Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landgericht
Hamburg
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
der Sache
[…]
Antragsstellerin
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt […]
gegen
[…]
Antragsgegner
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt [...],
Tenor
I. Die einstweilige Verfügung vom 30. Juni 2008 wird
aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen
Verfügung vom 6. Juni 2008 zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des
Widerspruchsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Antragstellerin bleibt nachgelassen, die Kostenvollstreckung
des Antragsgegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110
Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden,
soweit nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags
leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand der einstweiligen
Verfügung vom 30. Juni 2008.
Die Kammer hatte darin unter Androhung von Ordnungsmitteln dem
Antragsgegner verboten,
unter Bezugnahme auf die Antragstellerin zu verbreiten,
1. „... Neue Rufmordkampagne der H.‐ H.‐Firma B. Verlag, Bund
D.“
2. „... Jetzt ist auf der Homepage h. eine neue Aktion von
Lügen, Verdrehungen, Herabsetzungen, Schmähungen und
Unterstellungen angelaufen ‐ ...“
so wie geschehen auf der Internetseite „A..de“,
Rubrik „Haus der Literatur“, Überschrift
„Neue Rufmordkampagne der H.‐ H.‐Firma B.‐Verlag, Bund D..
Die Parteien befassen sich mit Literatur und betreiben dabei auch
Internet-Seiten. Die Antragstellerin veröffentlicht die unter
www. h..de erreichbaren Internet‐Seiten „Haus der Literatur
– Das freie Portal für Autoren“, der
Antragsgegner veröffentlicht unter www. A..de die Seiten
„A.“.
Auf der Seite http://www. A..de/.phtml hat der Antragsgegner mit der
Überschrift „Neue Rufmordkampagne der H.‐ H.‐Firma
B.‐Verlag, Bund D.“ die streitgegenständliche
Meldung veröffentlicht. In dieser Meldung heißt es
unter anderem:
„Jetzt ist auf der Homepage h. eine neue Aktion von
Lügen, Verdrehungen, Herabsetzungen, Schmähungen und
Unterstellungen angelaufen“.
Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit Anwaltsschreiben vom 19.
Juni 2008 aufgefordert, die streitgegenständliche Meldung
nicht weiter zu veröffentlichen und eine strafbewehrte
Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Dieser
Aufforderung ist der Antragsgegner nicht gefolgt.
Auf Antrag der Antragstellerin vom 6. Juni 2008, dessen
Begründung mit Schriftsatz vom 24. Juni 2008 (Bl. 22 d. A.)
ergänzt worden ist, hat die Kammer mit Beschluss vom 30. Juni
2008 im Wege der einstweiligen Verfügung das oben
wiedergegebene Verbot angeordnet.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Widerspruch erhoben.
Der Antragsgegner trägt vor, dass er im Hinblick auf die
zahlreichen, gegen ihn gerichteten Äußerungen auf
den Internet‐Seiten der Antragstellerin dazu berechtigt gewesen sei,
von einer Rufmordkampagne und einer „Aktion von
Lügen, Verdrehungen, Herabsetzungen, Schmähungen und
Unterstellungen“ zu sprechen. Es handele sich um einen
zulässigen Gegenschlag. Unter markanten Überschriften
werde auf den Internet‐Seiten der Antragstellerin tendenziös
und negativ über den Antragsgegner, seine Ehefrau und ihren
Verlag geschrieben. Wegen der vom Antragsgegner vorgetragenen gegen ihn
gerichteten Veröffentlichungen auf den Internet‐Seiten der
Antragstellerin wird ergänzend auf den Schriftsatz vom 9.
Oktober 2008
(Bl. 39 d. A.) Bezug genommen.
Der Antragsgegner beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Die Antragstellerin trägt vor,
der Antragsgegner stelle mit den streitgegenständlichen
Äußerungen bewusst falsche Tatsachenbehauptungen auf
und setze die die Antragstellerin herab und schmähe sie. Die
streitgegenständliche Veröffentlichung sei
Bestandteil einer Kampagne des Antragsgegners gegen die
Antragstellerin. Der Antragsgegner gehe nicht auf die von ihm in Bezug
genommenen Meldungen auf den Internet‐Seiten der Antragstellerin ein,
um seine Äußerung zu untermauern, es handele sich um
eine Rufmordkampagne. Soweit der Antragsgegner einen Link gesetzt habe,
der mit „Machen Sie sich selbst ein Bild“
bezeichnet sei, verweise dieser lediglich auf eine Aufstellung von
Überschriften von Meldungen auf den Internet-Seiten der
Antragstellerin. Die jeweils dazugehörigen Texte seien damit
nicht einsehbar.
Auf die weiteren Ausführungen der Antragstellerin hierzu in
ihrem Schriftsatz vom 4. Dezember 2008 (Bl. 77 d. A.) wird, wie auch
auf die Antragsschrift vom 6. Juni 2008 (Bl. 2 d. A.) und auf den
Schriftsatz vom 24. Juni 2008 (Bl. 22 d. A.), ergänzend Bezug
genommen.
Gründe
I.
Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben. Ein
Verfügungsanspruch der Antragstellerin ist nicht gegeben.
Insbesondere ergibt sich der begehrte Unterlassungsanspruch auch nicht
aus §§ 1004, 823 BGB. Die
streitgegenständlichen Äußerungen des
Antragsgegners verletzen die Rechte der Antragstellerin, insbesondere
ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin ist
durch die streitgegenständlichen Äußerungen
nicht verletzt worden. Der Schutzbereich des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts aus § 823 Abs. 1 BGB mit Art. 2
Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ist durch Abwägung mit der
Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 und 2 GG
zu bestimmen. Stellt sich dabei eine Äußerung als
gerechtfertigt dar, liegt eine Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts nicht vor.
So liegt es hier. Die streitgegenständlichen
Äußerungen des Antragsgegners stellen sich als
gerechtfertigter Gegenschlag dar. Eine auch überspitzte oder
polemische Äußerung kann durch ein vorangegangenes
Verhalten des mit dem Gegenschlag Angegriffenen gerechtfertigt sein.
Wird jemand in einer auf die öffentliche Meinungsbildung
beeinflussenden Weise angegriffen, dann hat dieser das Recht, den
Angriff in einer Weise zu beantworten, die geeignet ist, eine dem
Angriff gleichwertige Wirkung auf die Meinungsbildung zu entfalten, um
den Angriff auszugleichen (vgl. etwa BVerfGE 12, 113 –
„Schmid“). Dies schließt auch ein, den
Gegenschlag in zugespitzter Form ausführen zu dürfen,
wenn dies im Hinblick auf eine gleichwertige Wirkung auf die
Meinungsbildung angemessen erscheint.
Ein solches rechtfertigendes Verhalten der Antragstellerin liegt in
ihren zahlreichen, vom Antragsgegner in Bezug genommenen
Veröffentlichungen auf ihren Internet‐Seiten über den
Antragsgegner. Da die Antragstellerin den Antragsgegner durch immer
wieder stattfindende Veröffentlichungen auf ihren
Internet‐Seiten angegriffen hat, sind die
streitgegenständlichen Äußerungen als
Reaktion gerechtfertigt.
Der Antragsgegner hat glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin in
polemischer Weise eine größere Zahl von Meldungen
auf ihren Internet‐Seiten veröffentlicht hat, die den
Antragsgegner, seine Ehefrau und seinen Verlag betreffen und dabei
nicht bloß sachlich berichten. Im erheblichen Umfang
veröffentlicht die Antragstellerin Meldungen, die dazu
geeignet sind, den Antragsgegner herabzusetzen und in der
öffentlichen Wahrnehmung schlecht dastehen zu lassen, ohne
dass sich diese Folgen bereits aus sachlicher Berichterstattung
ergeben. So wird auf einer Internet‐Seite der Antragstellerin bereits
in der Kopfzeile der Antragsgegner als
„Provokateur“ bezeichnet und sein Verlag als
„umstritten“ dargestellt (vgl. Anlage Ag 5). Die
Seite enthält weiter eine Reihe von Meldungen, die nach ihrer
Kennzeichnung zwischen dem 14. Februar 2008 und dem 1. Juli 2008
veröffentlicht worden sind und den Antragsgegner betreffen.
Die auf dieser Internet‐Seite der Antragstellerin
veröffentlichten Meldungen ergeben sich im Einzelnen aus der
Anlage Ag 5. In mehr als dreißig Meldungen während
der Dauer von fünf Monaten nimmt die Antragstellerin immer
wieder die Gelegenheit wahr, die vom Verlag des Antragsgegners
herausgegebenen Ratgeber als nutzlos bzw. schädlich oder den
Antragsgegner als in Verleumdungsprozesse verwickelt darzustellen.
Auch wird wiederholt davon berichtet, dass woanders ein Zusammenhang
zwischen dem Antragsgegner und S. hergestellt worden sei (29. April,
10. Mai, 25. Juni oder auch 2. Mai), ohne dass etwas darüber
berichtet wird, ob ein derartiger Zusammenhang bestehe oder woraus sich
Anhaltspunkte dafür oder dagegen ergeben würden. Dies
wird ausdrücklich offen gelassen („wie dem auch
sei“, 29. April, „...sei dahingestellt“,
15. Mai). Die betreffenden Meldungen haben zum Gegenstand, das
Geschäftsgebaren des Antragsgegners bzw. seines Verlags als
„raffiniert“ und darauf gerichtet darzustellen, mit
der Hilflosigkeit von Autoren Geld zu verdienen.
Die Antragstellerin hat auf ihren Internet‐Seiten eine eigene Seite den
Meldungen über den Antragsgegner und seinen Verlag gewidmet.
Die vom Antragsgegner glaubhaft gemachten mehr als dreißig
ihn bzw. seinen Verlag betreffenden Meldungen aus dem Zeitraum Mitte
Februar bis Anfang Juli sind auf einer eigenen Internet‐Seite
zusammengefasst (Anlage Ag 5).
Angesichts der während einiger Monate immer wieder erfolgten
Meldungen über den Antragsgegner, dessen Ehefrau und den
Verlag des Antragsgegners sind die streitgegenständlichen
Äußerungen des Antragsgegners als Beantwortung der
Vielzahl von Angriffen in der öffentlichen Meinungsbildung
jedenfalls nicht überschießend unangemessen, um eine
gleichwertige Wirkung auf die Meinungsbildung entfalten zu
können.
Durch die streitgegenständlichen Äußerungen
setzt sich der Antragsgegner erkennbar zugespitzt, pauschalisierend und
damit auch polemisierend dagegen zur Wehr, durch die Antragstellerin in
der Öffentlichkeit herabgesetzt zu werden. Dies ist
zulässig, da der Antragsgegner sich angesichts der vielen
Meldungen der Antragstellerin von ihr in seinem Geltungsanspruch
angegriffen verstehen darf. Den vielen Meldungen der Antragstellerin
lässt sich entnehmen, dass es ihr vor allem darum geht, den
Antragsgegner in einem ungünstigen Licht erscheinen zu lassen.
Die Antragstellerin benutzt dabei u. a. das Mittel der Wiederholung,
bezieht sich mehrmals auch auf nicht näher untermauerte
Verdachtsberichterstattung und kennzeichnet den Antragsgegner immer
wieder als unseriösen Geschäftemacher. Fordert die
Antragstellerin den Antragsgegner auf diese Weise zu einer
entgegengesetzten Äußerung heraus, dann hat sie
hinzunehmen, dass die Gegenäußerung polemisch
zugespitzt und pauschal ausfällt. Die Form der Beantwortung
eines Angriffs in der Meinungsöffentlichkeit darf mit dem
Zweck frei gewählt werden, dass sie geeignet ist, den Angriff
gleichwertig zu beantworten. Die verteidigende
Gegenäußerung des Antragsgegners ist unter dem
Gesichtspunkt der Gegenreaktion – des so genannten
Gegenschlags ‐ gerechtfertigt, weil sie der Wirkung auf die
Meinungsbildung den Angriffen der Antragstellerin entspricht. Die
pauschale und zugespitzte Äußerung des
Antragsgegners, dass es sich bei den Äußerungen der
Antragstellerin insbesondere um eine Kampagne, um Lügen,
Verdrehungen und Unterstellungen handele, ist in ihrer Wirkung auf die
öffentliche Meinungsbildung vergleichbar mit den sie
veranlassenden Äußerungen der Antragstellerin.
Der Begriff „Rufmordkampagne“ stellt sich zudem vor
dem Hintergrund der Vielzahl von Meldungen der Antragstellerin nicht
als falsche Tatsachenbehauptung dar. Bei vernünftiger
Würdigung umschreibt der Begriff
„Rufmordkampagne“ ein Verhalten, das objektiv
darauf angelegt ist, das Ansehen des Betroffenen in der
Öffentlichkeit zu verschlechtern, und sich als eine
zusammenhängende Mehrheit von Handlungen darstellt. Angesichts
der großen Zahl und der engen zeitlichen Folge der in Rede
stehenden Veröffentlichungen der Antragstellerin, die oftmals
keinen äußeren aktuellen Anlass erkennen lassen und
den Inhalt haben, der Antragsgegner bzw. sein Verlag würden
ein unseriöses Gebaren zeigen, stellen sich diese
Veröffentlichungen als ein Verhalten dar, das darauf gerichtet
ist, das Ansehen des Antragsgegners in der Öffentlichkeit
herabzuwürdigen.
II.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6 ZPO.