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duesseldorf motezuma urteil § 71 urhg
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Aktenzeichen: I-20
U 112/06
|
Verkündet am:
16.01.2007
|
OBERLANDESGERICHT
DÜSSELDORF
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In
dem Rechtsstreit
...
-
Klägerin und
Berufungsbeklagte -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt
...
g e
g e n
...
- Beklagte und
Berufungsklägerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
...
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
Der klagende Verein, eine chor- und konzertausübende Gesellschaft
bürgerlicher Musikpflege in langer Tradition, begehrt Auskunfts-
und Schadensersatz wegen der von der Beklagten veranstalteten
Aufführungen der Oper "Motezuma” von Antonio Vivaldi RV 723
gemäß der im Jahr 2005 veröffentlichen Handschrift SA
1214 aus dem Archiv des Klägers (Anlage K 1).
Der 1741 gestorbene venezianische Komponist Antonio Vivaldi schuf die
Oper "Motezuma”, die am 14. November 1733 unter seiner Leitung im
venezianischen Theater San Angelo uraufgeführt wurde. Während
das von Alvise oder Girolamo Giusti stammende Libretto der Oper bekannt
blieb, galt die Komposition lange als verloren.
2002 entdeckte der Musikwissenschaftler Steffen Voss aus Hamburg in der
Handschrift mit der Signatur SA 1214 des Archivs des Klägers die -
nicht ganz vollständig - Musik zu der Oper. Der Kläger
ließ im Januar 2005 50 gebundene
Vervielfältigungenstücke der Handschrift - Faksimilekopien
ohne weitere Bearbeitung - erstellen und bot diese auf seiner
Internetseite zum Preis von jeweils EUR 60,00 an.
Die Beklagte arbeitete mit dem Musikwissenschaftler, Komponisten und
Dirigenten Frederico Maria Sardelli aus Florenz, Mitglied des in
Venedig ansässigen Instituto Italiano "Antonio Vivaldi”,
zusammen, der seinerseits gemeinsam mit Steffen Voss an der Musik die
für eine Aufführung des Werks notwendige Ergänzungen
vornahm und das Werk bei einer konzertranten Aufführung am 11.
Juni 2005 in Rotterdam künstlerisch leitete. Diese Aufführung
war von der Klägerin genehmigt worden. Für weitere von der
Beklagten geplante Aufführungen im Rahmen des von ihr
veranstalteten "Altstadthberst Kulturfestivals” in
Düsseldorf sowie eines Festivals in Barga, Italien, an dem die
Beklagte als Koproduzentin mitwirkte, verweigerte der Antragsteller die
Genehmigung.
Nachdem der Beklagten in einem vom dem Kläger angestrengten
einstweiligen Verfügungsverfahren durch Urteil der Kammer vom 11.
Juli 2005 - 12 O 355/05 - die Aufführung der Oper untersagt worden
ist, dieses Urteil dann durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Düsseldorf vom 16. August 2005 - I - 20 U 123/05 - abgeändert
und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
zurückgewiesen worden ist, hat die Beklagte die Oper
"Motezuma” von Antonio Vivaldi am 21., 23., 24. und 25. September
2005 in Düsseldorf im Rahmen des Altstadtherbstes aufgeführt.
Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits hat die Beklagte mit
Schriftsatz vom 20.04.2006 eine strafbewährte
Unterlassungserklärung abgegeben.
Der Kläger trägt vor:
Die streitgegenständliche Oper sei allein am 14. November 1733 ein
einziges Mal im venezianischen Theater San Angelo aufgeführt
worden. Bei der von der Beklagten in Bezug genommenen Aufführung
im Jahre 1772 handele es sich um die dreiaktige Oper "Motezuma”
mit Musik des italienischen Barockkomponisten Baldassare Galuppi. Bei
der Musik der Oper Vivaldis handele es sich um ein nicht erschienenes
Werk.
Im Hinblick auf die Unterlassungserklärung haben die Parteien den
Rechtsstreit hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruches
übereinstimmend erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
I.
über die durch die Aufführungen der Oper "Motezuma” von
Antonio Vivaldi am 21., 23., 24. und 25. September 2005 erzielten
Einnahmen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen sowie die
Richtigkeit und Vollständigkeit der zu erteilenden Auskünfte
an Eides statt zu versichern,
II.
an ihn einen angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe
von der nach Ziffer II. zu erteilenden Auskunft und Rechnungslegung
abhängt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor:
Im Hinblick auf die aufgefundene Handschrift, die aus einer
professionellen betriebenen Kopistenwerkstatt stamme und der damaligen
Praxis der Verbreitung von Opernmusikabschriften, sei das Erscheinen
belegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist abzuweisen.
Über die im Wege der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche
ist einheitlich zu entscheiden, da eine Schadensersatzpflicht des
Beklagten aus § 97 UrhG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Satz 1
und 2 UrhG nicht besteht. Der in Anspruch genommene Leistungsschutz an
einem sogenannten nachgelassenen Werk kommt dem Kläger
hinsichtlich der Opernmusik Vivaldis nicht zu.
Es ist weder festzustellen, dass die Musik zur Oper "Motezuma”
vor 2005 nicht erschienen ist, noch ist feststellbar, dass dies der
Fall war. Die Kammer ist nunmehr der Auffassung, dass der Umstand, dass
die Opernmusik, soweit die Erinnerung reicht, verschollen war, nicht
ausschließt, dass die Musik zuvor doch erschienen war. Vielmehr
können Vervielfältigungsstücke der Musik, auf die es
für ein früheres Erscheinen ankommt, bis auf die beim
Kläger gefundene Handschrift endgültig verloren gegangen oder
sie können anderer Orts noch verborgen sein. Eine Verbreitung von
Vervielfältigungsstücken im Anschluss an die
Urausführung der Oper 1733 ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen,
weil die Partitur schon zu Lebzeiten Vivaldi 1741 bereits als
verschollen gegolten hätte. Der Kläger, der sich im
einstweiligen Verfügungsverfahren für diese Behauptung - wie
im Urteil des Oberlandesgerichts vom 16. August 2005 festgehalten ist -
zu Unrecht auf das Werk Mario Renaldis "Il Teatro Mofciale de Antonio
Vivaldi” , Florenz 1979, berufen hat, hat nunmehr sein Vorbringen
insoweit nicht ergänzt. Er hat insbesondere keine weiteren Quellen
genannt, die davon ausgehen, dass die Partitur bereits zu Lebzeiten
Vivaldis verschwunden ist.
Soweit der Kläger sich auf die als Anlag K 13 vorgelegte
Stellungnahme der Geschäftsführerin Barbara
Scheuch-Vötterle des Bärenreiter-Verlages, Kassel, beruft,
rechtfertigt diese als Parteivorbringen zu wertende Stellungnahme nicht
den Schluss darauf, dass die streitgegenständliche Musik nicht
erschienen ist. Soweit in der Stellungnahme ausgeführt wird, dass
zu Lebzeiten Vivaldis außerhalb von Italien, insbesondere in den
Niederlanden, diese Oper "ohne weiteres” hätte gedruckt
werden können, ist dies unerheblich. Auch die Stellungnahme geht
davon aus, dass im damaligen Italien Opern eher nicht im Druck
erschienen. Soweit weiter ausgeführt wird, dass, "wenn eine
große Nachfrage weiterer Exemplare an dieser Oper
tatsächlich bestanden hätte, Vivaldi sich in diesem Fall der
Möglichkeit des Druckes bedient hätte”, wird in der
genannten Stellungnahme sogleich davon abgerückt mit dem Hinweis,
dass sich "darauf schließen lässt, dass auch im Fall
"Motezuma” die übliche Praxis galt, nach der die Abschriften
bei dem aufführenden Theater verblieben sind und – dies mag
stattgefunden haben – dem einen oder anderen Interessenten
weitergeleitet wurden”. Weitere Indizien, die gegen ein
Erscheinen der Partitur sprechen, sind der als Anlage K 13 vorgelegten
Stellungnahme nicht zu entnehmen. Soweit diese in dem Fazit
mündet, es sei keinesfalls so gewesen, dass jeder Interessent an
dieser Oper eine Abschrift des Werkes erhalten konnte, weil dies die
Kopierwerkstätten komplett überfordert und nicht der Praxis
der damaligen Zeit entsprochen habe, lässt die Stellungnahme in
keiner Weise erkennen, inwieweit sie auf der tatsächlichen
Kenntnis der damaligen Verhältnisse beruht. Das klägerische
Vorbringen steht insoweit im Widerspruch zu den von der Beklagten als
Anlage B 5 und B 6 vorgelegten Werken von Strohm und Talbot. Namentlich
Talbot beschreibt in seiner Biographie von Antonio Vivaldi, dass
Kopisten "als selbständige Unternehmer” tätig waren und
- entgegen der Erklärung von Barbara Scheuch-Vötterle - auf
diesem Wege sehr wohl Opernmusik der interessierten
Öffentlichkeit, die sich naturgemäß auf einen Vergleich
zum heutigen Publikum kleinen Kreis von Adligen und wohlhabenden
Bürgern beschränkte, zugänglich war.
Auch die vom Kläger als Anlage K 16 vorgelegte Stellungnahme des
Prof. Dr. Beer rechtfertigt nicht den Schluss darauf, dass das
streitgegenständliche Werk nicht erschienen ist. Zum Einen steht
die Feststellung "eine Veröffentlichung ... einer Oper im Druck
oder auch durch handschriftliche Vervielfältigung wäre
absolut sinnlos gewesen” im Widerspruch zur Praxis der
handschriftlichen Kopierens, die sich aus den bereits vorstehend
genannten von der Beklagten überreichten Anlagen ergibt. Zum
Anderen aber wird insbesondere aus der Zusammenfassung deutlich, dass
Prof. Dr. Axel Beer nicht ausschließen kann, dass das Werk zu
Lebzeiten Vivaldis in der Weise erschienen ist, dass handschriftliche
Abschriften Interessierten zur Verfügung gestellt wurden. In der
Zusammenfassung heißt es lediglich, dass
Deutungsmöglichkeiten nicht zu übersehen seien, nach denen
die Herstellung nur eines einzigen Exemplars (das bis heute
fragmentarisch erhaltene) denkbar wäre. Hieraus kann indessen
nicht der Schluss gezogen werden, dass tatsächlich nur eine
Abschrift erstellt worden ist. Weitere Tatsachen, die gegen ein
Erscheinen der Partitur sprechen, hat der Kläger nicht dargelegt
und unter Beweis gestellt. Dies geht zu seinen Lasten. Denn der
Kläger trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast
für das anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmal des
Nichterschienenseins im Sinne des § 71 UrhG.
Allein aus dem Umstand, dass es sich bei dem Tatbestandsmerkmal des
Nichterscheinens um eine sogenannte negative Tatsache handelt,
führt nicht zu einer Umkehrung der Beweislast (vergl. BGH NJW
1985, 1774 f.). Eine abweichende Beweislastverteilung aus Gründen
der materiellen Gerechtigkeit kommt nicht in Betracht (Rüberg,
Montezumas späte Rache, ZUM 2006, 122, 126f.). Eine abweichende
Beweislastverteilung ergibt sich auch nicht aus der Auslegung des
§ 71 UrhG. Der Wortlaut des § 71 Abs. 1 Satz 1 u. 2 UrhG
ordnet das Merkmal, dass das betreffende Werk nicht schon erschienen
sein darf, als anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal ein,
obwohl sich der Gesetzgeber, wie sich aus der Begründung zu §
81 des Urhebergesetzentwurfes 1962 ergibt, der tatsächlichen
Schwierigkeiten der Beweisführung bewusst war. Gleichwohl ist das
Tatbestandsmerkmal des Nichterschienenseins nicht als
Ausnahmetatbestand formuliert worden. Dies entspricht dem Wesen der
Norm als eng auszulegender Ausnahmevorschrift (OLG Düsseldorf,
Urteil vom 16. August 2005 - I 20 U 123/05, Seite 25). Vor diesen
Hintergrund kann der Entscheidung des Landgerichts Magdeburg (GRUR
2004, 672, 673f. Himmelsscheibe von Nebra), die davon ausgeht, dass
derjenige der aufgrund eines Leistungsschutzrechts an Werken nach
§ 71 UrhG in Anspruch genommen wird, seinerseits beweisen
müsste, dass das betreffende Werk zuvor schon erschienen ist,
nicht gefolgt werden.
Die Umkehr der Beweislast kann auch nicht durch Hinweis auf andere
gewerbliche Schutzrechte begründet werden, namentlich die
Vermutung der Schutzfähigkeit eines eingetragenen Geschmackmusters
(so aber: Wandke/Bullinger/Thom, § 71 Rdnr. 13). Diese
Begründung ist deshalb nicht tragfähig, weil das
Geschmackmustergesetz ausdrücklich eine entsprechende Vermutung
anordnet (vergl. § 13 Geschmacksmustergesetz a.F. sowie § 39
Geschmacksmustergesetz n.F.). An einer solchen gesetzlichen Regelung,
die vor dem Hintergrund steht, dass das Geschmacksmuster ein
Registerrecht ist, das eine Eintragung voraussetzt, fehlt es für
§ 71 UrhG.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 91 a ZPO. Aus
den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Klage von
Anfang an insgesamt unbegründet war, so dass der Kläger die
Kosten zu tragen hat, soweit der Rechtsstreit übereinstimmend
für erledigt erklärt worden ist.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
Streitwert: bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung im Termin am 26.04.2006: EUR 250.000,00.
Danach: EUR 125.000,00.
v. Gregory Dr .Wirtz Dr. Kohlhofs-Mann