OLG
Bamberg, Wirksamkeit einer in Syrien geschlossenen Ehe einer zum
Eheschließungszeitpunkt 14-Jährigen mit einem
Volljährigen, Scharia-Gericht, Scharia
zurück
Aktenzeichen:
2
UF 58/16
Entscheidung vom: 12.05.2016 vorhergehend: AG
Aschaffenburg Beschluss vom 07.03.20167 F 2013/15
|
Beschluss
Leitsätze
:
Dem
einem minderjährigen Verheirateten bestellten Vormund kommt
wegen §§ 1800, 1633 BGB keine Entscheidungsbefugnis
für den Aufenthalt des Mündels zu. Dies gilt auch
hinsichtlich wirksam verheirateter minderjähriger
Flüchtlinge, wenn nach dem Recht des Herkunftsstaates insoweit
ebenfalls keine elterliche Sorge besteht (Art. 15, 16, 20
KSÜ). (amtlicher Leitsatz)
Eine in Syrien
nach syrischem Eheschließungsrecht wirksam geschlossene Ehe
einer zum Eheschließungszeitpunkt 14-Jährigen mit
einem Volljährigen ist als wirksam anzuerkennen, wenn die
Ehegatten der sunnitischen Glaubensrichtung angehören und die
Ehe bereits vollzogen ist. (amtlicher Leitsatz)
Die
Unterschreitung des Ehemündigkeitsalters des § 1303
BGB bei einer Eheschließung im Ausland führt selbst
bei Unterstellung eines Verstoßes gegen den ordre public
(Art. 6 EGBGB) nicht zur Nichtigkeit der Ehe, wenn nach dem
für die Eheschließung gem. Art. 11, 13 EGBGB
anzuwendenden ausländischen Recht die Ehe bei Unterschreitung
des dort geregelten Ehemündigkeitsalters nicht unwirksam,
sondern nur anfechtbar oder aufhebbar wäre. (amtlicher
Leitsatz)
Tenor
1.
Die Beschwerde des Vormunds (Stadtjugendamt X.) gegen den Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Aschaffenburg vom 7.3.2016 (7 F
2013/15) wird zurückgewiesen.
2. Der Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Aschaffenburg vom 7.3.2016 (7 F
2013/15) wird aufgehoben.
3. Gerichtskosten für beide
Instanzen werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten
werden in beiden Instanzen nicht erstattet.
4. Der
Verfahrenswert für beide Instanzen wird auf 3.000,00 Euro
festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die
Beteiligten H., geb. am 1.1.1994, und A., geb. am 1.1.2001, sind
syrische Staatsangehörige. Sie sind zueinander verwandt als
Cousin und Cousine und in der gleichen Stadt in Syrien aufgewachsen.
Aufgrund der Kriegsereignisse in Syrien sind die beiden vorgenannten
Beteiligten über die sogenannte
„Balkanroute“ von Syrien aus nach Deutschland
geflüchtet, wo sie am 27.8.2015 angekommen sind. Nach einem
ersten Aufenthalt in R. wurden beide zunächst zur
Registrierung in die Erstaufnahmeeinrichtung in S. und
anschließend nach X. gebracht. Dort wurde A., die bis dahin
seit Februar 2015 mit dem Beteiligten H. zusammengelebt hat, am
10.9.2015 durch Mitarbeiter des Jugendamtes X. in Obhut genommen.
Seither lebt A. getrennt vom Beteiligten H. in einer
Jugendhilfeeinrichtung für weibliche minderjährige
unbegleitete Flüchtlinge in N.
Im Verfahren
7 F 1439/15 hat das Amtsgericht -Familiengericht- Aschaffenburg mit
Beschluss vom 16.9.2015 auf Antrag des allgemeinen sozialen Dienstes
beim Stadtjugendamt der Stadt X. bezüglich A. (dort unter dem
Namen A.) das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt, Vormundschaft
angeordnet und das Stadtjugendamt X. durch einstweilige Anordnung zum
Vormund bestellt.
Mit am 4.12.2015 beim Amtsgericht
Aschaffenburg eingegangenem persönlichen Schreiben vom
3.12.2015 hat der Beteiligte H. sich an das Amtsgericht gewandt und
hierzu vorgetragen, dass er mit A. verheiratet sei. Er bat um
Überprüfung der Inobhutnahme durch das Jugendamt und
um „Rückführung“ seiner Frau zu
ihm. Hierzu hat H. u. a. eine Heiratsurkunde in arabischer Schrift mit
Beglaubigungszeichen, eine diesbezügliche Übersetzung
in die deutsche Sprache mit Beglaubigungszeichen und eine in arabischer
Schrift verfasste weitere Bestätigung für die
Eheschließung mit Beglaubigungszeichen eingereicht. Insoweit
wird auf Bl. 4-10 d. A. verwiesen.
Nach
mündlicher Verhandlung am 18.1.2016 hat das Amtsgericht mit
Verfügung vom 28.1.2016 darauf hingewiesen, dass die seitens
des Beteiligten H. begehrte Überprüfung und Aufhebung
der Inobhutnahme nicht mehr erforderlich sei, da sich die Inobhutnahme
durch das Stadtjugendamt X. aufgrund der Bestellung eines Vormundes
für die Beteiligte A. erledigt habe. Eine Inobhutnahme sei
nicht mehr gegeben. Vielmehr übe der Vormund durch den
Aufenthalt der Beteiligten A. in der Jugendhilfeeinrichtung in N. sein
Aufenthaltsbestimmungs- und sein Umgangsbestimmungsrecht aus. Das
Begehren des Beteiligten H. sei daher nun als Antrag auf Regelung eines
Umgangsrechts auszulegen. Für eine Entscheidung
hierüber hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 28.1.2016 der
Beteiligten A. eine Verfahrensbeiständin bestellt. Am
18.2.2016 hat das Amtsgericht die Beteiligte A. in Anwesentheit der
bestellten Verfahrensbeiständin angehört. Auf den
Vermerk vom 18.2.2016 (Bl. 54/55 d. A.) wird Bezug genommen. In der
mündlichen Verhandlung am 22.2.2016 hat die
Verfahrensbeiständin erklärt, dass die seit der
Inobhutnahme - da nur insoweit seitens des Vormunds geduldet -
lediglich begleitet stattfindenden Umgänge einer Integration
der beiden syrischen Flüchtlinge entgegenstehen
würde. Für beide sei es nicht verständlich,
dass sie nunmehr trotz der schwierigen gemeinsamen Flucht und des
Umstandes, dass sie in Syrien geheiratet und bereits wie Mann und Frau
zusammengelebt hätten, sich nur getrennt voneinander in
Deutschland aufhalten dürften. Das Jugendamt hat darauf
hingewiesen, dass damit zu rechnen sei, dass die Beteiligten A. und H.
sexuelle Handlungen miteinander durchführen würden,
weshalb aufgrund des Alters der beiden eine Strafbarkeit nach
§ 182 StGB in Betracht komme. Für das Jugendamt sei
eine Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung bei A. nicht
gegeben. Auch im Übrigen zeige A. noch eher kindliches bis
jugendliches Verhalten und füge sich im Ergebnis den
Erwartungen ihrer Familie und des Beteiligten H.. Ansonsten wird auf
den Vermerk der nichtöffentlichen Sitzung vom 22.2.2016 Bezug
genommen.
Mit Beschluss vom 7.3.2016 hat das
Amtsgericht -Familiengericht- Aschaffenburg ein Umgangsrecht des
Beteiligten H. mit der Beteiligten A. dahingehend geregelt, dass A. das
Recht hat, jedes Wochenende von Freitag ab 17.00 Uhr bis
einschließlich Sonntag, 17.00 Uhr mit H. zu verbringen,
beginnend mit Freitag, 11.3.2016. Das Amtsgericht hat hierzu im
Wesentlichen ausgeführt, dass die Beteiligten H. und A. sich
seit September 2015 im Raum X. befinden, deswegen dort ihren
gewöhnlichen Aufenthalt haben und demzufolge sich das
Umgangsrecht nach deutschem Recht richte. H. sei jedenfalls enge
Bezugsperson im Sinne des § 1685 Abs. 2 Satz 1 BGB. Beide
hätten daher ein Recht auf Umgang miteinander. Die bisher
eingeräumten begleiteten Umgänge von je zwei Stunden
pro Woche seien nicht kindeswohlgerecht. Insbesondere eine
Verwirklichung des Straftatbestandes nach § 182 Abs. 3 StGB
drohe nicht, da eine Ausnutzung einer fehlenden sexuellen
Selbstbestimmung auf Seiten der Beteiligten A. nicht zu
befürchten sei. Die Beteiligte A. sei nicht mit anderen
deutschen 14-oder 15-jährigen Mädchen ohne Weiteres
vergleichbar, habe vielmehr bereits in Syrien vor der gemeinsamen
Flucht mit H. wie Mann und Frau zusammengelebt. Auch sei insoweit nicht
von einer Zwangsheirat auszugehen. Den beiden Beteiligten sei daher
einzuräumen, am Wochenende von Freitagabend bis Sonntagabend
die Freizeit unbegleitet miteinander zu verbringen. Im Übrigen
wird auf den Beschluss vom 7.3.2016 verwiesen.
Gegen
diese den Beteiligten H. und A. (jeweils zusätzlich auch in
arabischer Übersetzung) und der Verfahrensbeiständin
am 9.3.2016 sowie dem Stadtjugendamt X. am 10.3.2016 zugestellte
Entscheidung hat das Stadtjugendamt X. als Vormund der Beteiligten A.
mit am 10.3.2016 beim Amtsgericht per Fax eingegangenem Schreiben vom
gleichen Tag Beschwerde eingelegt und beantragt, dass unter
Abänderung der angefochtenen Entscheidung der Umgang zwischen
den Beteiligten H. und A. dahin geregelt wird, dass A. das Recht habe,
einmal wöchentlich in der Zeit von 14.00 bis 17.00 Uhr in
Begleitung eines Dritten Zeit mit H. zu verbringen. Weiterhin hat das
Stadtjugendamt beantragt, die Vollziehung der angefochtenen
Entscheidung einstweilen auszusetzen. Zur Begründung hat sich
das Stadtjugendamt im Wesentlichen darauf berufen, dass A. aufgrund
ihres Alters noch nicht zur Führung eines selbstbestimmten
Lebens in der Lage sei. Bei einem unbegleiteten Umgang beider sei zu
befürchten, dass ungeschützter Geschlechtsverkehr
stattfinde und A. höchstwahrscheinlich schwanger werde. Soweit
A. und H. ihre Bereitschaft erklärt hätten,
Verhütungsmittel einzusetzen, sei dies noch nicht in
effektiver Form möglich, da am 10.3.2016 als
Verhütungsmethode die „3-Monatsspritze“
gewählt wurde, nach ärztlicher Auskunft jedoch erst
nach weiteren 4 Wochen ein wirksamer Schutz ohne zusätzliche
Verhütungsmittel (Kondome) bestehe.
Mit
Beschluss vom 18.3.2016 hat der Senat die Wirksamkeit des angefochtenen
Beschlusses vom 7.3.2016 einstweilen ausgesetzt, da die Angelegenheit
rechtlich schwierig sei und bei Durchführung unbegleiteten
Umgangs die zu erwartenden Folgen die mit der Aussetzung der
Wirksamkeit einhergehenden Nachteile überwiegen.
Mit
Beschluss vom 4.4.2016 hat der Senat eine neue
Verfahrensbeiständin für A. bestellt, da die bisher
bestellte Verfahrensbeiständin sich nach deren Mitteilung
aufgrund Krankheit zu einer weiteren Tätigkeit nicht in der
Lage sah. Mit Schriftsatz vom 17.4.2016 hat die nunmehrige
Verfahrensbeiständin Stellung genommen und dabei im
Wesentlichen ausgeführt, dass eine in Syrien wirksam
geschlossene Ehe zwischen den Beteiligten H. und A. vorliegen
dürfte, die selbst bei Annahme eines Verstoßes gegen
den ordre public nach syrischem Recht bestenfalls anfechtbar sei.
Aufgrund der von ihr durchgeführten mehrfachen
Gespräche mit H. und A. sei die Darstellung beider, dass weder
die Ehe noch ihr jetziges Verhalten von Druck und Zwang seitens der
Familien der beiden bestimmt werde, nachvollziehbar und glaubhaft. Im
Übrigen würden sich beide zwischenzeitlich auch
heimlich treffen. Beide würden übereinstimmend
fortwährend berichten, dass sie sich lieben. Dass insbesondere
H. die Beteiligte A. unter Druck setzen würde, sei in keinster
Weise belegt. Beiden Beteiligten sei mindestens entsprechend der
angefochtenen Entscheidung unbegleiteter Umgang miteinander zu
gewähren. Die Begrenzung des gemeinsamen Kontaktes zueinander
durch lediglich begleiteten Umgang sei aufgrund der durch die
gemeinsame Flucht gezeigten Beistandsgemeinschaft kontraproduktiv
für beide. Im Übrigen wird auf das Schreiben vom
17.6.2016 verwiesen.
In der
nichtöffentlichen Sitzung vom 18.4.2016 hat der Senat die vom
Beteiligten H. eingereichten Urkunden hinsichtlich der
Eheschließung in Syrien einschließlich der
Beglaubigungsvermerke vom anwesenden Dolmetscher übersetzen
lassen und die Beteiligten zur Sache angehört.
Mit
E-Mail vom 20.10.2015 hat die Deutsche Botschaft in B. dem Standesamt
bei der Stadt X. u. a. mitgeteilt, dass aufgrund der dorthin versandten
Unterlagen (Zivilregisterauszug bezüglich A. mit dem
angegebenen Familienstand verheiratet; Bestätigung der
Eheschließung seitens des syrischen Scharia-Gerichts) von
einer Registrierung der Ehe beim Standesamt in Syrien und einer
gerichtlichen Genehmigung der Eheschließung ausgegangen
werden könne.
Im Übrigen wird auf
den Vermerk über die nichtöffentliche Sitzung vom
18.4.2016 samt Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Stadtjugendamtes als Vormund ist zulässig,
hat in Richtung des damit verfolgten Beschwerdebegehrens jedoch keinen
Erfolg. Vielmehr ist die angefochtene Entscheidung im
Beschwerdeverfahren von Amts wegen ersatzlos aufzuheben. Hieran ist der
Senat trotz Zurückweisung der Beschwerde nicht gehindert. Ein
Verbot der reformatio in peius (Verschlechterungsverbot) besteht
vorliegend nicht.
1) Die Beschwerde des
Stadtjugendamtes, die aus eigenem Recht als Vormund geführt
wird, ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt. Die Frage, ob vorliegend hinsichtlich der
gegenständlichen Umgangsangelegenheit eine eigene
Rechtsposition des Vormunds, nämlich das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Beteiligte A., besteht und
durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt ist
(§ 59 Abs. 1 FamFG), kann im Rahmen der Zulässigkeit
des Rechtsmittels dahingestellt bleiben, da es sich insoweit um sog.
doppelrelevante Tatsachen handelt. Bei der zu prüfenden
Beschwerdeberechtigung ist daher zu unterstellen, dass dem
Stadtjugendamt als Vormund vorliegend die Entscheidungsbefugnis im
Bereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts und damit einhergehend in
Angelegenheiten des Umgangs von A. mit anderen Personen zusteht.
2)
Die Beschwerde hat mit dem damit verfolgten Begehren keinen Erfolg,
führt jedoch zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung von
Amts wegen.
a) Die internationale
Zuständigkeit für den vorliegenden
Verfahrensgegenstand ist gegeben. Der mit der angefochtenen
Entscheidung geregelte Umgang der Beteiligten A. mit dem Beteiligten H.
als Ausfluss des Aufenthaltsbestimmungsrechts betrifft den Bereich der
elterlichen Verantwortung im Sinne des Art. 1 Abs. 1 lit. b, Abs. 2
EuEheVO (Brüssel II a). Für die Frage der
internationalen Zuständigkeit geht die EuEheVO
gemäß Art. 61 EuEheVO bei Bestehen eines
gewöhnlichen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat dem Hager
Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) bzw.
gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 FamFG den
nationalen Regelungen zur Bestimmung der internationalen
Zuständigkeit (§ 99 FamFG) vor. Die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist vorliegend jedenfalls
zum Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung über die Angelegenheit
der elterlichen Verantwortung hinsichtlich der syrischen
minderjährigen A. nach Art. 8 Abs. 1 EuEheVO gegeben, da
bezüglich der elterlichen Verantwortung im Hinblick auf A. in
einem anderen Mitgliedsstaat bisher kein Verfahren eingeleitet wurde
und zumindest zum jetzigen Zeitpunkt der Entscheidung der
gewöhnliche Aufenthalt von A. in Deutschland ist (vgl. BGH NJW
2010, 1351). Unter dem autonom auszulegenden Begriff des
gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EuEheVO
ist der Ort zu verstehen, an dem eine gewisse Integration des Kindes in
ein soziales und familäres Umfeld zu erkennen ist, somit also
der Daseinsmittelpunkt bzw. der Schwerpunkt der
Lebensverhältnisse des Kindes. Dies ist nach objektiven
Kriterien zu bestimmen, wobei auch die Aufenthaltszeit
grundsätzlich zu berücksichtigen ist. Die Beteiligte
A. befindet sich nunmehr seit ca. 8 Monaten in Deutschland, davon seit
Mitte September 2015 durchgängig in der Jugendhilfeeinrichtung
in N.. Sie ist vor dem Krieg in Syrien geflüchtet, um
zukünftig in Deutschland zu leben. Aufgrund dieser
Umstände ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nach Art. 8
Abs. 1 EuEheVO in Deutschland gegeben, so dass sich die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach der vorgenannten
Regelung richtet. Selbst wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt noch
nicht festgestellt werden könnte, ergäbe sich die
internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte schon
aufgrund der Flüchtlingseigenschaft der Beteiligten A. in
gleicher Weise aus der subsidiären Regelung des Art. 13 Abs. 2
EuEheVO bzw. gleichgerichtet aus Art. 6 KSÜ bzw. Art. 16 des
Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom
28.7.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention = GFK). Die Beteiligte
A. ist (wie auch der Beteiligte H.) Flüchtling iSd Art. 1 GFK
i. V. m. Art. 1 des Protokolls über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge vom 31.1.1967.
b) Das
Beschwerdebegehren des Vormunds hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Da dem Vormund das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die
Beteiligte A. nicht zusteht, ist eine Rechtsbeeinträchtigung
zulasten des Vormunds durch die angefochtene Entscheidung nicht
gegeben. Vielmehr ist die angefochtene Umgangsregelung ersatzlos
aufzuheben, weil die Beteiligte A. insoweit selbst Trägerin
der diesbezüglichen Entscheidungsbefugnis ist.
Der
Senat ist befugt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Eine
Bindung an Anträge besteht ebenso wenig wie ein
Verschlechterungsverbot, da es sich bei der angefochtenen
Umgangsregelung um eine von Amts wegen in vollem Umfang zu
prüfende Fürsorgeangelegenheit handelt (vgl. nur OLG
Saarbrücken, 6 UF 126/10, B. v. 10.01.2011; Sternal in Keidel,
FamFG, 18. Auflage 2014, § 69 Rn. 21).
Das
anzuwendende Recht für den Bereich des Umgangs und des
Aufenthalts im Rahmen der Personensorge als Teilbereich des Instituts
der elterlichen Verantwortung bestimmt sich vorliegend nach dem
KSÜ. Dies gilt unabhängig davon, ob ein
gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland besteht oder nicht, da
Art. 61 EUEheVO der Anwendung der Kollisionsnormen der Art. 15 ff.
KSÜ jedenfalls dann nicht entgegensteht, wenn die
internationale Zuständigkeit (gegebenenfalls nur hypothetisch)
auch nach dem KSÜ vorliegen würde (OLG Karlsruhe,
FamRZ 2013, 1238; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, Art.
61 EuEheVO Rdnr. 5 m. w. N.). Dies ist - wie vorstehend aufgezeigt -
hier gegeben. Art. 15 - 22 KSÜ gelten gem. Art. 20
KSÜ auch für Staatsangehörige von
Nichtvertragsstaaten wie Syrien. Art. 21 EGBGB muss daher
zurücktreten. Art. 12 S. 1 GFK führt mangels
verbliebenem Wohnsitz in Syrien zur gleichlaufenden Rechtsfolge.
Nach
Art. 15 Abs. 1 KSÜ bestimmt sich das Recht der elterlichen
Verantwortung vorliegend nach deutschem Recht. Danach kommt der
Beteiligten A. die eigene volle Entscheidungsbefugnis für
ihren Aufenthalt und ihren Umgang zu, da sie zwar (im Ergebnis
zutreffend) aufgrund Beschlusses des Amtsgericht -Familiengericht-
Aschaffenburg vom 16.9.2015 (7 F 1439/15) unter Vormundschaft steht,
dem Vormund bezüglich des Aufenthalts und des Umgangs der
Minderjährigen A. gemäß
§§ 1800, 1633 BGB jedoch keine Entscheidungsbefugnis
für die Belange des Aufenthalts und des Umgangs zukommt. Eine
solche Entscheidungsbefugnis für den Vormund ergibt sich auch
nicht aufgrund Art. 16 Abs. 3, Abs. 4 KSÜ (bzw. Art. 12 S. 2
GFK) i. V. m. dem syrischen Kindschaftsrecht, da aufgrund der
Eheschließung mit H. im Februar 2015 in Syrien die elterliche
Verantwortung nach syrischem Recht bezüglich A. erloschen ist.
Die
Voraussetzungen der Eheschließung bestimmen sich hier gem.
Art. 13 Abs. 1 EGBGB nach syrischem Recht, da A. und H. bei Eingehung
der Ehe syrische Staatsangehörige waren (vgl. BGH, Urteil vom
11. Oktober 2006 - XII ZR 79/04 -, BGHZ 169, 240-255, Rn. 15). Damit
gilt das syrischen Personalstatutgesetz (im Folgenden: PSG) vom
17.9.1953, geändert durch Gesetz vom 31.12.1975 (siehe die
deutsche Übersetzung bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe-
und Kindschaftsrecht, Loseblattausgabe, Länderteil Syrien -
arabische Republik Syrien). Da beide Ehegatten als Angehörige
der sunnitischen Religionsgemeinschaft islamischen Glaubens sind, sind
die Sondervorschriften nach Art. 307, 308 PSG für Drusen und
Angehörige des jüdischen oder christlichen Glaubens
nicht anwendbar (vgl. zu letzterem BGH a. a. O.).
Nach
Art. 1 PSG ist die Eheschließung ein Vertrag zwischen einem
Mann und einer Frau, der gemäß Art. 5 PSG ein
Angebot und die Annahme dieses Angebots durch den anderen Verlobten
erfordert. Nach Art. 6, 7 PSG kann dies wörtlich, durch andere
üblicherweise in diesem Sinne verstandene Ausdrucksformen oder
schriftlich erklärt werden. Nach Art. 12 PSG ist für
die Gültigkeit des Ehevertrages die Anwesenheit zweier
männlicher Zeugen oder eines Mannes und zweier Frauen
islamischen Glaubens, die geistig gesund und volljährig sind,
erforderlich. Die Ehefähigkeit erfordert
gemäß Art. 15 PSG die geistige Gesundheit und
Geschlechtsreife der Verlobten. Bezüglich des Lebensalters der
zukünftigen Eheleute setzt Art. 16 PSG zur Erlangung der
Ehefähigkeit hinsichtlich des Mannes die Vollendung des 18.
und hinsichtlich der Frau die Vollendung des 17. Lebensjahres voraus.
Hiervon macht Art. 18 PSG eine Ausnahme dahingehend, dass
männliche Jugendliche die das 15. Lebensalter, und weibliche
Jugendliche, die das 13. Lebensalter vollendet haben, die Ehe eingehen
können, wenn der zuständige Richter die
körperliche Reife und die Geschlechtsreife der beiden
Jugendlichen als erwiesen ansieht. Nach Art. 18 Abs. 2 PSG bedarf die
Eheschließung Jugendlicher zusätzlich
grundsätzlich der Zustimmung des Vaters oder
Großvaters, wenn diese Ehevormund gemäß
Art. 21 ff. PSG sind. Nach Art. 40 ff., 43 PSG ist die
Eheschließung beim Richter unter Unterlagenvorlage zu
beantragen. Die Trauung der Brautleute hat durch den Richter oder einen
von ihm ermächtigten Rechtspfleger zu erfolgen.
Hierüber ist nach Art. 44 PSG eine Niederschrift zu fertigen.
Weiterhin ist die Eheschließung zur Eintragung beim
Standesamt durch Übersendung einer Abschrift der
Heiratsurkunde an dieses mitzuteilen (Art. 45 PSG).
Nach
den vorliegenden Unterlagen, die in der Sitzung des Senats vom
18.4.2016 vom Dolmetscher nochmals übersetzt wurden, sind
sämtliche vorgenannten Voraussetzungen für eine
wirksame Eheschließung nach syrischem
Eheschließungsrecht eingehalten. Es bestehen keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass die vorgelegten Urkunden falsch sein
könnten. Auch die Deutsche Botschaft in B. hat ausweislich
ihrer Mailnachricht vom 20.10.2015 keine Anhaltspunkte dafür,
dass es sich nicht um eine nach syrischem Eherecht wirksame
Eheschließung handeln könnte.
Diese
Eheschließung in Syrien ist vorliegend nach Ansicht des
Senats auch anzuerkennen, da ein möglicher Verstoß
gegen Art. 12 S. 3 GFK bzw. Art 6 EGBGB (ordre public) dem nicht
entgegensteht. Zwar ist nach deutschem Eheschließungsrecht
die Eingehung der Ehe frühestens mit Vollendung des 16.
Lebensjahres eines Ehegatten mit Befreiung vom allgemeinen
Ehemündigkeitsalter (18 Jahre) durch das Familiengericht bei
Volljährigkeit des anderen Ehegatten zulässig
(§ 1303 Abs. 2 BGB). Daraus ergibt sich jedoch kein
Automatismus dahingehend, dass bei Unterschreitung der
Ehemündigkeit nach § 1303 BGB die nach
ausländischem Recht geschlossene Ehe nicht anerkannt werden
kann. Bei Einhaltung der nach Art. 11, 13 Abs. 1 EGBGB
maßgeblichen formellen und sachlichen Voraussetzungen der
Eheschließung im Herkunftsstaat der Eheschließenden
ist es in der Rechtsprechung umstritten, ob und ggf. bis zu welchem
Lebensalter die Unterschreitung des
Ehemündigkeitsmindestalters aus § 1303 BGB bei
Eheschließung im Ausland zu einem Verstoß gegen den
ordre public führt (Verstoß bejahend z. B.: KG FamRZ
2012, 1495 jährige Libanesin-; Verstoß verneinend z.
B. AG Tübingen ZfJ 1992, 48 - Heirat einer
14-Jährigen deutscher Staatsangehörigkeit in Uruguay
bei uruguayischem Mindestheiratsalter für Mädchen von
12 Jahren- ; vgl. auch LG Hamburg, FamRZ 1969, 565 - eine Verletzung
der Vorschrift der Ehemündigkeit berührt die
Gültigkeit der Ehe nicht -).
Die Frage
eines Verstoßes gegen den ordre public kann aber vorliegend
offen bleiben, da selbst unter der Prämisse eines solchen
Verstoßes eine wirksame Ehe vorliegt. Rechtsfolge eines
Verstoßes gegen den deutschen ordre public ist die
Nichtanwendung der ausländischen Vorschrift. Die Rechtsfolge
bestimmt sich daher zunächst danach, wie sie sich unter
Außerachtlassung der Ausnahmenorm des Art. 18 PSG zur
herabgesetzten Ehemündigkeit aus dem verletzten Recht, also
hier dem syrischen Eherecht ergibt. Denn insoweit ist zunächst
zu versuchen, die Regelungslücke, die durch die Nichtanwendung
der dem ordre public zu wider laufenden Vorschrift entsteht, nach
Möglichkeit nach dem ausländischen Recht zu
schließen (BGH NJW 1993, 848).
Hierzu
enthält das syrische Personalstatutgesetz in den Art. 47 bis
52 Vorschriften dahingehend, dass ein Ehevertrag gültig ist,
wenn seine wesentlichen Elemente und seine allgemeinen Voraussetzungen
gegeben sind (Art. 47 PSG), womit die Vorschrift den zweiten Teil des
syrischen Personalstatutgesetzes (Art. 5 bis Art. 46 PSG) in Bezug
nimmt. Gemäß Art. 48 Abs. 1 PSG ist der Ehevertrag
lediglich fehlerhaft, wenn die Grundlage für den Ehevertrag
aus Angebot und Annahme vorhanden ist, die anderweitigen
Voraussetzungen jedoch nicht vollständig erfüllt
sind. Nach Art. 48 Abs. 2 PSG ist lediglich die Eheschließung
einer Muslimin mit einem Nicht-Muslim nichtig. Für den
fehlerhaften Ehevertrag, der vorliegend bei Unterschreitung der
Ehemündigkeit nach syrischem Eherecht vorliegen
würde, regelt Art. 51 Abs. 1 PSG, dass der fehlerhafte
Ehevertrag einem nichtigen Ehevertrag, der gemäß
Art. 50 PSG keine Rechtswirkungen hat, nur dann entspricht, so lange
die Beiwohnung nicht stattgefunden hat. Im Übrigen bestimmt
Art. 51 Abs. 2 PSG für fehlerhafte Eheverträge nach
Beiwohnung u. a. die Pflicht zur Zahlung der Morgengabe, das
Ehehindernis der Schwägerschaft und die Pflicht zur Einhaltung
der Vorschriften über die gesetzliche Wartezeit in den
Fällen der Eheauflösung durch Scheidung oder Tod.
Somit ist Art. 47 bis 52 PSG keine Regelung dahingehend zu entnehmen,
dass ein fehlerhafter Ehevertrag nach Beiwohnung zu einem nichtigen
Eheschluss führt. Nach den Angaben in der Anhörung
durch den Senat hat nach Eheschließung der beiden Beteiligten
A. und H. bereits ehelicher Verkehr stattgefunden.
Schließlicht
bestimmt Art. 305 PSG, dass bezüglich verbleibender
Regelungslücken „die herrschende Theorie der
hanafitischen Lehre anzuwenden“ ist. Bei der hanafitischen
Rechtsschule handelt es sich insoweit um die am weitesten verbreitete
Rechtsschule im sunnitischen Islam (siehe dazu z. B.:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hanafiten - Stand: 28.04.2016).
Vorliegend gehören sowohl die Beteiligte A. als auch der
Beteiligte H. nach deren eigenen Angaben, bezüglich deren
Richtigkeit keine Zweifel bestehen, der sunnitischen
Glaubensgemeinschaft an. Auch nach sunnitischem Recht kommt eine
Ungültigkeit der Ehe nur für die Ehe eines
Nicht-Moslems mit einer Muslima in Betracht, während im
Übrigen mangelbehaftete Eheschließungen nur
anfechtbar sind (vgl. Kammergericht, FamRZ 2012, 1495 unter Hinweis auf
Rauscher: Shariä, islamisches Familienrecht der Sunna und
Shiä).
Damit liegt nach syrischem Recht
eine lediglich fehlerhafte und anfechtbare, jedoch keine unwirksame
Eheschließung vor. Dies entspricht im Übrigen auch
dem deutschen Eheschließungsrecht, da bei Nichteinhaltung der
Ehemündigkeit nach § 1303 BGB eine nach deutschem
Recht geschlossene Ehe lediglich gemäß §
1314 Abs. 1 BGB aufhebbar ist. Ein Aufhebungs- oder
Anfechtungsverfahren bezüglich der fraglichen
Eheschließung ist vorliegend nicht anhängig
(§ 1313 BGB). Die Anwendung des fremden Rechts im konkreten
Fall führt daher auch zu keinem Ergebnis, das aus der Sicht
grundlegender deutscher Rechtsvorstellungen nicht mehr hinnehmbar ist.
Dies wäre dann der Fall, wenn sich dem maßgeblichen
ausländischen Recht keine dem deutschen
Rechtsverständnis entsprechende äquivalente
Lösung entnehmen ließe (BGHZ 169, 240-255, Rn. 50).
Da die Rechtsfolgen in beiden Rechtsordnungen aber identisch sind,
besteht für eine Korrektur keine Veranlassung.
Hieran
ändert auch die Wertung des § 182 Abs. 3 StGB nichts.
Eine Strafbarkeit unterliegt insoweit bei 14-jährigen
Sexualpartnern der Einzelfallbetrachtung (vgl. BGH StV 2008, 238). Eine
generelle Strafbarkeit sexueller Handlungen über
21-Jähriger mit unter 16-Jährigen hat der Gesetzgeber
nicht vorgesehen. Anderes gilt aufgrund § 176 StGB nur
für unter 14-Jährige.
Auch
Kindeswohlbelange erfordern vorliegend keine andere Beurteilung. Die
UN-Kinderrechtskonvention (CRC) enthält keine Altersgrenze,
für die im Fall des Unterschreitens bei
Eheschließung ein Verstoß gegen Kinderrechte
zwangsläufig anzunehmen ist. Die Beteiligte A. war bei
Eheschließung 14 Jahre alt und ist nunmehr 15 Jahre und 4
Monate. Ehelicher Verkehr hat bereits nach Eheschließung
stattgefunden. Beide Eheleute sind gemeinsam von Syrien nach
Deutschland geflüchtet und haben die damit verbundenen
erheblichen Gefahren (Reiseweg: Flucht aus Syrien in die
Türkei und sodann zweimalige Bootsüberfahrt von der
Türkei nach Griechenland mit anschließender
Weiterreise über den Balkan bis nach Deutschland) zusammen
gemeistert. Auch bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte
dafür, dass es sich bei der gegenständlichen
Eheschließung um eine Zwangsheirat handeln könnte.
Der Anerkennung der syrischen Eheschließung steht vorliegend
desweiteren der für eine zukünftige gedeihliche
Lebensführung in Deutschland förderliche
Integrationsbedarf der beiden Eheleute nicht entgegen. Insbesondere die
minderjährige Beteiligte A. hat sich vielmehr aufgrund der
Verweigerung einer gemeinsamen Unterbringung in einer
Flüchtingsunterkunft durch das Stadtjugendamt z.T. der
Mitwirkung an Integrationsmaßnahmen verweigert. Die
Anhörung der Beteiligten A. und H. hat nach Ansicht des Senats
demgegenüber ergeben, dass beide die begründete
Bereitschaft haben, Deutschkurse zum Erlernen der deutschen Sprache
ebenso erfolgreich zu absolvieren wie schulische und berufliche
Bildungsmaßnahmen unter der Prämisse, dass ihnen in
Zukunft die Möglichkeit einer gemeinsamen Lebensgestaltung als
Eheleute eingeräumt wird. Insoweit hat sich die
Verfahrensbeiständin damit übereinstimmend
positioniert und angegeben, dass die bisherige Beschulung der
Minderjährigen A. in der Regelschule in N. mangels
Sprachkenntnissen wenig förderlich ist, vielmehr
zunächst der Besuch eines Deutschkurses zum Erlernen
ausreichender deutscher Sprachkenntnisse sinnvoll sei.
Die
Gesamtumstände ergeben daher auch aus
Kindeswohlgesichtspunkten keine Notwendigkeit, die in Syrien
geschlossene Ehe vorliegend als nichtig anzusehen.
Aufgrund
der somit wirksamen Ehe der beteiligten Minderjährigen A. mit
H. ist das Personensorgerecht der Eltern gem. § 1633 BGB und
i. V. m. § 1800 BGB auch dasjenige des Vormunds
eingeschränkt. So kommt dem minderjährigen
Verheirateten das Aufenthaltsbestimmungsrecht und damit auch das
Entscheidungsrecht bezüglich seines Umgangs mit anderen
Personen selbst zu und nicht dem Inhaber der elterlichen Sorge im
Übrigen.
Dies wird vorliegend nicht durch
Art. 16 Abs. 3, Abs. 4 KSÜ (bzw. Art. 12 S. 2 GFK) i. V. m.
dem syrischen Kindschaftsrecht ergänzt, da nach syrischem
Kindschaftsrecht mit der Verheiratung eines minderjährigen
Kindes das Recht der elterlichen Sorge insgesamt erlischt. Dies ergibt
eine Zusammenschau der Regelungen zum Eherecht nach dem syrischen PSG.
So ist nach Art. 65 PSG der Ehemann verpflichtet, seiner Frau eine
angemessene Wohnung zu bieten, die Ehefrau gemäß
Art. 70 PSG dem gegenüber verpflichtet, mit ihrem Mann zu
reisen. Nach Art. 75 PSG verletzt eine Frau ihre ehelichen Pflichten,
wenn sie die gemeinsame Wohnung ohne rechtlichen Grund
verlässt. Schließlich ist auch insoweit wieder die
Verweisung in Art. 305 PSG zu berücksichtigen, die zur
Ergänzung auf die hanafitische Rechtslehre verweist. Danach
kommt dem Ehemann das „Sorgerecht“ für
seine minderjährige Frau zu. Unbeachtet dessen, dass letzterer
Automatismus dem ordre public widersprechen dürfte (nach
§ 1778 Abs. 3 BGB kann der volljährige Ehemann aber
Vormund der minderjährigen Ehefrau sein), ergibt sich aus dem
Vorstehenden jedoch, dass eine elterliche Verantwortung für
verheiratete Minderjährige nach syrischem Recht nicht besteht.
Demzufolge ist somit ausschließlich die vorstehend
ausgeführte deutsche Rechtslage zugrunde zu legen, die
gemäß § 1800 BGB auch für den
bestellten Vormund gilt.
Bei der angeordneten
Vormundschaft mit nicht angefochtenem Beschluss vom 16.9.2015 handelt
es sich um eine Statusentscheidung, die unverändert
fortbesteht und daher wirksam ist. Im Übrigen wurde aufgrund
des Vorstehenden die Vormundschaft zutreffend wegen Ruhens der -
wenngleich wegen Art. 15 KSÜ, § 1633 BGB nur
eingeschränkt bestehenden - elterlichen Sorge gem. §
1773 BGB angeordnet (vgl. Götz in Palandt, BGB, 75. Aufl.,
§ 1773 Rn. 1 a.E.).
Im Endergebnis bleibt
daher festzuhalten, dass aufgrund der Beschränkung der
Entscheidungsbefugnis des bestellten Vormunds gem. §§
1800, 1633 BGB der Beteiligten A. das Aufenthaltsbestimmungsrecht und
die Entscheidungsbefugnis für ihren Umgang mit anderen
Personen ausschließlich selbst zusteht und damit der
Beschluss des Amtsgerichts vom 7.3.2016 zur Regelung des Umgangs ohne
Rechtsgrundlage erfolgt ist. Mangels diesbezüglichem
Personensorgerechts des Vormunds war das Amtsgericht nicht befugt, zum
Umgangsrecht Anordnungen zu treffen. Mit der wirksamen
Eheschließung ist die Befugnis zur Entscheidung über
das Recht des Aufenthalts des minderjährigen Verheirateten wie
auch das Recht und die Pflicht zur tatsächlichen Sorge
gemäß § 1633 BGB aus dem Rahmen der
elterlichen Gewalt und damit gem. § 1800 BGB aus der
Entscheidungsgewalt des Vormunds ausgeschieden (vgl. OLG Hamm, MDR
1973, 315).
Nach alledem besteht keine Befugnis zu
einer Umgangsregelung, da die Beteiligte A. berechtigt ist, zu jeder
Zeit zu ihrem Ehemann zu ziehen. Da dies der Vormund zu respektieren
hat, ist dem an das Amtsgericht herangetragenen Begehren des
Beteiligten H. damit genüge getan.
c)
Obwohl das Beschwerdebegehren des Jugendamtes als Vormund ohne Erfolg
bleibt, sieht es der Senat für angezeigt, unter Anwendung von
§ 81 Abs. 1 FamFG keine Gerichtskosten zu erheben und von der
Erstattung außergerichtlicher Kosten jeweils für
beide Instanzen abzusehen.
Die Rechtsbeschwerde wird
zugelassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat,
§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Der Bundesgerichtshof hat sich bisher
nicht dazu geäußert, ob eine Eheschließung
im Ausland bei Unterschreitung des Ehemündigkeitsalters nach
§ 1303 Abs. 2 BGB einen Verstoß gegen den ordre
public darstellt und ob aus Kindeswohlgesichtpunkten ein solcher
Verstoß ausnahmsweise trotz der Rechtsfolgenregelung in
§§ 1313, 1314 Abs. 1, 1315 Abs. 1 Nr. 1, 1316ff. BGB
die Nichtigkeit der Eheschließung zur Folge hat.