Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landgericht
Hamburg
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
dem Rechtsstreit
[…]
Kläger
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt […]
gegen
[…]
Beklagter
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt [...],
… wegen
Forderung
erlässt
das Landgericht Hamburg - Kammer 7 für Handelssachen - durch
… auf die bis zum 25.04.2012 eingegangenen
Schriftsätze folgendes Urteil im schriftlichen Verfahren:
1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 411,30 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2011 zu
zahlen.
2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt
nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitslelstung in
Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden,
wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung In derselben
Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der
Kläger, der verschiedene Produkte im Internet anbietet, u.a.
auch Fußmatten für Autos, nimmt den Beklagten, der
behauptet, ebenfalls mit Automatten im Internet zu handeln, auf
Schadensersatz im Zusammenhang mit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung in Anspruch.
Der
Beklagte rügte mit anwaltlichem Schreiben vom 05.04.2011 einen
angeblichen Wettbewerbsverstoß des Klägers vom
10.11.2010. Er warf dem Kläger eine fehlerhafte Belehrung In
seinem Internetauftritt über Rücksendungskosten im
Falle eines Widerrufs vor. Er machte unter Hinweis auf im Streitfall
deutlich höhere Kosten vergleichsweise einen pauschalierten
Schadensersatzanspruch in Höhe von 700,00 EUR geltend. Wegen
der Einzelheiten wird auf BI. 15 ff. d. A. Bezug genommen. Nachdem der
Kläger mit Anwaltsschreiben vom 11.04.2011 hatte erwidern
Jassen, dass eine korrekte Belehrung im Zusammenhang mit
Rücksendekosten erfolgt sei und weiterhin erfolgen werde,
ließ der Beklagte mit Schreiben vom 14.04.2011
erklären, die Abmahnung werde nicht aufrechterhalten.
Am
06.09.2011 ließ der Beklagte den Kläger erneut wegen
eines Verstoßes vom 28.07.2011 abmahnen, weil der Beklagte
angeblich keine Widerrufsbelehrung auf seiner Internetseite
bereitgestellt habe. Mit fast wortgleichen Ausführungen wie im
Schreiben vom 05.04.2011 forderte der Beklagte einen pauschalierten
Schadensersatz in Höhe von 500,00 EUR. Auf BI. 9 ff. wird
Bezug genommen.
Nach
Zurückweisung der Abmahnung mit Schriftsatz vom
13.09.2011 und der Ankündigung, Ersatz für die
entstandenen Rechtsanwaltskosten zu verlangen, erklärte der
Beklagte mit Schreiben vom 14.9.2011, dass keine Rechte aus der
Abmahnung hergeleitet würden. Eine Kostentragung lehnte er ab.
Der
Kläger macht nunmehr den Ersatz der ihm entstandenen
Rechtsanwaltskosten für die Verteidigung gegen die
unberechtigte Abmahnung vom 06.09.2011 geltend.
Er trägt unter Beweisantritt vor, er habe im Juli 2011 ebenso
wie zuvor eine Widerrufsbelehrung, die über einen Unk
erreichbar gewesen sei, auf seiner Internetseite vorgehalten. Soweit
der Beklagte auf den Ausdruck gemäß Anlage B 3 Bezug
nehme, sei erkennbar, dass dort Frames enthalten sind. In diesen Frames
seien weitere Informationen vorhanden gewesen, u.a. die Verlinkung zu
der Widerrufsbelehrung. Der Umstand, dass diese Inhalte nicht angezeigt
worden seien, liege an einer falschen Einstellung des Browsers des
Beklagten.
Der
Kläger wendet ein, der Beklagte mahne massenhaft ab, ohne
tatsächlich nennenswert wirtschaftlich tätig zu sein.
Aus diesem Grunde habe er die Kosten der außergerichtlichen
Rechtsverteidigung die dem Kläger in Höhe einer
1,3-Gebühr nach einem Streitwert von 5.000,00 EUR zzgl. einer
Telefonpauschale entstanden seien, zu erstatten.
Der
Kläger beantragt wie erkannt.
Der
Beklagte beantragt Klagabweisung.
Er
tritt dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs entgegen und behauptet unter
Beweisantritt, dass sich seinerzeit der lntemetauftritt des
Klägers, der zur Abmahnung geführt hatte, wie aus der
Anlage B 3 ersichtlich dargestellt habe.
Wegen
der Sachdarstellung im Übrigen, wegen der
Rechtsausführungen und Beweisangebote der Parteien wird
ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die
zulässige Klage ist begründet.
Dem
Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen den
Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen
Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
zu. Der Beklagte nahm den Kläger zweimal unter Hinweis auf von
ihm nicht verifizierbare Verstöße in Anspruch. Eine
unberechtigte Abmahnung allein macht diese nicht zu einer unerlaubten
Handlung, die zum Schadensersatz verpflichtet. Eine andere Betrachtung
würde den durch einen (vermeintlichen)
Wettbewerbsverstoß Verletzten ungebührlich in seiner
Handlungsfähigkeit einschränken. Vorliegend ist die
Situation jedoch anders zu beurteilen.
Bei
der ersten Abmahnung, die knapp 5 Monate nach einem angeblich
festgestellten Verstoß abgesandt wurde, unterließ
der Beklagte ganz offensichtlich die Überprüfung, ob
der Auftritt des Beklagten zum Zeitpunkt der Abmahnung vorlag. Ihm
musste darüber hinaus bewusst sein, dass er mangels
Dokumentation einen Verstoß nicht würde belegen
können.
Bei
dem weiterhin gerügten Verstoß vom 28.7.2011
hätte der Beklagte erkennen können und
müssen, dass seine Bildschirmanzeige nicht den kompletten
Internetauftritt des Klägers wiedergab. Der Umstand, dass er
den Kläger 5 Monate zuvor wegen einer fehlerhaften
Widerrufsbelehrung abgemahnt hatte, hätte bei ihm Zweifel
wecken müssen, ob der Kläger nunmehr
tatsächlich keine Widerrufsbelehrung auf seiner Seite zur
Verfügung stellte.
Diese
Umstände führen bei dem Gericht zu der
Überzeugung, dass der Beklagte seinerzeit massenhaft abmahnte
und sich dabei von sachfremden Erwägungen leiten
ließ. Hierbei nahm er auch billigend in Kauf, dass er mangels
Wettbewerbsverstoßes unberechtigte Abmahnungen aussprechen
ließ. Bei einer solchen Verhaltensweise kann ein
verfahrensrechtflches Privileg nicht in Anspruch genommen
werden.Vielmehr muss der Beklagte die Konsequenzen seines HandeIns
tragen. Wer schlecht recherchiert, mehr oder weniger ins Blaue hinein
abmahnt, hat für die Folgen seines Verhaltens einzustehen.
Das
Verhalten des Beklagten steift sich nach Überzeugung des
Gerichts darüber hinaus als rechtsmissbräuchlich
i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG dar. Hierfür spricht, dass der
Beklagte bei der ersten Abmahnung bereits am 10.11.2010 Kenntnis von
der angeblichen Wettbewerbsverletzung durch den Kläger hatte,
gleichwohl erst am 05.04.2011 abmahnen ließ. Dies macht
entgegen den Ausführungen in der Abmahnung deutlich, dass es
dem Beklagten nicht in erster Linie auf das Abstellen einer
wettbewerbswidrigen Handlung ankam, sondern auf das
Herbeiführen einer Geldzahlung. Bestärkt wird diese
Ansicht dadurch, dass nicht nachvollziehbar ist, wie sich der
seinerzeit geltend gemachte Betrag von 700,00 EUR ergeben soll.
Angemessen wäre seinerzeit allenfalls die Geltendmachung einer
1,3-Gebühr nach RVG nach einem Streitwert von 5.000,00 EUR,
entsprechend 391,30 EUR. Letztlich spricht auch die Drohung mit
höheren Kosten unter Anlegung eines Streitwerts von mindestens
25.000,00 EUR eine deutliche Sprache.
Auch
der Umstand, dass der angebliche Verstoß offenbar nicht
dokumentiert worden ist, macht deutlich, dass ein
Gewinnerzielungsinteresse im Vordergrund stand.
Bei
der zweiten Abmahnung verhielt es sich ähnlich. Der Text
beider Abmahnschreiben ist nahezu identisch. Auch nach der Erwiderung
durch den Klägervertreter im September 2011 verzichtete der
Beklagte auf eine weitere Verfolgung des angeblichen
Wettbewerbsverstoßes. Auch hieraus wird deutlich, dass nicht
die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen im
Vordergrund stand, sondern die Erzielung von Einnahmen. Anderenfalls
wäre der Beklagte, wenn er mit Sicherheit von einem
Verstoß ausgegangen wäre, nicht vor dem Beschreiten
des Rechtsweges zurückgeschreckt.
Dem
Kläger ist ein Schaden in geltend gemachter Höhe
entstanden. Der Streitwert ist mit 5.000,00 EUR angemessen bewertet.
Der
Zinsanspruch folgt aus § 2918GB.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die
Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit
beruht auf §§ 708 Ziff. 1, 711 ZPO.