zurück Aktenzeichen: 324 O 63/17 |
Urteil
vom: 12. Januar 2018 |
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom
Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes (im Einzelfall bis zu 250.000,00 EUR) und für
den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungshaft zu vollziehen an den
Vorständen der Beklagten) zu unterlassen,
auf der Website www.g..de im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
folgende 1-Stern-Bewertung bezüglich des Unternehmens des
Klägers wie folgt zu verbreiten
wie geschehen unter der URL https://www.g....com/...
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar zu
Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 EUR
und hinsichtlich Ziffer II. in Höhe von 110% des jeweils zu
vollstreckenden Betrages;
und beschließt:
Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer
Nutzer-Bewertung des Gastronomiebetriebes des Klägers auf der
Website der Beklagten. Der Kläger begehrt von der Beklagten
Unterlassung.
Der Kläger betreibt gemeinsam mit seiner Ehefrau das
„Gasthaus H. M.“ in B..
Die Beklagte betreibt unter anderem unter den URLs www.g....de und
www.g....com eine Suchmaschine und bietet darüber hinaus
weitere Dienste an, darunter die Möglichkeit für
Nutzer des Dienstes „G. Plus“, Bewertungen
über Unternehmen zu verfassen, die auf der Website der
Beklagten veröffentlicht werden. Die Bewertungen
können neben einer Sternebewertung (1 bis maximal 5 Sterne)
auch eine Freitextbewertung enthalten. Die Beklagte nimmt keine Vorab-
oder sonstige redaktionelle Kontrolle der durch die Nutzer
über die Bewertungsfunktion eingestellten Informationen vor.
Der Kläger wendet sich vorliegend gegen eine solche
Nutzer-Bewertung des von ihm betriebenen Gasthauses. Zu dem Gasthaus
sind aktuell 34 Bewertungen einzusehen, die zu einer
Durchschnittsbewertung von 4,0 Sternen führen. Die
streitgegenständliche, aus dem Screenshot in Anlage K1
ersichtliche Bewertung stammt von einer Nutzerin mit dem Profilnamen
„A. K.“. Die Nutzerin hat das Gasthaus des
Klägers mit einem Stern bewertet, dieser Bewertung jedoch
keinen Kommentar hinzugefügt. Im sozialen Netzwerk
„Facebook“ existiert ebenfalls ein Account mit dem
Profilnamen „A. K.“. Ausweislich des Profils
besucht die Facebook-Nutzerin eine knapp sieben Kilometer von dem
Gasthaus entfernte Schule.
Der Kläger forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben
vom 03.01.2017 (Anlage K2) auf, unter anderem hinsichtlich der
streitgegenständlichen Bewertung die Kundeneigenschaft des
jeweiligen Nutzers auf Plausibilität zu prüfen und -
sollte diese nicht gegeben sein - die Bewertung zu löschen.
Mit Antwort-Email der Beklagten vom 09.01.2017 (Anlage K3) teilte diese
dem Kläger mit, dass sie hinsichtlich der
streitgegenständlichen Bewertung nicht tätig werde,
da kein offensichtlicher Verstoß gegen ihre Richtlinien zur
Entfernung von Inhalten bzw. keine unschwer zu erkennende
Rechtsverletzung festgestellt werden könne.
Der Kläger ist der Auffassung, er werde durch die Bewertung in
seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt; die Beklagte
hafte hierfür wegen der Verletzung zumutbarer
Prüfpflichten als Störerin auf Unterlassung.
Die Persönlichkeitsrechtsverletzung folge daraus, dass der
Bewertung keine hinreichenden tatsächlichen
Anknüpfungspunkte zugrunde lägen. Der
maßgebliche Durchschnittsrezipient entnehme der Bewertung,
dass eine geschäftliche Tätigkeit des
Klägers bewertet werde, da die Bewertung seinem, des
Klägers, geschäftlichen Profil zugeordnet sei. Der
Leser gehe mithin davon aus, dass die Bewerterin eine Kundin seines,
des Klägers, Gasthauses gewesen sei und ihre Bewertung auf die
dort erlebten, tatsächlichen Erfahrungen stütze.
Fernliegend sei hingegen ein Verständnis, dass die Bewerterin
keinerlei Berührungspunkte mit dem Gasthaus gehabt habe.
Dieses Verständnis decke sich mit den Richtlinien der
Beklagten für Rezensionen, in denen es - unstreitig -
heißt: „Eine Rezension muss Ihre
tatsächliche Erfahrung mit einem Unternehmen wiederspiegeln.
Veröffentlichen Sie Rezensionen nicht, um die Bewertung (in
Sternen) eines Unternehmens zu beeinflussen.“ Bei der
vorliegenden Ein-Stern-Bewertung handele es sich zwar um eine
Meinungsäußerung, diese sei jedoch mangels
tatsächlicher Anknüpfungspunkte unzulässig.
Der Kläger bestreitet einen Kundenkontakt zu der Bewerterin.
Aufgrund des Fantasienamens „A. K.“ habe er, der
Kläger, die Bewertung keinem seiner Kunden zuordnen
können. Ihm und seinen Mitarbeitern sei auch keine Kundin mit
diesem Namen bekannt. Er, der Kläger, habe die
Aufträge und Rechnungen der letzten Jahre durchgesehen -
über eine Gästedatenbank verfüge das
Gasthaus nicht - und diesen Namen nicht gefunden, weshalb er davon
ausgehe, dass es sich um die Bewertung eines Konkurrenten oder einer
Person ohne Kundenkontakt handele.
Die Beklagte hafte für die Verletzung seines, des
Klägers, allgemeinen Persönlichkeitsrechts als
mittelbare Störerin, da sie zumutbare (reaktive)
Prüfpflichten verletzt habe. Sie sei aufgrund der Beanstandung
verpflichtet gewesen, den Sachverhalt weiter zu ermitteln, insbesondere
die Bewerterin zu kontaktieren und zu einer Stellungnahme aufzufordern.
Da er, der Kläger, in der Beanstandung ausdrücklich
in Abrede genommen habe, dass es sich bei der Bewerterin um eine seiner
Kundinnen handele, sei der Rechtsverstoß unschwer zu bejahen
gewesen, da es für die Bewertung offensichtlich an
tatsächlichen Anknüpfungspunkten fehle. Dies besage
auch die sog. „Jameda II-Entscheidung“ des
Bundesgerichtshofs. An der Verbreitung einer Bewertung, die auf einer
unwahren tatsächlichen Grundlage fuße, bestehe
erkennbar kein berechtigtes Interesse. Es hätte der Beklagten
oblegen, die Bewerterin anzuschreiben um aufzuklären, worauf
diese die Bewertung in tatsächlicher Hinsicht stütze,
die von der Beklagten aufgestellten Mutmaßungen seien
hingegen ohne Belang. Diese Angaben hätte die Beklagte dann
einer rechtlichen Prüfung unterziehen müssen, ob die
Beanstandung des Klägers berechtigt sei. Dieses Vorgehen sei
der Beklagten auch zumutbar gewesen. Ihm, dem Kläger,
hingegen, sei eine direkte Kontaktaufnahme mit der Bewerterin nicht
möglich, da der Dienst der Beklagten - dies ist unstreitig -
eine solche nicht vorsehe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht
für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes (im Einzelfall bis zu 250.000,00 EUR) und für
den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungshaft zu vollziehen an den
Vorständen der Beklagten) zu unterlassen, auf der Website
www.g....de folgende 1-Stern-Bewertung
bezüglich des Unternehmens des Klägers wie folgt zu
verbreiten
wie geschehen unter der URL https://www.g....com/...
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit
des Landgerichts Hamburg. Insbesondere sei auch der besondere
Gerichtsstand des § 32 ZPO nicht eröffnet. Weder die
Parteien noch der Inhalt der Bewertung hätten irgendeinen
Bezug zum Landgerichtsbezirk Hamburg. Die bloße Abrufbarkeit
der in Rede stehenden Bewertung in Hamburg genüge nach der
Rechtsprechung nicht.
Die Klage sei zudem unbegründet. Indem der Klageantrag
(„zu verbreiten“) auf eine Haftung der Beklagten
als Täterin oder Teilnehmerin gerichtet sei, verfehle dieser
schon die konkrete Verletzungsform, da sie, die Beklagte, unstreitig
die Bewertung nicht selbst getätigt habe, sondern lediglich
als Host-Providerin fungiere. Sie ermögliche Dritten lediglich
die „Verbreitung“. Der Streitgegenstand stelle im
Falle einer Störerhaftung im Verhältnis zur
täterschaftlichen Verantwortung kein
„minus“, sondern ein „aliud“
dar, sodass die Klage schon aus diesem Grunde unbegründet sei.
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass weder dem Kläger
noch seinen Mitarbeitern eine Person mit dem Namen „A.
K.“ bekannt sei. Vor dem Hintergrund des entsprechenden
Facebook-Profils mit gleichem Namen, dessen Inhaberin in einem B.
Krankenhaus tätig sei und eine nur knapp sieben Kilometer
entfernte Schule besuche, sei es plausibel, dass die Nutzerin
„A. K.“ das Gasthaus des Klägers
tatsächlich besucht habe. Überdies werde mit
Nichtwissen bestritten, dass weder der Kläger noch seine
Mitarbeiter die junge Frau auf den auf Facebook eingestellten und aus
Anlage B3 ersichtlichen Fotos wiedererkennen, und dass das dort
veröffentlichte Bild einer Hochzeit nicht sogar auf dem
Gelände des klägerischen Gasthauses aufgenommen
worden sei.
Die streitgegenständliche Bewertung stelle eine
zulässige Meinungsäußerung dar. Die Vergabe
einer Sternebewertung bringe ein persönliches Werturteil der
Bewerterin zum Ausdruck. In Bezug auf das Gasthaus des Klägers
sei dies vorliegend so zu verstehen, dass die Bewerterin mit diesem
nicht zufrieden gewesen sei; mehr sei der Bewertung nicht zu entnehmen.
Es werde keine konkrete Anknüpfungstatsache herausgestellt,
auf die sich die Bewertung beziehe. Der inkriminierten Bewertung lasse
sich daher insbesondere nicht entnehmen, dass die Nutzerin Gast in der
Wirtschaft des Klägers gewesen sei. Möglicherweise
sei dies der Fall; vielleicht sei die Nutzerin jedoch auch nur in der
Nähe des Gasthauses spazieren gegangen und ihr habe das
Gebäude missfallen. Möglicherweise habe sich die
Nutzerin auch nur an dem Namen des Gasthauses gestört. Die
Hintergründe ließen sich einer Bewertung ohne
Freitext schlichtweg nicht entnehmen. Dadurch unterscheide sich der
vorliegende Sachverhalt maßgeblich von dem der
„Jameda II-Entscheidung“ des Bundesgerichtshofs
zugrunde liegenden. Das dort streitgegenständliche
Bewertungsportal „Jameda“ sei ein reines
Ärztebewertungsportal, das zudem anders aufgebaut sei;
insbesondere würden dort bestimmte Kategorien
(„Behandlung“,
„Aufklärung“ etc.) bewertet, die Bewerter
würden dort überdies als
„Patienten“ bezeichnet. Der Bundesgerichtshof habe
hieraus den Schluss gezogen, dass die dortigen Bewertungen eine
tatsächlich stattgefundene Behandlung voraussetzten. Bei
ihrer, der Beklagten, Bewertungsfunktion gebe es indes keine
vorformulierten Kategorien. Vielmehr könne sich die Vergabe
eines Sterns auf jegliche Wahrnehmung des Gasthauses stützen.
Zu berücksichtigen sei im Rahmen der Abwägung ferner,
dass sich die Bewertung auf die unternehmerische Tätigkeit des
Klägers beziehe und mithin seine Sozialsphäre
betreffe. Die Vergabe eines Sterns sei auch nicht beleidigend oder
herabwürdigend. Der Kläger habe keinen Anspruch
darauf, nur so dargestellt zu werden, wie er es möchte. Zudem
stünden der inkriminierten Bewertung zahlreiche positive
Bewertungen gegenüber; die Eingriffsintensität sei
daher gering. Die Bewertungen würden der Sicherung der
Meinungsvielfalt dienen. Daher sei es unzulässig, wenn ein
Gewerbetreibender mit Laufkundschaft reine Sternchen-Bewertungen im
Sinne eines „Rosinenpickens“ durch das pauschale
Bestreiten eines Kundenkontakts mit Nichtwissen angreifen
könnte.
Sie, die Beklagte, habe auch keine zumutbaren Prüfpflichten
verletzt. Sie sei unstreitig Host-Provider, sodass sie die
Haftungsprivilegierung des § 10 TMG genieße diese
sei auf Unterlassungsansprüche anwendbar. Auch ohne die
Haftungsprivilegierung könne keine Störerhaftung
angenommen werden. Es fehle jedenfalls an einem hinreichend konkreten
Hinweis auf eine unschwer zu erkennende Rechtsverletzung. Das schlichte
Bestreiten eines Kundenkontakts mit Nichtwissen durch den
Kläger sei vorliegend nicht ausreichend. Auch die
Grundsätze der „Jameda II-Entscheidung“
des BGH könnten aufgrund der gegebenen Unterschiede der
Bewertungsplattformen und der bewerteten Einrichtungen nicht auf den
vorliegenden Fall übertragen werden: Das Verhältnis
zwischen Arzt und Patient sei von direktem Kontakt geprägt,
dem Arzt seien seine Patienten namentlich bekannt und er führe
eine Patientenkartei. In einem Gasthaus hingegen herrsche weitgehend
anonymer Publikumsverkehr. Vor diesem Hintergrund könne das
Bestreiten eines Kundenkontakts keine Prüfpflichten des
Diensteanbieters auslösen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2017 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Klageantrag ist nach dem Begehren des Klägers dahingehend
auszulegen, dass lediglich die Untersagung der Verbreitung der
streitgegenständlichen Bewertung in dem Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland beantragt wird. Die so verstandene Klage ist
zulässig (I.) und begründet (II.).
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht
Hamburg gem. § 32 ZPO örtlich zuständig.
Unter Berücksichtigung der durch den Bundesgerichtshof in der
Entscheidung vom 02.03.2010 (VI ZR 23/09, New York Times, Juris Abs.
20) aufgestellten Maßstäbe, die die Kammer auch
für die örtliche Zuständigkeit heranzieht,
soweit es um die Auslegung des § 32 ZPO geht, muss die
Kenntnisnahme der Berichterstattung auch im Gerichtsbezirk erheblich
näher liegen als ihre bloße Abrufbarkeit. Dies ist
vorliegend indes der Fall. Es ist davon auszugehen, dass das von dem
Kläger betriebene Gasthaus bzw. Restaurant nicht nur von
Gästen aus B. und dem unmittelbaren Umland, sondern auch von
Gästen aus anderen Regionen, insbesondere Touristen aus ganz
Deutschland, unter anderem aus H., besucht wird. Zudem gibt es gerade
zwischen H. und B. besonders viele Berufspendler und
Wochenendtouristen. Das Gasthaus des Klägers ist zudem in der
Nähe des G. M. gelegen (vgl. Anlage B4), der ein beliebtes
Naherholungsgebiet für B., aber auch für externe
Besucher der Stadt darstellt. Es ist naheliegend, dass potentielle
Gäste aus H. das Gasthaus entweder vorab gezielt im Internet -
insbesondere über die Suchmaschine der Beklagten - suchen,
beispielsweise um über die Kontaktdaten einen Tisch zu
reservieren, oder bei der Suche nach einem geeigneten Restaurant in der
betreffenden Umgebung auf das Gasthaus aufmerksam werden, und hierbei
die Bewertungen zur Kenntnis nehmen. Denkbar ist ferner, dass
Gäste aus H. das Gasthaus erst nach einem Besuch über
die Suchmaschine der Beklagten suchen, etwa um eine eigene Bewertung zu
verfassen, und hierbei auf die streitgegenständliche Bewertung
stoßen.
II.
Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht der
geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Verletzung seines
allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. §§
823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1
Abs. 1 GG zu. Die Beklagte ist vorliegend als mittelbare
Störerin zu qualifizieren (hierzu 1.). Als solche haftet sie
im Hinblick auf die streitgegenständliche Bewertung auf
Unterlassung, weil sie die ihr obliegenden Prüfungspflichten
verletzt hat (hierzu 2.).
1.
Die Beklagte ist mit Blick auf die streitgegenständliche
Bewertung und die durch ihre Verbreitung gegebene Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers
verantwortlich und haftet insoweit auf Unterlassung. Zwar haftet die
Beklagte vorliegend nicht als unmittelbare Störerin bzw.
Täterin, weil sie die in Rede stehende Bewertung weder selbst
verfasst noch sich zu Eigen gemacht hat (BGH, Urteil vom 27.03.2012, VI
ZR 144/11 - RSS-Feeds, Juris Tz. 18; Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 93/10
- Blog-Eintrag, Juris Tz. 20). Von einem Zu-Eigen-Machen ist dabei dann
auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die
inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite
veröffentlichten Inhalte übernommen hat, was aus
Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der
Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu
beurteilen ist. Dabei ist bei der Annahme einer Identifikation mit
fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten
(vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15 = GRUR 2016, 855, Tz.
17, m.w.N.). Nach diesen Maßstäben hat sich die
Beklagte die in Rede stehende Sternebewertung (eins von fünf)
nicht zu Eigen gemacht. Unstreitig findet keine Vorab-Prüfung
der auf der Website der Beklagten eingestellten Bewertungen statt. Die
Beklagte präsentiert die Bewertung auch nicht als eigene,
sondern stellt sie für den durchschnittlichen Nutzer erkennbar
als Bewertung der „A. K.“ dar. Eine Haftung als
Täterin scheidet damit aus. Die Beklagte kann jedoch als
Host-Provider vorliegend als Störerin in Anspruch genommen
werden, weil sie die technischen Möglichkeiten des
Internetdienstes zur Verfügung gestellt hat (BGH, Urteil vom
25.10.2011, VI ZR 93/10 - Blog-Eintrag, Juris Tz. 20). Als
Störer ist verpflichtet, wer - ohne Täter oder
Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und
adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten
Rechtsguts beiträgt (BGH, a.a.O., Juris Tz. 21 m.w.N.). Indem
die Beklagte wie geschehen die Bewertungen Dritter auf ihrer Website
verbreitet, trägt sie willentlich und adäquat-kausal
zu möglichen Verletzungen des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts der Beurteilten bei.
Die besonderen Regelungen des Telemediengesetzes (TMG) stehen dem
streitgegenständlichen Anspruch nicht entgegen. Die
Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, der seine Grundlage in
einer vorangegangenen Rechtsverletzung findet, wird durch das
Haftungsprivileg des § 10 TMG nicht eingeschränkt (so
BGH, GRUR 2016, 855, Tz. 19 - m.w.N).
2.
Die Beklagte hat vorliegend die sie als Störerin treffenden
Prüfpflichten verletzt.
a)
Zwar kann als Beitrag für eine Störerhaftung auch die
Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines
eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in
Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche
Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Die
Haftung als mittelbarer Störer darf aber nicht über
Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige
Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt
deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von
Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob
und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch
Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine
Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 22 -
m.w.N).
Die Beklagte ist hiernach zur Vermeidung einer Haftung als mittelbare
Störerin zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, die
von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der
Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu
überprüfen. Sie ist aber verantwortlich, sobald sie
Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Wird eine Verletzung von
Persönlichkeitsrechten behauptet, wird sich eine
Rechtsverletzung allerdings nicht stets ohne Weiteres feststellen
lassen. Denn sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht
des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 2
Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem durch Art. 5 Abs.
1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht jedenfalls des Providers
auf Meinungs- und Medienfreiheit. Ist der Provider jedoch mit der
Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die so konkret gefasst
ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung
des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und
Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung
einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag
Verantwortlichen erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn die
Zulässigkeit einer Meinungsäußerung im
Streit steht (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 23, 24 - m.w.N).
b)
Die Beklagte wäre nach diesen Grundsätzen
verpflichtet gewesen, nach Erhalt des Abmahnschreibens des
Klägers vom 03.01.2017 (Anlage K2), spätestens aber
nach Zustellung der Klageschrift den Sachverhalt weiter zu ermitteln
und anschließend zu bewerten. Denn hierdurch ist der in Rede
stehende Rechtsverstoß hinreichend konkret gefasst und war im
erforderlichen Maße unschwer zu bejahen. Indem die Beklagte
es anschließend dennoch unterließ, mit der Nutzerin
„A. K.“ in Kontakt zu treten, hat sie die ihr
zukommenden Prüfungspflichten verletzt.
aa)
Die Abmahnung vom 03.01.2017 (Anlage K2) war hinreichend konkret
gefasst. Die Fundstelle der Äußerung war durch die
Nennung der URL, die zu den Bewertungen des Gasthauses des
Klägers führte, ohne Weiteres auffindbar. Die in Rede
stehende Bewertung war durch die Angabe des Nutzernamens und des
Zeitpunkts ihrer Veröffentlichung (seinerzeit „vor 3
Monaten“), der den einzelnen Bewertungen auch auf der Website
der Beklagten jeweils beigefügt ist, eindeutig identifizierbar.
Der Kläger hat bereits in seiner Abmahnung auch hinreichend
deutlich gemacht, worauf er die behauptete Rechtswidrigkeit der
Bewertung stützte. Er nimmt in der Abmahnung in Abrede, dass
ein Kundenkontakt zwischen ihm und den Verfassern der abgemahnten
Bewertungen - mithin auch der „A. K.“ -
stattgefunden habe, beziehungsweise bestreitet diesen mit Nichtwissen.
In der Klageschrift hat er diesbezüglich weiter
ausgeführt, dass er anhand des Nutzernamens „A.
K.“ die Bewertung keinem seiner Kunden habe zuordnen
können. Ihm und seinen Mitarbeitern sei auch keine Kundin mit
diesem Namen bekannt. Er, der Kläger, habe die
Aufträge und Rechnungen der letzten Jahre durchgesehen und
diesen Namen nicht gefunden. Er gehe deshalb davon aus, dass es sich um
die Bewertung eines Konkurrenten oder einer Person ohne Kundenkontakt
handele. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger schon in der
Abmahnung die Verletzung seines allgemeinen
Persönlichkeitsrechts geltend gemacht und insoweit auf die
„Jameda II-Entscheidung“ des Bundesgerichtshofs
verwiesen, aus der sich die Rechtswidrigkeit ergäbe.
bb)
Auf dieser behaupteten Grundlage war der Rechtsverstoß
für die Beklagte auch unschwer zu bejahen. Denn sofern die
Behauptung des Klägers, dass es zu der Nutzerin „A.
K.“ keinen Kundenkontakt gegeben habe, zutrifft, verletzt die
Bewertung den Kläger offensichtlich in seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht, da dieser keine hinreichenden
tatsächlichen Anknüpfungspunkte zugrunde liegen.
(1)
Der Kläger ist Mit-Betreiber des bewerteten Gasthauses
„H. M.“ und als solcher von der Bewertung des
Gasthauses betroffen.
(2)
Die in Rede stehende Bewertung ist für das Gasthaus und mithin
auch für den Kläger als dessen Mit-Betreiber
abträglich und greift daher in den Schutzbereich seines
allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein. Durch die
unkommentierte Vergabe lediglich eines von fünf
möglichen Sternen bringt die Nutzerin zum Ausdruck, dass sie
das Gasthaus - oder wenigstens einen das Gasthaus betreffenden, nicht
näher bezeichneten Aspekt - als unzureichend bzw.
ungenügend ansieht. Diese Einschätzung ist
offenkundig geeignet, den Kläger als Betreiber des Gasthauses
in seiner Ehre und seinem sozialen Geltungsanspruch zu
beeinträchtigen und sich abträglich auf sein Bild in
der Öffentlichkeit auszuwirken.
(3)
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist auch
rechtswidrig. Insoweit sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG
(auch in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK
gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner
sozialen Anerkennung und seiner (Berufs-)Ehre mit der in Art. 5 Abs. 1
GG und Art. 10 EMRK verankerten Kommunikationsfreiheit der Beklagten
und der Meinungsäußerungsfreiheit des Bewertenden
abzuwägen.
i.
Maßgeblich für die Abwägung ist
zunächst der Aussagegehalt, den die Bewertung nach dem
Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen
Durchschnittspublikums hat. Die Äußerung ist
vorliegend zwar detailarm, indessen ist sie nicht in einem
Maße vieldeutig, dass sie gar nicht als
eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts
verstanden wird (vgl. auch BVerfG, GRUR-RR 2011, 224, 225). Zwar geht
aus der Bewertung selbst nicht unmittelbar hervor, worauf die Nutzerin
„A. K.“ ihre Bewertung stützt. Der
maßgebliche Durchschnittsrezipient geht jedoch aufgrund des
Kontextes, in dem die Bewertung steht, naheliegender Weise davon aus,
dass hier eine als Gast des Gasthauses des Klägers gemachte
Erfahrung bewertet wird. Denn die Angaben sind dem Eintrag
„Gasthaus H. M.“ zugeordnet. Der durchschnittliche
Leser nimmt deshalb an, dass die Bewerterin dort Gast war und ihre
Bewertung auf die dort gemachten Erfahrungen stützt. Als nicht
fernliegend ist auch ein Verständnis dahingehend anzusehen,
dass die Bewerterin zwar nicht Gast war, aber zumindest in sonstiger
Weise in Kontakt mit dem Gasthaus stand, beispielsweise dergestalt,
dass ein telefonischer Kontakt zur Reservierung eines Tisches
stattgefunden hat, oder dass die Bewerterin als Passantin zumindest
einen Eindruck von dem Gasthaus und womöglich sogar von dem
dortigen Service gewonnen hat, den sie ihrer Bewertung zugrunde liegt.
Fernliegend ist dagegen ein Verständnis, wonach die Bewerterin
keinerlei eigene Berührungspunkte - welcher Art auch immer -
mit dem Gasthaus gehabt hat.
ii.
Bei der streitgegenständlichen Bewertung - der Vergabe
lediglich eines Sternes ohne Begleittext - handelt es sich um eine
Meinungsäußerung. Eine
Meinungsäußerung liegt vor, wenn eine
Äußerung - anders als eine Tatsachenbehauptung -
nicht dem Beweise zugänglich ist, sich insbesondere nicht mit
dem Kriterium ‚wahr oder unwahr‘ messen
lässt, sondern vom Element der Stellungnahme und des
Dafürhaltens gekennzeichnet ist, also einen Vorgang oder
Zustand an einem vom Kritiker gewählten Maßstab
misst (vgl. BVerfG NJW 1983, 1415; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rz.
4). Die durch die bloße Vergabe eines Sternes zum Ausdruck
kommende Bewertung des Gasthauses des Klägers als
ungenügend beruht auf einer persönlichen Wertung der
Nutzerin.
Zwar genießen Meinungsäußerungen einen
sehr weiten Schutz. Bei wertenden Äußerungen treten
die Belange des Persönlichkeitsschutzes gegenüber der
Meinungsfreiheit grundsätzlich zurück, es sei denn,
die in Frage stehende Äußerung stellt sich als
Schmähkritik oder Formalbeleidigung dar oder enthält
einen Angriff auf die Menschenwürde des Betroffenen. In
anderen Fällen bedarf es einer abwägenden
Prüfung im Einzelfall, ob die Vermutung für die
Freiheit der Rede durch gegenläufige Belange des
Persönlichkeitsschutzes überwunden wird (vgl. BVerfG
NJW 2006, 3769, 3772 - Babycaust). Die zugunsten der Beklagten
streitende Meinungsäußerungsfreiheit findet jedoch -
soweit es um Äußerungen in den Medien geht - dort
ihre Grenze, wo es für eine bestimmte und einen anderen
belastende Meinung schlechthin keine tatsächlichen
Bezugspunkte gibt (vgl. Soehring, Presserecht, 5. Auflage § 20
Tz. 9b). Fehlen also tatsächliche Bezugspunkte, auf die sich
eine Meinung stützt oder sind die tatsächlichen
Bezugspunkte unwahr, muss die Meinungsfreiheit
regelmäßig gegenüber dem kollidierenden
Schutzgut zurücktreten.
iii.
Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei der
streitgegenständlichen Bewertung um eine unzulässige
Meinungsäußerung, denn prozessual ist vorliegend
zugrunde zu legen, dass für diese keine hinreichenden
tatsächlichen Anknüpfungspunkte bestehen.
Insbesondere ist prozessual davon auszugehen, dass ein Besuch der
Nutzerin „A. K.“ in dem Gasthaus des
Klägers - oder ein irgendwie gearteter anderweitiger Kontakt -
nicht stattgefunden hat. Der Kläger hat in Abrede genommen,
dass die Nutzerin Kundin in seinem Gasthaus war. Dies hat er auch nicht
lediglich pauschal verneint, sondern er trägt weiter vor, dass
weder ihm noch seinen Mitarbeitern eine Kundin mit dem Namen
„A. K.“ bekannt sei. Er habe überdies die
Aufträge und Rechnungen der letzten Jahre durchgesehen und
diesen Namen dort nicht gefunden - eine Gästedatenbank werde
nicht geführt. Vor dem Hintergrund dieses Vorbringens trifft
die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der
tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die in
Rede stehende Meinungsäußerung. Zwar weist die
Beklagte zu Recht darauf hin, dass nicht jeder Gast in
Auftragsbüchern oder Rechnungen erfasst wird, da eine Vielzahl
der Gäste anonym bleiben dürfte. Jedoch ist nicht
ersichtlich, dass der Kläger vorliegend mehr hätte
tun können, als Rechnungen und Aufträge zu
durchsuchen und seine Mitarbeiter zu befragen, um herauszufinden, ob
die Nutzerin tatsächlich einmal Gast bei ihm gewesen ist. Da
die Begründung nicht mit einem Freitext versehen ist, in dem
beispielsweise Details des behaupteten Besuches offenbart werden, fehlt
es für den Kläger an weiteren Anhaltspunkten,
mithilfe derer er einen Besuch der Nutzerin darüber hinaus
hätte überprüfen können. Die
Beklagte ist ihrer (sekundären) Darlegungslast hinsichtlich
eines eventuellen Besuches der Nutzerin vorliegend nicht nachgekommen.
Die von der Beklagten dargelegte bloße Möglichkeit
eines Besuches, da es eine Facebook-Nutzerin mit identischem
Nutzernamen gebe, die eine etwa sieben Kilometer von dem Gasthaus
entfernte Schule besuche, ist freilich nicht ausreichend. Es kann
bereits nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass es sich bei
beiden Nutzerinnen um dieselbe Person handelt. Selbst wenn dies der
Fall wäre, würde der Wohnort der Facebook-Nutzerin
allenfalls ein äußerst schwaches Indiz
dafür darstellen, dass sie das Gasthaus des Klägers
tatsächlich besucht haben könnte. Auch der Umstand,
dass sich der Kläger zu der von der Beklagten mit Nichtwissen
bestrittenen Behauptung, dass weder der Kläger noch seine
Mitarbeiter die junge Frau auf den auf Facebook eingestellten Fotos
wiedererkennen, und dass das Bild einer Hochzeit nicht sogar auf dem
Gelände des klägerischen Gasthauses aufgenommen
worden sei, nicht erklärt hat, führt nicht dazu, dass
das Gegenteil gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Denn
gem. § 138 Abs. 2 ZPO obliegt es dem Kläger
lediglich, sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen
zu erklären. Die in Rede stehenden, durch das Bestreiten
insinuierten Mutmaßungen hat die Beklagte indes nicht selbst
behauptet. Es ist zudem - wie bereits dargelegt - nicht einmal
erkennbar, ob das Facebook-Profil derselben Nutzerin zuzuordnen ist,
wie das Google Plus-Profil, mit dem die streitgegenständliche
Bewertung verfasst worden ist.
Es kann vorliegend dahinstehen, ob bereits der Umstand, dass prozessual
davon auszugehen ist, dass die Nutzerin „A. K.“
keinen eigenen Kontakt zu dem Gasthaus des Klägers hatte, zur
Unzulässigkeit der in der streitgegenständlichen
Bewertung zum Ausdruck kommenden Meinungsäußerung
führt. Hierfür spricht indes die auch von dem
Kläger in Bezug genommene „Jameda
II-Entscheidung“ des Bundesgerichtshofs. In dieser hat der
Bundesgerichtshof mit Blick auf die dort in Rede stehende Bewertung auf
einem Ärztebewertungsportal ausgeführt, dass die
Interessen des bewerteten Arztes überwiegen, wenn der
angegriffenen Bewertung kein Behandlungskontakt zu Grunde liegt (BGH,
GRUR 2016, 855 Tz. 36). Es bestehe weder ein berechtigtes Interesse des
Nutzers, eine tatsächlich nicht stattgefundene Behandlung zu
bewerten, noch ein berechtigtes Interesse des Host-Providers, eine
Bewertung über eine nicht stattgefundene Behandlung zu
kommunizieren (BGH, a.a.O.). Die Kammer ist der Ansicht, dass diese
Erwägungen auch auf andere Bewertungsportale und die
Bewertungen anderer Einrichtungen im Grundsatz übertragbar
sind. Dem steht nicht entgegen, dass ein Arzt, der über eine
Patientenkartei verfügt, und dem daher
regelmäßig mehr Mittel zur Verfügung
stehen, zu überprüfen, ob zu dem Verfasser einer
Bewertung - sofern dieser die Bewertung unter seinem Klarnamen
veröffentlicht - ein Patientenkontakt stattgefunden hat, als
beispielsweise - wie vorliegend - der Wirt eines Gasthauses, dessen
Kunden häufig anonym bleiben dürften. Das Fehlen
näherer Erkenntnisquellen kann sich indes nicht zu Lasten des
Bewerteten auswirken. Sofern er, wie vorliegend der Kläger,
geltend macht, sämtliche ihm zur Verfügung stehenden
Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft und hierbei
keine Anhaltspunkte für einen Kundenkontakt mit dem
Bewertenden ausgemacht zu haben, trifft die Beklagte insoweit eine
sekundäre Darlegungslast. Um dieser nachkommen zu
können, obliegt es ihr gerade, die Beschwerde an den Verfasser
der Bewertung zur Stellungnahme weiterzuleiten (hierzu s.u.).
Ob trotz des oben dargestellten Verständnisses des
Durchschnittsrezipienten von der streitgegenständlichen
Bewertung auch andere, von einem eigenen Kontakt der Bewerterin zum
Gasthaus des Klägers unabhängige Umstände
hinreichende tatsächliche Anknüpfungspunkte
für die in Rede stehende Meinungsäußerung
bieten können, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn
solche sind weder ersichtlich noch von der Beklagten substantiiert
dargelegt worden. Zwar weist die Beklagte unter Bezugnahme auf die aus
den Anlagen B6 und B7 ersichtlichen Entscheidungen des Landgerichts
Köln und des Landgerichts Augsburg zu Recht darauf hin, dass
die Zulässigkeit einer Meinungsäußerung
nicht voraussetzt, dass ihre tatsächlichen
Anknüpfungspunkte im Zusammenhang mit der
Äußerung mitgeteilt werden. Jedoch hätte es
der Beklagten jedenfalls oblegen, deren Vorliegen nunmehr zu ermitteln
und gegebenenfalls darzulegen, indem die Nutzerin angeschrieben wird.
Insbesondere das Fehlen tatsächlicher Bezugspunkte, auf die
sich eine Meinungsäußerung stützt, kann ein
maßgebliches Indiz dafür darstellen, dass eine
Äußerung auch dann nicht mehr zu rechtfertigen ist,
wenn es sich nicht um Schmähkritik handelt (vgl. BVerfG NJW
2012, 1643 - Grüne Gentechnik BVerfG, Beschl. v. 04.08.2016, 1
BvR 2619/13, Rn. 13). In der Wirkung derselbe Effekt ergibt sich, wenn
sich herausstellt, dass die Tatsachenbehauptung, auf die sich eine
Meinungsäußerung stützt, unwahr ist (vgl.
EGMR, AfP 2014, 430; BVerfG, NJW 2012, 1643; BGH, GRUR 2016, 855 Tz.
24). Daher verlangt die Rechtsprechung im Prozess die Offenbarung und
gegebenenfalls den Nachweis der Richtigkeit der tatsächlichen
Bezugspunkte der umstrittenen Äußerung
(Soehring/Hoene, a.a.O., § 20 Tz. 9b).
(4)
Der Rechtsverstoß ist im vorliegend zu bewertenden Einzelfall
auch in dem erforderlichen Maße offensichtlich, um die
Pflicht der Beklagten zur Ermittlung und Bewertung des gesamten
Sachverhalts auszulösen. Denn an der Verbreitung einer
Bewertung, die auf einer unwahren tatsächlichen Grundlage
fußt und für die auch ansonsten keinerlei
tatsächliche Anknüpfungspunkte bestehen, besteht
offensichtlich kein berechtigtes Interesse. Ohne diese
Anknüpfungspunkte ist die Äußerung daher
offenkundig rechtswidrig. Hierauf hat auch der Kläger in
seiner Abmahnung hingewiesen und insoweit einschlägige
Rechtsprechung zitiert.
cc)
Zur Bestimmung, welcher Überprüfungsaufwand von der
Beklagten zu verlangen ist, bedarf es einer umfassenden
Interessenabwägung, bei der die betroffenen Grundrechte der
Beteiligten zu berücksichtigen sind. Zu welchen konkreten
Überprüfungsmaßnahmen der Host-Provider
verpflichtet ist, bestimmt sich nach den Umständen des
Einzelfalls. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht
der angezeigten Rechtsverletzung sowie den
Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu. Zu
berücksichtigen sind aber auch Funktion und Aufgabenstellung
des vom Provider betriebenen Dienstes sowie die Eigenverantwortung des
für die
persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigende Aussage
unmittelbar verantwortlichen Nutzers (vgl. zum Umfang der
Prüfungspflichten für Hostprovider
ausführlich BGH, GRUR 2016, 855, Tz. 38 ff., m.w.N.).
Zugunsten der Beklagten ist hier zu berücksichtigen, dass es
sich bei der von ihr zur Verfügung gestellten
Bewertungsmöglichkeit um ein von der Rechtsordnung gebilligtes
Geschäftsmodell handelt, das dem Verbraucherschutz dient und
dem der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG zukommt. Der zu erbringende
Prüfungsaufwand darf diesen Betrieb deshalb weder
wirtschaftlich gefährden noch
unverhältnismäßig erschweren. Andererseits
ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass das Bereithalten von
Bewertungsmöglichkeiten schon von vornherein ein gesteigertes
Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit sich
bringt (vgl. auch BGH, a.a.O., Tz. 40, m.w.N.). Die Beklagte musste
deshalb von Anfang an mit entsprechenden Beanstandungen rechnen. Auch
ist die angegriffene Bewertung geeignet, die Chancen des
Klägers im Wettbewerb mit anderen Gasthäusern und
Gastronomiebetrieben nachteilig zu beeinträchtigen.
Die Abwägung dieser Umstände ergibt im zu
beurteilenden Einzelfall, dass die Beklagte hier verpflichtet war,
ernsthaft zu versuchen, sich die notwendige Tatsachengrundlage zu
verschaffen, um die Berechtigung der Beanstandung des Klägers
klären zu können. Sie wäre daher
verpflichtet gewesen, nach dem Hinweis des Klägers in der
Abmahnung die Bewerterin anzuschreiben und so aufzuklären,
worauf sie ihre Bewertung in tatsächlicher Hinsicht
stützt. Diese Angaben hätte sie dann einer
rechtlichen Prüfung dahingehend unterziehen müssen,
ob die Beanstandung des Klägers berechtigt ist. Auch der
Umstand, dass es neben der streitgegenständlichen Bewertungen
weitere, insbesondere auch positive Bewertungen des Gasthauses des
Klägers gibt, die insgesamt zu einer deutlich besseren
Durchschnittsbewertung von 4,0 Sternen führen, lässt
die Prüfungspflichten der Beklagten nicht entfallen. Denn dies
relativiert nicht die Abträglichkeit der in Rede stehenden
Bewertung. Indem die Beklagte es schon unterließ, die
Bewerterin auf die Abmahnung des Klägers hin zu kontaktieren,
hat sie die ihr zukommenden Prüfungspflichten verletzt, so
dass sie auf Unterlassung haftet.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagten diese
Prüfungspflicht nicht zumutbar wäre. Dass die
Prüfung ihren wirtschaftlichen Bestand gefährden
würde, ist nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass es auf
der Website der Beklagten eine Vielzahl Bewertungen gibt,
führt angesichts des mit dem angebotenen Dienst verbundenen
gesteigerten Risikos für
Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht dazu, dass der Umfang
der Prüfungspflichten abzusenken wäre. Im
Übrigen ist der Beklagten eine Kontaktaufnahme mit dem
Bewerter zur Aufklärung des Sachverhalts problemlos
möglich, weshalb sie insoweit über weitreichendere
Erkenntnismöglichkeiten verfügt als der
Kläger. Denn eine direkte Kontaktaufnahme des Bewerteten zum
Bewerter sieht der Dienst der Beklagten unstreitig nicht vor.
3.
Es besteht auch die für den Verfügungsgrund
erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird durch
die Erstbegehung indiziert, es wurde keine strafbewehrte
Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben und auch sonst
sind keine Umstände ersichtlich, die eine Wiederholungsgefahr
entfallen lassen könnten.
4.
Der Klageantrag erfasst - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch
die konkrete Verletzungsform. „Verbreiten“ meint
vorliegend nicht nur den Fall, in dem die Beklagte eine eigene
Bewertung oder eine Bewertung eines Dritten, die sie sich zu Eigen
macht, verbreitet, sondern erfasst auch den vorliegenden Fall, in dem
die Beklagte eine fremde Bewertung als Host-Provider über ihre
Website zum Abruf bereithält (vgl. auch BGH, GRUR 2016, 855).
Soweit die Beklagte sich auf urheberrechtliche Rechtsprechung beruft,
ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff des Verbreitens im
urheberrechtlichen Sinne, da das Verbreiten gem. § 17 UrhG ein
eigenes Nutzungsrecht darstellt, anders auszulegen ist, als im
äußerungsrechtlichen Sinne.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91
Abs. 1 sowie aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Die
Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.
Unterschriften