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LANDGERICHT
KREFELD, Urteil , 1 S 32/07 Zuständigkeit
Rechtsverletzung Internet
Aktenzeichen: 1 S 32/07 |
14. September 2007 |
LANDGERICHT
KREFELD
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
dem Rechtsstreit
.........
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt ..........................
gegen
.........
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt ..........................
hat
die ... Kammer des Langerichts Krefeld durch den Vorsitzenden ...
für
R e c h t erkannt:
Die
Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts
Krefeld vom 14.02.2007, 4 C 305/06, wird zurückgewiesen.
Der
Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert
für die Berufungsinstanz: bis EUR 1.500,00
Gründe:
I.
Der
Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung ihm
entstandener Abmahnkosten im Hinblick auf zwei Meldungen, die
über die von der Beklagten betriebenen Internetadresse X im
Internet abrufbar waren. So hieß es dort am 06.07.2006 unter
der Überschrift "Ausverkauf bei X":
"X
verkauft sein "komplettes SEO Business" und nervt auch noch mal
wieder, wie man es von ihm kennt mit Emails...
Langweilig.
Die Scripte sind sicher alle Müll, die Domains zu
90% nicht mehr im Google Index – wer will das haben? Wenn der
Mist wirklich noch den genannten Umsatz einbringen würde,
warum verkauft er dann? Will er sich zur Ruhe setzen? Hoffentlich."
Und
am 14.07.2006 folgte unter der Überschrift "X Ausverkauf
gescheitert" die Meldung:
"X"SEO-Business"
wäre gerade für 65.051 Euro
über den virtuellen Ladentisch gegangen. Wenn das gebot den
Mindestpreis erreicht hätte. Wohl besser so für den
Käufer. Jeder 5-stellige Betrag wäre wohl zu hoch
gewesen für diese kranke Katze im Sack."
Der
Kläger behauptet, die entsprechenden Meldungen seien
unwahr gewesen, hätten massiv in sein Recht am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen und seien geeignet
gewesen, den Wert aller seiner Unternehmungen erheblich zu
beeinträchtigen. Unter dem 06.09.2005 mahnte der
Kläger die Beklagte durch Schreiben seines
Prozessbevollmächtigten ab und forderte sie zur Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung der
insoweit entstandenen Abmahnkosten auf. Als Gegenstandswert
für die Abmahnung geht der Kläger insoweit von EUR
100.000,00 aus, was seinem wirtschaftlichen Interesse an der begehrten
Unterlassungserklärung entspreche. Die Beklagte
übermittelte unter dem 20.09.2006 dem Kläger ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht die begehrte
Unterlassungserklärung, zahlte die Kosten für die
Abmahnung aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 in Höhe von
EUR 651,80 und zahlte ihm zudem unter dem 26.09.2006 weitere EUR
208,00. Der Kläger begehrt die Zahlung weiterer Abmahnkosten
entsprechend eines Gegenstandswertes in Höhe von EUR
100.000,00.
Hinsichtlich
der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird
gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Krefeld vom 14.02.2007, Az.:
4 C 305/06, unter Berücksichtigung des den Tatbestand
berichtigenden Beschlusses des Amtsgerichts Krefeld vom 29.03.2007
Bezug genommen.
Das
Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt, sie sei weder zulässig noch
begründet. So sei das angerufene Amtsgericht Krefeld bereits
örtlich unzuständig. Eine Zuständigkeit
ergebe sich insbesondere nicht aus § 32 ZPO. Der ebenfalls als
Ort der Begehung der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO in
Betracht kommende Erfolgsort sei jeder Ort, an dem der
Geschädigte tatsächlich, sei es unmittelbar oder
mittelbar, von der Verletzungshandlung betroffen werde. Dies sei nach
Auffassung des Amtsgerichts jedoch bei Veröffentlichungen im
Internet deshalb aber nicht etwa jeder Ort in Deutschland bzw.
weltweit, an dem die entsprechende Meldung abgerufen werden
könne, da die Annahme eines solchen für den
Geschädigten weltweit wählbaren Gerichtsstandes gegen
das Willkürverbot und das Gebot des gesetzlichen Richters aus
Art. 101 GG verstoße. Daher müsse der
Geschädigte selbst am Ort des von ihm gewählten
Gerichtsstandes von der Veröffentlichung entweder unmittelbar
oder zumindest dergestalt mittelbar getroffen werden, dass ein Dritter
die Veröffentlichung zur Kenntnis genommen und hierdurch
veranlasst in einer sich auf den Geschädigten auswirkenden
Weise reagiert hat. Entsprechendes habe der Kläger nicht
vorgetragen. Die bloße Möglichkeit, dass jemand am
Ort des angerufenen Gerichts von der Veröffentlichung Kenntnis
nehmen und sich in einer für den Geschädigten
relevanten Weise verhalten könnte, stelle keinen
tatsächlichen Erfolg im Sinne des § 32 ZPO dar.
Die
Klage sei darüber hinaus auch unbegründet, da
zwar weder gegen die Aktivlegitimation des Klägers noch gegen
die Passivlegitimation der Beklagten Bedenken bestünden, es
aber an Vortrag des Klägers dazu fehle, dass ihm ein Schaden
in der geltend gemachten Höhe entstanden sei, weil sein
wirtschaftliches Interesse an der begehrten
Unterlassungserklärung mit EUR 100.000,00 zu bemessen sei.
Trotz entsprechender Rüge durch die Beklagte habe der
Kläger hierzu keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, die
es dem Amtsgericht ermöglicht hätten, den Ansatz der
Höhe nach nachzuvollziehen. Es sei möglich, dass der
gesamte wirtschaftliche Wert des Unternehmens des Klägers EUR
100.000,00 nicht übersteige. Da das Interesse
gegenüber der Beeinträchtigung häufig mit
nicht mehr als 10 Prozent des gesamten Unternehmenswert anzusetzen sei,
sei der Ansatz der Beklagten von 10.000,00 daher nicht fernliegend.
Hiergegen
wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der
er seinen erstinstanzlichen Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur
Zahlung der entstandenen Abmahnkosten weiterverfolgt. Allerdings
begehrt er mit der Berufung nunmehr die Verurteilung zur Zahlung von
EUR 1.413,23 statt wie bisher EUR 1.205,23. Entgegen der Annahme des
Amtsgerichts liege im "fliegenden Gerichtsstand" der Presse kein
Verstoß gegen Art. 101 GG. Es sei nicht einsichtig, zwischen
Online- und Offlinemedien zu unterscheiden. Entscheidend sei vielmehr,
dass die bestimmungsmäßige Verbreitung auch im
Bezirk des angerufenen Amtsgerichts erfolgt sei und nicht
bloß eine zufällig Kenntnisnahme vorgelegen habe.
Die Ausführungen des Amtsgerichts zum anzusetzenden
Gegenstandswert für die außergerichtlich geltend
gemachten Unterlassungsansprüche erschöpften sich in
Mutmaßungen ins Blaue. Entscheidend sei insoweit nicht auf
einen dem Kläger entstandenen Schaden, sondern auf den
wirtschaftlichen Wert des verfolgten Interesses abzustellen, wobei
seine Angaben in der Regel ein gewichtiges Indiz darstellten. Es sei
hierbei auch zu berücksichtigen gewesen, dass er und die
Beklagte im selben Marktsegment tätig seien. Mit der
wahrheitswidrigen Behauptung, er "ausverkaufe" sein gesamtes
"Business", das weitgehend "Müll" sei, habe die Beklagte
deshalb durchaus wettbewebsrechtlich relevante Ziele verfolgt.
Er
beantragt,
das
Urteil des AG Krefeld vom 14.02.2007 – 4 C 305/06
– aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR
1.413,23 nebst Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
Die
Beklagte beantragt,
die
Berufung zurückzuweisen
Sie
tritt dem Vortrag des Klägers entgegen und nimmt
ergänzend und vertiefend auf ihren erstinstanzlichen Vortrag
Bezug.
II.
Die
Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und
form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In
der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die
Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der
ihr durch Einschaltung ihres Prozessbevollmächtigten
entstandenen außergerichtlichen Kosten in Höhe der
Klageforderung.
1.
Entgegen
der Ansicht des Amtsgerichts ist die Klage jedoch im konkreten
Fall zulässig, da das Amtsgericht Krefeld nach § 32
ZPO örtlich zuständig gewesen ist.
Nach
Auffassung der Kammer geht das Amtsgericht im Ansatz allerdings zu
Recht davon aus, dass einer uferlosen Ausdehnung des "fliegenden
Gerichtsstandes" im Hinblick auf das Willkürverbot durch
einschränkende Kriterien Einhalt gegeben werden muss. Auch die
Kammer ist daher der Ansicht, dass die in der überwiegenden
Kommentarliteratur - zumeist ohne Auseinandersetzung mit der genannten
Problematik - vertretene Meinung, der örtliche Gerichtsstand
sei bei Verstößen im Internet dort, wo das Medium
bestimmungsgemäß abrufbar ist und damit
grundsätzlich überall (vgl. Stein/Jonas, ZPO, 22.
Aufl., § 32, Rn. 34; Kayser, in: Saenger, HK-ZPO, §
32, Rn. 15; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., §
32, Rn. 32, wobei dies unter Berufung auf die hierzu ergangenen
Entscheidungen (vgl. KG NJW 1997, 3321; OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 19.07.2007, Az.: I – 20 W 13/07; LG
Düsseldorf, NJW-RR 1998, 979 ff.; LG Hamburg, GRUR-RR 2002,
267; LG München RIW 2000, 466) teilweise ausdrücklich
(nur) auf die durch die Verwendung von Domain-Namen im Internet
begangene Kennzeichenrechtsverletzung bezogen wird (Putzina, in:
Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 32, Rn. 26;
Heinrich, in: Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 32, Rn. 17), zu weit
geht, wie dies nunmehr auch von Teilen der auch von der Beklagten
zitierten und vom Amtsgericht herangezogenen Instanzgerichte vertreten
wird (vgl. OLGR Celle 2003, 47; LG Hannover, Beschluss vom 28.04.2006,
Az.: 9 O 44/06; LG Potsdam, MMR 2001, 833 f.; AG Charlottenburg MMR
2006, 254 f.). Zu weitgehend ist jedoch der danach anzusetzende und vom
Amtsgericht herangezogenen Maßstab, wonach es im Hinblick auf
das Willkürverbot darauf ankomme, wo sich die behauptete
unerlaubte Handlung in dem konkreten Verhältnis der
Prozessparteien ausgewirkt hat. Insbesondere kann nach Auffassung der
Kammer dem Amtsgericht nicht gefolgt werden, in dem es deshalb Vortrag
des Klägers dazu fordert, dass ein Dritter die streitbefangene
Veröffentlichung auch tatsächlich zur Kenntnis
genommen und hierdurch veranlasst in einer sich auf den
Geschädigten auswirkenden Weise reagiert hat. Hierbei
übersieht das Amtsgericht, dass die streitbefangene, nach
Ansicht des Klägers unwahre und ihn schädigende
Äußerung ihren "Erfolg" nicht bloß durch
Kenntnisnahme durch den Kläger selbst, sondern durch die
Kenntnisnahme durch jeden bestimmungsgemäßen
Empfänger der Mitteilung erreicht. Der eingerichtete und
ausgeübte Geschäftsbetrieb des Klägers kann
auch dann verletzt sein, wenn der Kläger von einer konkreten
Kenntnisnahme der vermeintlich falschen Äußerung
durch einen Dritten nichts mitbekommt. Wer jedoch die Nachricht im
einzelnen gelesen hat und vor allem, wo dies geschehen ist, kann in den
ganz überwiegenden Fällen durch den betroffenen
Kläger gerade nicht dargelegt und schon gar nicht nachgewiesen
werden. Noch viel weniger lässt sich von ihm nachweisen, dass
hierauf gar in ihn schädigender Weise durch den Dritten
reagiert worden ist. Falsch ist es nach Auffassung der Kammer daher,
für die Fälle einer durch das Internet begangenen
unerlaubten Handlung, bei denen der Geschädigte eine konkrete
Kenntnisnahme durch einen Dritten und eine entsprechende
schädigende Reaktion nicht nachweisen kann, nur noch entweder
den Gerichtsstand am Wohnort (Sitz) des jeweiligen Schädigers,
weil davon auszugehen sei, dass dort die beanstandeten
Äußerungen in das Internet eingestellt worden sind,
oder den Wohnort (Sitz) des Klägers zu bejahen, da er dort die
Äußerungen betreffend seiner Person abrufen konnte.
Zur Beachtung des Willkürverbotes ist es vielmehr ausreichend,
aber auch erforderlich, der Ausuferung des "fliegenden Gerichtsstandes"
dergestalt Einhalt zu geben, dass zur Begründung der
örtlichen Zuständigkeit darauf abgestellt wird, ob
sich die Verletzungshandlung, das heißt die Internetseite mit
dem rechtsverletzenden Inhalt, im Bezirk des angerufenen Gerichts im
konkreten Fall bestimmungsgemäß habe auswirken
sollen (vgl. für den Fall eines Wettbewerbsdelikts OLG Bremen
EwiR 2000, 651 f. sowie Danckwerts, Örtliche
Zuständigkeit bei Urheber-, Marken- und
Wettbewerbsverletzungen im Internet – Wider einen ausufernden
"fliegenden Gerichtsstand" der bestimmungsgemäßen
Verbreitung", in: GRUR 2007, 104 ff. bei Verletzungen von Urheber- und
Markenrechten). Demnach kommt es darauf an, den entsprechenden
Wirkungskreis nach objektiven Kriterien anhand Darstellung und Inhalt
der einzelnen Internetseite zu bestimmen. Dass es auch hierbei zu einer
Vervielfältigung der Gerichtsstände kommen kann, ist
vertretbar, weil dem Schädiger das erhöhte
Gefährdungspotential durch Nutzung des Mediums Internet
bekannt ist und er sich schließlich auch dessen Vorteile
zunutze macht (vgl. Stein/Jonas, a. a. O.). Die allein technische
Abrufbarkeit der Internetseite, die eine derartige Rechtsverletzung
enthält, reicht aber zur Begründung der
örtlichen Zuständigkeit nicht aus.
Im
konkreten Fall ist daher zu berücksichtigen, dass sich die
streitbefangene Äußerung nicht auf einen
örtlich begrenzten Adressatenkreis bezog, sondern jedenfalls
an alle im "SEO-Business" tätigen und sich daher auf der
Internetseite zu "seo-news" informierenden Leser gerichtet war. Diese
Leser können sich tatsächlich überall in
Deutschland und daher vor allem auch in Krefeld aufhalten und dort die
Seite aufrufen. Demnach sollte die Internetseite mit der
streitgegenständlichen Äußerung
bestimmungsgemäß auch in Krefeld gelesen werden, so
dass sie hier bestimmungsgemäß auch ihren "Erfolg"
gehabt haben sollte und daher die Zuständigkeit des
Amtsgerichts Krefeld gegeben ist.
2.
Die
Berufung hat in der Sache aber gleichwohl keinen Erfolg, weil die
Klage aus den vom Amtsgericht dargelegten Gründen jedenfalls
unbegründet ist.
Unabhängig
davon, ob die vom Kläger beanstandeten
Äußerungen tatsächlich eine unerlaubte
Handlung im Sinne der §§ 823, 1004 BGB darstellen,
hat der Kläger auch weiterhin keinerlei Vortrag zum von ihm
angesetzten Gegenstandswert in Höhe von EUR 100.000,00
erbracht. Zutreffend weist er zwar in der Berufungsbegründung
darauf hin, dass insoweit die Angaben des Klägers ein
gewichtiges Indiz seien. Konkrete und einlassungsfähige
Angaben hat der Kläger aber weder zu seinem wirtschaftlichen
Interesse noch zu den vermeintlichen durch die beanstandete
Äußerung tatsächlich erlittenen oder damals
begründet befürchteten Einbußen gemacht.
Der von ihm veranschlagte Gegenstandswert lässt sich also
weiterhin nicht nachvollziehen, so dass die Klage vor dem Hintergrund,
dass die Beklagte bereits auf einen von ihr angenommenen
Gegenstandswert von EUR 10.000,00 einen Betrag in Höhe von
knapp EUR 900,00 gezahlt hat, abzuweisen ist.
3.
Die
prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den
§§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
(Unterschriften)