Marihuana
Cannabis Haschisch Hasch Konsum strabar Strafbarkeit Ausland
Niederlande Uruguay
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Aktenzeichen: - III-3 RVs 45/13 |
29.04.2013
|
Oberlandesgericht
Düsseldorf
BESCHLUSS
1. Im
Ausland von Deutschen begangene Betäubungsmitteldelikte
unterliegen unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2
StGB, wonach die Tat am Tatort mit Strafe bedroht
sein muss, dem deutschen Strafrecht.
2. Der Besitz von
Cannabisprodukten ist nach dem niederländischen
Opiumgesetz unter Strafe gestellt, nicht jedoch der
bloße Erwerb und Konsum.
3. Wer in einem niederländischen Coffeeshop Cannabisprodukte
erwirbt und konsumiert, erlangt daran nicht notwendig Besitz im Sinne
des BtMG.
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben. Die
Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere
Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen, welche auch
über die Kosten der Revision zu befinden hat.
Gründe:
I. Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 20
Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil
wendet sich der Angeklagte mit der (Sprung-) Revision.
II. Das Urteil war auf die Rüge der Verletzung materiellen
Rechts mit den Feststellungen aufzuheben.
Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:
"Am 01.11.2010 reiste der Angeklagte in die Niederlande, um im
Coffeeshop N. in Venlo Marihuana zum Preis von 10,00 Euro zu erwerben
und dort in der Folgezeit zu konsumieren. Bei der Kontrolle an der
Grenze führte er drei Kundenkarten von Coffeeshops mit sich."
Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes
von Betäubungsmitteln nicht. Eine Verurteilung wegen
unerlaubten Erwerbes von Betäubungsmitteln nach §29
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG kam nicht in Betracht, da diese
Tatmodalität am niederländischen Tatort - wie es
§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB für die Strafbarkeit von
Deutschen wegen im Ausland begangener Taten erfordert - nicht unter
Strafe gestellt ist. Art. 2 C, 11 Nr. 1 des niederländischen
Opiumwet verbieten jedoch unter Strafandrohung den Besitz - selbst
geringer Mengen - von Cannabisprodukten. Dass die
niederländischen Strafverfolgungsbehörden bei Besitz
von bis zu 5 g Cannabis von der Strafverfolgung absehen,
ändert an der grundsätzlichen Strafbarkeit nichts.
Ob der Angeklagte Besitzer war, ist anhand der Feststellungen
für das Revisionsgericht nicht überprüfbar.
Der Besitzbegriff des §29 Abs. 1 S.1 Nr. 3 BtMG entspricht
nicht dem des Bürgerlichen Gesetzbuches. Vielmehr erfordert
der Besitz von Betäubungsmitteln objektiv eine
tatsächliche Sachherrschaft für einen nennenswerten
Zeitraum und subjektiv einen die Sachherrschaft tragenden
Herrschaftswillen (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl.,
§29 Rn. 15. MünchKomm-Kotz, Bd. 6, 2. Aufl., BtMG
§29 Rn. 1156, Franke, 2. Aufl., BtMG, §29 Rn. 135,
Weber, BtMG, 3 Aufl., §29 1170, jeweils m.w.N). Wer
Betäubungsmittel von einem Dritten in verbrauchsgerechter
Menge zum sofortigen Genuss an Ort und Stelle erhält und es
tatsächlich auch sofort zu sich nimmt, erlangt noch nicht die
Stellung eines Besitzers, sondern ist lediglich Konsument (OLG Hamburg
NStZ 2008, 287, Weber a.a.O., §29 Rn. 1175,
Körner/Patzak/Volkmer, a.a.O. § 29 Rn. 29 m.w.N.).
Das angefochtene Urteil verhält sich nicht dazu, ob der
Angeklagte das für 10 Euro erworbene Marihuana für
einen bestimmten Zeitraum tatsächlich innegehabt hat. Zwar ist
das Hauptkriterium des Erwerbs, dass der Erwerber die
tatsächliche Möglichkeit erlangt, über das
Betäubungsmittel wie ein Eigentümer zu
verfügen (OLG München NStZ2006, 579 [OLG
München 13.05.2005 - 4 St RR 75/05]). Damit dürfte
der Erwerber nach Übergabe in aller Regel auch Besitzer
werden. Ob dies aber auch für Erwerbsvorgänge in
niederländischen Coffeeshops gilt, ist zweifelhaft und anhand
der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Zwar
wird in dem Urteil dargelegt, es sei gerichtsbekannt, dass der Gast in
niederländischen Coffeeshops pro Kundenkarte maximal
fünf Gramm Cannabisprodukte erhalte, hierfür
üblicherweise 10 Euro zu zahlen seien und sich daraus selbst
bei geringster Qualität vier bis sechs Konsumeinheiten
fertigen ließen, welche nicht unter ständiger
Aufsicht des Verkäufers konsumiert werden könnten.
Diese Beweiswürdigung ist aber rechtsfehlerhaft, da sie den
Grundsatz "in dubio pro reo" missachtet. Denn das Gericht ist bei
seiner Schätzung zu Lasten des Angeklagten von
Höchstmengen ausgegangen, die für den Zahlbetrag
erwerbbar gewesen wären. Es hätte sich jedoch - ggf.
im Wege der Schätzung unter Beachtung des Zweifelssatzes -
eine Überzeugung von der Mindest erwerbmenge und dem Mindest
wirkstoffgehalt verschaffen und diese den Feststellungen zugrunde
müssen. Da aus dem Urteil nicht nachvollziehbar hervorgeht,
wie viel Marihuana mit welchem Wirkstoffgehalt der Angeklagte in dem
niederländischen Coffeeshop erworben hat, kann aus dem
bloßen Erwerbsvorgang nicht auf die Erlangung einer so
erheblichen Menge geschlossen werden, die nicht sofort verbraucht
werden konnte und somit Besitzerlangung an dem
überschießenden Anteil nahelegt.
Des Weiteren hat das Amtsgericht auch nicht festgestellt, wie der
konkrete Konsum des Marihuanas erfolgte. Besitzerlangung läge
z. B. eher fern, wenn der Verkäufer das Marihuana in eine Bong
oder eine Shisha zum direkten Verbrauch im Coffeeshop gefüllt
hätte. Aber auch bei Übergabe in Zigarettenform sind
Umstände denkbar, die eine für den Besitz
erforderlich tatsächliche Sachherrschaft
ausschließen könnten. Lassen sich zu den genauen
Umständen der Übergabe und des Konsums keine
Feststellungen treffen, die den Schluss auf eine tatsächliche
Sachherrschaft begründen, muss der Tatrichter unter Anwendung
des Zweifelssatzes von der für den Angeklagten
günstigeren Sachverhaltsvariante des besitzlosen Konsums
ausgehen (OLG Nürnberg NStZ-RR 2009, 194).
Sollte die erneute Hauptverhandlung auf gesicherter Tatsachenbasis dazu
gelangen, dass Besitz von Betäubungsmitteln vorlag, so wird zu
prüfen sein, ob dem Angeklagten bei Tatbegehung die Einsicht,
Unrecht zu tun gefehlt hat (Verbotsirrtum, §17 StGB). An das
Vorliegen eines Verbotsirrtums sind jedoch strenge Voraussetzungen zu
stellen.
Unterschriften