Oberlandesgericht
Bamberg, oeffentliche Zustellung und einstweilige Verfuegung
zurück 12.04.2013
Aktenzeichen: 4 W 35/13 Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss
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Tenor:
I.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der
Ablehnungsbeschluss des Landgerichts Würzburg vom 14.03.2013
aufgehoben.
II. Zur weiteren Sachprüfung
– unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts
– und gegebenenfalls zur beantragten Bewilligung der
öffentlichen Zustellung wird die Sache dem Landgericht
zurückgegeben, das auch über die Erstattung der
außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren zu
entscheiden hat.
III. Von der Erhebung von
Gerichtskosten wird abgesehen.
IV. Beschwerdewert:
6.000,00 Euro.
Gründe
Das
statthafte und auch sonst gemäß §§
567 ff. ZPO zulässige Rechtsmittel hat Erfolg und
führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung mit der
Maßgabe, dass die weitere Behandlung des abgelehnten Antrags
auf öffentliche Zustellung dem Landgericht übertragen
wird (§ 572 III ZPO).
1. Entgegen der
Ansicht des Erstgerichts kann der Antrag auf öffentliche
Zustellung (jedenfalls) nicht daran scheitern, dass eine
Beschlussverfügung durch die Gläubigerseite im
Parteibetrieb zuzustellen ist. Das folgt schon aus dem
Anwendungsbereich des § 185 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist
eine öffentliche Zustellung in jeder Verfahrensart der ZPO mit
Ausnahme des Mahnverfahrens statthaft (ganz herrschende Meinung, vgl.
nur BayObLG NJW-RR 2000,1452; MK-Häublein, 4. Auflage, Rn.2 zu
§ 185 ZPO; Stein/Jonas/Roth, 22. Auflage, Rn.2 zu §
185 ZPO). Dementsprechend ist auch für einen Arrestbeschluss
oder eine Beschlussverfügung wie hier die Möglichkeit
der öffentlichen Zustellung grundsätzlich
eröffnet (so ausdrücklich MK-Drescher a.a.O., Rn.12
zu § 922 ZPO, Stein/Jonas- Grunsky, 22. Auflage, Rn.5a zu
§ 922 ZPO; Baumbach/L/A/H, 71. Auflage, Rn. 21 zu §
929 ZPO). Diese unumstrittene Auffassung hat insbesondere auch den Sinn
und Zweck einer öffentlichen Zustellung auf ihrer Seite. Die
Möglichkeit der öffentlichen Zustellung ist nicht
selten der einzige – nämlich letzte –
Ausweg, um dem (titulierten) Recht des Gläubigers
über eine sonst drohende faktische Durchsetzungssperre
hinwegzuhelfen. Dass unter diesem Blickwinkel das Gebot eines
effektiven Rechtsschutzes auch und gerade in Eilsachen aktualisiert
sein kann, wird beispielsweise durch die vorliegende Konstellation
veranschaulicht, in der der Antragsgegner, der den Antragsteller nach
dessen Vortrag mit einer massiven Hetzkampagne überzogen
hatte, nach dem Erlass der beantragten Unterlassungsverfügung
seinen bisherigen Wohnsitz aufgegeben hat und im Obdachlosenmilieu
untergetaucht sein soll.
Im übrigen trifft
es nicht zu, dass das Gebot der Parteizustellung umgangen wird. Wenn
und solange der Antragsgegner unerreichbar bleibt, geht die
Obliegenheit einer Zustellung im Parteibetrieb von vornherein ins
Leere. Auf der anderen Seite hängt auch das Zustandekommen
einer öffentlichen Zustellung – wie im Parteibetrieb
– ausschlaggebend von einem Initiativwerden der
Gläubigerseite ab. Das gilt zunächst für die
Nachforschungen hinsichtlich des neuen Aufenthaltsortes des
Verfahrensgegners. Sodann und insbesondere ist es Sache des
Gläubigers, eine öffentliche Zustellung zu beantragen
und die Voraussetzungen hierfür liquide darzulegen. All das
sind Schritte, die nach Art und Qualität an den typischen
Aufwand eines Parteibetriebes ohne weiteres heranreichen.
Mit
anderen Worten: Das Gebot der Zustellung im Parteibetrieb wirkt sich im
Eilverfahren in erster Linie dahin aus, dass das Gericht –
abweichend vom Regelfall – ausschließlich auf
Antrag tätig werden und seine Entscheidung davon
abhängig machen darf, dass die sachlichen
Bewilligungsvoraussetzungen von der Gläubigerseite
lückenlos dargetan werden. Es findet also weder in der Sache
noch vom (äußerlichen) Verfahrensgang her eine
Zustellung „von Amts wegen“ statt; der
entscheidende Akzent liegt darin, dass die Gerichtsseite erst auf den
Antrag der uneingeschränkt darlegungs- und nachweisbelasteten
Gläubigerseite hin an der Zustellung mitwirkt.
2.
Auch die fristbezogenen Bedenken des Landgerichts halten der
Überprüfung nicht stand. Hierbei kann dahinstehen, ob
die Vorgaben des § 929 II ZPO nach dem dahinter stehenden
Rechtsgedanken überhaupt auf Beschlussverfügungen
passen, die – wie im vorliegenden Fall einer
Unterlassungsanordnung – den Nachweis eines
Vollziehungswillens der Gläubigerseite nicht erfordern (vgl.
hierzu etwa Zöller, 29. Auflage, Rn.12 zu § 929 ZPO).
Jedenfalls geht das entscheidende Argument der herrschenden Meinung
– nämlich das Schuldnerinteresse an einer
alsbaldigen Unterrichtung von der Titeldurchsetzung (vgl.
Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz,
5. Auflage, Rn.26 zu § 929 ZPO) – bei einer
Fallgestaltung wie hier ins Leere. Dieser Aspekt aber kann dahinstehen.
Denn die Vollziehungsfrist des § 929 II ZPO ist auch dann
gewahrt, wenn der Antrag der Gläubigerseite noch innerhalb der
Ausschlussfrist gestellt wurde (BGHZ 112, 359; Zöller a.a.O.,
Rn.10). Umstände, die unter diesem Gesichtspunkt gegen ein
rechtzeitiges Tätigwerden der Antragstellerseite sprechen, hat
das Landgericht nicht festgestellt.
3. Die
angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben.
Dementsprechend war die Sache gemäß § 572
III ZPO zur weiteren Behandlung und sachlichen Prüfung der
Bewilligungsvoraussetzungen an das Landgericht zurückzugeben,
das auch über die außergerichtlichen Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.
4.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das
Beschwerdeverfahren wird gemäß § 21 I GKG
abgesehen.
Unterschriften