erkennt das
Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24 auf die mündliche
Verhandlung vom 10.11.2006 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske
den Richter am Landgericht Zink
den Richter am Landgericht Dr. Weyhe
für Recht:
1. Die
einstweilige Verfügung vom 13.9.2006 wird aufgehoben und der
ihr zugrundeliegende Antrag zurückgewiesen.
2.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der
Antragsteller darf die Kostenvollstreckung durch die Antragsgegnerin
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Antragsgegnerin betreibt die Aufhebung der einstweiligen
Verfügung der Kammer vom 13.9.2006 gemäß
§ 927 ZPO, mit der ihr die Verbreitung bestimmter
Äußerungen über den Antragsteller untersagt
worden war.
Im Verlag der Antragsgegnerin erscheint die Zeitschrift ... . In der
Ausgabe vom 14.8.2006 wurde ein Beitrag mit der Überschrift
... veröffentlicht, der sich u.a. mit dem Antragsteller
befasst (Anl ASt 1).
Auf eine Abmahnung des Antragstellers wegen dieses Beitrages
antworteten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der
Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14. und 16.8.2006. Im Schreiben vom
14.8.2006 hieß es u.a.: "... wir vertreten ... .
Entsprechende Bevollmächtigung ist versichert. Zu Ihrem
Schreiben vom 14.8.2006, welches uns unsere Mandantin zur Beantwortung
zuleitete:..." (Anl ASt 9).
Am 13.9.2006 erwirkte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen
Verfügung, mit der der Antragsgegnerin verschiedene
Äußerungen aus dem genannten Bericht verboten
wurden. Sowohl in dem auf deren Erlass gerichteten Antrag als auch in
der einstweiligen Verfügung selbst war die Kanzlei der
Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin im Passivrubrum
angeführt, sc. als ... bzw. als ... . Zwischen den Parteien
ist streitig, zu welchem Zeitpunkt eine Bevollmächtigung
dieser Kanzlei durch die Antragsgegnerin erfolgte und wann die
Antragsgegnerin Kenntnis von der einstweiligen Verfügung
erlangte.
Der Beschluss vom 13.9.2006 ging dem Antragsteller am 14.9.2006 zu. Mit
Schreiben vom 15.9.2006 übersandte dieser den Beschluss an die
Gerichtsvollzieherverteilerstelle beim AG München mit der
Bitte um Zustellung an die Antragsgegnerin selbst (Anl ASt 12).
Am 20.09.2006 übergab die Gerichtsvollzieherin ... die
einstweilige Verfügung an die Bürovorsteherin der
Prozess bevollmächtigten der Antragsgegnerin, nachdem sie sich
zuvor an die Poststelle oder den Empfang der im gleichen
Gebäude residierenden Antragsgegnerin gewandt hatte, wo der
Beschluss indes nicht ent¬- gegen genommen worden war; die
Gerichtsvollzieherin übersandte dem Antragsteller am selben
Tag Unterlagen sowie ihre Kostenrechnung mit dem Bemerken "nach
erfolgter Zustellung" (Anl. ASt 13).
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragsgegnerin die Aufhebung der
einstweiligen Verfügung gemäß §
927 ZPO mangels Zustellung innerhalb der Vollziehungsfrist. Sie
trägt zur Begründung u.a. vor, dass ihre
Prozessbevollmächtigten vorprozessual nur zur Beantwortung des
Abmahnschreibens bevollmächtigt gewesen seien. Sie behauptet
dazu, dass ihr die einstweilige Verfügung bis zum 17.10.2006
tatsächlich nicht zugegangen sei. Die Bürovorsteherin
ihrer Prozessbevollmächtigten sei nicht in der Lage, das
Vorliegen einer Prozessvollmacht bei Entgegennahme zu
überprüfen, ihr Pförtner am Empfang habe die
Gerichtsvollzieherin aufgrund des Rubrums des Beschlusses an ihre
späteren Prozessbevollmächtigten verwiesen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die durch Beschluss des Landgerichts
Hamburg vom 13.9.2006 (324 O 618/06) erlassene einstweilige
Verfügung aufzuheben.
Der Antragsteller beantragt,
diesen Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller behauptet, die einstweilige Verfügung sei
der Antragsstellerin im Wege der routinemäßigen Post
von den Prozessbevollmächtigten am 21.9.2006 zugegangen. Er
ist zudem der Ansicht, dass die Berufung auf einen Zustellungsmangel
rechtsmissbräuchlich sei; die Prozessbevollmächtigten
der Antragsgegnerin seien praktisch deren "In-House-Rechtsabteilung".
Der Antragsteller behauptet, dass die Poststelle der Antragsgegnerin
die Gerichtsvollzieherin mit der Begründung, für
"derartiges" seien die Prozessbevollmächtigten
zuständig, auf eine Zustellung an ihre
Prozessbevollmächtigten verwiesen habe; hierzu verweist der
Antragsteller auf eine Erklärung der Gerichtsvollzieherin (Anl
ASt 14). Eventuelle Zustellungsmängel seien jedenfalls nach
der Bestellung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin
geheilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Der zulässige Antrag auf Aufhebung der einstweiligen
Verfügung vom 13.9.2006 ist begründet. Die
einstweilige Verfügung ist aufzuheben, da sie nicht innerhalb
der Vollziehungsfrist zugestellt wurde.
Gem. §§ 927 Abs.1, 936 ZPO kann eine einstweilige
Verfügung u. a. aufgehoben werden, wenn veränderte
Umstände vorliegen. Es stellt einen solchen
veränderten Umstand dar, wenn die einstweilige
Verfügung nicht vollzogen wurde und nicht mehr vollzogen
werden kann (vgl. Zöller / Vollkommer, ZPO, 25. Aufl.,
§ 927 Rn.6). Dies ist hier der Fall:
Eine einstweilige Anordnung, die wie hier einen Unterlassungsanspruch
sichert, wird dadurch vollzogen, dass sie dem Schuldner im Wege des
Parteibetriebs zugestellt wird (Zöller / Vollkommer, ZPO, 25.
Aufl., § 929 Rn.13). Die hierfür eingeräumte
Frist betrug im vorliegenden Fall gemäß §
929 Abs.2 ZPO einen Monat ab dem 14.9.2006, da die einstweilige
Verfügung dem Antragsteller an diesem Tag zugestellt worden
war; diese Frist endete gemäß §§
222 Abs.1, 2 ZPO, 187 Abs.1, 188 Abs.2 BGB am Montag, den 16.10.2006.
Der Antragsteller hat indes nicht glaubhaft gemacht, dass der
Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung bis zu diesem
Termin zugestellt wurde, insbesondere erfolgte keine wirksame
Zustellung durch die Gerichtsvollzieherin ... am 20.9.2006. Entgegen
§§ 51, 166, 170 Abs.2 und 3 ZPO erfolgte die
Zustellung durch die Gerichtsvollzieherin nicht an Leiter oder
gesetzliche Vertreter der Antragsgegnerin; tatsächlich
ausgehändigt wurde die einstweilige Verfügung
vielmehr unstreitig den jetzigen Prozessbevollmächtigten der
Antragsgegnerin. Dies stellte aber keine wirksame Zustellung
gemäß §§ 172 Abs.1, 191 ZPO dar,
denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Kanzlei
der Rechtsanwälte ... von der Antragsgegnerin zu diesem
Zeitpunkt schon bevollmächtigt waren, insbesondere bestand
auch nicht der Anschein einer Prozessvollmacht. Ein solcher Anschein
wird nicht dadurch erweckt, dass vorgerichtlich auf ein Mahnschreiben
geantwortet wird, wenn nicht eindeutig und unmissverständlich
auf eine eventuelle Prozessvollmacht hingewiesen wird (HansOLG WRP 2006
909; GRUR 1998, 175). Die Formulierung "entsprechende
Bevollmächtigung wird versichert" genügt dem nicht,
denn diese ist nicht eindeutig auf eine Bevollmächtigung
für gerichtliche Verfahren bezogen (vgl. Zöller /
Vollkommer, ZPO, 25.Aufl., § 922 Rn.11). Hinzu kommt, dass die
weitere Formulierung des Schreibens vom 14.8.2006 (Anl ASt 9) gerade
Zweifel zu wecken geeignet war, dass eine Prozessvollmacht besteht,
denn dort heißt es, dass der Kanzlei der
Rechtsanwälte ... das Abmahnschreiben des Antragstellers "zur
Beantwortung zugeleitet" worden sei; dieser Formulierung mag dem
Adressaten sogar eine entsprechende Beschränkung der Vollmacht
signalisieren, steht aber jedenfalls der Annahme einer eindeutigen
Mitteilung einer Prozessvollmacht entgegen. Auch aus der Tatsache, dass
die Prozessbevollmächtigten die Antragsgegnerin in
Pressesachen regelmäßig vertreten, ergibt sich kein
Vollmachtsanschein für den Antragsteller. Dass auch der
Antragsteller nicht davon ausging, dass bereits bei der versuchten
Zustellung der einstweiligen Verfügung eine Prozessvollmacht
für die Kanzlei der Rechtsanwälte ... bestand, zeigt
zudem die Tatsache, dass er die Gerichtsvollzieherin mit einer
Zustellung gerade an die Antragsgegnerin selbst beauftragte. ...
Schließlich ist es nicht rechtsmissbräuchlich, dass
sich die Antragsgegnerin auf die fehlerhafte Zustellung beruft.
Insbesondere liegt kein Sachverhalt vor, der einer
Zustellungsvereitelung durch die Antragsgegnerin vergleichbar
wäre. Zwar hatte sich die Gerichtsvollzieherin unstreitig
zunächst in die Räumlichkeiten der Antragsgegnerin
begeben, war dort jedoch - vom Empfang oder von der Poststelle - an die
Kanzlei der Rechtsanwälte ... worden. Die Behauptung des
Antragstellers, dass der Gerichtsvollzieherin hierbei gesagt worden
sei, dass "für derartige Sachen" - also generell - die
"Anwälte ... zuständig" seien, ist indes
unsubstantiiert, denn aus der vom Antragsteller selbst vorgelegten
Stellungnahme der Gerichtsvollzieherin (Anl ASt 14) ergibt sich, dass
der ausdrückliche Grund für die Verweisung an die
Kanzlei der Rechtsanwälte ... die Tatsache war, dass diese im
Passivrubrum der einstweiligen Verfügung aufgeführt
war; wären diese tatsächlich
Prozessbevollmächtigte gewesen, wäre indes eine
Zustellung in der Tat bei der Kanzlei ... zu bewirken gewesen. Die
Ursache für diese unrichtige Angabe im Passivrubrum hat indes
der Antragsteller selbst gesetzt, indem er - im Widerspruch zum Inhalt
seines sodann erteilten Zustellungsauftrages - die Kanzlei der
Rechtsanwälte ... in seiner Antragsschrift als
Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin aufgeführt
hatte; allein diese Angabe, deren Richtigkeit das Gericht weder
überprüfen musste noch konnte, da der Antragsteller
hier über weitergehende Erkenntnisse verfügen kann,
als sich aus der Akte ergeben, hat zu der unrichtigen Angabe im
Passivrubrum geführt. Es ist auch keine Rechtspflicht
ersichtlich, nach der die Prozessbevollmächtigten der
Antragsgegnerin verpflichtet gewesen wären, auf die
fehlerhafte Zustellung vor Ablauf der Vollziehungsfrist hinzuweisen.
Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus § 14 BORA; das
Risiko einer fehlerhaften Übermittlung der einstweiligen
Verfügung trägt vielmehr der Antragsteller, auch wenn
diese ihm aus dem Rücklauf der Gerichtsvollzieherin nicht
erkennbar war.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
auf §§ 708 Nr.6, 711. 709 Satz 2 ZPO.
Buske
Zink
Dr. Weyhe