Landgericht
Hamburg, Haftung für rechtswidrige Inhalte Dritter im Internet
zurück
Aktenzeichen: 324 S 2/08 |
Verkündet
am:
11.07.2008
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
Landgericht
Hamburg
URTEIL
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Beklagte unter
Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 8.01.2008,
Az.
36A C 124/07, verurteilt, an den Kläger 644,50 EUR nebst
Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit
dem 5.08.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung
zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 15% und
der Beklagte 85% zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A)
Der
Kläger
und Berufungskläger (im Folgenden Kläger) wendet sich
gegen
ein Urteil des Amtsgerichts Hamburg, mit dem seine Klage auf Erstattung
von € 756,09 anwaltlicher Abmahnkosten wegen einer
Wortberichterstattung nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Hinsichtlich
der
tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf den
Tatbestand
des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs.1 S. 1
Nr.1
ZPO). Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass der
Beklagte
bis zum Zugang des anwaltlichen Abmahnschreibens keine positive
Kenntnis von der streitgegenständlichen
Äußerung hatte.
Anschließend entfernte er diese unverzüglich.
Hintergrund
der streitgegenständlichen Äußerung ist,
dass der
Kläger den Verein „free.... f.. l... e.V. wegen der
Verwendung des Namens Kläger + Berufungskläger als
sog.
Metatag gerichtlich in Anspruch genommen hatte, woraufhin der Verein
mit Urteil vom 6.06.2001 des Landgerichts Hamburg zur Unterlassung
verurteilt worden ist. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Verein
verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der
diesem
durch die untersagte Verwendung entstanden ist und noch entstehen wird.
Im Jahr 2003 wurde der Verein aufgrund von nicht korrigierten
Formfehlern bei der Vereinsanmeldung aus dem Vereinsregister
gelöscht.
Die
Klage ist
dem Kläger am 4. August 2007 zugestellt worden. Mit Urteil vom
8.
Januar 2008 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass
zwar eine
Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben sei, ein Anspruch auf
Erstattung von Abmahnkosten jedoch schon daran scheitere, dass seitens
des geschädigten Klägers aus seiner
maßgeblichen Sicht
mit Rücksicht auf seine spezielle Situation die Einschaltung
eines
Anwalts zur Wahrnehmung seiner Rechte nicht erforderlich und
zweckmäßig gewesen sei.
Der
Kläger beantragt,
das
amtsgerichtliche Urteil abzuändern und nach den
Schlussanträgen des Klägers aus der ersten Instanz zu
erkennen.
Der
Beklagte beantragt,
die
Berufung zurückzuweisen;
hilfsweise
festzustellen, dass die unrelative Festsetzung des Streitwerts
grundgesetzwidrig sei (Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz)
sowie
festzustellen, dass vorliegend bei dem zugrunde liegenden
Unterlassungsbegehren der Streitwert von € 1,- angemessen
wäre.
Der
Kläger beantragt,
den
ersten Feststellungsantrag zurückzuweisen;
den
zweiten, sollte er eine Streitwertbeschwerde darstellen, als
unbegründet zurückzuweisen.
Ergänzend
wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie
das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6.06.2008 Bezug
genommen.
B)
I.
Die
zulässige Berufung ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang
auch
begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein
Anspruch
auf Schadensersatz in Höhe von € 644,50 aus
§ 823 Abs.1
BGB i.V.m. Art. 1, 2 Abs.1 GG, § 249 Abs.1 BGB zu.
Durch
die
streitgegenständliche Äußerung verletzt der
Beklagte
schuldhaft das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Klägers.
Die durch die Abmahnung
des Beklagten entstandenen Rechtsanwaltskosten
stellen einen ersatzfähigen Schaden dar.
1.
Die
streitgegenständliche Äußerung,
„Der Verein
free.... f.. l... e.V. wurde von Kläger +
Berufungskläger
unter dem Vorwand wettbewerbswidriger Verwendung von Metatags
ruiniert“, die Anlass für die Abmahnung
des
Beklagten
gewesen ist, ist eine Tatsachenbehauptung. Sie enthält zum
einen
eine Äußerung über die innere Tatsache der
Absicht des
Klägers und bedeutet, tatsächlich habe der
Kläger andere
Zwecke verfolgt, er habe das Wettbewerbsrecht lediglich
instrumentalisiert, um dem Verein finanziell zu schaden.
Darüber
hinaus wird mit der Äußerung behauptet, der
Kläger sei
verantwortlich für einen Ruin des Vereins. Diese Behauptungen
haben prozessual als unwahr zu gelten, da nach unbestrittenem Vortrag
die Auflösung des Vereins aufgrund von Formfehlern erfolgte,
ohne
dass es einen Zusammenhang zu der Klage des Klägers gegeben
hat.
2.
Der Beklagte handelte bei Verbreitung der
streitgegenständlichen Äußerung schuldhaft.
Er
kann sich
nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er die
streitgegenständliche
Äußerung nicht selbst eingestellt und diese
unmittelbar nach
Kenntnisnahme entfernt habe. Denn es handelt sich vorliegend nicht um
eine fremde Information im Sinne von § 10 TMG, sondern um eine
eigene Information gemäß § 7 TMG. Eigene
Informationen
in diesem Sinne können nicht nur eigene Behauptungen im
eigentlichen Sinne sein, sondern darüber hinaus auch fremd
erstellte Inhalte, die der Dienstanbieter sich zu Eigen macht, die er
so übernimmt, dass er aus der Sicht eines objektiven Nutzers
für sie die Verantwortung tragen will (OLG Köln MMR
2002,
548, 548 m.w.N.). Dazu bedarf es wertender Betrachtung aller
Umstände des Einzelfalls. Entscheidend ist insoweit die Art
der
Datenübernahme, ihr Zweck und die konkrete
Präsentation der
fremden Daten durch den Übernehmenden (vgl. OLD Köln,
a.a.O.).
Wendet
man diese
Maßstäbe auf den vorliegenden Fall an, dann geht der
Durchschnittsbesucher der Internetseite m...-P.....de davon aus, dass
es sich bei den auf der Seite und ihren Unterseiten befindlichen
Äußerungen, also auch bei der
streitgegenständlichen,
um solche des Beklagten handelt. Schon der Titel der Seite ist rein
subjektiv auf den Beklagten bezogen, es ist sein Tagebuch. Er gestaltet
die Seite, er gibt die Rubriken vor. Er bietet gerade nicht nur ein
Forum an, das Dritte durch ihre Beiträge erst
ausfüllen und
so gestalten. Auch die Unterseite „Parteibuch
Lexikon“ ist
entsprechend subjektiv gestaltet. So wird das Parteibuch Lexikon als
„dem parteiischen Wiki mit wertenden Informationen in
deutlicher
Sprache“ beschrieben. Dadurch unterscheidet es sich gerade
von
der Internetseite Wikipedia. Der Beklagte fordert auf der Unterseite
„Parteibuch Lexikon“ zwar Dritte auf, an der
Erstellung des
Lexikons mitzuwirken. Es findet sich aber keine Distanzierung zu den
Beiträgen Dritter, im Gegenteil beinhaltet das Wort
„mitzuwirken“ bereits ein zu eigen machen im Sinne
eines
gemeinsamen Erschaffens. Für ein zu-eigen-machen spricht
vorliegend auch der Umstand, dass für einen
Außenstehenden
gar nicht erkennbar ist, ob ein bestimmter Beitrag vom Beklagten oder
einem Dritten verfasst und eingestellt wurde. Auch in Bezug auf die
streitgegenständliche Äußerung ist nicht
ersichtlich,
von wem sie stammt, oder dass sie von einem Dritten eingestellt worden
ist. Wollte sich der Beklagte aber von den Beiträgen Dritter
distanzieren, dann wäre das nur eine Voraussetzung.
Der
Beklagte
handelte in Bezug auf die streitgegenständliche
Äußerung fahrlässig. Er hat mit der
Aufforderung, an
dem Parteibuch Lexikon mitzuwirken, eine Ursache für die
vorliegende Rechtsverletzung gesetzt. Er hat gerade dazu aufgefordert,
einseitige, subjektive und parteiische Beiträge zu verfassen
(„…dem parteiischen Wiki mit wertenden
Informationen in
deutlicher Sprache“). Damit hat er ein besonderes Risiko
gesetzt,
dass persönlichkeitsrechtlich problematische Beiträge
eingestellt werden.
3.
Der Kläger kann von dem Beklagten die Erstattung seiner
Anwaltskosten in Höhe von € 644,50 verlangen.
Die
Kosten einer
Rechtsverfolgung, zu denen auch die Kosten eines Rechtsanwalts
zählen, gehören zu den bei einer Schädigung
gemäß §§ 823 Abs.1, 249 Abs.1 BGB
zu ersetzenden
Kosten. Dem angegriffenen Urteil ist zuzustimmen, dass nicht
schlechthin alle durch das Schadensereignis (hier die Verbreitung der
streitgegenständlichen Äußerung)
adäquat
verursachten Anwaltskosten zu ersetzten sind, sondern nur solche, die
aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit
Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner
Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH
NJW-RR
2007, 856, Urteil vom 12.12.2006, VI ZR 175/05, juris Absatz 10). Das
war vorliegend aber der Fall.
Voraussetzung
dafür, dass die Beauftragung eines Anwalts nicht erforderlich
ist,
ist, dass in einem einfach gelagerten Schadensfall die
Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von
vornherein nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus der
maßgebenden Sicht des Geschädigten kein
vernünftiger
Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres
seiner Ersatzpflicht nachkommen werde. Daran fehlt es hier. Denn zum
einem streiten die Parteien bereits um die Frage, ob es sich bei der
streitgegenständlichen Äußerung um eine
Tatsachenbehauptung oder um eine Meinungsäußerung
handelt.
Des Weiteren ist streitig, ob es sich bei der
streitgegenständlichen Äußerung um eine dem
Beklagten
zuzurechnende Äußerung handelt oder nicht. Beide
Seiten
führen Argumente für die jeweils von ihnen vertretene
Rechtsauffassung an. Zum anderen ist auch der der Abmahnung
zugrunde zu
legende Streitwert und damit die Höhe eines
Schadensersatzanspruchs zwischen den Parteien streitig. Auf die Frage,
ob und ggf. wo sich der Kläger im Zeitpunkt der Kenntnisnahme
der
streitgegenständlichen Äußerung
tatsächlich
aufgehalten, kommt es daher vorliegend nicht an.
Erstattungsfähig
sind vorliegend jedoch nur Rechtsanwaltskosten in Höhe von
€
644,50. Die darüber hinaus gehende Berufung war
zurückzuweisen.
Die
Rechtsanwaltskosten sind nach einem für die Abmahnung
zugrunde
zu
legenden Streitwert in Höhe von € 7.500,- zu
berechnen.
Dieser – und nicht wie vom Kläger veranschlagt
€
10.000,- - ist angesichts des Verbreitungsgrades der
streitgegenständlichen Äußerung und des
nicht
schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht
des Klägers angemessen. Damit ist auch der hilfsweise
gestellte
Antrag des Beklagten, festzustellen, dass bei dem zugrunde liegenden
Unterlassungsbegehren der Streitwert von € 1,00 angemessen
wäre, obsolet.
Die
Höhe des Schadensersatzes berechnet sich wie folgt:
Geschäftsgebühr
§§ 13, 14, Nr. 2400 VV RVG 1,3
€ 535,60
Post-/Telekommunikation
Nr. 7002 VV RVG
€ 20,00
Zwischensumme
netto
€ 555,60
16%
USt Nr. 7008
VV RVG
€ 88,90
Gesamtbetrag
€ 644,50
Der
Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 288
Abs.1 S.2, 291 S.1, 2 BGB.
II.
Der
hilfsweise
gestellte Antrag des Beklagten, festzustellen, dass die unrelative
Festsetzung des Streitwerts wegen Verstoßes gegen den
Gleichheitsgrundsatz grundgesetzwidrig sei, ist unzulässig.
Unabhängig von der Frage, ob dieser Antrag als Widerklage
statthaft ist, kann Streitgegenstand einer Feststellungsklage
gemäß § 256 Abs.1 ZPO nur der Streit
über ein
Rechtsverhältnis oder die Tatfrage der Echtheit einer Urkunde
sein. Beides ist vorliegend nicht gegeben. Ein
Rechtsverhältnis
ist die rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen
Person oder einer Sache (Greger in Zöller, Kommentar zur ZPO,
26.
Auflage, § 256 Rn. 3). Kein Rechtsverhältnis in
diesem Sinne
sind abstrakte Rechtsfragen (Greger a.a.O.). Der von dem Beklagten
gestellte Antrag betrifft aber gerade die abstrakte Rechtsfrage der
Grundgesetzwidrigkeit einer unrelativen Streitwertfestsetzung.
III.
Die
prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92
Abs.1 S.1, 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die
Revision
wird nicht zugelassen. Die Sache hat weder grundsätzliche
Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.