Landgericht Siegen Urteil Pflichtangaben nach § 5 TMG Ausland auslaendisches Unternehmen
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Aktenzeichen: 2 O 36/13
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Verkündet am:
09.
Juli 2013
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LANDGERICHT SIEGEN
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem
Rechtsstreit
[...]
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen auf die
mündliche Verhandlung vom 18.06.2013 durch den Richter am
Landgericht Dr. Al-Deb'i als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.sr
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung und
Schadensersatz wegen angeblich behaupteter Verstöße
gegen Verbraucherinformationsvorschriften auf der Webseite
www.[...].com in Anspruch.
Die Klägerin veranstaltet Kreuzfahrten und bietet im Rahmen
dessen unter anderem auch individuell buchbare Ausflüge nach
und in Ägypten an. Auf der Internetseite www.[...].com werden
u. a. ebenfalls Ausflüge bei Landgängen auf
Kreuzfahrtreisen in Ägypten angeboten. Auf der vorgenannten
Webseite fanden sich im April 2012 im Impressum folgende Angaben:
»Kreuzfahrtausflüge
[...]
Hurghada/Egypt
Tel.: [...]
E-Mail: [...]
Am 25.06.2012 erwirkte die Klägerin gegen den Beklagten beim
Landgericht Hamburg unter dem Az. [...] eine einstweilige
Verfügung, durch die dem Beklagten bei Meidung der
gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde, als Domaininhaber der
Domain [...] einem Dritten die Nutzung der Domain für
Wettbewerbszwecke zu gestatten, wenn dort Reisedienstleistungen
angeboten werden, ohne dass der Webseitenbetreiber die Pflichtangaben
nach § 5 TMG leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und
ständig verfügbar auf der Webseite angibt,
nämlich
a) den Namen und die Anschrift, unter der der Diensteanbieter
niedergelassen ist, bei juristischen Personen zusätzlich die
Rechtsform,
b) das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder
Genossenschaftsregister, in das der Diensteanbieter eingetragen ist,
und die entsprechende Registernummer,
c) die Umsatzsteueridentifikationsnummer, wie aus der Anlage Ast. 4 vom
Tenor der einstweiligen Verfügung ersichtlich.
Nach Zustellung der einstweiligen Verfügung sperrte der
Beklagte die Internetpräsenz hinsichtlich der
streitgegenständlichen Webseite. Jedenfalls seit dem
06.08.2012 ist als Inhaber der streitgegenständlichen Webseite
[...] der im Impressum genannte Herr [...] als Domaininhaber
eingetragen. Zuvor hatte Herr [...] hinsichtlich der
streitgegenständlichen Internetpräsenz den Provider
gewechselt. Auf den Widerspruch des Klägers hob das
Landgericht Hamburg mit Urteil vom 14.09.2012 die einstweilige
Verfügung vom 25.06.2012 auf, wies den Antrag auf ihren Erlass
zurück und erlegte der Klägerin die Kosten des
einstweiligen Verfügungsverfahrens auf.
Mit der Klage begehrt die Klägerin nunmehr in der Hauptsache
dem beim Landgericht Hamburg im einstweiligen
Verfügungsverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch
sowie die auf der Grundlage des Urteils des Landgerichts Hamburg durch
Beschluss festgesetzten Kosten vom Beklagten im Wege des
Schadensersatzes unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung wegen
Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte sei ausweislich des
WHOIS-Auszuges (Anl. K5, BI. 65 ff. der Akten) im April 2012 Inhaber
der Webseite [...] gewesen. Sie, die Klägerin, habe den
Beklagten mit Schreiben vom 16.04.2012 (Anl. K7, BI. 68 ff. der Akte)
auf den Verstoß gegen § 5 TMG hingewiesen und ihn
aufgefordert das Impressum bis zum 23.04.2012 an die gesetzlichen
Anforderungen anzupassen. Als hierauf keine Reaktion des Beklagten
erfolgt sei, habe sie dem Beklagten mit Schreiben vom 22.05.2012 (Anl.
K8, BI. 70 ff. der Akte) abgemahnt. Die Schreiben vom 22.05.2012 und
vom 16.04.2012 seien dem Beklagten ausweislich der Fax Sendeberichte
vom 18.04.2012 (Anlage K 21, BI. 148 der Akte) und 22.05.2012 (Anlage K
22, BI. 149 der Akte) auch per Fax zugegangen. Der Beklagte und Herr
[...] hätten im Rahmen des einstweiligen
Verfügungsverfahrens beim Landgericht Hamburg falsche
eidesstattliche Versicherungen abgegeben. Der Beklagte sei
Domaininhaber gewesen. Den vom Beklagten behaupteten Datenbankfehler
habe es nicht gegeben. Letzeres habe sie nach der Entscheidung des
Landgerichts Hamburg durch eine Nachfrage bei der Firma Vautron aus
Regensburg in Erfahrung gebracht. Ihr sei deshalb hinsichtlich der auf
das Urteil des Landgerichts Hamburg festgesetzten Kosten i.H.v. 3222,20
€ ein Schaden entstanden. Sie meint, der Beklagte sei deswegen
nach wie vor zu Unterlassung verpflichtet und habe ihr den Schaden aus
unerlaubter Handlung zu ersetzen. Der Unterlassungsanspruch beruhe auf
§§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 5 TMG. Die
fehlende Angabe der Anschrift, der Handels- oder Gewerberegisternummer
sowie der Umsatzsteueridentifikationsnummer im Impressum
verstoße gegen § 5 TMG. Der Antragsgegner hafte als
Störer für den Verstoß, da auch der
Domaininhaber (neben dem Webseiteninhaber) hafte, wenn er seiner
Prüfungs- und Verhinderungs-/Beseitigungspflicht nicht
nachkomme, obwohl er — wie hier durch das Schreiben vom
16.04.2012 — von einem Verstoß Kenntnis erhalten
habe.
Die Klägerin beantragt,
1. dem Beklagten aufzugeben, bei Vermeidung eines vom Gericht
für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft,
oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, im
geschäftlichen Verkehr im Internet unter der Domain [...]
Reisedienstleistungen anzubieten oder [...] anbieten zu lassen, ohne
sicherzustellen, dass die Pflichtangaben für Diensteanbieter,
namentlich
a. Den Namen und die Anschrift, unter der der Diensteanbieter
niedergelassen ist, bei juristischen Personen zusätzlich die
Rechtsform,
b. Das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder
Genossenschaftsregister, in das der Diensteanbieter eingetragen ist,
und die entsprechende Registernummer, und
c. Die Umsatzsteueridentifikationsnummer leicht erkennbar, unmittelbar
erreichbar und ständig verfügbar auf der Webseite
gehalten werden,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3222,20
€ nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, er sei nicht Inhaber der Webseite www.[...].com gewesen
und habe auch das Schreiben vom 16.04.2012 nicht erhalten. Es
läge, soweit er als Domaininhaber in dem Whois-Auszug
auftauche, ein Datenbankfehler vor. Er sei lediglich der
Serviceprovider des Herrn [...] gewesen. Außerdem seien die
Angaben im Impressum nicht unvollständig, da es am Wohnsitz
des Herrn [...] keine Straßennamen und Postleitzahlen gebe.
Ferner würden für Herrn [...] auch keine
Handelsregistereintragung oder andere Registerangaben existieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages und der
Rechtsansichten der Parteien wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin stehen gegen den Beklagten weder ein
Unterlassungs- noch ein Schadensersatzanspruch zu.
Ein entsprechender Unterlassungsanspruch analog § 1004 BGB
würde voraussetzen, dass ein Diensteanbieter, der seinen Sitz
in Ägypten hat und von dort aus, bestellbar über das
Internet, Kreuzfahrtausflüge in Ägypten anbietet,
verpflichtet ist, die Verbraucherinformationsvorschriften des
§ 5 TMG einzuhalten. Ausländische Diensteanbieter
sind allerdings aufgrund des in den §§ 2a, 3 TMG
manifestierten Herkunftslandsprinzips nicht verpflichtet, die
Anforderungen des § 5 TMG einzuhalten. Der in der
Überschrift von § 3 TMG gebrauchte Begriff des
Herkunftslandes meint die Maßgeblichkeit des Rechts des
Niederlassungsortes des Diensteanbieters
(MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 19).
Wirkt sich eine wirtschaftliche Aktivität auf das Gebiet
mehrerer Staaten aus, so besteht die Gefahr, dass sie dort jeweils
unterschiedlich beurteilt und damit der Wirtschaftsverkehr durch
Anforderungen verschiedenster Art behindert wird
(MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 19).
Das gemeinschaftsrechtliche Herkunftslandprinzip erlaubt dagegen eine
einheitliche Beurteilung (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl.,
§ 3 TMG Rz. 19). Danach soll jeder Mitgliedstaat
dafür sorgen, dass die von seinem Gebiet ausgehende
Aktivität den gemeinschaftsrechtlichen Regeln entspricht; er
übernimmt also die Aufsicht (MünchKomm.BGB/Martiny,
5. Aufl., § 3 TMG Rz. 19). Aus anderen Mitgliedstaaten
stammende Aktivitäten dürfen nicht aus
Gründen behindert werden, die in den durch Gemeinschaftsrecht,
insbesondere durch eine Richtlinie koordinierten Bereich fallen
(MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 19).
Daher ist für inländische Aktivitäten ein
einheitlicher Mindeststandard einzuhalten, in ausländische
Aktivitäten darf grundsätzlich nicht eingegriffen
werden (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz.
19). Das Herkunftslandsprinzip erstreckt sich hierbei auch auf das
Internationale Wettbewerbsrecht (MünchKomm.BGB/Martiny, 5.
Aufl., § 3 TMG Rz. 54). Es modifiziert daher das
Marktortprinzip mit der Folge, dass es für die
Rechtmäßigkeit einer Werbung genügt, wenn
diese den Vorschriften des ausländischen Niederlassungsortes
entspricht (MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG
Rz. 54). Das Herkunftslandprinzip bewirkt mithin, dass keine weiteren
Beschränkungen auf das Wettbewerbsrecht anderer
Mitgliedstaaten gestützt werden können
(MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 54).
Das in § 3 TMG manifestierte Herkunftslandprinzip gilt zwar
nicht für Anbieter aus Drittstaaten
(MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 71).
Dies führt aber nicht automatisch zur Anwendbarkeit des TMG.
Das anwendbare Recht richtet sich in diesem Fall vielmehr nach den
Regeln des internationalen Privatrechts
(MünchKomm.BGB/Martiny, 5. Aufl., § 3 TMG Rz. 71).
Insoweit ist entscheidend, dass das Vertragsstatut im Falle des
Vertragsschlusses eines deutschen Verbrauchers mit einem
Diensteanbieter, der seinen Sitz in Ägypten hat und
Ausflüge für Touristen von Kreuzfahrten in
Ägypten über das Internet anbietet, gern. Art. 29
Abs. 4 EGBGB i. V. m. § 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB bzw. Art. 6 Abs.
4 lit. a) i. V. m. Art. 4 Abs. 1 lit. a) Rom-I-VO ägyptischem
Recht unterfällt. Denn nach Art. 29 Abs. 4 EGBGB bzw. Art. 6
Abs. 4 lit. a) Rom-I-VO sind die Art. 29 Abs. 1 bis 3 bzw. Art. 6 Abs.
1 und Abs. 2 Rom-I-VO auf Verträge über die
Erbringung von Dienstleistungen nicht anwendbar, wenn die dem
Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in
einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der
Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die
Dienstleistung der Organisation und Durchführung des Ausfluges
wird ausschließlich im Reiseland erbracht und stellt auch
keine Reise i. S. d. § 29 Abs. 4 S. 2 EGBGB dar.
Unterfällt mithin der gewünschte Vertragsabschluss
des deutschen Verbrauchers ägyptischem Recht, gilt
bezüglich der insoweit geforderten
Verbraucherinformationsvorschriften nichts anderes. Ein
Rückgriff auf Art. 6 Rom-II VO mag zur Anwendung des
UWG führen, bedingt aufgrund der vorgenannten
Erwägungen zum Herkunftslandprinzip aber nicht die Anwendung
des TMG. Schließlich ist zu beachten, dass die in §
5 Nr. 1 TMG geforderten Informationen auf deutsche Dienstanbieter
zugeschnitten sind und es — wie vom Beklagten eingewandt
— in Ägypten entsprechende Informationen unter
Umständen gar nicht gibt.
Eine Haftung des Beklagten als Mitstörer scheidet aber auch
deshalb aus, weil die Klägerin nicht mit einem hinreichenden
Grad der Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie
völlig auszuschließen, dargelegt hat, dass der
Beklagte Inhaber der streitgegenständlichen Domain war. Die
Eintragung des Beklagten in der WHOIS-Datenbank hat lediglich
deklaratorische Bedeutung (BGH GRUR 2012, 417, 418). Der vorgelegte
WHOIS-Datenbankauszug ist insoweit auch kein geeignetes Beweismittel.
Die im Hinblick auf den Inhalt der Eintragungen benannten Zeugen
können zwar eventuell über den jeweiligen Stand der
deklaratorischen Eintragungen Auskunft geben. Das allein
genügt allerdings nicht, um zu beweisen, dass es nicht doch so
war, dass entgegen der deklaratorischen Registerlage nicht der
Beklagte, sondern Herr [...] Domaininhaber war. Für Letzteres
spricht insbesondere der Umstand, dass im Impressum der
streitgegenständlichen Webseite Herr [...] aufgeführt
war und der Beklagte unstreitig eine Computerfirma betreibt.
Auf der Grundlage der vorgenannten Erwägungen ergibt sich
schließlich, dass der Erlass der einstweiligen
Verfügung beim Landgericht Hamburg zu Recht abgelehnt worden
ist mit der Folge, dass insoweit auch kein Anspruch aus § 823
II BGB i. V. m. § 156 StGB besteht.
Schriftsatznachlass brauchte der Klägerin nicht mehr
gewährt werden, weil der Vortrag des Beklagten aus dem
Schriftsatz vom 17.6.2013 bei der Entscheidung
unberücksichtigt geblieben ist. Der Vortrag der
Klägerin aus dem Schriftsatz vom 1.7.2013 ist nach Schluss der
mündlichen Verhandlung erfolgt, § 296a ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO
Der Streitwert wird auf 13.222,20 EUR festgesetzt.
als Einzelrichter
Dr. Al-Deb'i