Abmahnung
Patentanwalt Kosten Marke
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Aktenzeichen: I-20 U
52/07
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30.10.2007
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Oberlandesgericht Düsseldorf
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2a. Zivilkammer
des Landgerichts Düsseldorf vom 21. März 2007 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
I.
Auf Antrag der Klägerin hat das Landgericht
Düsseldorf der Beklagten im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom 24. Mai
2006, Aktenzeichen 2a O 120/06, untersagt, im geschäftlichen
Verkehr die Zeichen "R.-H." und "R.-M." zur Bezeichnung von Laden- und
Lagersystemen zu benutzen. Den Beschluss hat die Klägerin der
Beklagten am 25. Mai 2006 zustellen lassen. Mit anwaltlichem Schreiben
vom 28. Juni 2006 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die
Beschlussverfügung vom 24. Mai 2006 als endgültige
Regelung anzuerkennen und die durch die Einschaltung ihrer
Rechtsanwälte K., sowie ihrer Patentanwälte P. und A.
entstandenen Kosten auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von
125.000,00 Euro zu übernehmen. Klageauftrag hatte sie zu
diesem Zeitpunkt noch nicht erteilt.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2006 hat die Beklagte die geforderte
Abschlusserklärung abgegeben, eine Verpflichtung zur
Erstattung der Rechts- und Patentanwaltskosten lehnte sie
zunächst ab. Mit Schreiben vom 9. August 2006
erklärte sie sich dann zur Zahlung von 816,41 Euro bereit,
dieser Betrag ist am 23. August 2006 auf dem Konto der
Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen.
Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, sie habe einen
Anspruch auf Erstattung ihrer Rechts- und ihrer Patentanwaltskosten
für das Abschlussschreiben in Höhe von jeweils 1,5
Geschäftsgebühren auf der Basis eines
Gegenstandswertes von 125.000,00 Euro.
Nach Zustellung der Klageschrift hat die Beklagte am 24. Oktober 2006
einen weiteren Betrag von 534,76 Euro gezahlt. Insoweit haben die
Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für
erledigt erklärt.
Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, von ihr seien nur die
Kosten für die von der Klägerin beauftragten
Rechtsanwälte und diese auch nur in Höhe einer 0,8
Geschäftsgebühr auf der Basis eines Gegenstandswertes
von 125.000,00 Euro zu erstatten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster
Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil, Bl. 57 ff. d. GA., Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit Ausnahme einer auf die gezahlten
Beträge entfallenden Zinsnebenforderung abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, der Klägerin
stünde nur die Erstattung der Rechtsanwaltskosten und dies
auch nur in Höhe einer 0,8 Geschäftsgebühr
auf der Basis eines Gegenstandswertes von 125.000,00 Euro zu. Dieser
Satz sei für ein Abschlussschreiben ausreichend, da dieses
nach einem vorangegangenen Verfügungsverfahren keinen
besonderen Aufwand erfordere. Eine Erstattung der Patentanwaltskosten
könne nicht verlangt werden, § 140 Abs. 3 MarkenG
finde auf das Abschlussschreiben weder unmittelbar noch analog
Anwendung. Dass die Hinzuziehung erforderlich gewesen wäre,
weil ihr Prozessbevollmächtigter nicht in der Lage gewesen
sei, das Abschlussschreiben alleine zu fertigen, habe die
Klägerin nicht behauptet.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
trägt die Klägerin vor, § 140 Abs. 3 MarkenG
finde auf die Mitwirkung eines Patentanwaltes auch im vorprozessualen
Stadium Anwendung. Die Formulierung "in einer Kennzeichenstreitsache"
beziehe sich auf die Geltendmachung von markenrechtlichen
Ansprüchen in jedweder Form und dürfe nicht auf die
Klage verengt werden. Eine 1,5 Geschäftsgebühr sei
vorliegend angemessen, Markensachen bildeten eine Spezialmaterie,
weshalb sogar ein Gebührenfaktor von 2,0 allgemein als
berechtigt angesehen werde.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu
verurteilen, an die Klägerin 2.981,83 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz
1. aus 4.333,00 Euro für die Zeit vom 15.
Juli 2006 bis zum 22. August 2006,
2. aus 3.516,59 Euro für die Zeit vom 23.
August 2006 bis zum 23. Oktober 2006 und
3. aus 2.981,83 Euro seit dem 24. Oktober 2006;
abzüglich durch Endurteil vom 21. März 2007
– 2a O 193/06 LG Düsseldorf –
ausgeurteilter Zinsen zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Im Rahmen des
vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens seien alle
Rechtsprobleme unter Mitwirkung der Patentanwälte
geklärt worden, ihre Mitwirkung am Abschlussschreiben habe
daher nicht in ihrem Interesse gelegen und sei auch nicht erforderlich
gewesen. Auch die in Ansatz gebrachte 0,8
Geschäftsgebühr sei richtig bemessen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache
keinen Erfolg. Einen über den ihr vom Landgericht zuerkannten
Erstattungsanspruch hinausgehenden Anspruch hat sie nicht.
Ein Anspruch aus § 140 Abs. 3 MarkenG scheidet aus. Diese
Vorschrift ist keine materiellrechtliche Anspruchsgrundlage; §
140 Abs. 3 MarkenG ist ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch,
durch ihn wird die Regelung des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO auf einen
mitwirkenden Patentanwalt erstreckt.
Die Vorschrift steht im 7. Teil des Markengesetzes, der mit "Verfahren
in Kennzeichenstreitsachen" überschrieben ist und der
Zuständigkeits- und Kostenregelungen enthält.
§ 140 Abs. 1 MarkenG bestimmt die ausschließliche
sachliche Zuständigkeit der Landgerichte für
Kennzeichenstreitsachen, § 140 Abs. 2 MarkenG
ermächtigt die Landesregierungen zur Schaffung einer
örtlichen Zuständigkeitskonzentration, § 141
MarkenG regelt die örtliche Zuständigkeit
für den Fall des Zusammentreffens kennzeichenrechtlicher mit
wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen. In § 142 MarkenG
ist die Streitwertbegünstigung geregelt. Materiellrechtliche
Regelungen finden sich hingegen in diesem Teil des Markengesetzes
nicht. Ein nicht nur auf Gerichtsverfahren bezogenes,
materiellrechtliches Verständnis der Formulierung "in einer
Kennzeichenstreitsache" in § 140 Abs. 3 MarkenG verbietet sich
schon von daher.
Im übrigen hätte ein materiellrechtliches
Verständnis von § 140 Abs. 3 MarkenG auch die nicht
zu begründende Folge, dass die Kosten für die
Hinzuziehung eines Patentanwaltes zu einem Abschlussschreiben selbst
dann zu erstatten wären, wenn bezüglich der
Rechtsanwaltskosten ein solcher Anspruch nicht bestünde. Ein
Verletzter kann zwar grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der
Geschäftsführung ohne Auftrag, §§
683, 677 BGB, die für eine Abmahnung oder ein
Abschlussschreiben aufgewandten Kosten ersetzt verlangen (BGH, GRUR
1973, 384, 385 - Goldene Armbänder), aber nur soweit diese
erforderlich waren. Wenn er selbst über die für eine
zweckentsprechende Rechtsverfolgung hinreichende Sachkunde
verfügt, steht ihm ein Anspruch auf Erstattung der durch eine
gleichwohl erfolgte Beauftragung eines Rechtsanwalts verursachten
Kosten daher nicht zu (BGH, GRUR 2007, 621, 622, 623 –
Abschlussschreiben). Während im Rahmen der Erstattung der
Verfahrenskosten Rechtsanwaltskosten gemäß
§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO immer zu erstatten sind, findet folglich
im Bereich außerprozessualer Kostenerstattung eine
Erforderlichkeitsprüfung statt. Da § 140 Abs. 3
MarkenG keinerlei Raum für eine
Erforderlichkeitsprüfung lässt (BGH, GRUR 2003, 639,
640 – Kosten des Patentanwalts), könnte der
Verletzte bei einem materiellrechtlichen Verständnis der
Regelung auch bei hinreichender Sachkunde die Kosten des Patentanwaltes
ersetzt verlangen, die eines Rechtsanwalts hingegen nicht. Dies liefe
auf eine Bevorzugung der Patent- vor den Rechtsanwälten
hinaus, für die ein Grund nicht ersichtlich ist. Eine
Beschränkung der Anwendung des § 140 Abs. 3 auf
Fälle, in denen die Mitwirkung eines Rechtsanwaltes
erforderlich war, lässt sich jedoch im Wortlaut nicht
festmachen. Das Wort "Hinzuziehung" bezieht sich auf das
Verhältnis zwischen dem Patentanwalt und dem Verletzten, denn
nur dieser ist der Auftraggeber (auch) des Patentanwaltes. Gerade das
Fehlen jedweder Erforderlichkeitsprüfung, das dem materiellen
Erstattungsrecht ohnehin fremd wäre, unterstreicht vielmehr
den prozessualen, § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO ergänzenden
Charakter des § 140 Abs. 3 MarkenG.
Auch eine analoge Anwendung des § 140 Abs. 3 MarkenG scheidet
aus. Prozessuale Kostenvorschriften stellen gegenüber den
materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen Ausnahmevorschriften dar, da
sie an ein bestehendes Prozessrechtsverhältnis
anknüpfen und die Kostentragungspflicht unabhängig
vom Verschulden nach dem Maß des Unterliegens regeln. Eine
daran orientierte Entscheidung über die Kostentragungspflicht
kann nicht gewährleisten, dass sie der materiellen Rechtslage
im Einzelfall entspricht. Ein auf sie gestützter allgemeiner
Kostenerstattungsanspruch würde zu einer vom Gesetzgeber nicht
gewollten und auch nicht hinnehmbaren Erweiterung der
Kostenerstattungspflicht in Richtung auf eine
verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung
führen (BGH, NJW 2007, 1458, 1459, 1460).
Für die Erstattung der Kosten eines Patentanwaltes gilt daher
Gleiches wie für die eines Rechtsanwaltes. Eine Erstattung der
Patentanwaltskosten kommt nur unter dem Gesichtspunkt der
Geschäftsführung ohne Auftrag, §§
683, 677 BGB, oder im Rahmen eines Schadensersatzanspruches, §
14 Abs. 6 MarkenG, in Betracht. Insoweit ist jedoch, wie bereits im
Hinblick auf die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes ausgeführt,
die Erforderlichkeit der Mitwirkung des Patentanwaltes Voraussetzung
(BGH, GRUR 2007, 621, 622, 623 – Abschlussschreiben). Dabei
kann nicht einfach auf die Erforderlichkeit der Hinzuziehung der
Rechtsanwälte abgestellt werden, die Prüfung muss
für den Patentanwalt gesondert erfolgen; jeder an §
140 Abs. 3 MarkenG angelehnte Automatismus hat aus den vorgenannten
Gründen zur fehlenden Analogiefähigkeit dieser
Vorschrift zu unterbleiben. Die Klägerin hat jedoch nichts
vorgetragen, was die Mitwirkung ihrer Patentanwälte
zusätzlich zu ihren Rechtsanwälten rechtfertigen
könnte, sie hat sich bei ihrer Argumentation allein auf
§ 140 Abs. 3 MarkenG beschränkt.
Für die Mitwirkung ihrer Rechtsanwälte steht der
Klägerin jedenfalls keine über eine 0,8
Geschäftsgebühr hinausgehende Kostenerstattung zu.
Das Abschlussschreiben stellt geringere Anforderungen als die erste
Abmahnung. Als Abschlussschreiben genügt die formlose Anfrage,
ob die vorangegangene einstweilige Verfügung nunmehr als
endgültige Regelung anerkannt werde (BGH, GRUR 2007, 621, 622
- Abschlussschreiben). Auch wenn das Abschlussschreiben nicht mehr zu
dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
gehört, ändert dies nichts daran, dass der
Sachverhalt für dieses Verfahren bereits aufgearbeitet worden
ist. Von daher wird teilweise sogar die nach Nummer 2402 des
Vergütungsverzeichnisses zum RVG für Schreiben
einfachster Art vorgesehene 0,3 Geschäftsgebühr
für ausreichend erachtet (Ahrens/Ahrens, Der
Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 58 Rz 41). Doch auch bei einer
Anwendung des für eine außergerichtliche
Tätigkeit in Nummer 2400 des Vergütungsverzeichnisses
zum RVG für die Geschäftsgebühr vorgesehenen
Gebührenrahmens von 0,5 bis 2,5 kann Ausgangspunkt
für die gebührenrechtliche Einstufung des
Abschlussschreibens nur die Mindestgebühr sein (Ingerl/
Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., Vorbemerkungen zu §§
14 - 19, Rdnr. 153, zu § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO), eine
Orientierung an der Mittelgebühr oder gar ein
Überschreiten derselben scheidet aus. Allenfalls
könnte eine Analogie zu Nummer 2401 des
RVG-Gebührenverzeichnisses in Erwägung zu ziehen
sein, die für ein Verfahren zur Nachprüfung eines
Verwaltungsakts nach einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren, also
einem dem vorausgegangenen Verfügungsverfahren vergleichbaren
Sachverhalt, einen Gebührenrahmen von 0,5 bis 1,3 mit einer
Mittelgebühr von 0,7 vorsieht. Dies braucht jedoch ebenso wie
die Frage, ob allein die Zugehörigkeit zur Spezialmaterie des
Markenrechts eine besondere Schwierigkeit begründet, nicht
entschieden zu werden, da das Landgericht der Klägerin bereits
eine über die Mindestgebühr nach Nummer 2400 und die
Mittelgebühr nach Nummer 2401 hinausgehende 0,8
Geschäftsgebühr zuerkannt hat. Dass es sich
vorliegend um einen ganz ungewöhnlich schwierigen Sachverhalt
gehandelt habe, der ein Hinausgehen über die bereits deutlich
über der Mindestgebühr liegende 0,8
Geschäftsgebühr rechtfertigen könnte, hat
die Klägerin nicht dargetan.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht
ersichtlich.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.981,83
Euro festgesetzt.