Landgericht Offenburg
Geschäfts-Nr.:
3 Qs 83/07
|
Offenburg,
18.04.2008 |
LANDGERICHT
OFFENBURG
Beschluss
In dem
Ermittlungsverfahren --- der
Staatsanwaltschaft
Offenburg
gegen Unbekannt
wegen Verstosses gegen das UrhG
Die
Beschwerde der
Staatsanwaltschaft
Offenburg gegen die Ablehnung der mit Verfügung vom
25.06.2007 beantragten Ermittlungsmaßnahme durch das
Amtsgericht Offenburg vom 20.07.2007 wird verworfen.
Gründe:
I.
Mit
Verfügung vom 25.06.2007 beantragte die Staatsanwaltschaft
gem. §§ 100 g, Abs. 1 und 2, 100 h, 162 StPO in der
damals geltenden Fassung die Auskunftserteilung über den
Anschlussinhaber, dem am 28.12.2006 um 17:20 Uhr und 15 Sekunden MEZ
die (dynamische) IP 84.162.166.76 zugewiesen war, durch die ... und das
... Das Amtsgericht Offenburg lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom
20.07.2007 ab. Es nahm darin an, dass es sich bei den begehrten Daten
zwar um Verkehrsdaten und nicht um Bestandsdaten gem. § 113
TKG handele, sodass die begehrte Auskunft rechtlich den
§§ 100 g und h StPO a. F. unterfalle. Es lehnte aber
die begehrte Auskunftserteilung wegen angenommener
Unverhältnismäßigkeit ab. Wegen der
näheren Begründung wird auf den angefochtenen
Beschluss Bezug genommen.
Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Offenburg mit Verfügung
vom 01.08.2007 Beschwerde ein, mit welcher sie Argumente für
die Verhältnismäßigkeit der begehrten
Maßnahme darlegte.
Mit Verfügung vom 02.08.2007 half das Amtsgericht Offenburg
der Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht ab und legte sie zur
Entscheidung der Beschwerdekammer vor.
Die Staatsanwaltschaft begründete die Beschwerde
ergänzend unter dem 08.08.2007. Hierin wird
ausgeführt, dass es sich bei den gesuchten Daten um
Bestandsdaten gem. § 113 TKG handele. Auch wenn von einer
Anwendbarkeit der §§ 100 g und h StPO ausgegangen
werde, sei die begehrte Maßnahme nicht
unverhältnismäßig. Auch die
Anzeigeerstatter haben über ihre Rechtsanwälte unter
dem 16.08.2007 diese Standpunkte vertreten.
II.
Es kann dahinstehen, wie die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung
des Amtsgerichts Offenburg zu beurteilten war. Die Beschwerdekammer ist
gem. § 309 Abs. 2 StPO gehalten, die Entscheidung nach der
jetzt geltenden Rechtslage zu treffen. Hiernach hat der Gesetzgeber mit
dem am 01.01.2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter
Ermittlungsmaßnahmen vom 21.12.2007 inzwischen klar gestellt,
dass er die hier umstrittenen Daten als Bestanddaten gem. §
113 TKG einordnet. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist von der
Judikative hinzunehmen.
1. Nach der bis zum 01.01.2008 geltenden Rechtslage war umstritten, ob
die Auskunft über den Inhaber einer dynamischen IP - Adresse
auf ein Auskunftsersuchen nach den §§ 161, 163 StPO
i.V.m. § 113 TKG gestützt werden kann oder nur nach
Maßgabe der §§ 100 g, 100 h StPO zu
erlangen ist. Entscheidend hierfür war die Frage, ob die vom
Provider begehrten Informationen als Bestands- oder Verkehrsdaten
angesehen wurden. Gem. § 3 Nr. 3 TKG, konkretisiert durch
§ 111 Abs. 1 TKG, sind Bestandsdaten solche Daten eines
Teilnehmers, die für die Begründung, inhaltliche
Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines
Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsdienste
erhoben werden. Verkehrsdaten, über die Auskunft nur nach den
Vorschriften der StPO zu erlangen ist, sind dagegen nach der
Legaldefinition des § 3 Nr. 30 TKG solche Daten, die bei der
Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder
genutzt werden.
Eine dynamische IP-Adresse kann einer Person nur im Zusammenhang mit
den Daten der konkreten Internetkommunikation, insoweit also der
Verkehrsdaten dieser Kommunikation, zugeordnet werden. Daher war
streitig, ob der konkrete Kommunikationsvorgang von der Zuordnung zu
den Namen usw. eines Teilnehmers (vgl. § 3 Nr. 3 TKG i.V.m.
§ 111 Abs. 1 TKG) getrennt werden kann oder ob der
einheitliche Vorgang als grundrechtsrelevant im Sinne von Artikel 10 GG
angesehen werden muss, deswegen unter §§ 3 Nr. 20,
88, 96 TKG zu subsumieren und nur gem. § 100 g, h StPO zu
ermitteln ist.
Die Bundesregierung war dabei immer schon der Auffassung, dass es sich
bei den hinter dynamischen IP - Adressen stehenden Daten um
Bestandsdaten handelt (vgl. nur die Begründung zum
Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 01.10.2001, Bundestags-
Drucksache 14/7008, Seite 7, zu § 100 g Abs. 3 StPO). Die
Rechtsaufassung der Bundesregierung ist allerdings kein
Auslegungskriterium für Gesetze, solange sie nicht durch eine
Abstimmung im Parlament zum Willen des Gesetzgebers wird. Die
gesetzlich bis zum 01.01.2008 nicht geregelte Frage wurde daher von der
Rechtssprechung unterschiedlich beantwortet.
2. Mit dem Gesetz zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter
Ermittlungsmaßnahmen vom 21.12.2007, in Kraft getreten am
01.01.2008, hat der Gesetzgeber diese Frage nunmehr geregelt. Er hat
sie zu Gunsten der Auffassung entschieden, dass es sich bei den
umstrittenen Daten um Bestandsdaten gem. § 3 Nr. 3 TKG handelt.
a) Ausdrücklich ist dies allerdings auch der jetzt geltenden
Fassung des TKG oder der StPO nicht zu entnehmen. Vielmehr wurde
diesbezüglich lediglich in den zweiten Halbsatz von §
113 b Satz 1 TKG die Worte eingefügt "mit Ausnahme einer
Auskunftserteilung nach § 113". Der Wortlaut lässt
somit nach wie vor die Rechtslage offen, welche Daten zu den
Bestandsdaten nach §§ 95, 111, 3 Nr. 3 TKG
gehören.
b) Dennoch ergibt vorliegend die Gesetzesauslegung mit den anerkannten
Auslegungsmethoden, dass die oben genannte Rechtsfrage hierdurch
entschieden werden sollte. Aus der Gesetzesbegründung und der
Entwicklung des Gesetzesentwurfes wird nämlich deutlich, dass
diese Worte ausschließlich deswegen eingefügt
wurden, um die oben genannte Streitfrage zu regeln. So heißt
es in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 07.11.2007,
Bundestags-Drucksache 16/6979; S. 70:
"Ausgehend vom Vorschlag Nr. 20 b des Bundesrates (….) wird
mit der Ergänzung in § 113 b Satz 1 Halbsatz 2 TKG -
E geregelt, dass die nach § 113 a gespeicherten Daten, wie
etwa eine (dynamische) IP - Adresse (Unterstreichung durch die Kammer)
auch für eine Auskunftserteilung über Bestandsdaten
nach § 113 TKG verwendet werden dürfen. Damit wird in
der Sache zugleich auch dem Anliegen in Vorschlag Nr. 18 des
Bundesrates Rechnung getragen und eine ausdrückliche
gesetzliche Regelung geschaffen, die klarstellt, dass
Auskünfte insbesondere über den Namen und die
Anschrift eines mittels dynamischer IP - Adresse und Uhrzeit
individualisierten Anschlussinhabers im manuellen Auskunftsverfahren
nach § 113 TKG zu erteilen ist - und zwar gerade auch dann,
wenn diese Auskunft vom Diensteanbieter nur unter Rückgriff
auf (…) gespeicherte Verkehrsdaten möglich ist."
Da das Gesetz mit dieser Ergänzung sodann vom Bundestag
beschlossen wurde, ist dieser Sinn der in § 113 b Satz 1
Halbsatz 2 TKG eingefügten Worte Wille des Gesetzgebers
geworden und somit für die Rechtsauslegung zu
berücksichtigen, auch wenn der Wortlaut selbst den
beabsichtigten Regelungsgehalt nicht eindeutig wiedergibt.
3. Somit ist jedenfalls seit dem 01.01.2008 die von der
Staatsanwaltschaft begehrte Auskunft über ein unmittelbares
Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaften bei den Providern nach den
§§ 161, 163 StPO i.V.m. § 113 TKG zu
stützen. Ein Fall der richterlichen Anordnung nach §
100 g, 100 h StPO a. F. bzw. § 100 g StPO n. F., in Kraft seit
01.01.2008, liegt somit nicht vor.
III.
Das Amtsgericht Offenburg hat somit im Ergebnis zutreffend den Antrag
der Staatsanwaltschaft auf Erhebung der Verbindungsdaten
zurückgewiesen. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft war
daher mit der Kostenfolge des § 473 StPO zu verwerfen.