Landgericht Hamburg Verleger Herausgeber Domaininhaber Haftung
zurück

Aktenzeichen:    324 O 862/07
Verkündet am:
8. Februar 2008

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Landgericht Hamburg

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Leitsatz: Wer aufgrund eines Nutzungsvertrages damit einverstanden ist, dass ein Verlag die Domain nutzt, um unter dieser Artikel zu veröffentlichen, haftet als Täter für rechtswidrige Inhalte, denn das Einverständnis zur Verbreitung umfasst sämtliche Beiträge, unabhängig von der Kenntnis deren Inhalts. So wie auch Verleger oder Herausgeber nicht bloße Störer, sondern Täter sind, ist dies bei einem Domaininhaber bei einem Domainnutzungsvertrag für Verlagsveröffentlichungen ebenfalls der Fall, (vgl. BGH, GRUR 2007, 890, wonach ebay als Täter und nicht als Teilnehmer oder Störer haftet).

In der Sache


[…]
Kläger
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt […]

gegen

[…]
Beklagte
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [...],

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre)

zu unterlassen,

1. zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

„Kläger hat man schon versucht zu erpressen. Damals, als seine Frau hochschwanger war. Keine schöne Geschichte. Aber manchmal holt man sich beim Schienbeintreten selbst blaue Flecken.“;

und/oder

2. durch die Formulierung

„Kladden mit Wissen über Journalisten, Dossiers über unliebsame Konkurrenten. Recherchieren zum Schutz des Klienten, so würde das Kläger nennen.“

den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe Kladden mit Wissen über Journalisten und/oder Dossiers über Konkurrenten;

und/oder

3. durch die Formulierung

„Kladden mit Wissen über Journalisten, Dossiers über unliebsame Konkurrenten. Recherchieren zum Schutz des Klienten, so würde das Kläger nennen. Als im Dezember 2004 der damalige Chef der Deutschen Börse, Werner S., die Londoner Börse übernehmen will, beglücken die britischen Blätter ihre Leser seitenweise mit Indiskretionen aus Werner S. Privatleben. Sein angebliches Verhältnis mit einer Londoner Finanzjournalistin und erstaunliche Erkenntnisse über Werner S. Ehe, die zehn Jahre zurücklagen, Werner S. sei seiner damaligen Frau gegenüber gewalttätig geworden. Als Beklagte Magazin Verlag GmbH Frau Werner S. damals anrief, um sich nach dem Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe zu erkundigen, verwies sie an Norbert Kläger: ‚Ich gebe Ihnen seine Telefonnummer.’“

den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe im Zusammenhang mit einer möglichen Übernahme der Londoner Börse im Dezember 2004 durch die Deutsche Börse Informationen über das Privatleben des damaligen Vorstandsvorsitzenden der D... Börse AG, Werner S., verbreitet.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

III. Das Urteil ist zu Ziffer 1. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 30.000,-- und zu Ziffer 2. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar;

und beschließt: Der Streitwert wird auf EURO 30.000,-- festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Der Kläger ist als Kommunikationsberater tätig. Die Beklagte ist Inhaberin der Domain „Beklagte Magazin Verlag GmbH.de“ (vgl. Anlage K0). Am 12.06.2007 erschien auf der Internet-Seite www. Beklagte Magazin Verlag GmbH.de ein Beitrag, der sich mit dem Kläger befasst (vgl. Anlage K1). Der Kläger mahnte wegen der unstreitig unwahren inkriminierten Äußerungen die Beklagte vergeblich ab. Er verfolgt daher sein Begehren gerichtlich weiter.

Die Parteien streiten, ob die Beklagte passivlegitimiert ist. In dem Impressum vom Beklagte Magazin Verlag GmbH-Online heißt es, dass Beklagte Magazin Verlag GmbH Online ein Angebot der Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG, Geschäftsbereich Portal sei (vgl. Anlage K8), für die Seiten des Beklagte Magazin Verlag GmbH-Magazins sei jedoch die Beklagte Diensteanbieter. Die Beklagte gestattet der Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG aufgrund eines mit ihr geschlossenen Vertrages, die Internet-Seite zu nutzen. Bei dem hier umstrittenen Beitrag handelt es sich nicht um einen des Beklagte Magazin Verlag GmbH-Magazins. Die Beklagte ist daher der Ansicht, dass nicht sie, sondern die Tomorow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG hafte.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte als Domain-Inhaberin in jedem Falle passivlegitimiert sei. Es sei daher unerheblich, dass die Beklagte und die Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG als Diensteanbieter für unterschiedliche Seiten genannt würden, zumal die Beklagte in ihrem Magazin auf den Online-Auftritt ohne jegliche Einschränkung verweise (vgl. Anlagen K9 und K12) und gesellschaftsrechtlich mit der Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG verbunden sei. Beide gehörten unstreitig zur H B Media Holding (vgl. Anlage K11).

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre)

zu unterlassen,

1. zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

„Kläger hat man schon versucht zu erpressen. Damals, als seine Frau hoch schwanger war. Keine schöne Geschichte. Aber manchmal holt man sich beim Schienbeintreten selbst blaue Flecken.“;

und/oder

2. durch die Formulierung

„Kladden mit Wissen über Journalisten, Dossiers über unliebsame Konkurrenten. Recherchieren zum Schutz des Klienten, so würde das Kläger nennen.“

den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe Kladden mit Wissen über Journalisten und/oder Dossiers über Konkurrenten;

und/oder

3. durch die Formulierung

„Kladden mit Wissen über Journalisten, Dossiers über unliebsame Konkurrenten. Recherchieren zum Schutz des Klienten, so würde das Kläger nennen. Als im Dezember 2004 der damalige Chef der Deutschen Börse, Werner S., die Londoner Börse übernehmen will, beglücken die britischen Blätter ihre Leser seitenweise mit Indiskretionen aus Werner S. Privatleben. Sein angebliches Verhältnis mit einer Londoner Finanzjournalistin und erstaunliche Erkenntnisse über Werner S. Ehe, die zehn Jahre zurücklagen, Werner S. sei seiner damaligen Frau gegenüber gewalttätig geworden. Als Beklagte Magazin Verlag GmbH Frau Werner S. damals anrief, um sich nach dem Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe zu erkundigen, verwies sie an Norbert Kläger: ‚Ich gebe Ihnen seine Telefonnummer.’“

den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe im Zusammenhang mit einer möglichen Übernahme der Londoner Börse durch die Deutsche Börse im Dezember 2004 Informationen über das Privatleben des damaligen Vorstandsvorsitzenden der D... Börse AG, Werner S., verbreitet

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, dass sie nicht passivlegitimiert sei, da als Diensteanbieter für die Seite, auf der der in Rede stehende Beitrag eingestellt worden sei, unstreitig die Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG genannt werde. Aus der Eintragung als Domain-Inhaberin für das Internet-Angebot folge nicht ihre Passivlegitimation, da sie ansonsten den gesamten veröffentlichten Inhalt prüfen müsse. Dies sei ihr nicht zumutbar. Einer ihr möglicherweise obliegenden Prüfungspflicht sei sie außerdem nachgekommen, da sie die an sie, die Beklagte, gerichteten Abmahnungen unstreitig an die passivlegitimierte Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG weitergeleitet habe. Sie habe auch faktisch keine Einflussmöglichkeiten auf diese, so dass sie nicht Diensteanbieter nach dem TMG sei. Der einzige Berührungspunkt zwischen ihr, der Beklagten, und der Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG sei, dass sie, die Beklagte, der Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG, die Nutzung der Internet-Seite vertraglich gestatte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht wegen der streitgegenständlichen Berichterstattung ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB (analog) i.V.m. Art. 1 und 2 GG zu. Er wird durch die inkriminierten Äußerungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig.

Der Kläger kann diesen Anspruch gegenüber der Beklagten geltend machen. Die Beklagte ist passivlegitimiert.

Nach Ansicht der Kammer hat die Beklagte als Täterin durch die in Rede stehende Berichterstattung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt, indem sie die von ihr gehaltene webpage der Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG für das Einstellen von Beiträgen zur Verfügung gestellt hat. Unerheblich ist es, dass ihr der konkrete Inhalt des umstrittenen Beitrages nicht bekannt gewesen ist. Denn sie ist aufgrund des zwischen ihr und der Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG geschlossenen Nutzungsvertrages damit einverstanden gewesen, dass diese die Internetseite nutzt, um auf dieser Artikel zu veröffentlichen. Ihr Einverständnis zur Verbreitung umfasste somit sämtliche Beiträge, unabhängig von der konkreten Kenntnis deren Inhalts. So wie auch Verleger oder Herausgeber nicht bloße Störer, sondern Täter sind, ist dies bei der Beklagten ebenfalls der Fall (s. auch BGH, GRUR 2007, 890, wonach ebay als Täter und nicht als Teilnehmer oder Störer haftet). Als Täterin ist sie allerdings in jedem Falle passivlegitimiert.

Aber auch wenn die Beklagte nicht als Täterin (oder Teilnehmerin) anzusehen wäre, so würde sie als Störerin auf Unterlassung haften. Als Störer kann derjenige in Anspruch genommen werden, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat zur Verletzung eines geschützten Rechtsgutes beiträgt (vgl. BGH, NJW 2004, 3102 – Internet-Versteigerung I). Danach ist die Beklagte Störerin, weil sie Domain-Inhaberin der Internetseite ist, auf die der in Rede stehende Beitrag veröffentlicht worden ist, und darüber hinaus der Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG aufgrund einer vertraglichen Gestaltung die Nutzung dieser Internet-Seite gestattet hat.

Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, nimmt die Rechtsprechung an, dass die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten voraussetzt (vgl. BGH, NJW 2004, 3102; s. aber auch BGH, NJW 2007, 2558, wonach der Verletzer nach allgemeinem Zivilrecht zur Beseitigung und damit zur Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen verpflichtet bleibt, auch wenn er keine Prüfpflichten verletzt hat). Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, NJW 2004, 3102; BGH, GRUR 1997, 313). Ob und inwieweit dem Betreiber Prüfpflichten obliegen, ist anlassbezogen zu beurteilen. Es besteht ein „gleitender Sorgfaltsmaßstab“ mit einem Spektrum abgestufter Prüfungspflichten.

Vorliegend hat die Beklagte nach dem Ergebnis der vorzunehmenden Abwägung die ihr obliegenden Prüfpflichten verletzt. Zwar bestand für sie kein konkreter Anlass zu der Befürchtung, dass Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG rechtswidrige Beiträge in das Internet einstellen werde. Auf der anderen Seite ist es auch nicht ungewöhnlich, dass durch Berichterstattungen Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt werden. Indem die Beklagte die webpage auch Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG zur Verfügung stellte, hat die Beklagte eine weitere Gefahrenquelle dafür geschaffen, dass auf ihrer Internetseite rechtswidrige Beiträge verbreitet werden. Es kommt insbesondere hinzu, dass nicht wie in einem Internetforum eine unüberschaubare Anzahl von Beiträgen, die von einer unüberschaubaren Anzahl von Nutzern stammen, eingestellt werden, sondern lediglich Artikel von Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG, mit der die Beklagte zudem zumindest über die Hubert Burda Medien Holding AG verbunden ist (vgl. Anlage K 11). Das Verhalten der Beklagten, keine der von der Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG eingestellten Berichterstattungen in irgendeiner Weise zu prüfen, erfüllt daher keinesfalls die an sie zu stellen Prüfungsanforderungen.

Die Beklagte muss außerdem, wenn sie auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, dafür Sorge tragen, dass es möglichst nicht zu weiteren Verletzungen kommt (vgl. BGH, NJW 2004, 3102). Auch dies ist nicht geschehen. Sie hat lediglich die Abmahnungen an Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG weitergeleitet, ohne dieser gegenüber darauf hinzuwirken, dass sie das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht erneut verletzt.

Zu Recht macht zwar die Beklagte geltend, dass die Mitwirkung nur dann zu einer Haftung führt, wenn der Inanspruchgenommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH, GRUR 1990, 373). Dies ist hier jedoch der Fall, da die Beklagte über den mit Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG abgeschlossenen Nutzungsvertrag Einfluss auf diese nehmen kann.

Unerheblich ist es, dass in dem Impressum für die streitgegenständliche Berichterstattung als Verantwortliche nicht die Beklagte, sondern die Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG ausgewiesen wird. Denn die Impressumspflicht nach § 2 Nr. 1 TMG hat nicht zufolge, dass nur der dort Genannte in Anspruch genommen werden könnte. Sondern der Gesetzgeber bezweckte mit der Regelung, dass ein Betroffener hierdurch auf leichte und schnelle Weise herausfinden kann, wer der Anspruchsgegner ist. Dies schließt jedoch nicht aus, dass daneben, wie sonst auch, weitere Personen passivlegitimiert sein können. Auch auf die Privilegierung von § 10 TMG kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, da diese Regelung auf Unterlassungsansprüche keine Anwendung findet. Unterlassungsansprüche bleiben von dieser Vorschrift unberührt (vgl. BGH, NJW 2007, 2558).

Die Wiederholungsgefahr ist durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert (vgl. BGH, NJW 1994, 1281). Gründe, die der Indizwirkung entgegenstünden, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat im Gegensatz zu Tomorrow Beklagte Magazin Verlag GmbH AG keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.