Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landgericht
Lübeck
BESCHLUSS
In
dem Rechtsstreit
[…]
Kläger
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt […]
gegen
[…]
Beklagte
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt [...],
gegen
...
hat die 5. Zivilkammer durch ... am 6. März 2006 beschlossen:
1.) Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die
Beklagte zu 1.) jeweils zur Hälfte. Die Beklagte zu 1.) hat
die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des
Klägers zu tragen.
2.) Der Streitwert wird auf EUR 4.000,- festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien haben um die Unterlassung der Zusendung von Werbe E-Mails
gestritten.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und nutzt seine E-Mail Adresse ...
beruflich. Die Beklagte zu 1.) ist Inhaberin der Domain www...de. Ein
geschäftlicher Kontakt zwischen dem Kläger und der
Beklagten zu 1.) bestand nicht. Gegen den verstorbenen Beklagten zu 2.)
hat der Kläger die Klage zurückgenommen.
Am 27. Juni 2005 erhielt der Kläger ohne Aufforderung von der
Beklagten zu 1.) eine E-Mail, in der für flexible Raumsysteme,
unter anderem für Büroflächen geworben
wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den zu den Akten
gereichten Ausdruck der E-Mail (Anlage K1, Bl. 4-7 d. A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2005 forderte der Kläger die
Beklagte zu 1.) zur Abgabe einer von ihm vorformulierten strafbewehrten
Unterlassungserklärung bis zum 25. Juli 2005 auf, in der sich
die Beklagte auch zu der Übernahme von Anwaltskosten in
Höhe von 756, 09 Euro verpflichten sollte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zu den Akten gereichten
Unterlassungserklärungsentwurf des Klägers (Bl. 10 d.
A.) und das Schreiben vom 19. Juli 2005 (Anlage K3, Bl.11-12 d. A.)
ergänzend Bezug genommen.
Am 25. Juli 2005 sendete die Beklagte zu 1.) an den
Kläger ein Fax mit folgendem Inhalt:
„....
Die Mail ist aufgrund eines fehlerhaften Verzeichnisses ungewollt
versandt worden. Natürlich sollten Sie nicht zu Werbezwecken
angesprochen werden, wie sich aus der Produktpalette klar erkennen
lässt. Der Fehler wurde zwischenzeitlich behoben und Sie
werden keine weiteren E-Mails von meiner Mandantin mehr
erhalten...„
Der Kläger forderte die Beklagte zu 1.) am 26. Juli 2005
erneut zur Abgabe der Unterlassungserklärung auf, was die
Beklagte zu 1.) durch Fax vom 12. August 2005 mit folgendem Inhalt
ablehnte:
„...
Ich hatte Ihnen per Fax am 25. Juli 2005 mitgeteilt, dass sie von
meiner Mandantin keine weiteren E-Mails mit Werbematerial mehr erhalten
werden. Das ist die Unterlassungserklärung. Wir sehen nicht
ein, warum hier noch zusätzliche Gebühren angefallen
sein sollten...„
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die per Fax gesandten
Schreiben der Beklagten vom 25. Juli und 12. August 2005 (Bl. 31 und 32
d. A.) verwiesen.
Der Kläger hat Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagten zu
verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall
der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000.00
Euro ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
zu unterlassen, mit dem Kläger per E-Mail unter dessen E-Mail
Adresse ... Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen
Einverständnis vorliegt oder zu vermuten ist.
Die Beklagte zu 1.) hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der
einmalige Empfang der E-Mail habe für den Kläger
keine nennenswerte Störung des Betriebsablaufes dargestellt.
Zudem sei eine Widerholungsgefahr durch das Versprechen ausgeschlossen,
das Zusenden weiterer Werbe E-Mails zu unterlassen. Nachdem die
Beklagte eine neu formulierte strafbewehrte
Unterlassungserklärung abgegeben hat, haben der
Kläger und die Beklagte zu 1.) die Hauptsache mit
wechselseitigen Kostenanträgen für erledigt
erklärt.
II.
Der Kläger hatte gemäß § 269 Abs.
3 Satz 2 ZPO die Kosten zu tragen, soweit er die Klage gegen den
Beklagten zu 2.) zurückgenommen hat.
Nachdem der Kläger und die Beklagte zu 1.) den Rechtsstreit in
der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war
insoweit über die Kosten des Rechtsstreits
gemäß § 91 a ZPO unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitsstandes nach
billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führte zur Auferlegung
der Kosten auf die Beklagte zu 1.), da sie ohne den Eintritt des
erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach
unterlegen wäre.
Die Klage war zulässig. Das Landgericht Lübeck ist
sachlich und örtlich zuständig.
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt aus
§ 13 Abs. 1 UWG. Auf den Streitwert kommt nicht an. Danach ist
das Landgericht ausschließlich zuständig, wenn
Ansprüche auf Grund des UWG geltend gemacht werden. Der
Kläger stützt seinen Unterlassungsanspruch aus
§ 1004 BGB sowohl auf § 823 Abs. 1 BGB als auch auf
einen Verstoß gegen § 1 UWG.
Das Landgericht Lübeck ist gemäß §
32 ZPO auch örtlich zuständig. Danach ist
für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht
zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Dies
ist bei der Versendung unerlaubter Werbeemails zumindest jeder Ort, an
dem die Verletzungshandlung sich bestimmungsgemäß
auswirken sollte (vgl. OLG Hamburg, CR 2003, 286, OLG Bremen, CR 2000,
770). Hier hat die Beklagte zu 1.) die Werbeemail dem Kläger
zugesandt. Dieser hat sie an seinem Arbeitsplatz abgerufen. Dies stellt
einen bestimmungsgemäßen Abruf der Mail innerhalb
des Landgerichtsbezirks Lübeck dar. Dass die Werbung aus dem
Landgerichtsbezirk Kiel heraus abgesendet wurde, begründet
nicht die Unzuständigkeit des Gerichts.
Die Klage war begründet.
Dem Kläger stand gegen die Beklagte ein Unterlassungsspruch
gemäß § 1004 BGB in Verbindung mit
§ 823 Abs. 1 BGB zu. Nach diesen Vorschriften kommt ein
Unterlassungsanspruch in Betracht, wenn die unmittelbar drohende Gefahr
eines widerrechtlichen Eingriffs in ein durch §§ 823
ff BGB geschütztes Rechtsgut vorliegt. Diese Voraussetzungen
sind erfüllt.
Das Zusenden einer unerwünschten werbenden E-Mail stellte
einen objektiv widerrechtlichen Eingriff in den eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb als ein sonstiges Recht
gemäß § 823 Abs. 1 BGB dar. Auf diesen
Schutz kann sich der Kläger als Rechtsanwalt berufen. Auch
Angehörige freier Berufe fallen unter den Schutz dieses Rechts
(Palandt, BGB, 65. Auflage, § 823, Rn. 127).
Bei der streitgegenständlichen E-Mail handelte es sich um
Werbung. Die Beklagte wollte hiermit für flexible Raumsysteme,
unter anderem für Büroräume werben.
Des Weiteren liegt ein zielgerichteter, betriebsbezogener Eingriff in
den Gewerbebetrieb des Klägers vor. Das Zusenden einer
unerwünschten, werbenden E-Mail ist ein unzulässiger
Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
und vom Schutz des § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht
umfasst.
Die online abgerufene E-Mail erzeugt zusätzliche
Gebühren, da sich die Übertragungszeit des Abrufs der
Nachrichten insgesamt verlängert. Darüber hinaus muss
der Empfänger Arbeitszeit aufwenden, um die
unerwünschte E-Mail auszusondern. Insbesondere ist das
Einsetzen vom Spamfiltern nicht ohne Weiteres möglich, ebenso
wie das Löschen einer E-Mail ohne vorherige Prüfung.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass bereits die
Einordnung des Adressaten einigen Zeitaufwand für den
Empfänger bedeutet. Das versehentliche Löschen einer
wichtigen Nachricht könnte für den Rechtsanwalt einen
Haftungsfall nach sich ziehen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die
einzelne E-Mail keine erheblichen nachteiligen Folgen für den
Kläger erzeugt. Es kann nicht darauf abgestellt werden, dass
die einzelne E-Mail durch einen Klick zu entfernen ist. Die einzelne
E-Mail darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist als Teil des
nach allgemeiner Auffassung zu bekämpfenden Spammings
aufzufassen (vgl. OLG Düsseldorf, 15. Zivilsenat, Urteil vom
22. September 2004, Az. I-15 U 41/04, 15 U 41/04, zitiert nach Juris,
Rn. 26). Auf Grund der Ausuferungsgefahr, die die
kostengünstige E-Mail Werbung mit sich bringt, muss der
einzelne Mitverursacher auch für die Gesamtwirkung einstehen,
die durch das Zusenden unerlaubter werbender E-Mails entsteht (vgl. LG
Berlin, NJW-RR 2004, 1631,1632).
Der Eingriff war auch rechtswidrig. Unstreitig lag vorliegend weder
eine Zustimmung noch ein geschäftlicher Kontakt zwischen dem
Kläger und der Beklagten vor. Gerechtfertigt ist das Versenden
einer werbenden E-Mail allein dann, wenn der Empfänger der
Werbung vorher zugestimmt hat oder das Einverständnis auf
Grund bestehender geschäftlicher Kontakte vermutet werden darf.
Auch war die gemäß § 1004 Absatz 1 Satz 2
BGB erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben. Der Beklagten ist es
nicht gelungen, die Vermutung der Wiederholungsgefahr zu widerlegen.
Hat der Eingriff bereits stattgefunden, besteht die widerlegbare
Vermutung einer Wiederholungsgefahr. Die Schreiben der Beklagten zu 1.)
vom 25. Juli und 12. August 2005 haben nicht genügt, um eine
Wiederholungsgefahr auszuräumen. An die Widerlegung der Gefahr
durch den Störer sind hohe Anforderungen zu stellen. Das
bloße Versprechen, die störende Handlung nicht zu
wiederholen, kann die Wiederholungsgefahr nur ausräumen, wenn
es in Verbindung mit einer Vertragsstrafe erklärt wird (vgl.
OLG Düsseldorf (a.a.O.), Rn. 29). Die Beklagte hat in den
Schreiben vom 25. Juli und 12. August 2005 lediglich das Versprechen
abgegeben, von der Zusendung weiterer E-Mails abzusehen. Eine
Vertragsstrafe bei Zuwiderhandlung war nicht vorgesehen.
Auch wenn sich die Beklagte mit dem Versprechen gegen die Anerkennung
der im Erklärungsentwurf des Klägers geltend
gemachten Anwaltskosten wenden wollte, hätte sie dieses
Versprechen durch eine Vertragsstrafe unter Verwahrung gegen die
Kostenlast aus der Honorarabrechnung absichern können. Eine
solche Sicherung des Versprechen hat sie jedoch nicht vorgenommen, so
dass ein erneuter Verstoß für sie sanktionslos
geblieben wäre.
Auf ein Verschulden der Beklagten kommt es im Rahmen des §
1004 BGB nicht an (vgl. Palandt, 65. Auflage, § 1004, Rn.13).
Die Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, das Versenden an den
Kläger sei eine Fehlleitung auf Grund eines Fehlers im
Adressenprogramm gewesen.
Das Gericht geht gemäß § 3 ZPO von einem
Streitwert von EUR 4.000,- aus, wobei folgende Erwägungen
maßgebend sind:
Das einmalige Zusenden einer Werbe-E-Mail stellt eine
verhältnismäßig geringe
Belästigung dar, selbst wenn der Empfänger als
Rechtsanwalt seine E-Mail Adresse beruflich nutzt. Auf den Aufwand der
Beseitigung ist insoweit nicht abzustellen. Vorliegend hat der Beklagte
eine einzelne werbende E-Mail an den Kläger, der seine E-Mail
Adresse als Rechtsanwalt beruflich nutzt, geschickt.
Der Streitwert ist entsprechend des Grades der Belästigung des
Adressaten durch die unerlaubten Werbe E-Mails festzusetzen. Hierbei
kommt es nicht auf einen volkswirtschaftlichen Gesamtschaden, sondern
auf das Interesse des Klägers im Einzelfall an. Ist diese
Belästigung verhältnismäßig
geringfügig zu bewerten, beträgt der Streitwert EUR
3.000,- (vgl. BGH, 6. Zivilsenat, Beschluss vom 30.11.2004, VI ZR
65/04, zitiert nach Juris). Nur bei Hinzukommen weiterer
Umstände kann der Streitwert diesen Betrag
übersteigen. Auch unter Berücksichtigung weiterer
Besonderheiten des Einzelfalles sollte die Grenze aber
gegenwärtig bei EUR 12 500,- gesetzt werden (vgl. Schmittmann,
JurBüro 2003, 398, 400).
Das Interesse des Unterlassungsgläubigers ist
zunächst an Artikel 13 der Datenschutzrichtlinie 2002/58/EG
Abs. 1 und 5 zu messen, der das Zusenden von Werbung mit elektronischer
Post als unzumutbare Belästigung festlegt, soweit eine
Einwilligung des Adressaten nicht vorliegt oder vermutet werden kann.
Daraus ergibt sich, dass der Empfänger grundsätzlich
ein Interesse von einigem Gewicht daran hat, keine
unerwünschten E-Mails zu erhalten. Eine Streitwertfestsetzung
auf EUR 3.000,- ist daher auch für
verhältnismäßig geringfügige
Beeinträchtigungen angesichts des durch die Richtlinie
bezweckten Schutzes angemessen. Der Empfänger soll vor einer
Ausuferung der kostengünstigen Werbung durch E-Mails
geschützt werden. Eine weitergehende Konkretisierung des
Empfängerinteresses ist anhand zusätzlicher
Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Hierbei ist
insbesondere auf die Anzahl der zugesendeten E-Mails abzustellen. Das
einmalige Zusenden einer Werbe E-Mail kann für den Adressaten
nicht eine ebenso hohe Belästigung darstellen wie das
mehrmalige oder ständige Zusenden von Werbe E-Mails. Auch muss
ins Gewicht fallen, ob der Adressat seine E-Mail Adresse beruflich
nutzt (KG Berlin 5. Zivilsenat, Beschluss vom 23.September 2002-5W
106/02, 5 W 124/02, zitiert nach Juris). Anders als bei der Bewertung
des betriebsbezogenen Eingriffs kann für die Festsetzung des
Streitwertes nicht grundsätzlich der Beseitigungsaufwand
berücksichtigt werden, da auf den Einzelfall abzustellen ist.
Insoweit ergibt sich meist erst aus der Gesamtheit aller zugesendeten
E-Mails ein erheblicher Aufwand, während im Einzelfall der
Kosten- und Arbeitsaufwand für die konkreten E-Mails des
Unterlassungsschuldners als gering zu erachten ist.
Diesbezüglich kann sich nur dann etwas anderes ergeben, wenn
durch den Unterlassungsschuldner eine Vielzahl von E-Mails an den
Empfänger gesendet worden sind.
Anhand dieser Kriterien ergibt sich folgende Ansetzung des Streitwertes:
Bei einmaligem Zusenden einer E-Mail sollte der Streitwert auf EUR
3.000,- festgesetzt werden. Selbst wenn der Empfänger seine
Adresse beruflich nutzt, sollte der Streitwert EUR 4000,- nicht
übersteigen. Auf den Arbeitsaufwand kann hierbei nicht
abgestellt werden, da die Kosten für die Beseitigung der
einzelnen E-Mail geringfügig sind.
Bei mehrmaligem unerlaubten Zusenden übersteigt der Streitwert
EUR 5.000,-. Auch hier ist angesichts geringer Kosten nicht auf den
Arbeitsaufwand der Beseitigung abzustellen. Das Hinzukommen der
beruflichen Nutzung der E-Mail Adresse kann den Streitwert wiederum
erhöhen, nicht jedoch um mehr als EUR 2.000,-.
Bei dem Zusenden einer Vielzahl von E-Mails, ab einer Anzahl von 5
E-Mails, ist der Streitwert zwischen EUR 8.000,- und 12.500,-
anzusetzen. Dieser Maßstab gilt auch, wenn der
Empfänger trotz Eintrags in eine anerkannte Liste zum Schutz
vor unlauterer Emailwerbung (vgl. etwa http://www.erobinson.de/) von
einer - auch einmaligen - Emailwerbung betroffen wird. EUR 8.000,-
sollte der Streitwert nur dann übersteigen, wenn die
berufliche Nutzung der E-Mail Adresse hinzukommt oder ein erheblicher
Kosten- und Arbeitsaufwand durch die Beseitigung der E-Mails entstanden
ist. Auch bei Vorliegen beider Umstände erscheint hierbei
gegenwärtig eine Begrenzung auf EUR 12.500,- angemessen.