Landgericht
Duesseldorf Wiederholungsgefahr
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Aktenzeichen: 12 O 343/06 |
Verkündet
am:
27.06.2007
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
Landgericht
Düsseldorf
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
dem Rechtsstreit
[…]
Klägerin
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt […]
gegen
[…]
Beklagte
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt [...],
hat das Landgericht Düsseldorf am 27.6.2007 für Recht
erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110%
des
jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin
trägt ausweislich eines von ihr
vorgelegten
Handelsregisterauszugs des Amtsgerichts Charlottenburg vom 2.1.2007 die
Firma "X" (X). Bei der X handelt es sich um eine zusammenfassende
Bezeichnung, ein so genanntes Label, der werblichen Aktionen der
Klägerin, die diese im Interesse der Förderung von
Reformen
sowie der Steigerung des Wachstums und der Schaffung neuer
Arbeitsplätze in der BRD veranlasst. Die X ist eine branchen-
und
parteiübergreifende Reformkampagne zur Förderung
einer
"sozialen Marktwirtschaft". Seit dem Jahr 2000 wirbt sie durch
öffentlichkeitswirksame Aktionen, durch die
Veröffentlichung
wissenschaftlicher Studien, durch Kongresse und Pressekonferenzen, um
ihrer Ansicht nach notwendige Reformen in Deutschland in Gang zu setzen.
Die Beklagte ist ein Zeitschriftenverlag mit Sitz in X. Über
die
Internetseite X betreibt sie ein Online-Magazin mit der Bezeichnung
"X", das sich beispielsweise mit netzpolitischen Fragen, Kulturkritik,
Politik und Medien beschäftigt. Jeder Internetnutzer, der sich
namentlich mit einer E-Mail-Adresse registriert und die
Nutzungsbedingungen akzeptiert, kann zu den von der Beklagten
veröffentlichten Artikeln Kommentare in einem Diskussionsforum
veröffentlichen.
Am 15.3.2006 erschien auf der Internetseite der Beklagten ein Artikel
mit der Überschrift "X", der sich mit der X
beschäftigt und
in dessen Folge es zu einer Vielzahl von Beiträgen im
Diskussionsforum der Beklagten kam. In diesem Zusammenhang
veröffentlichte ein Autor unter dem Pseudonym "X" am gleichen
Tag
einen Beitrag unter der Überschrift "X", der folgenden Inhalt
hat:
15. März 2006 18:19
Unabhängig vom Infowar...
X (mehr als 1000 Beiträge seit 26.2.03)
…guckt doch mal zu X, was da zu "Marktwirtschaft" steht.
Positiv: Die ersten Einträge verweisen auf die X, dann erst
ein paar zu diesen asozialen Desinformanten, dann eine [...].
Möge es die X niemals auf Platz 1 schaffen! Leute, Ihr habt
doch
bestimmt fast alle ein paar Webseiten am Laufen, macht doch mal was
gegen diese Brunnenvergifter! Verlinkt Euch untereinander und
klär
auf, was da läuft! Muß doch gehen, diesen
Lügnern
endlich mal das Maul zu stopfen, diesem Pack, welches Deutschland in
eine unmenschliche Zukunft führen will! Und: Wer Zeit hat,
schreibt weiter in die Wiki, laßt diese Störenfriede
niemals
Überhand gewinnen!!! [...]
Die Klägerin wies die Beklagte unter dem 14.7.2006 auf den
Inhalt
dieser Veröffentlichung hin und forderte sie auf, den Beitrag
zu
löschen und ihr die Identität des Autors mitzuteilen.
Die
Beklagte löschte den Beitrag unverzüglich und teilte
dies der
Beklagten mit Schreiben vom gleichen Tag mit. Klägerin und
Beklagte waren sich einig, dass die Beklagte nicht das Recht habe, die
mit der Klage angegriffenen Äußerungen zu
verbreiten.
Seither wurden die streitgegenständlichen
Äußerungen
nicht mehr veröffentlicht. Zu einer Bekanntgabe der
Identität
des Autors war die Beklagte nicht bereit.
Mit Schreiben vom 2.8.2006 forderte die Klägerin die Beklagte
unter Fristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungsverpflichtungserklärung oder wahlweise zur
Bekanntgabe der Identität des Verfassers auf. Dies lehnte die
Beklagte mit Schreiben vom 16.8.2006 ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, der
streitgegenständliche
Beitrag habe sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und
in
ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
verletzt. Die Beklagte sei den ihr obliegenden Prüfungs- und
Überwachungspflichten nicht nachgekommen. Ferner habe die
Beklagte
ihr gedroht. Die Ankündigung der Beklagten, sie werde die
gerichtliche Klage "angemessen redaktionell begleiten", sei als Drohung
zu verstehen, indem sie in Aussicht stelle, die gerichtliche
Auseinandersetzung mit den Mitteln einer Verlagsgruppe inklusive einer
professionellen Online-Redaktion durch gesteigerte Meinungsmache gegen
die Klägerin zu begleiten.
Die Klägerin beantragt,
1. es der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden
Fall
der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes von bis zu
250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im
Wiederholungsfall Ordnungshaft von bis zu zwei Jahren zu untersagen,
die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft als
a) "Brunnenvergifter" und / oder
b) "asoziale Desinformanten"
zu bezeichnen oder bezeichnen zu lassen, insbesondere, wenn dies wie
folgt geschieht.
(Zitat des Beitrags siehe oben)
der Beklagten es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall
der
Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes von bis zu
250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im
Wiederholungsfall Ordnungshaft von bis zu zwei Jahren zu untersagen, in
Bezug auf die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft auszusagen oder
aussagen zu lassen:
"Verlinkt Euch untereinander und klär auf was da
läuft! Muss
doch gehen, diesen Lügnern endlich mal das Mal zu stopfen,
diesem
Pack, welches Deutschland in eine unmenschliche Zukunft führen
will!".
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass es sich bei der Klägerin nicht um
die
X handele. Die Klägerin sei lediglich eine PR-Agentur, welche
die
Öffentlichkeitsarbeit der Initiative betreue. Träger
der
Initiative seien ausweislich der Eigenangaben der X u.a. die
Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. Es sei
nicht
ersichtlich, dass die Klägerin in irgendeiner Weise von den
streitgegenständlichen Äußerungen betroffen
sei. Sie
ist daher der Ansicht, der Klägerin fehle die
Aktivlegitimation.
Ferner vertritt sie die Auffassung, zu Recht gehandelt zu haben. Als
Host Provider träfen sie keine Pflichten, die in ihren Foren
veröffentlichten Beiträge vorab zu prüfen.
Dies
ändere sich erst, wenn konkrete Beiträge
gerügt
würden. Nach Kenntniserlangung habe sie den
streitgegenständlichen Beitrag unverzüglich
gelöscht.
Eine Verletzung von Prüfungspflichten, die allein eine
Störerhaftung begründen könnte, liege also
nicht vor.
Eine Erstbegehungsgefahr einer Rechtsverletzung liege nicht vor,
geschweige denn eine Wiederholungsgefahr einer Rechtsverletzung durch
die Beklagte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen
Anspruch
auf Unterlassung der streitgegenständlichen
Äußerungen.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 823 Abs. 1 BGB
i.V.m.
§ 1004 BGB analog.
Zwar kann die Klägerin durchaus selbst etwaige
Unterlassungsansprüche geltend machen und ist damit aktiv
legitimiert, da nach der Umfirmierung von der alten Bezeichnung "X" zur
neuen Firmierung "X" vom 14.12.2006 deutlich ist, dass sie die
Trägerin der X ist. Die Klägerin ist keine klassische
Werbeagentur, sondern betreibt, bewirbt und vermarktet ihr eigenes
Produkt. Sie ist nicht nur für die X tätig, sondern
sie hat
diese ins Leben gerufen und ist für ihren Fortbestand
wesentlich
mitverantwortlich.
Es kann dahinstehen, ob die streitgegenständlichen
Äußerungen als von Art. 5 Abs. 1 GG
geschützte
Meinungsäußerungen zu werten sind oder ob sie das
allgemeine
Persönlichkeitsrecht und das Recht am eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin verletzen, da
die
Beklagte jedenfalls nicht Störerin ist und sie daher nicht zur
Unterlassung verpflichtet ist.
Die Beklagte ist Host-Provider und damit Diensteanbieter gem.
§ 2
Satz 1 Nr. 1 Telemediengesetz (nachfolgend TMG). Für die
Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch der
Klägerin ist das im Zeitpunkt der Entscheidung geltend Recht
maßgeblich (BGHZ 131, 308, 311 f.), also vorliegend das am 1.
März 2007 in Kraft getretene TMG (so auch BGH, Urt. vom
27.3.2007,
VI ZR 101/06). Die Beklagte betreibt unter der Domain X ein
Diskussionsforum, in dem Nutzer ihre Äußerungen
veröffentlichen können.
Solch ein Anbieter haftet grundsätzlich
gemäß § 7
Abs. 2 Satz 2 TMG nach den allgemeinen Grundsätzen der
Störerhaftung auch für fremde Inhalte, die zum Abruf
bereitgehalten werden. Die Regelungen der §§ 8-10 TMG
finden,
ebenso wie die §§ 9-11 Teledienstgesetz (TDG), auf
die
Störerhaftung keine Anwendung, insbesondere gilt die
Haftungsprivilegierung des § 10 TMG, ehemals § 11
TDG, nicht
für Unterlassungsansprüche (BGH, Urt.v. 27.3.2007, VI
ZR
101/06; BGH GRUR 2004, 860 zu § 11 TDG).
Nach den allgemeinen Grundsätzen der Störerhaftung
kann
derjenige als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden,
der - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner
Weise
willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines absolut
geschützten Rechtes beiträgt (BGH, GRUR 2004, 860,
864
m.w.N.; BGH, GRUR 2001, 1038, 1039). Es genügt, dass die
Herbeiführung der Störung gefördert wird.
Dies trifft
auf die Beklagte als Host-Provider zu, da sie es durch die
Eröffnung des Forums ermöglicht, Inhalte zu
veröffentlichen und zu verbreiten.
Weil die Störerhaftung aber nicht über
Gebühr auf Dritte
erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige
Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des
Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus.
Dabei
ist zu beachten, dass dem Diensteanbieter gemäß
§ 7
Abs. 2 S. 1 TMG keine allgemeinen Überwachungs- oder
Forschungspflichten dahingehend obliegen, ob rechtswidrige Inhalte
überhaupt vorhanden sind (BGHZ 148, 13, 17). Solche
Prüfungspflichten können jedenfalls in Bezug auf die
Beklagte
auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen – etwa aus
Gesichtspunkten der Sicherungspflichten – hergeleitet werden,
da
eine allgemeine Pflicht, die zahlreichen auf ihrem Internetforum
existierenden Diskussionsforen mit ihren in die Tausende gehenden
Beiträgen auf möglicherweise rechtswidrige Inhalte
hin zu
überwachen, die Beklagte in technischer, persönlicher
und
wirtschaftlicher Hinsicht überfordern und das Betreiben von
Internetforen letztlich wegen der sich aus der
Überwachungspflicht
ergebenden Haftungsrisiken unmöglich würde.
Der Umfang der Prüfungspflichten bestimmt sich danach, ob und
inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den
Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, GRUR 2004,
860,
864). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Wird
einem
Diensteanbieter eine Rechtsverletzung bekannt, so muss er den ihm
bekannt gewordenen Beitrag nicht nur löschen oder sperren,
sondern
auch nachfolgend ihm technisch mögliche, zumutbare
Maßnahmen
ergreifen, um Vorsorge dafür zu treffen, dass es nicht zu
weiteren
Rechtsverletzungen kommt.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist eine
Störerhaftung der
Beklagten zu verneinen. Sie hat keine Überwachungspflichten
verletzt. Vor Kenntniserlangung von dem streitgegenständlichen
Beitrags oblagen ihr solche Pflichten ohnehin nicht, was auch die
Klägerin zugibt. Nachdem die Beklagte Kenntnis von den
streitgegenständlichen Äußerungen erlangt
hatte, hat
sie diese unverzüglich aus ihrem Diskussionsforum entfernt.
Die
Klägerin selbst hat vorgetragen, dass der Beklagte die
streitgegenständlichen Äußerungen
unverzüglich
gelöscht habe und dass seitdem keine weiteren
Äußerungen aufzufinden gewesen seien. Damit ist sie
der ihr
obliegenden Pflicht zur unverzüglichen Löschung
nachgekommen.
Weitere Rechtsverletzungen sind auch nicht eingetreten.
Darüber hinaus fehlt es an einer Wiederholungsgefahr, die
durch
Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungsverpflichtungserklärung
ausgeräumt werden könnte. Die Beklagte ist ihrer
Verpflichtung zur Löschung der Äußerungen
unverzüglich nachgekommen. Es besteht keine Besorgnis, dass es
zu
entsprechenden künftigen Beeinträchtigungen kommt.
Weder
berühmt sich die Beklagte des Rechts, den Beitrag weiter
verbreiten zu dürfen, noch hat sie es abgelehnt, das Forum
künftig auf etwaige Verletzungshandlungen zu
überwachen. Die
Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 16.8.2006 lediglich das Ansinnen
zurückgewiesen, eine strafbewehrte
Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben zu
müssen.
Die Klägerin vermag sich auch nicht auf die jüngste
Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Haftung von Foren-Betreibern
(BGH, Urt.v. 27.3.2007, VI ZR 101/06) zu stützen. Dieser Fall
betrifft insoweit einen anderen Sachverhalt, als es dort um die Frage
ging, ob ein Unterlassungsanspruch des Verletzten gegen den Betreiber
eines Internetforums unabhängig von dessen Ansprüchen
gegen
den Autor eines dort eingestellten Beitrags besteht. Eine
Sachentscheidung über den Unterlassungsanspruch hat der
Bundesgerichtshof nicht getroffen.
Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass die Beklagte ihr die
Identität des Autors nicht bekannt gegeben und ihr gedroht
habe,
sind diese Ausführungen unerheblich. Diese Punkte sind nicht
streitgegenständlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf
§
709 S. 1, 2 ZPO.