TLD .de und generische oder
gar ausländische TLDs jedoch nicht in diesem Sinne austauschbar.
Zwar können diese Anbieter in technisch gleichwertiger Weise
grundsätzlich über jede registrierte Domain erreicht werden.
Zutreffend hebt die Klägerin jedoch darauf ab, dass die von der
Beklagten zugeteilten SDLs unter der TLD .de in der Bundesrepublik
Deutschland in besonderem Maße populär sind. Dies folgt
schon aus der Vielzahl der registrierten Domains (9,37 Millionen).
Inländische Interessenten an den von der Klägerin angebotenen
Leistungen werden deshalb nach aller Lebenserfahrung eher nach einer
.de-Domain als nach einer sonstigen SLD suchen. Soweit die Beklagte
dies bestreitet, kann dem deshalb nicht gefolgt werden. Dies wird
ferner dadurch bestätigt, dass nicht nur die Klägerin und
ihre Hauptkonkurrentin, die X AG, sondern zahlreiche größere
Unternehmen neben Domains mit anderen ccTLDs und generischen TLDs
zusätzlich SLDs mit der TLD. de halten. Insofern hat sich an der
Feststellung des Senats in der Sache ambiente.de (NJW 2001, 376) auch
nicht dadurch etwas geändert, dass generische TLDs, wie .com, in
den letzten Jahren stärkere Zuwächse verzeichnet haben als
die von der Beklagten verwaltete TLD. Diese Stellung hat die Beklagte
auch auf dem räumlich relevanten Markt. Dies ist das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland. Maßgeblich ist dafür, ob in dem
betreffenden Gebiet die Marktgegenseite tatsächliche
räumliche Ausweichmöglichkeiten hat (BGH GRUR 2004, 255, 256
– Strom und Telefon I; Ruppelt in: Langen/Bunte, Handbuch des
deutschen und europäischen Kartellrechts, 2. Aufl., § 19 Rdn.
25). Nach § 19 Abs. 2 Satz 3 GWB kann der räumlich relevante
Markt weiter sein als der Geltungsbereich des GWB. Vorliegend ist dies
jedoch nicht der Fall, da das Kriterium für die Abgrenzung des
sachlich relevanten Marktes, nämlich die besondere Bedeutung der
.de-Domain, im Wesentlichen auf die Bundesrepublik Deutschland
beschränkt ist, für die sie gerade das Herkunftskennzeichen
darstellt. Auf in anderen Staaten verfügbare ccTLDs können an
.de-Domains Interessierte nicht in gleichwertiger Weise verwiesen
werden.Die Klägerin begehrt ferner eine Leistung in einem
Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise
zugänglich ist. Gleichartige Unternehmen sind hier –
worüber die Parteien nicht streiten – Telefonunternehmen, d.
h. Unternehmen, die u. a. Daten und Informationen auf dem Gebiet der
Telekommunikation anbieten. Bei der beanspruchten Registrierung einer
nur aus Ziffern bestehenden SLD handelt es sich auch um einen
üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr. Ob ein
Geschäftsverkehr üblicherweise zugänglich ist, bestimmt
sich nicht nach der Geschäftspraxis des in Anspruch genommenen
Unternehmens, sondern danach, was sich innerhalb der in Betracht
kommenden Kreise in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung als
allgemein geübt und angemessen empfunden herausgebildet hat (BGH
GRUR 1993, 146, 147 – Stromeinspeisung; Schultz in: Langen/Bunte,
a. a. O., § 20 Rn. 102). Dies kann auch dazu führen, dass das
Unternehmen eine Leistung erbringen muss, die es bislang nicht in
seinem Sortiment hat. Andernfalls würde man die Anwendbarkeit des
§ 20 GWB in die Disposition des Normadressaten stellen (vgl. auch
Schultz, a. a. O., § 20 Rn. 103 f.). Um den Anwendungsbereich
des § 20 Abs. 1 GWB nicht unangemessen zu verkürzen, ist bei
der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des üblicherweise
zugänglichen Geschäftsverkehrs ein eher weiter Maßstab
anzulegen (BGH GRUR 1968, 159 – Rinderbesamung II; Schultz, a. a.
O., Rdnr. 106). Daher kann nicht darauf abgestellt werden, dass die
Beklagte gemäß ihren Richtlinien SLDs, die lediglich aus
Ziffern bestehen, nicht vergibt. Vielmehr ist der üblicherweise
zugängliche Geschäftsverkehr in der Zuteilung von SLDs unter
der TLD .de überhaupt zu sehen. Die Gründe, weshalb die
Beklagte reine Zifferndomains nicht vergibt, sind dagegen bei der Frage
des sachlichen Grundes bzw. der Interessenabwägung zu
berücksichtigen.
Demgemäß ist es auch zutreffend, dass das Landgericht die
Ungleichbehandlung mit der Begründung bejaht hat, andere
Telefongesellschaften würden im Gegensatz zur Klägerin unter
der von ihnen gewünschten SLD registriert.
Ob die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, ist aufgrund
einer umfassenden und einzelfallbezogenen Abwägung der
beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf die
Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB vorzunehmen
(Schultz, a. a. O., § 20, Rdnr. 121 ff. m. w. N.). Hierbei ist auf
Seiten der Klägerin zu berücksichtigen, dass Internetnutzer,
die an den Leistungen der Klägerin interessiert sind, das Angebot
der Klägerin im Internet eher unter der in den Vordergrund
gestellten Nummer AAHHO und der in Deutschland beliebten TLD .de
suchen. Dabei muss aber ebenso Folgendes berücksichtigt werden:
Der Nachteil, den die Klägerin erleidet, tritt nur in den
Fällen auf, in denen Interessenten ihr Angebot ohne Benutzung
einer Suchmaschine unmittelbar durch Eingabe der Adresse AAHHO. de
anwählen. Inwieweit solche Interessenten für die von der
Klägerin angebotenen Leistungen sich auf einen solchen
Zugangsversuch beschränken, ist dagegen nicht bekannt. Geben
Internetnutzer die ihnen bekannte Nummer AAHHO in eine Suchmaschine
ein, werden sie über andere Adressen (z. B. AAHHO.com oder
AAHHO-Z.de) auf die Website der Klägerin verwiesen. Die Weigerung
der Beklagten hindert die Klägerin im Übrigen keineswegs
daran, ihre Leistung anzubieten oder zu erbringen, da die Klägerin
über zahlreiche Internetadressen erreicht werden kann. Das Gewicht
des Nachteils, den die Klägerin dadurch erleidet, dass sie nicht
unter der gewünschten SLD erreichbar ist, lässt sich somit
nur schwer einschätzen.
Das Interesse der Beklagten, die beanspruchte reine Zifferndomain nicht
vergeben zu müssen, besteht zum einen darin, dass sie in der Folge
auch Ansprüchen nicht nur von Wettbewerbern der Klägerin,
sondern von Unternehmen aller Branchen, aber auch von Privatpersonen
ausgesetzt sein wird. Im Übrigen kommt es darauf an, ob und in
welchem Umfang die Gefahr besteht, dass es zu Störungen im
Internetverkehr kommt, wenn angeschlossene Nameserver eine reine
Zifferndomain mit einer IP-Nummer verwechseln. Dass eine solche Gefahr
besteht, muss von der Beklagten bewiesen werden (Bechtold, a. a. O.,
Rdn. 62 m. w. N.). Da es sich bei der Gefahr um eine Prognose und damit
um eine nur potentielle zukünftige Tatsache handelt, kann diese
selbst nicht Gegenstand eines Beweises sein. Dem Beweis zugänglich
ist allenfalls die Frage, ob eine derartige Verwechselung technisch
möglich ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie eintreten kann.
Ferner ist maßgeblich, welches Ausmaß eine solche
Störung haben würde.
Nach dem Vortrag der Beklagten kann es unter folgenden Voraussetzungen
zu einer Verwechselung einer reinen Zifferndomain mit einer IP-Adresse
kommen:
1.) Eine Nameserver-Software muss eine aus Ziffern bestehende SLD als
IP-Nummer interpretieren;2.) die Domain muss diesem Nameserver ohne die
TLD .de präsentiert werden.
Zu 1.): In dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten von Prof.
Dr. SV1 vom 20.09.2005 wird ausgeführt, dass die Ziffernfolge
AAHHO keiner gültigen IP-Adresse entspreche, da diese
ausschließlich als Folge von vier Dezimalstellen angegeben
werden, die durch einen Punkt getrennt sind, und jede Dezimalzahl
lediglich den Wert zwischen 0 und 255 annehmen könne. Die Beklagte
hält dem ohne weiteren Widerspruch durch die Klägerin
entgegen, dass IP-Nummern auch ohne trennende Punkte, somit als
einheitliche Zahlen geschrieben werden könnten. Der
Sachverständige Prof. Dr. SV1 hat hierzu weiterhin
ausgeführt, soweit generell immer wieder von fehlerhaft
arbeitenden Namens-Servern berichtet werde, seien die dafür
ursächlichen Fehler jedoch unabhängig davon, ob eine reine
Zifferndomain oder ein Domainname mit Buchstaben vorliege. Andererseits
bestätigt der Sachverständige, dass noch einige DNS-Server
mit Software laufen, die nicht den Spezifikationen der entsprechenden
RFCs genügen (Bl. 128/129 d.A.), zum Beispiel alte
Resolver-Software, die noch auf RFC 822 bzw. RFC 952 basiert, die
damals keine reinen Zifferndomain-Namen erlaubten (zu nennen ist hier
ferner der RFC 1034, Bl. 227 d. A.). Auch in der vom
Sachverständigen zitierten, allerdings undatierten
Äußerung des Netzwerk-Experten Dr. SV2 wird dies
bestätigt („The main problem that may appear is that, when
trying to resolve a numerical name, a host might interpret the number
as an IP address rather than a name“). Als Grund gibt Dr. SV2 an,
dass noch alte Einrichtungen bestehen, die nicht vollständig mit
den gegenwärtigen Standards übereinstimmen: „As a
result, compatibility problems may still exist with such systems“
(Bl. 282 d. A.). Auch wenn der RFC 1123, der reine Ziffern-Domains
zulässt, bereits 1989 eingeführt wurde und damit alte
Regelungen abgelöst worden sind, kann somit nicht ausgeschlossen
werden, dass derartige veraltete Resolver-Software noch benutzt wird.
Im Übrigen muss in Betracht gezogen werden, dass Resolver-Software
nunmehr auf dem RFC 1912 basiert, der wiederum nur aus Ziffern
bestehende Domains verbietet. Wenn damit auch nicht feststeht, ob
tatsächlich noch an das Internet angeschlossene Server mit
solcher, technisch veralteter Software arbeiten, muss die
Möglichkeit doch weiterhin ernsthaft in Betracht gezogen werden.
Dass die Beklagte keine seit 2000 aufgetretenen Fälle benennen
kann, genügt nicht, um die Möglichkeit sicher
auszuschließen. Dies reicht als Feststellung aus, da der
Beklagten nicht auferlegt werden kann, alle angeschlossenen Server
daraufhin zu überprüfen. Von einem
Sachverständigengutachten ist keine weitergehende Klärung zu
erwarten. Es fehlt schon an Anknüpfungstatsachen, weil nicht
bekannt ist, in welchem Umfang derartige ungeeignete Software noch
benutzt wird.
Zu 2.): Ferner wendet Prof. Dr. SV1 ein, der Domainname AAHHO.de
entspreche durch die Endung .de eindeutig nicht dem Format einer
IP-Adresse. Die Beklagte hält dem unwidersprochen entgegen, dass
Domains in der Regel zugleich als sogenannte Hostnames verwendet
werden, sodann aber gerade ohne die TLD .de geschrieben werden, so dass
sie nicht mehr anhand dieses Zusatzes von einer IP-Nummer unterschieden
werden können. Schließlich weist die Beklagte auch zu Recht
darauf hin, dass in der Vergangenheit – wie erwähnt –
Probleme aufgetreten sind, obwohl sich IP-Nummern und Domains schon
immer durch die TLD unterschieden haben.
Ferner spricht der RFC 1912 für die Behauptung der Beklagten.
Seine Aussage „Labels may not be all numbers, but may have a
leading digit“ wird von der Beklagten zutreffend übersetzt:
„Labels dürfen nicht allein aus Ziffern bestehen“.
„May not“ bedeutet nicht, wie die Klägerin meint,
„soll nicht“, sondern enthält ein striktes Verbot, das
inhaltsgleich ist mit „must not“, lediglich in einer
höflicheren Formulierung. Auf den Status dieses RFC im
Verhältnis zum RFC 1123 kann es nicht ankommen. Entscheidend ist,
dass sich der RFC 1912 auf berichtete Probleme mit der Erleichterung
durch RFC 1123 stützt („some older hosts still reportedly
have problems with the relaxation in [RFC 1123]“, Bl. 229 d.A.).
Der RFC 1912 datiert zwar vom Februar 1996 und ist damit mehr als zehn
Jahre alt. Offenbar hat es aber anschließend keinen RFC gegeben,
die dies als überholt oder veraltet behandelt. Zwar besagt der RFC
2181 (Juli 1997) „Implementations of the DNS protocols must not
place any restrictions on the labels that can be used“(Bl.
276/277 d.A.). Damit wird gefordert, dass Domain-Nameserver-Protokolle
keine Beschränkungen bezüglich der Domains enthalten
dürfen, dies schließt jedoch nicht aus, dass
tatsächlich weiterhin Software benutzt wird, die dem nicht
entspricht. Die Beklagte steht mit ihrer Befürchtung auch nicht
allein. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten wird dies von
drei Vierteln aller ca. 240 ccTLDs ebenso gehandhabt. Es trifft zwar
zu, dass andere Länder, die zunächst den Standpunkt der
Beklagten eingenommen haben, inzwischen reine Ziffern-TLDs
registrieren. Dies sowie die Registrierungspraxis bedeutender
generischer TLDs beruht ersichtlich auf der Einschätzung, dass die
Gefahr einer Verwechselung einer reinen Zifferndomain mit einer
IP-Nummer als äußerst geringfügig eingeschätzt
wird. Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass die Gefahr
technisch auszuschließen ist.
Welche Auswirkungen eine mögliche Verwechselung einer nur aus
Ziffern bestehenden SLD mit einer IP-Nummer hat, lässt sich aus
dem Beklagtenvortrag zwar nicht klar erkennen. Sie führt zum einen
allgemein Adressverwechselungen auf, zum anderen nennt sie den Fall
einer vom Absender unbemerkt fehlgeleiteten e-Mail. Dass eine
Verwechselung der Domain mit einer IP-Nummer trotz des @-Zeichens in
der e-Mail-Anschrift möglich ist, hat die Beklagte in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat dahin erläutert, dass
eine e-Mail zunächst an denjenigen Server, dessen Domain bzw.
IP-Nummer eingegeben worden ist, versandt wird. Das @-Zeichen wird in
dieser Phase vom Server des Absenders ignoriert und erst beim
Empfänger als Funktion bearbeitet. Zwar hat die Beklagte einen
konkreten Vorfall nicht namhaft machen können. Es reicht aber
schon die nicht ganz fern liegende Gefahr aus, dass die Eingabe der nur
aus Ziffern bestehenden Internetadresse nicht den Adressaten erreicht.
Dies wäre eine systembedingte Fehlfunktion, die selbst dann zu
vermeiden ist, wenn sie zu keinen nennenswerten Schäden
führt. Ob damit ein sachlicher Grund die Ungleichbehandlung
rechtfertigt, ist aufgrund einer umfassenden, einzelfallbezogenen
Interessenabwägung zu entscheiden. Dabei muss von dem Grundsatz
ausgegangen werden, dass auch der Normadressat des § 20 Abs. 1 und
2 GWB sein unternehmerisches Verhalten so ausgestalten kann, wie er es
für wirtschaftlich richtig und sinnvoll hält (BGH GRUR 2003,
893 – Schülertransporte; Schultz, a. a. O., § 20 Rdn.
123), wobei allerdings willkürliches Verhalten nicht privilegiert
sein darf. Ferner muss die den Wettbewerb beschränkende
Maßnahme des Normadressaten objektiv sachgemäß und
angemessen sein (BGH Betriebsberater 1979, 1678, 1679 –
Vermittlungsprovision für Flugpassagen II; Markert in:
Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20 Rdn. 142), was in
erster Linie die Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsprinzips und damit die Wahl des
mildesten Mittels erfordert. Wägt man die Interessen der
Klägerin gegenüber denjenigen der Beklagten ab, so erscheinen
die Belange der Klägerin auch unter Berücksichtigung der auf
die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB nicht
ausreichend, um der Beklagten eine Änderung ihrer Praxis
abzuverlangen. Letztlich wird die Klägerin lediglich in einem,
wenn auch nicht unerheblichen Bereich ihrer Möglichkeiten
eingeschränkt, von Interessenten erreicht zu werden. Da aber
zahlreiche andere Zugangsmöglichkeiten bestehen, mögen diese
auch für die Klägerin nicht den Wert einer .de-Domain haben,
ist ihr der Verzicht auf die beanspruchte SLD eher zuzumuten als der
Beklagten die Registrierung einer Domain AAHHO.de. Die Erwägung
der Beklagten, mit der sie die Registrierung ablehnt, geht von der
tatsächlich bestehenden Gefahr einer Verwechselung aus. Die
Wahrscheinlichkeit einer solchen Verwechselung und eines erheblichen
Schadens kann zwar als sehr gering eingestuft werden. Dass eine
Störung des Internetverkehrs nur von geringer Wahrscheinlichkeit
ist und auch deren Auswirkungen derzeit nicht konkret dargestellt
werden können, verhilft der Klägerin jedoch nicht zum Erfolg.
Der Beklagten ist zuzubilligen, dass sie nur SLDs vergibt, die eine
solche Störung vollkommen ausschließen. Es kann zudem nicht
außer Acht bleiben, dass infolge der Zulassung einer reinen
Ziffern-SLD im Falle der Klägerin mit zahlreichen
Ziffern-Registrierungswünschen anderer Internet-Teilnehmer zu
rechnen ist. Die Beklagten müsste dann jeweils prüfen,
inwieweit die gewünschte Ziffernfolge größere
technische Probleme hervorrufen könnte als im Streitfall. Dies
würde die an sich von der Beklagten angestrebte effektive,
schnelle und preiswerte Registrierung (vgl. BGH GRUR 2001, 1038, 1040
– ambiente.de) mit zusätzlichem, nicht unerheblichem Aufwand
belasten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte
ihre Aufgabe im Interesse sämtlicher Internet-Nutzer und damit
zugleich im öffentlichen Interesse wahrnimmt (BGH a. a. O. –
ambiente.de). Dem Interesse der Beklagten an einer effektiven
Vergabepraxis gebührt deshalb grundsätzlich
der Vorrang (BGH a. a. O., S. 1041 – ambiente.de). Dabei kann
offen bleiben, ob zu Ungunsten der Klägerin auch zu
berücksichtigen ist, dass sie sich überhaupt in ihrer
Marketingstrategie dazu entschlossen hat, ihre Rufnummer in den
Vordergrund zu stellen, obwohl sie wusste oder zumindest hätte
wissen müssen, dass gerade die Beklagte eine SLD AAHHO.de nicht
registrieren wird. Ein milderes Mittel als der völlige Ausschluss
reiner Zifferndomains ist der Beklagten nicht möglich,
insbesondere kommt auch die probeweise Zulassung der begehrten Domain
nicht in Frage. Zum einen müsste die Beklagte – wie
erwähnt – aus Gründen der Gleichbehandlung auch
weiteren Registrierungsanträgen dieser Art stattgeben mit der
Folge zahlreicher, aber nur zum Teil parallel laufender Erprobungen.
Zum anderen werden die befürchteten Fehlfunktionen nicht immer
offenbar, so dass der Verlauf der Erprobung nicht zuverlässig
feststellbar wäre.In einem nicht nachgelassenen Schriftsatz beruft
sich die Klägerin darauf, die Beklagte habe seit März 2004
die Registrierung von Umlaut-Domains in vollem Bewusstsein zugelassen,
dass dies zu deutlichen Problemen, jedenfalls in der Anfangsphase
führen würde. Die Behauptung der Beklagten, sie unternehme
alles, um das Internet störungsfrei zu halten, sei daher wenig
überzeugend. Jedenfalls könne es keinen sachlichen
Differenzierungsgrund darstellen, wenn die Beklagte willkürlich
entscheide, ob sie gerade gewillt sei, das Internet störungsfrei
zu halten oder nicht. Dieser Vortrag gibt jedoch keinen Anlass, die
mündliche Verhandlung gemäß §§ 296a Abs. 2,
156 ZPO wieder zu eröffnen. Einerseits handelt es sich um
Umstände, die die Klägerin schon in erster Instanz hätte
vorbringen können. Der Vortrag wäre deshalb auch nach §
531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Andererseits geht es dabei um eine
nicht vergleichbare Fallgestaltung, da die technischen Probleme bei
Umlaut-Domains andere sind als diejenigen bei Zifferndomains.
Schließlich wäre die Beklagte nach den Erfahrungen mit der
damaligen Umstellung ihrer Richtlinien nicht gehindert, nunmehr weitere
Probleme durch Ablehnung einer abermaligen Änderung der
Registrierungspraxis zu vermeiden.
Aus diesen Gründen hat die Klägerin auch keinen Anspruch
wegen unbilliger Behinderung. Soweit sie in ihrer
Geschäftstätigkeit durch die ablehnende Haltung der Beklagten
behindert wird, ist dies aus den vorgenannten Gründen nicht
unbillig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Ab. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO
zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat
und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts
erfordern. Die Frage, ob die nationale Registrierungsstelle eine
bestimmte SLD vergeben muss, hat nur für den Einzelfall Bedeutung.
Es ist nicht ersichtlich, dass an die Beklagte in einer Vielzahl von
Fällen die Forderung nach der Registrierung von Zifferndomains
gerichtet worden ist.