OLG Celle, OK-Vermerk Telefax
zurück
Aktenzeichen: 8 U 80/07 |
Verkündet
am:
19.06.2008
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
OLG
Celle
Im
Namen des Volkes
Urteil
Tenor:
Unter Abänderung des am 20. Februar 2007 verkündeten Urteils
der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird festgestellt, dass
der Lebensversicherungsvertrag mit der M. Lebensvers. AG vom 30.
März 1999, Versicherungsvertrag-Nummer ..., versicherte Person: M.
N., bestehend aus einer Lebensversicherung/Rentenversicherung
kombiniert mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung, durch die
Kündigung der Beklagten vom 18. September 2003 nicht beendet
wurde, sondern ungekündigt im vereinbarten Versicherungsumfang
fortbesteht.
Die
Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 988,61 €
außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zzgl. 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung des Fortbestehens einer Kapitallebens- und Rentenversicherung in Anspruch.
Ausweislich des
Versicherungsscheins vom 30. März 1999 unterhielt der Kläger
bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der ... Lebensvers. AG,
eine Lebens- und Rentenversicherung auf den Erlebensfall mit
eingeschlossener Berufsunfähigkeitsversicherung (Bl. 11 - 15 d.
A.). Der Vertrag ist mit einer Dynamikklausel verbunden, die eine
Beitragserhöhung von jährlich mindestens 5 % und eine neue
Festsetzung der Versicherungsleistung vorsieht. In den dem Vertrag
zugrunde liegenden AVB (Bl. 58 - 67 d. A.) heißt es zu § 16
Ziff. 10:
„Die
Erhöhung entfällt rückwirkend, wenn Sie ihr bis zum Ende
des ersten Monats nach dem Erhöhungstermin widersprechen oder den
ersten erhöhten Beitrag nicht innerhalb von zwei Monaten nach dem
Erhöhungstermin zahlen.“
Anfang 2003
belief sich der Beitrag auf 167,48 € monatlich. Am 27. Januar 2003
teilte die Beklagte dem Kläger eine Erhöhung der
Versicherungsleistung sowie des Beitrages auf monatlich 192,60 €
mit (Bl. 16 d. A.). Dieser Beitrag wurde für März 2003 vom
Konto des Klägers abgebucht. Ob der Kläger der Erhöhung
widersprochen hat, ist streitig. Jedenfalls widerrief der Kläger
am 9./13. Mai 2003 den Lastschrifteinzug für die Monate April und
Mai 2003 und zahlte per Überweisung nur den ursprünglichen
monatlichen Betrag. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten mahnte den
Kläger mit Schreiben vom 10. Juni 2003 zur Zahlung des
rückständigen Betrages von 52,75 € (Bl. 20 d. A.).
Weitere Zahlungen des Klägers folgten dann nicht mehr. Am 18.
September 2003 kündigte die Beklagte den Vertrag wegen
Zahlungsverzuges (Bl. 22f. d. A.). In dem Schreiben heißt es
weiter:
„Die
Wirkungen entfallen, wenn Sie innerhalb eines Monats nach Zugang dieses
Schreibens alle angemahnten Beiträge zuzüglich
Verzugsaufschlag zahlen. Bis zu 6 Monaten seit der Fälligkeit des
ersten rückständigen Betrages kann der Vertrag durch Zahlung
aller bis zum Zahlungszeitpunkt fällig gewordenen Beträge
zuzüglich Verzugsaufschlag wieder in der ursprünglichen Form
in Kraft gesetzt werden. Voraussetzung ist stets, dass der
Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Trotz des
Zahlungsrückstandes gibt es verschiedene Möglichkeiten, bald
wieder vollen Versicherungsschutz zu erhalten. Sollte es Ihnen zur Zeit
schwer fallen, die aufgelaufenen Rückstände zu begleichen, so
können wir Ihnen verschiedene Angebote zur Weiterführung des
Vertrages unterbreiten. Bitte setzen Sie sich deshalb mit uns in
Verbindung.“
Am 23. September
2003 gab es ein Telefonat zwischen dem Kläger und der
Mitarbeiterin M. der Rechtsvorgängerin der Beklagten, bei dem es
um die Bezahlung der rückständigen Beiträge ging. Eine
Zahlung seitens des Klägers oder eine Vereinbarung mit der
Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgten nicht. Die Beklagte
lehnte eine rückwirkende Wiederinkraftsetzung des Vertrages und
eine Rücknahme der Kündigung mit Schreiben vom 9. Juli 2004
(Bl. 28 f. d. A.) und 21. Februar 2006 (Bl. 30 d. A.) ab.
Der Kläger hat behauptet,
die
Kündigung der Beklagten sei bereits deshalb unwirksam, weil er der
Dynamikerhöhung durch Faxschreiben vom 10. März 2003
widersprochen habe (Bl. 4, 16 - 18, 76 - 78 d. A.). Dieser Widerspruch
sei am 10. März 2003 ausweislich des Faxjournals sowie des
Einzelverbindungsnachweises der Telekom ordnungsgemäß
abgesandt worden, wobei sich der OK-Vermerk aus dem Sendeprotokoll
ergebe. Zu irgendwelchen technischen Übermittlungsstörungen
sei es nicht gekommen. Der Anschluss gehöre seinem Vater, der eine
Subdirektion der Rechtsvorgängerin der Beklagten geleitet habe und
bei der er tätig gewesen sei. Dass im Faxjournal die Vorwahl
für M. fehle, liege an der vom Empfänger des Gerätes
gewählten Einstellung seines Gerätes. Infolge dieses
Widerspruchs habe er auch der Einziehung der erhöhten
Beiträge für April und Mai 2003 widersprochen, während
der Widerspruch für den erhöhten Betrag für März
2003 zu spät gekommen sei. Der Mahnung der Rechtsvorgängerin
der Beklagten vom 10. Juni 2003 habe er durch Fax vom 13. Juni 2003
widersprochen, in dem er auf den Widerspruch gegen die
Dynamikerhöhung hingewiesen habe (Bl. 5 f., 19 - 21 d. A.). Die
Beklagte könne sich auch deshalb nicht auf eine Kündigung
berufen, weil sie es dem Kläger unmöglich gemacht habe,
innerhalb der 6-Monats-Frist bis zum 1. November 2003 die Verzugsfolgen
wieder zu beseitigen (Bl. 6, 80 - 83 d. A.). Bei dem Telefonat mit der
Mitarbeiterin M. am 23. September 2003 sei es um die verschiedenen
Alternativen gegangen, die die Beklagte habe prüfen wollen, z. B.
eine Umlage der rückständigen Beiträge auf die
Restlaufzeit des Vertrages. Die Mitarbeiterin der
Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sich dann jedoch nicht wieder
gemeldet.
Der Kläger hat beantragt (Bl. 1, 100 d. A.),
1.
festzustellen, dass der Lebensversicherungsvertrag mit der M.
Lebensvers. AG vom 30.03.1999, Versicherungsvertrag-Nummer ...,
versichere Person: M. N., bestehend aus einer
Lebensversicherung/Rentenversicherung kombiniert mit einer
Berufsunfähigkeitsversicherung, durch die Kündigung der
Beklagten vom 18.09.2003 nicht beendet wurde, sondern ungekündigt
im vereinbarten Versicherungsumfang fortbesteht,
2. die Beklagte
zu verurteilen, an den Kläger 988,61 €
außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zzgl. 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt (Bl. 100 d. A.),
die Klage abzuweisen.
Sie hat
behauptet, den Widerspruch gegen die Dynamikerhöhung vom 10.
März 2003 nicht erhalten zu haben (Bl. 55 - 57, 92 f., 99 d. A.).
Insoweit stehe noch nicht einmal die Absendung des Fax mit diesem
Inhalt fest, zumal von diesem Anschluss zahlreiche Schreiben an die
Rechtsvorgängerin der Beklagten gefaxt worden seien. Bei der
Fax-Nummer fehle die Vorwahl für M.. Ferner bestünden
Zeitdifferenzen zum Einzelverbindungsnachweis der Telekom. Ein
Versandausdruck auf dem angeblichen Widerspruchsschreiben sei nicht
vorhanden. Außerdem handele es sich bei dem Faxanschluss nicht um
einen der M. Lebensvers. AG, sondern der M. AG-Holding, Bereich
Vermittlerbetreuung. Auf die erfolgte Mahnung vom 10. Juni 2003 nach
der Rücklastschrift für April und Mai 2003 habe der
Kläger sich auch nicht weiter gemeldet, so dass die Kündigung
ausgesprochen worden sei (Bl. 54 d. A.). Bei dem Telefonat am 23.
September 2003 habe der Kläger erklärt, dem Beitragseinzug
sei nur wegen Aufhebung der Dynamik widersprochen worden. Der
Beitragseinzug habe dann ab Oktober 2003 vorgenommen werden sollen, was
indessen nicht möglich gewesen sei (Bl. 54, 94 f. d. A.).
Mit Urteil vom
20. Februar 2007 hat das Landgericht die Klage abgewiesen (Bl. 102 -
108 d. A.). Die Beklagte sei wegen des Zahlungsverzuges des
Klägers ab dem 1. Mai 2003 zur Kündigung des Vertrages
berechtigt gewesen. Die Erhöhung der Prämie zum 1. März
2003 auf 192,60 € sei wirksam, da der Kläger ihr nicht
rechtzeitig widersprochen habe. Der Kläger habe nicht den Nachweis
geführt, dass die Beklagte das Fax vom 10. März 2003 erhalten
habe. Abgesehen davon, dass die Vorwahlnummer fehle, habe es sich nicht
um einen Faxanschluss der Rechtsvorgängerin der Beklagten, sondern
um einen der M. AG Holding gehandelt. Ferner sei nicht ersichtlich,
dass es sich bei dem Fax gerade um das Widerspruchsschreiben des
Klägers gehandelt habe. Die Beklagte habe es dem Kläger auch
nicht unmöglich gemacht, innerhalb der 6-Monatsfrist die
Rückstände zu bezahlen bzw. die Verzugsfolgen zu beseitigen.
Trotz des Telefonats mit der Mitarbeiterin M. habe das den Kläger
nicht davon abhalten dürfen, die Rückstände zu bezahlen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Er behauptet,
der Dynamikerhöhung mit Faxschreiben vom 10. März 2003
widersprochen zu haben (Bl. 155 - 157, 193 - 195 d. A.). In dem
Büro des Klägers habe es seinerzeit nur ein Faxgerät der
Marke Philips, Typ Magic Memo 2, gegeben (Bl. 215 - 217 d. A.). Die
fehlende Vorwahl auf dem Faxjournal sei wegen der frei programmierbaren
Nummer im Empfängergerät unerheblich. Der Faxanschluss bei
der M. Versicherung habe auch nicht nur für die
Vermittlerbetreuung, sondern ausweislich des Telefon- und
Faxverzeichnisses auch für die Abteilung Kundenbetreuung und
Zahlungsverkehr bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestanden.
Technische Störungen bei der Faxübermittlung habe es nicht
gegeben. Auch das eingeholte Sachverständigengutachten stehe dem
Zugang des Nachweises des Faxschreibens nicht entgegen (Bl. 273 - 276
d. A.). Zu einem Datenverlust bei der Übertragung könne es
nur bei grafischen Zeilen, nicht dagegen bei Textzeilen kommen.
Möglicherweise sei auf dem Empfangsgerät der M. das
Qualitätskriterium auch mit „0 %“ eingestellt gewesen,
so dass es zu dem OK-Vermerk nur komme, wenn tatsächlich
sämtliche Daten fehlerfrei übertragen worden seien. Ferner
lägen zum Inhalt des Faxschreibens vom 10. März 2003 auch die
Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Klägers vor.
Der Beklagten sei es ferner nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf
die Wirksamkeit der Kündigung zu berufen (Bl. 157 - 159 d. A.).
Der Kläger hätte die Folgen der Kündigung nämlich
noch durch eine Nachzahlung bis zum 1. November 2003 vermeiden
können und die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sich nach
dem Telefonat vom 23. September 2003 um die Angelegenheit kümmern
wollen. Tatsächlich sei aber keinerlei Reaktion erfolgt. Die
Rechtsvorgängerin der Beklagten habe hier einen
Vertrauenstatbestand geschaffen, dass sie aus der
Fristüberschreitung keine Folgen herleiten werde.
Der Kläger beantragt (Bl. 154, 196, 287 d. A.), unter Abänderung des Urteils des LG Hannover
1.
festzustellen, dass der Lebensversicherungsvertrag mit der M.
Lebensvers. AG vom 30.03.1999, Versicherungsvertrag-Nummer ... ,
versichere Person: M. N., bestehend aus einer
Lebensversicherung/Rentenversicherung kombiniert mit einer
Berufsunfähigkeitsversicherung, durch die Kündigung der
Beklagten vom 18.09.2003 nicht beendet wurde, sondern ungekündigt
im vereinbarten Versicherungsumfang fortbesteht,
2. die Beklagte
zu verurteilen, an den Kläger 988,61 €
außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zzgl. 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt (Bl. 170, 196, 287 d. A.),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stellt einen
Erhalt des Widerspruchs durch das Faxschreiben vom 10. März 2003
in Abrede (Bl. 175 - 177 d. A.). Es stehe nämlich bereits nicht
fest, dass der fragliche Sendevermerk sich überhaupt auf das
Telefaxschreiben vom 10. März 2003 bezogen habe (Bl. 191 f., 211,
299 d. A.). Es könne sich ebenso gut um ein anderes Schreiben
gehandelt haben, da es von einem Faxgerät der für die
Rechtsvorgängerin der Beklagten tätig gewesenen Subdirektion
des Vaters des Klägers abgeschickt worden sei. Auch könne aus
dem Absenden des Faxes nicht auf dessen Empfang geschlossen werden,
zumal Leitungsstörungen nicht auszuschließen seien. Bei der
M. Versicherung sei seinerzeit für den fraglichen Anschluss ein
Gerät vom Typ Siemens Fax 940 benutzt worden (Bl. 230 f. d. A.).
Durch das Sachverständigengutachten sei bestätigt worden,
dass durch den OK-Vermerk im Sendejournal des Sendegerätes kein
ordnungsgemäßer Empfang beim Empfangsgerät belegt werde
(Bl. 266 - 268, 282 - 284, 298 f. d. A.). Da ein OK-Vermerk auch dann
ausgedruckt werde, wenn 10 % der grafischen Zeilen unleserlich oder
falsch seien, könnten hier auch wesentliche Teile des Faxes des
Klägers, etwa der handschriftliche Vermerk zum Dynamikwiderspruch
oder Anschrift und Vertragsnummer des Klägers, nicht angekommen
bzw. leserlich gewesen sein. Durch das vom Sachverständigen
erwähnte Qualitätskriterium von 5 % bis 15 %, bei denen trotz
in dieser Größenordnung nicht angekommener Daten ein
OK-Bericht gesendet werden, würden gerade auch die relevanten
Textpassagen der zu übermittelnden Nachricht erfasst. Ferner sei
auch eine Vernehmung der Zeugin M. zum Inhalt des Telefonats vom 23.
September 2003 nicht erforderlich (Bl. 177 - 179 d. A.). Zunächst
würde auch ein möglicher fehlender Ablauf der 6-Monatsfrist
nichts an der Wirksamkeit der Kündigung ändern.
Außerdem habe die Beklagte keinen Vertrauenstatbestand
geschaffen, da sie nicht erklärt habe, sie werde sich auf den
Fristablauf nicht berufen.
Der Senat hat
den Kläger angehört (vgl. Protokoll vom 3. August 2007, Bl.
196 f. d. A.) und gem. Beschlüssen vom 24. August 2007 (Bl. 219 -
221 d. A.), 12. September 2007 (Bl. 234 f. d. A.) und 31. Januar 2008
(Bl. 254 d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens des Dipl. - Ing. S. vom 22. Januar 2008
sowie dessen Anhörung im Termin vom 30. Mai 2008 (Bl. 285 - 287 d.
A.).
II.
Die Berufung ist
begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Rechtsfehler
(§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO). Ferner rechtfertigen die
nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen die angefochtene
Entscheidung nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme
nicht (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Dem Kläger steht ein
Anspruch auf Feststellung dahin zu, dass sein
Rentenversicherungsvertrag nicht durch die Kündigung der Beklagten
vom 18. September 2003 beendet wurde, sondern ungekündigt im
vereinbarten Umfang fortbesteht.
1. Die
Kündigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 18.
September 2003 konnte nur dann gem. § 39 Abs. 3 VVG wirksam sein,
wenn der Kläger mit der Zahlung einer Folgeprämie im Verzug
war und die ihm gesetzte Zahlungsfrist von mindestens 2 Wochen
abgelaufen ist. Mit Schreiben vom 10. Juni 2003 hatte die M.
Versicherung den Kläger zur Zahlung eines Betrages von 52,75
€ als Restsumme für die Prämie für Mai 2003
aufgefordert. Zu diesem Rückstand war es gekommen, weil der
Kläger am 9. Mai 2003 der Lastschrift für die Prämien
der beiden Monate April und Mai 2003 in Höhe von jeweils 192,60
€ widersprochen und nur die bisherige Prämie vor der
Erhöhung von 167,48 € gezahlt hatte, mithin insgesamt 334,96
€ (Bl. 94 d. A.). Diese verrechnete die M. Versicherung
zunächst mit dem von ihr geforderten Aprilbetrag von 192,06
€, so dass für Mai nur eine Teilzahlung von 142,36 €
verblieb, woraus sich zuzüglich Mahnkosten und Verzugsaufschlag
von 2,52 € der Rückstand von 52,75 € ergab. Dieser
Betrag ist vom Kläger trotz der mit Schreiben vom 10. Juni 2003
gesetzten zweiwöchigen Zahlungsfrist nicht beglichen worden.
Hätten die
Parteien eine wirksame Prämienerhöhung auf 192,06 €
monatlich vereinbart, so wäre die M. Versicherung zur fristlosen
Kündigung des Vertragsverhältnisses berechtigt gewesen. Ist
es dagegen zu der Prämienanpassung nicht gekommen und galt weiter
die bisherige Prämie von 167,48 € fort, so kam eine
Kündigung wegen der Rückstände bis Mai 2003 nicht in
Betracht, weil der Kläger seine Beitragsschuld erfüllt hatte.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger ab Juni
2003 überhaupt keine Beiträge bis zur Kündigung am 18.
September 2003 gezahlt hat. Dieser in jedem Fall bestehende
Beitragrückstand würde zwar isoliert eine Kündigung
rechtfertigen, kommt hier aber nicht zum Tragen, weil es insoweit an
den formellen Voraussetzungen des § 39 VVG fehlt. Der
tatsächliche Rückstand muss nämlich exakt und korrekt
angegeben werden. Selbst geringfügige Zuvielforderungen machen die
Mahnung unwirksam (BGH NJW 1993, 130: 215,80 DM statt 215,20 DM, 213,90
DM statt 213,60 DM und 548,60 DM statt 548,- DM; OLG Oldenburg OLGR
2000, 142: 0,16 DM zu viel; ferner Prölss/Martin , VVG, 27. Aufl.,
§ 39 Rdnr. 18; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl.,§ 39 Rdnr.
10). Ist es zu einer Prämienerhöhung nicht gekommen,
hätte die M. Versicherung nämlich jeweils nur 167,48 €
statt 192,06 € anmahnen dürfen.
2. Vorliegend
fehlt es an einer wirksamen Prämienerhöhung, so dass eine
Kündigung der Beklagten nicht in Betracht kam. Die Parteien hatten
die Möglichkeit einer Dynamikanpassung für Prämie und
Versicherungsleistung im Vertrag vereinbart. Hiervon hat die M.
Versicherung mit dem Schreiben vom 27. Januar 2003 Gebrauch gemacht, in
dem sie eine Prämienerhöhung auf 192,60 € monatlich ab
März 2003 vornahm. Allerdings entfällt nach § 16 Ziff.
10 der AVB die Erhöhung rückwirkend, wenn der
Versicherungsnehmer ihr bis zum Ende des ersten Monats nach dem
Erhöhungstermin widerspricht oder den ersten erhöhten Beitrag
nicht innerhalb von zwei Monaten nach dem Erhöhungstermin zahlt.
Die Zahlung der erhöhten Prämie für März 2003 ist
unstreitig erfolgt. Für diesen Monat hatte der Kläger den
Lastschrifteneinzug nicht mehr widerrufen. Der Kläger hat indessen
der Erhöhung rechtzeitig widersprochen. Hierzu hat er ein
Faxschreiben vorgelegt, bei dem es sich um das Schreiben der M.
Versicherung vom 27. Januar 2003 mit seinen handschriftlichen
Ergänzungen „am 10.03.03 an ... “ und „Dynamik
wird nicht gewünscht ! M. N.“ handelt (Bl. 16 d. A.).
Außerdem hat er auf den „OK-Vermerk“ im Journal des
Faxgerätes verwiesen (Bl. 17 d. A.). Hier steht nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senates fest, dass der
Kläger am 10. März 2003 das Schreiben der M. Versicherung vom
27. Januar 2003 mit dem Dynamikwiderspruch an diese gefaxt hat (zu a).
Ferner belegt der „OK-Vermerk“ auf dem Faxjournal
vorliegend den Zugang des Schreibens bei der Beklagten (zu b).
a) Der
Kläger hat behauptet, es habe sich bei dem Fax vom 10. März
2003 um das Schreiben der M. Versicherung vom 27. Januar 2003
gehandelt, mit dem die Prämie zum März 2003 erhöht wurde
und auf dem er handschriftlich die Ablehnung der Dynamik vermerkt habe.
Zeugen für das Abschicken des Faxes mit diesem Inhalt stehen dem
Kläger zwar nicht zur Verfügung. Auch die Voraussetzungen
einer Parteivernehmung nach § 448 ZPO liegen nicht vor, da
hierfür Voraussetzung ist, dass für die zu beweisenden
Tatsachen eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die die
Parteivernehmung lediglich als Ergänzung der Beweisführung
erscheinen lässt. Allerdings kam hier eine Anhörung des
Klägers nach § 141 ZPO in Betracht. Das Gericht kann
nämlich im Rahmen der freien Würdigung des
Verhandlungsergebnisses den Angaben und Behauptungen einer Partei nach
§ 141 ZPO unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre
Richtigkeit sonst nicht beweisen kann (BGH VersR 2006, 663).
Der Kläger
hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat angegeben, in der
Agentur seines Vaters seien dieser, eine Innendienstkraft, ein Lehrling
und er selbst beschäftigt gewesen. Da er eine Dynamik für
2003 nicht gewünscht habe, habe er das handschriftlich auf dem
Anschreiben vermerkt und an die M. Versicherung gefaxt. Er habe hierbei
die Faxnummer eingetippt, die ihm für den Zahlungsverkehr von
Kunden und Vermittlern geläufig gewesen sei. Nach dem Schreiben
habe er dann zunächst eine Weile gewartet und erst, als sich die
M. nicht gemeldet habe, die erfolgten Lastschriften rückbuchen
lassen. An dem Tag der Rückbuchung habe er dann auch den
ursprünglichen Prämienbetrag gezahlt. Auch auf das
Mahnschreiben der M. vom Juni 2003 habe er mit einem Fax geantwortet.
Er habe auf das vereinbarte Lastschriftverfahren vertraut und deshalb
auch in der Folgezeit, obwohl Buchungen nicht vorgenommen worden seien,
keine eigenen Zahlungen an den Versicherer erbracht. Ihm seien Probleme
im Zusammenhang mit der Bedienung des Faxgerätes auch nicht
bekannt geworden. Das Faxgerät habe immer nach ungefähr 20
Vorgängen ein Journal ausgedruckt, in dem dann gegebenenfalls auch
auf Sendefehler hingewiesen worden sei.
Auffällig
an dieser Angabe ist zwar zunächst, dass der Kläger der
Erhöhung am 10. März 2003 widersprochen haben will, dann aber
fast zwei Monate überhaupt nichts unternahm, um der Abbuchung der
erhöhten Beiträge entgegenzutreten. Erst am 9. Mai 2005
erfolgte die Rücklastschrift für die Monate April und Mai
2003. Für die Richtigkeit des Vorbringens des Klägers spricht
aber, dass er nach dem Widerspruch am 9. Mai 2003 die ursprünglich
vor der Erhöhung geschuldeten Beträge von monatlich je 167,48
€ für April und Mai 2003 überwies und in der
Überweisungsbestätigung der Kreissparkasse H. als
Verwendungszweck „Dynamikwiderspruch“ angegeben wird (Bl.
85 d. A.). Hierfür hätte keine Veranlassung bestanden, wenn
der Kläger nicht tatsächlich zuvor einen entsprechenden
Widerspruch gegen die Dynamikerhöhung erklärt hätte.
Anhaltspunkte dafür, dass er bereits am 9. Mai 2003 und damit in
noch unverdächtiger Zeit bewusst einen gar nicht erfolgten
rechtzeitigen Dynamikwiderspruch vortäuschen wollte, bestehen
nicht. Zwar hat der Kläger dann auch in den Folgemonaten nicht
mehr zumindest den nicht erhöhten Betrag gezahlt, dies aber damit
erklärt, er habe auf das ursprünglich vereinbarte
Lastschriftverfahren vertraut. Auch habe er auf die Mahnung vom 10.
Juni 2003 mit einem weiteren Fax vom 13. Juni 2003 reagiert und auf den
erfolgten Widerspruch gegen die Dynamikerhöhung hingewiesen.
Insgesamt hat der Kläger auf den Senat einen glaubwürdigen
Eindruck gemacht, so dass er seinen Angaben folgt, am 10. März
2003 das Fax mit dem Dynamikwiderspruch an die M. Versicherung gesandt
zu haben.
b) Nach dem
Ergebnis der Beweisergebnis steht zur Überzeugung des Senats
ferner fest, dass das Fax vom 10. März 2003 mit dem
Dynamikwiderspruch der M. Versicherung auch zugegangen ist.
aa) Der
Kläger hat hierzu ein Faxjournal vom 10. März 2003 vorgelegt,
aus dem sich ergibt, dass um 10.00 Uhr an die Nummer „ ...
“ ein Fax mit der Sendedauer von 47 Sekunden geschickt wurde.
Für 13.33 Uhr ist an dieselbe Nummer ein weiteres Fax mit 1.31
Minuten verzeichnet. Weitere Faxsendungen an andere Faxnummern der M.
Versicherung von diesem Tag weisen zusätzlich noch die Vorwahl
für M. " ... “ auf. Das Fehlen der Vorwahl in dem hier
maßgeblichen Fax ist indessen unschädlich. Insoweit hat der
Sachverständige Dipl.-Ing. S. in seinem Gutachten vom 22. Januar
2008 ausgeführt, grundsätzlich werde die vom Empfänger
einprogrammierte Nummer im Sendejournal des Sendefaxes angegeben (S.
12, 15 des Gutachtens). Wenn im Empfangsgerät deshalb die
Telefonnummer ohne die Ortsvorwahl eingegeben worden sei, sei das
unerheblich, da auch dann die Faxgeräte problemlos funktionierten.
Das Landgericht
hat die Klagabweisung darauf gestützt, die angegebene Nummer sei
überhaupt nicht die der M. Lebensversicherung, sondern es handele
sich um den Faxanschluss der M. AG Holding, Bereich
Vermittlerbetreuung. In der Tat weist das auszugsweise vorgelegte
interne Verzeichnis der M. Versicherung diesen Faxanschluss mit den
Endnummern ... dort auf (Bl. 99 d. A.). Indessen hat der Kläger im
Berufungsverfahren zu Recht darauf hingewiesen, dass genau dieselbe
Faxnummer auf derselben Seite des Verzeichnisses links unten auch
für den Bereich „Kundenbetreuung und Zahlungsverkehr“
vorgesehen ist. Auch der Kläger hat in seiner Anhörung
angegeben, er habe diese Faxnummer immer für Zahlungsvorgänge
benutzt.
Der Kläger
hat ferner einen Einzelverbindungsnachweis der Telekom vorgelegt, aus
dem sich am 10. März 2003 unter der Zielrufnummer ... eine
Übertragung um 9.59 Uhr 43 Sek. mit einer Länge von 52
Sekunden sowie eine um 13.32 Uhr 38 Sek. mit einer Länge von 1
Min. 36 Sek. ergibt. Zwar weichen diese Angaben geringfügig von
denen im vorgelegten Journal des Faxgerätes des Klägers ab,
da hier eine Verbindung um 10.00 Uhr mit einer Länge von 47
Sekunden sowie eine um 13.33 Uhr mit einer Länge von 1 Minute 31
Sekunden verzeichnet sind. Hierzu hat der Sachverständige indessen
ausgeführt, im Einzelverbindungsnachweis werde im Regelfall die
vollständige Dauer der Verbindung einschließlich
Verbindungsphase, sog. Handshakephase, Dokumentenübertragung und
OK-Check-Phase aufgeführt, während einige Faxgeräte nur
die Zeit der Dokumentenübertragung erfassten (S. 13, 15 des
Gutachtens). Es könne deshalb durchaus zu Differenzen von 5
Sekunden oder länger kommen, auch wenn es sich um dieselbe
Verbindung handele. Unerheblich ist es ferner, dass sich nicht zugleich
auf dem eigentlichen Faxschreiben vom 10. März 2003 (Bl. 16 d. A.)
eine Faxkennung befindet. Insoweit hat der Sachverständige
ausgeführt, bei den meisten Geräten der Consumer-Klasse
(unter 1.000,- DM) würden auf gefaxten Originalen keine
Sendestempel oder Sendekennung ausgegeben. Bei dem Gerät des
Klägers handelt es sich um eines in diesem Preisbereich (vgl. Bl.
217 d. A.).
bb) Für die
Frage der technischen Übermittlung des Faxes kommt es mithin
entscheidend darauf an, welche Bedeutung dem „OK-Vermerk“
auf dem Faxjournal zukommt. Diese Frage ist umstritten. Die
überwiegende Meinung geht bisher davon aus, der
„OK-Vermerk“ erbringe weder den Beweis für einen
Zugang des Faxes beim Empfänger und reiche auch für die
Annahme eines Anscheinsbeweises nicht aus (BGH NJW 1996, 665; 2004,
1320; BFH BB 1999, 303; BAG MDR 2003, 91; KG KGR 2002, 27; Palandt -
Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 130 Rdnr. 21). Hinsichtlich des
Beweises des Zugangs gälten dieselben Grundsätze wie bei
gewöhnlichen Briefen, wo die Absendung ebenfalls nicht den Zugang
beweise. Das gelte jedenfalls, solange nicht feststehe, dass die
Verlustquote hier geringer sei als im normalen Briefdienst. Auch die
Voraussetzungen des Anscheinsbeweises seien nicht gegeben. Durch den
Sendebericht werde nämlich nur die Herstellung der Verbindung
zwischen dem Sende- und dem Empfangsgerät angezeigt, während
es für die geglückte Übermittlung der Daten und das
Ausbleiben von Störungen keinerlei Aussagewert besitze. Die
Datenübertragung könne nämlich an Defekten im
Empfangsgerät, z. B. einem Papierstau, oder an
Leitungsstörungen oder -verzerrungen scheitern, ohne dass die
missglückte Datenübermittlung im Sendebericht ausgewiesen
werde. Solange diese Möglichkeit des Datenverlustes trotz des
„OK-Vermerks“ auf dem Sendebericht bestehe, vermöge
dieser allenfalls ein Indiz für den Zugang zu liefern, nicht aber
einen Anscheinsbeweis zu rechtfertigen. Schließlich sei ein
Telefax grundsätzlich erst dann zugegangen, wenn es im
Empfängergerät ausgedruckt werde, es sei denn, die
Störungen fielen in den Risikobereich des Empfängers.
Demgegenüber
vertritt das OLG München bereits seit geraumer Zeit die
Auffassung, wegen der rasanten Entwicklung der Kommunikationstechnik
spreche wegen der sehr hohen Übertragungssicherheit bei einem
Sendeprotokoll mit „OK-Vermerk“ der Anscheinsbeweis
für einen Zugang des Faxes (OLGR 1999, 10; NJW 1994, 527). Auch im
Schrifttum wird die herrschende Rechtsprechung vielfach abgelehnt (vgl.
Faulhaber/Riesenkampff DB 2006, 376; Riesenkampf NJW 2004, 3296; Gregor
NJW 2005, 2885). Hierbei wird auf die rapide fortentwickelte
Telefaxtechnik verwiesen, insbesondere darauf, dass bei modernen
Geräten der OK-Vermerk überhaupt erst dann in das
Sendeprotokoll aufgenommen werde, wenn das Empfangsgerät den
ordnungsgemäßen Eingang in Gestalt einer
„Quittung“ bestätigt habe (Faulhaber/Riesenkampff, a.
a. O., 378 f.). Insoweit hat auch der BGH den „OK-Vermerk“
nicht für gänzlich wertlos erachtet, sondern darauf
verwiesen, dieser könne Indizwirkung haben. Auch hat er
ausdrücklich darauf abgestellt, hinsichtlich der technischen
Bedeutung des Sendeprotokolls komme die Inanspruchnahme
sachverständiger Hilfe in Betracht (NJW 1994, 665).
Zu
berücksichtigen ist ferner, dass der BGH seine bisherige
Rechtsprechung zur Frage des Zugangs eines Faxes im Jahr 2006
geändert hat. Während bisher die Ansicht vertreten wurde,
dass ein per Telefax übermittelter Schriftsatz erst mit dem
vollständigen Ausdruck durch das Empfangsgerät zugegangen
ist, es sei denn, der Fehler hat in der Sphäre des Empfängers
gelegen, stellt der BGH für die Frage der Rechtzeitigkeit des
Zugangs nunmehr alleine darauf ab, wann die gesendeten Signale
vollständig vom Telefaxgerät des Empfängers empfangen
bzw. gespeichert wurden (NJW 2006, 2263). Auf den Ausdruck kommt es
demgegenüber wegen der bei neueren Faxgeräten gegebenen
Möglichkeit, Daten zunächst zu speichern und erst später
auszudrucken, nicht an. Hierfür spricht auch die Regelung des
§ 130 a III ZPO, der bei elektronischen Dokumenten ebenfalls auf
den Zeitpunkt der Datenaufzeichnung im Empfangsgerät abstellt,
auch wenn die Vorschrift auf Telefaxe und Computerfaxe unmittelbar
nicht anwendbar ist (BGH, a. a. O.).
cc) Der Senat
hat u. a. zu der Frage, ob aus dem „OK-Vermerk“ auf dem
Faxjournal geschlossen werden kann, dass das Fax des Klägers vom
10. März 2003 vollständig und technisch einwandfrei beim
Empfangsgerät der M. Versicherung angekommen ist, ein
Sachverständigengutachten eingeholt. Insoweit hat der
Sachverständige S. in seinem schriftlichen Gutachten vom 22.
Januar 2008 zunächst ausgeführt, durch den OK-Vermerk werde
weder bestätigt, dass das grafische Bild korrekt übertragen
wurde, noch, dass der Empfänger das Fax gelesen habe (S. 7). Dem
Empfangsgerät werde nur bestätigt, dass die in der sog.
Handshake-Phase außerhalb der grafischen Übertragung
empfangeben Signale, die vom Sender codiert wurden, richtig decodiert
empfangen wurden. Zu der sog. Handshake-Phase hat der Gutachter weiter
ausgeführt, sie finde zwischen den beiden Faxgeräten vor und
nach der Übertragung und auch zwischen den Seiten bei mehrseitigen
Faxdokumenten statt (S. 6). Das zeichenorientierte Handshake-Verfahren
arbeite mit einer Geschwindigkeit von 300 - 2.400 bit/s und sei
zeitlich getrennt von der eigentlichen grafischen Übertragung, die
mit einer Geschwindigkeit von 2.400 - 14.400 bit/s arbeite. Zu dem
„OK-Vermerk“ hat der Sachverständige weiter
ausgeführt, für diesen sei Bedingung, dass das
Qualitätskriterium erfüllt werde (S. 7, 11). Hierbei
prüfe das Empfangsgerät, wie viele der gesendeten Zeilen
(grafische Zeilen, nicht Textzeilen) gestört waren. Wenn das
Dokument mit einem Qualitätskriterium zwischen 5 % und 15 % (als
Systemparameter einstellbar) empfangen wurde, werde der
„OK-Vermerk“ gesetzt. Sei etwa das Qualitätskriterium
des Empfängers auf 10 % eingestellt, könnten 10 % der Zeilen
(grafische Zeilen) gestört, unleserlich oder falsch sein, und der
Empfänger bekomme trotzdem ein „OK“ im Sendebericht.
Auf dieser Grundlage hat der Gutachter dann ausgeführt, es
könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Fax
vollständig und technisch einwandfrei angekommen sei (S. 11).
Durch das „OK“ werde nur die Herstellung einer technischen
Verbindung angezeigt. Trotz des „OK-Vermerks“ sei es
möglich, dass bis zu 10 % der grafischen Zeilen (nicht der
Textzeilen) unleserlich oder falsch seien. Aus Untersuchungen sei zu
ersehen, dass man sich auf keinen Fall auf die Meldung
„Übertragung: OK“ im Sendebericht verlassen könne
(S. 12, 14). Weder werde damit bestätigt, dass das Fax einwandfrei
beim Empfänger angekommen sei, noch, dass er es auch wirklich
erhalten und gelesen habe. Zusätzliche Probleme könnten sich
bei einem Faxgerät mit Speichern, wie hier dem der M. Versicherung
ergeben, weil hier das Fax zwar angekommen sei, wegen eines
späteren Stromausfalls auf Empfängerseite aber niemals
ausgedruckt wurde.
Trotz dieser
Ausführungen im schriftlichen Gutachten ist der Senat indessen
nach der mündlichen Anhörung des Sachverständigen gem.
§ 286 ZPO davon überzeugt, dass hier von einem Zugang des
Faxes bei der M. Versicherung in einer Form auszugehen ist, die ihr die
Möglichkeit der Kenntnisnahme nach § 130 BGB eröffnete
bzw. sie nach Treu und Glauben zumindest zu einer Rückfrage beim
Kläger verpflichtete. Zunächst kommt es von vornherein nicht
darauf an, ob ein Mitarbeiter der M. Versicherung das Fax
tatsächlich gelesen hat, ob es vom Empfangsgerät
überhaupt ausgedruckt wurde, ein Papierstau bestand oder gar das
zunächst gespeicherte Fax vor seinem Ausdruck wieder gelöscht
wurde. Das sind alles Umstände, die sich im Bereich des
Empfängers abspielen und auf die der Absender keinen Einfluss hat.
Das gilt auch gerade für das spezielle Faxgerät der M.
Versicherung, welches über einen Speicher verfügt und deshalb
nicht zwingend sofort einen Ausdruck vornimmt oder vorzunehmen
versucht. Insoweit hat der BGH indessen klargestellt, dass es bei
solchen Geräten nicht auf den Zeitpunkt des Ausdrucks ankommt,
sondern auf den Zeitpunkt des vollständigen Empfangs (Speicherung)
der gesendeten technischen Signale im Empfangsgerät abzustellen
ist (NJW 2006, 2263).
Maßgeblich
für die Ausführungen des Sachverständigen in seinem
schriftlichen Gutachten war darüber hinaus ausschlaggebend der
Umstand, dass trotz des „OK-Vermerks“ bis zu 10 % der
grafischen Zeilen unleserlich oder falsch sein könnten. Der
Gutachter verwendet den Begriff der grafischen Zeilen in Abgrenzung zu
den Textzeilen. Die Ausführungen des Gutachters S. 6 f. belegen,
dass es sich bei den grafischen Zeilen gerade um den eigentlichen
Inhalt des Dokuments einschließlich der Textpassagen handelt. Das
hat der Gutachter auch in seiner Anhörung bestätigt. Dort hat
er dann ausgeführt, die 10%-ige Fehlerquote könne nicht von
dem jeweiligen Besitzer des Faxgerätes eingestellt werden, sondern
beinhalte eine vom Hersteller eingebaute Vorgabe. Der Wert von 10 %
habe sich in den vergangenen Jahren als der übliche Wert
herausgestellt. Die Fehlerquote dürfe nach den Regeln des
Verbandes deutscher Maschinenhersteller aber auch bis zu 15 % betragen.
Für das konkrete Gerät der Beklagten vermochte der
Sachverständige zwar keine Ausführungen zu machen, von
welcher eingestellten Fehlerquote konkret auszugehen ist. Das kann im
Ergebnis aber auch offen bleiben, da in jedem Fall noch von einem
Zugang des Faxes bei der M. Versicherung auszugehen ist. Insoweit hat
der Gutachter zunächst ausgeführt, die weggefallenen 10 %
(oder 15 %) bezögen sich nicht lediglich auf den in der
abgetasteten Vorlage enthaltenen Text, sondern es entfielen 10 % der
Pixel-Punkte, aus denen sich der Inhalt der übermittelten Seite
zusammensetze. Das seien bei einer Seite 1728 x 2287 Punkte. Die
10%-ige Fehlerquote könne sich dann willkürlich verteilen
oder auf einen einzigen Punkt konzentrieren. Es könne deshalb
sein, dass die Lesbarkeit des gesamten Textes auch bei der
Ausschöpfung der 10 % überhaupt nicht tangiert werde, genauso
wie es theoretisch sein könne, dass ein für den Sinn des
Textes entscheidendes kurzes Wort ganz weggefallen sei. Zu der
statistischen Wahrscheinlichkeit einer Zusammenfassung der Ausfallquote
auf ein entscheidendes Wort des übermittelten Textes vermochte der
Sachverständige zwar keine Angaben zu machen. Er hat indessen
ausgeführt, die von den Herstellern gewählte 10 %-Grenze sei
gerade Ausdruck der Tatsache, dass damit im Regelfall die
Verwertbarkeit der übermittelten Vorlage nicht beeinträchtigt
werde. Er habe es in seiner Praxis auch nicht gesehen, dass etwa eine
ganze Textzeile fehlte, weil sich im Regelfall die Fehlerquote auf die
ganze Textseite verteile.
Auch der Senat,
der den überzeugenden, folgerichtigen und in sich
widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen nach
eigener kritischer Würdigung folgt, ist der Überzeugung, dass
die Wahrscheinlichkeit eines Zusammentreffens der Fehlerquote von 10 %
oder 15 % gerade bei dem Fax vom 10. März 2003 in einer Weise,
dass die M. Versicherung weder den Inhalt des Dynamikwiderspruchs noch
den Absender hätte erkennen können, vernachlässigenswert
gering ist. Sie steht deshalb einer Überzeugungsbildung nach
§ 286 ZPO, bei der es nicht auf absolute, über jeden Zweifel
erhabene Gewissheit ankommt, sondern darauf, ob verbleibenden Zweifeln
Schweigen geboten wird, ohne sie völlig auszuschließen (vgl.
BGHZ 53, 245, 256; Zöller - Greger, § 286 Rdnr. 19), nicht
entgegen. Zwar hat der Sachverständige auf der Grundlage einer 15
%-igen Fehlerquote ausgeführt, es könnten hier 400.000 Pixel
fehlen, was einem Potential von bis zu 250 Buchstaben entspreche. Es
wäre mithin theoretisch möglich, dass in dem Schreiben der M.
Versicherung vom 27. Januar 2003 bei dem Rückfax des Klägers
der handschriftliche Zusatz „Dynamik wird nicht gewünscht !
M. N.“ ganz oder teilweise fehlte, so dass der Inhalt der vom
Kläger gewünschten Mitteilung für die M. Versicherung
nicht erkennbar wäre. Diese theoretische Möglichkeit war auch
Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen in seinem
schriftlichen Gutachten.
Indessen ist
eine derartige Konzentration der Fehlerquote gerade auf diesen
entscheidenden handschriftlichen Zusatz mit der Folge, dass hier nicht
nur ein Teil der Zeile nicht erkennbar ist, die Leserlichkeit im
Übrigen aber fortbesteht, sondern der gesamte Zusatz nicht
leserlich ist, sehr unwahrscheinlich. Der Sachverständige hat hier
darauf hingewiesen, in der Regel verteile sich die Fehlerquote auf den
ganzen Text und er habe noch nie eine völlig fehlende Textzeile
gesehen. Selbst wenn das aber der Fall wäre, hätte die M.
Versicherung erkennen können und müssen, dass hier ein
offensichtlich unvollständiges Fax oder ein solches mit jedenfalls
für sie nicht nachvollziehbarem Inhalt angekommen war. Dann
hätte sie unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben
gem. § 242 BGB, der auch das Versicherungsverhältnis im
besonderen Maße prägt, beim Kläger nachfragen
müssen, welche Mitteilung er ihr zukommen lassen wollte. Der
Kläger hätte dann noch einmal ausdrücklich klarstellen
können, dass er keine Dynamikerhöhung wünscht. Eine
derartige Rückfrage wäre für die M. Versicherung
wiederum nur dann unmöglich gewesen, wenn für sie
zusätzlich nicht erkennbar gewesen wäre, von wem sie das Fax
erhalten hat. Da es sich bei diesem Fax indessen um ihr Schreiben vom
27. Januar 2003 handelte, waren in der Adresszeile der Kläger mit
vollständiger Anschrift sowie weiter unter die
Dynamikerhöhung zum Versicherungsvertrag mit der Nr. ... sowie
erneut der Name des Klägers als versicherte Person vermerkt. Es
liegt indessen außerhalb jeder vernünftigen
Lebenswahrscheinlichkeit, dass gerade auch diese weiteren Teile des
Textes, die sich an ganz anderen Stellen der Seite befinden, neben dem
eigentlichen Dynamikwiderspruch völlig unleserlich gewesen
wären, so dass die M. Versicherung nicht einmal Rückfrage
hätte halten können. Eine derart rein theoretische
Betrachtungsweise hat bei der Überzeugungsbildung nach § 286
ZPO außer Betracht zu bleiben, so dass es auch der Einholung
eines ergänzenden Gutachtens eines statistischen
Sachverständigen nicht bedarf.
Ist mithin davon
auszugehen, dass der M. Versicherung das Fax vom 10. März 2003 mit
dem Dynamikwiderspruch zugegangen ist bzw. sie sich nach Treu und
Glauben jedenfalls nicht auf einen fehlenden Zugang berufen darf, so
hat der Kläger der Dynamikerhöhung wirksam widersprochen mit
der Folge der Unwirksamkeit der Kündigung vom 18. September 2003.
Da diese unwirksame Kündigung sich zugleich als schuldhafte
Vertragsverletzung darstellt, hat die Beklagte dem Kläger nach
§ 280 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes auch
die anteiligen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 988,61 €
nebst Rechtshängigkeitszinsen nach § 288 Abs. 1, 291 BGB zu
erstatten.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch
über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach
§ 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision
wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2
ZPO nicht vorliegen. Der Senat hat zwar im vorliegenden Fall den
Nachweis des Zugangs eines Faxes als geführt angesehen. Das
beruhte indessen gerade auf den technischen Ausführungen des
Sachverständigen im vorliegenden Fall. Insoweit hat auch der BGH
den „OK-Vermerk“ nicht für gänzlich wertlos
erachtet, sondern darauf verwiesen, dieser könne Indizwirkung
haben und hinsichtlich der technischen Bedeutung des Sendeprotokolls
komme die Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe in Betracht (NJW
1994, 665). Genau diesen Vorgaben ist der Senat vorliegend gefolgt.