Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. L., R. & Coll., A. Straße
4, L.,
Geschäftszeichen:
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. K., des Richters am
Oberlandesgericht B. und der Richterin am Oberlandesgericht R. auf die
mündliche Verhandlung vom 17. August 2010 für Recht
erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. Februar 2010
verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Hannover abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 755,80 EUR nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab 29. September 2009 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % in Höhe des vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n
d e
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten zum Ersatz ihrer Abmahnkosten
nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in Anspruch.
Die Parteien sind Wettbewerber und handeln auf der Internetplattform e.
mit Elektronikartikeln, Spielekonsolen und
Spielekonsolenzubehör. Mit Schreiben ihres
Prozessbevollmächtigten vom 6. August 2009 mahnte die
Klägerin den Beklagten wegen diverser unwirksamer Regelungen
in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab und forderte ihn
auf, die beigefügte strafbewehrte
Unterlassungserklärung zu ihren Gunsten abzugeben sowie die
entstandenen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen. Dem Abmahnschreiben lagen
eine formulierte Unterlassungserklärung mit
Vertragsstrafeversprechen sowie eine Kopie der Vollmacht für
die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin
bei. Mit einem an diesen gerichteten Schreiben vom 7. August 2009 wies
der Beklagte die Abmahnung mangels Vorlage einer
Originalvollmachtsurkunde zurück, gab jedoch gleichwohl die
geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Er
verweigerte aber die Übernahme der Rechtsverfolgungskosten
mangels rechtswirksamer Abmahnung.
Mit Urteil vom 23. Februar 2010 hat das Landgericht die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, dass es für einen Anspruch
gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG an einer
wirksamen Abmahnung fehle. Bei der durch den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgesprochenen
Abmahnung handele es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft,
dem die nach § 174 BGB erforderliche Originalvollmacht nicht
beigefügt gewesen sei. Der Beklagte habe deshalb die Abmahnung
zu Recht unverzüglich zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter
Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
weiterhin die Auffassung vertritt, dass die der Abmahnung in Kopie
beigefügte Vollmachtsurkunde zum Nachweis ihrer
Bevollmächtigung genüge. Zudem habe der Beklagte ihre
Bevollmächtigung konkludent anerkannt, indem er zugleich mit
dem Verweis auf eine fehlende Originalvollmacht zu ihren
Händen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung
überreicht habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 23. Februar 2010 verkündeten
Urteils des Landgerichts Hannover, den Beklagten zu verurteilen, an sie
755,80 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz ab Klagerhebung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung fehle es bereits an einer Rechtsverletzung i. S.
der
§§ 513, 546 ZPO, weil die vom Landgericht vertretene
Rechtsauffassung in jedem Fall gut vertretbar sei und das
Oberlandesgericht deshalb daran - ungeachtet eigener
Gewichtungstendenzen - gebunden sei.
Wegen der in der ersten Instanz gestellten Anträge sowie der
weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf die
Darstellung im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung
ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist
begründet.
1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann sie vom Beklagten die
Erstattung ihrer Abmahnkosten in Höhe von 755,80 EUR
verlangen.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Senat bei der
Prüfung, ob eine Rechtsverletzung nach den
§§ 513, 546 ZPO vorliegt, nicht an eine vertretbare
Rechtsauffassung des Landgerichts gebunden. Der Beklagte verkennt, dass
die von ihm zitierte Rechtsprechung sich auf die Auslegung einer
Vertragsurkunde bezieht, die vom Rechtsmittelgericht nur insoweit
überprüft wird, als es um gesetzliche
Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder
Verfahrensvorschriften geht (BGH, Urteil vom 25. Februar 1992, X ZR
88/90, NJW 1992, 1967, 1968. OLG Celle, OLGR 2002, 238 f.). Dagegen
gehört die Auslegung des Gesetzes zum Kernbereich rechtlicher
Überprüfung in der Rechtsmittelinstanz und unterliegt
keinen Beschränkungen (vgl. Musielak/Ball, ZPO 7. Aufl.
§ 546 Rdn.4).
b) Die Abmahnung der Klägerin vom 6. August 2009 war
berechtigt. Die von ihr in dem vorgenannten Abmahnschreiben
beanstandeten einzelnen Klauseln der im Rahmen des e. Angebotes des
Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen
verstießen gegen die § 312 d Abs. 1 Satz 1,
§ 355 BGB. § 309 Nr. 5, § 308 Nr.
1 Alt. 2. § 305 c Abs. 1, § 433 Abs. 1 Satz 1,
§ 475 Abs. 1, § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB i.
V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGBInfoV (seit 11. Juni 2010: Art. 246
§ 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB). § 474 Abs. 1 und 2 Satz 2,
§ 475 Abs. 1 BGB. § 439 Abs. 1, § 475 Abs. 1
BGB. 438 Abs. 1 Nr. 3, 474, 475 Abs. 2 BGB. § 307 Abs. 1 und 2
Nr. 1, § 306 BGB. Die Verwendung unwirksamer Allgemeiner
Geschäftsbedingungen sowie die Verletzung gesetzlicher oder
vertragsbezogener Informationspflichten stellen zugleich einen
Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 11 UWG dar, weil sie
als Marktverhaltensregeln im Interesse der Verbraucher und sonstiger
Marktteilnehmer anzusehen sind (KG, GRURRR 2008, 308, 309.
Köhler/Bornkamm, UWG 28. Aufl. § 4 Rdn. 11.156 e).
Der von der Klägerin ihrer Abmahnung zu Grunde gelegte
Gebührenstreitwert in Höhe von insgesamt 14.000,00
EUR für sieben Abmahnungen ist nicht als
überhöht anzusehen. Die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen des Beklagten galten für seine
gesamten Produkte, wie z. B. Spielegeräte, Konsolen und
entsprechendes Zubehör. Zudem hat die Klägerin sieben
verschiedene Regelungen in seinen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen mit Erfolg beanstandet, die
durchgängig zum Kern des Verbraucherschutzes gehören.
Das rechtfertigt den Ansatz einer 1,3fachen
Geschäftsgebühr, die der Beklagte auch nicht
beanstandet hat.
c) Die Abmahnung war auch nicht deshalb unwirksam, weil ihr keine
Originalvollmacht beigefügt war und der Beklagte sie deshalb
unverzüglich zurückgewiesen hat. Die Frage, ob
entsprechend der Regelung in § 174 Satz 1 BGB die Wirkungen
der von einem Bevollmächtigten ausgesprochenen Abmahnung
entfallen, wenn ihr keine Originalvollmacht beigefügt ist und
der Abgemahnte die Abmahnung deswegen unverzüglich
zurückweist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Während die Anwendbarkeit von § 174 Satz 1 BGB auf
die Abmahnung in der Vergangenheit überwiegend verneint wurde
(OLG Köln, WRP 1985, 360, 361. OLG Karlsruhe, NJWRR 1990, 1323
f.. OLG Frankfurt, OLGR 2001, 270. OLG Hamm, Urteil vom 17. Juli 2008 -
4 U 60/08, zitiert nach juris Tz. 35 ff.. Harte
Bavendamm/HenningBodewig/Brüning, UWG 2. Aufl., §12
Rdn. 31. Fezer/ Büscher, UWG (2005) § 12 Rdn. 7.
Ahrens/Deutsch, Der Wettbewerbsprozess 5. Aufl, Kap. 1 Rdn. 108.
Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses 3. Aufl. Rdn. 784.
Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren 9.
Aufl. Kap. 41 Rdn. 6), hat sich inzwischen eine nicht minderstarke
Gegenposition etabliert, wonach die Abmahnung als
geschäftsähnliche Handlung anzusehen sei, auf die
§ 174 BGB für anwendbar erklärt wird (OLG
Düsseldorf, GRURRR 2001, 286 f. und Urteil vom 11. August 2009
- 20 U 53/08, zitiert nach juris Tz. 17 ff.. OLG Nürnberg GRUR
1991, 387. Kreft, in: Großkommentar UWG, vor
§ 13 Rdn. C 78. Piper/Ohly/Sosnitza, UWG 5. Aufl. §
12 Rdn. 11. MünchKommBGB/Schramm, 5. Aufl. § 174 Rdn.
3. Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl. § 174 Rdn. 2).
Eine vermittelnde Auffassung differenziert danach, ob die Abmahnung -
wie zumeist und auch hier - nicht nur die Aufforderung
enthält, innerhalb einer bestimmten Frist eine
Unterwerfungserklärung abzugeben, sondern zugleich bereits das
Angebot zum Abschluss eines bestimmten Unterlassungsvertrages mit
Vertragsstrafenversprechen (vgl. dazu: BGHZ 121, 13, 17 -
Fortsetzungszusammenhang BGH, Urteil vom 25. April 2002 - I ZR 296/99,
GRUR 2002, 824 - Teilunterwerfung. Teplitzky, a. a. O. Rdn. 5 m. w.
Nachw.). In diesem Fall sei die Abmahnung nicht auf ein einseitiges
Rechtsgeschäft, sondern auf den Abschluss eines
Unterlassungsvertrages gerichtet und § 174 BGB nicht anwendbar
(OLG Hamburg, GRURRR 2008, 370, 371. Köhler/Bornkamm, UWG 28.
Aufl. § 12 Rdn. 1.25 ff.. Fezer/Büscher, UWG,
§ 12 Rdn. 10. MünchKommUWG/Ottofülling,
§ 12 Rdn. 21).
Der Senat gelangt in den hier maßgeblichen Fällen,
in denen die Abmahnung neben der Aufforderung, innerhalb einer
bestimmten Frist eine Unterwerfungserklärung abzugeben,
zugleich bereits das Angebot zum Abschluss eines bestimmten
Unterlassungsvertrages mit Vertragsstrafenversprechen enthält,
das der Abgemahnte durch Unterzeichnung und Zusendung an den Vertreter
ohne Vertretungsmacht akzeptiert, gleichwohl aber die Abmahnung unter
Hinweis auf das Fehlen der Originalvollmacht unverzüglich
zurückweist, zum selben Ergebnis.
Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass bei Abgabe des
Vertragsangebots des Gläubigers von einem Vertreter ohne
Vertretungsmacht, dieser (einstweilen) in die Position des
Vertragspartners aufrückt (§ 179 BGB). Der vertretene
Gläubiger kann den Vertragsabschluss jederzeit mit
rückwirkender Kraft genehmigen (§ 177 Abs. 1 BGB).
Vor dem Hintergrund, dass der Schuldner selbst ein Interesse an der
Wirksamkeit des Vertragsstrafeversprechens hat, da anderenfalls die
Wiederholungsgefahr nicht entfiele, ist in seiner Erklärung
gegenüber dem Vertreter ohne Vertretungsmacht immer auch ein
Verzicht auf das Widerrufsrecht aus § 178 BGB zu sehen
(Köhler/Bornkamm, a. a. O., Rdn. 1.27).
Dabei ist allerdings die doppelte Funktion des entsprechend
ausgestalteten Abmahnschreibens zu berücksichtigen,
nämlich einerseits als Aufforderung zur Unterwerfung im
Vorfeld eines Prozesses und andererseits als Angebot zum Abschluss
eines bestimmten Unterwerfungsvertrages. Beide Funktionen bestehen
unabhängig voneinander, so dass für die Beurteilung
der Rechtsnatur der bloßen Abmahnung ihre Verbindung mit
einem Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages ohne Bedeutung
ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. August 2009 - 20 U 53/08,
zitiert nach juris Tz. 18. Piper/Ohly/Sosnitza, a. a. O. Rdn. 11).
Selbst wann man daher annähme, dass das Angebot auf Abschluss
eines Unterwerfungsvertrages lediglich neben die Abmahnung
träte, ohne dass dies auf ihren Charakter als
geschäftsähnliche Handlung Einfluss hätte
(OLG Düsseldorf, a. a. O. Piper/Ohly/Sosnitza, a. a. O.), rechtfertigte das aber im
Streitfall kein abweichendes Ergebnis. Der unverzüglichen
Zurückweisung der Abmahnung wegen Nichtvorlage der
Originalvollmachtsurkunde gemäß § 174 Satz
1 BGB analog durch den Beklagten kommt hier nämlich deswegen
keine rechtliche Bedeutung zu, weil sie im Hinblick auf die zugleich
gegenüber dem - aus seiner Sicht - ohne Vertretungsmacht
agierenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin
abgegebene Annahmeerklärung des Angebots auf Abschluss eines
Unterlassungsvertrages als treuwidrig gemäß
§ 242 BGB anzusehen ist. Denn insoweit hat der Beklagte, der
ein Interesse an der Wirksamkeit des von ihm angenommenen
Unterlassungsvertrages nebst Vertragsstrafeversprechen hatte, da
anderenfalls die Wiederholungsgefahr nicht entfallen wäre, in
seiner Erklärung gegenüber dem
Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf das
Widerrufsrecht aus § 178 BGB verzichtet (Köhler/Bornkamm, a. a. O., Rdn. 1.27).
2. Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus § 288 Abs.1,
§ 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf
§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2 ZPO zugelassen.