Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landgericht
Berlin
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
dem Rechtsstreit
[…]
Klägerin
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt […]
gegen
[…]
Beklagte
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt [...],
hat das Landgericht Berlin am 14.02.2008 für Recht erkannt:
1. Die
Klage wird abgewiesen.
2. Die
Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das
Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 Prozent
vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten
darüber, ob die Klägerin
für den Buchtitel des
seit 1999 von ihr verlegten Fachbuches
„Internetrecht“ Werktitelschutz
beanspruchen kann und der Beklagten den Vertrieb und die Werbung des
juris Praxiskommentars „Internetrecht" untersagen kann.
Die Klägerin verlegt Fachpublikationen für die
Bereiche Recht,
Wirtschaft, Streuern, die Beklagte betreibt einen Print-Online-Verlag
für juristische Informationen, und verlegt auch juristische
Publikationen.
Die Klägerin hat seit 1999 unter der Bezeichnung
„Internetrecht“ ein
Fachbuch herausgebracht zum Recht der elektronischen Medien, verfasst
von N. H., welches derzeit in der 2. Auflage erhältlich ist.
Die Beklagte vertreibt und bewirbt in ihrer Kommentarreihe
„juris
PraxisKommentar" ein juristisches Fachbuch „Internetrecht"
von Prof.
Dr. Dirk Heckmann; welches seit kurzem als Druckausgabe
erhältlich ist
und seit Juni 2007 online über den Dienst
„JurisBookLine" der
Beklagten abrufbar ist.
Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 18.04.2007
unter
Hinweis auf ältere Titelschutzrechte ab und forderte sie
vergeblich
auf, die Veröffentlichung und den Vertrieb dieses
Praxiskommentars mit
dem Titel „Internetrecht" zu unterlassen.
Die Klägerin behauptet, zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung sei der
Begriff „Internetrecht"
sowohl im allgemeinen als auch im
juristischen
Sprachgebrauch unüblich gewesen, da sich das Medium Internet
insbesondere der sog. E-Commerce, noch im Entstehen befand. Bis heute
handele es sich nicht um ein homogenes Rechtsgebiet, sondern
würden
die rechtlichen Fragen, die im Zusammenhang mit der Benutzung des
Internets auftauchten, mittels unterschiedlicher bereits etablierter
Rechtsgebiete wie Urheberrecht, Marken- und Wettbewerbsrecht,
Vertragsrecht, Kollisionsrecht und Verbraucherschutzrecht
gelöst, ohne
dass von einem eigenständigen Rechtsgebiet
„Internetrecht“
gesprochen
werden könne. Sofern sich ein eigenes Rechtsgebiet etabliert
habe,
werde dies als Informationstechnologierecht (IT-Recht)" oder
„Rechtsinformatik" bezeichnet. Es
gebe auch keinen Fachanwalt
für
Internetrecht.
Sie ist der Auffassung, dass der Titel des von ihr seit 1999 verlegten
Fachbuches „Internetrecht" gemäß
§ 5 Abs. 3 MarkenG Werktitelschutz
genieße. Der Buchtitel des Fachbuches
„Internetrecht" beruhe auf einer
Wortschöpfung des Verfassers in Zusammenarbeit mit dem Verlag
und habe
zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung das erforderliche
Maß an
Originalität und Individualität aufgewiesen und habe
daher auch
Kennzeichnungskraft, da es bei der Bezeichnung
„Internetrecht“
sich
nicht um eine rein beschreibende Angabe über das Werk und auch
nicht
eine bloße Inhaltsangabe handele. Denn der Begriff
„Internetrecht"
habe sich bis heute nicht als eigenständiges Rechtsgebiet
etabliert.
Die Verwendung der Bezeichnung „Internetrecht" durch die
Beklagte als
Titel für ihren juris Praxiskommentar sei auch geeignet, eine
Verwechslung mit dem Werk der Klägerin hervorzurufen, zumal
die
Bezeichnung „juris Praxiskommentar" nicht Bestandteil des
Titels sei.
Die Klägerin beantragt,
die
Beklagte unter Androhung
eines Ordnungsgeldes ersatzweise
Ordnungshaft zu verpflichten, es zu unterlassen, einen juristischen
Kommentar
unter der Bezeichnung „Internetrecht" - wie in der
Abbildung
in der Klageschrift geschehen - zu vertreiben und zu bewerben
und /
oder durch Dritte vertreiben oder bewerben zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage
abzuweisen.
Sie behauptet, dass schon zum
Zeitpunkt der Ersterscheinung des
klägerischen Fachbuches Fachbücher mit Titeln verlegt
worden seien,
die „Internetrecht"
jedenfalls als Bestandteil enthalten
hätten. Dies
ergebe sich auch aus dem Literaturverzeichnis des Fachbuches von H..
Derzeit seien 57 Buchtitel recherchierbar, die den Begriff allein oder
in Kombination enthielten; auch diverse Fachzeitschriften enthielten
hierzu spezielle Rubriken. Auch gebe es Lehrstühle, die sich
mit der
Rechtsmaterie „Internetrecht" befassten, die erste Vorlesung
zum
Internetrecht an der Uni Düsseldorf sei lange vor Erscheinen
der
Erstauflage des von der Klägerin verlegten Buches erschienen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass es der Bezeichnung
„Internetrecht“ schon an einer originären
Kennzeichnungskraft fehlt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen
Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze
nebst
Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht als Verlagsunternehmen des 1997
erschienenen
Fachbuches „Internetrecht" kein Titelschutz
gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG
am Titel des Buches zu, mithin auch kein Unterlassungsanspruch
gemäß
§§ 5, 15 MarkenG gegen die Beklagte auf Untersagung
der Werbung und
des Vertriebs des von ihr herausgegebenen juris Praxiskommentars mit
dem Titel „Internetrecht".
Dem Titel des Lehrbuchs „Internetrecht" kommt angesichts
seines rein
beschreibenden Sinngehaltes keine Unterscheidungskraft zu, zudem liegt
auch keine Verwechslungsfähigkeit mit dem unter dem Titel
„Internetrecht" herausgegebenen „juris
Praxiskommentar" mit dem Titel
„Internetrecht" vor.
Ein Werktitel i.S.d. § 5 Abs. 3 MarkenG besitzt dann
Kennzeichnungskraft, wenn er allein aufgrund der Wahl der Bezeichnung
vom angesprochenen Verkehr als Kennzeichnung des Inhalts aufgefasst
wird. Dabei ist nach der Rechtsprechung das Publikum bei Zeitungs- und
Zeitschriftentitel daran gewöhnt, gattungs- oder
inhaltsbeschreibende
Angaben als Titel vorzufinden (BGH GRUR 1991, 153 -- Pizza &
Pasta).
Dies lässt sich aber nicht ohne weiteres auf jeden Werktitel
übernehmen. Vielmehr ist zu prüfen, ob von solchen
(historisch
entwickelten) Gepflogenheiten ohne weiteres für den
umfangreichen und
vielschichtigen und daher im einzelnen möglicherweise
unterschiedlich
zu beurteilenden Markt der Sachbücher ausgegangen werden kann
(BGH
a.a.O.). Dies lässt sich nach Auffassung der Kammer, die zu
den
angesprochenen Verkehrskreisen zählt, aber für den
Bereich des
juristischen Fachbuches nicht feststellen.
Zutreffend ist allerdings, dass gerade auch im juristischen Bereich
beschreibende Titel nicht ungewöhnlich, sondern die Regel
sind.
Denn
in einer Vielzahl der Fälle wird das Fachbuch durch die mehr
oder
weniger präzise Beschreibung des Rechtsgebietes benannt, wobei
entweder das Hauptgesetz benannt wird (ZPO, BGB, UWG) und unter diesen
auch oft diverse Nebengesetze behandelt werden oder es wird eine
Beschreibung gesucht, die die behandelten Gesetze umreist
(Wettbewerbsrecht). Insoweit ist der Benutzer durchaus an die
beschreibende Verwendung gewöhnt, entnimmt diesem aber in
aller Regel
keinen Hinweis auf den konkreten Inhalt. Diese Unterscheidung erfolgt
durch einen oder mehrere Verfasser oder durch die Kennzeichnung einer
bestimmten Reihe. Denn die Kommentierung oder ein Fachbuch zu der ZPO
gibt es nicht, sondern eben den Zöller, den Musielak, den
Baumbach
oder den Münchener Kommentar.
Erst die Zusammenschau beider
Begriffe,
teilweise auch nur der Name, wenn er nur für ein Buch steht,
bildet
die Kennzeichnung für das bestimmte Buch. Ein Buch, dass
allein über
seinen Titel definiert wird, ist im Bereich der juristischen
Fachliteratur der Kammer nicht bekannt, schon gar nicht soweit es
einen den Sachbereich beschreibenden Titel hat.
Insoweit kommt dem Titel „Internetrecht“ keine
Kennzeichnungskraft zu,
er ist allein beschreibend.
Dass es sich bei „Internetrecht"
nicht um eine homogenes
Rechtsgebiet
handelt, sondern die sich aus dem Internet ergebenden Rechtsfragen
mittels unterschiedlicher bereits etablierter Rechtsgebiete wie
Urheberrecht, Marken- und Wettbewerbsrecht, Vertragsrecht,
Kollisionsrecht und Verbraucherschutzrecht gelöst werden, die
mithin
alle in dem Buch behandelt werden, steht nicht entgegen.
Ein normaler
Verbraucher, der das Fachbuch kauft, mag vielleicht aus Unkenntnis
davon ausgehen, dass „Internetrecht" ein spezielles
Rechtsgebiet ist
oder es ein „Internetgesetz" gibt. Letztlich wird aber auch
er, ebenso
wie die angesprochenen Fachkreise der Juristen den Begriff
„Internetrecht" in erster Linie mit dem für das
Internet und alle
damit in Bezug stehenden rechtlichen Fragen in Verbindung bringen und
nicht mit einem von der Klägerin erstmals herausgebrachten
Werk dieses
Titels.
Dem Titel des Fachbuches „Internetrecht“ von H.
kommt auch kein
Titelschutz aufgrund der Tatsache zu, dass die Klägerin als
Erste ein
Lehrbuch unter diesem Titel herausgegeben hat. Für die
ursprüngliche
Unterscheidungskraft des Titels kommt es zwar auf den Zeitpunkt der
Aufnahme der Benutzung an (BGH GRUR 2000, 70, 72 „Szene").
Die
Erstnutzung des Titels „Internetrecht“ geschah auch
zu einer Zeit, als
die sich aus der Nutzung des Internets ergebenden Probleme noch nicht
so verbreitet waren, und kein anderes juristisches Buch unter genau
diesem Titel vorhanden war, wenn auch der Begriff durchaus schon in
mehreren Werken verwendet worden war, wie sich aus dem
Literaturverzeichnis der Erstauflage sowie der vorgelegten
Titelrecherche der Beklagtem entnehmen lässt.
Eine schutzwürdige originäre Kennzeichnungskraft
durch Erstbenutzung
kann dem hier streitgegenständlichen Titel aber nicht
zukommen, weil
die Klägerin mit „Internetrecht“
einen
freihaltebedürftigen
Allgemeinbegriff für ein sich damals schon herausgebildetes
und
hinsichtlich dessen zunehmender Bedeutung erkennbares Rechtsgebiet
gewählt hat, bei dem zu erwarten stand, dass es in Zukunft
viele
juristische Werke zu diesem Thema geben würde. Dies
bestätigt die
weitere Entwicklung und zunehmende Nutzung des Internets, die neu
hierzu verabschiedeten Gesetze und die mittlerweile
unüberschaubar
zahlreichen Publikationen, die sich mit den rechtlichen Problemen des
Internets beschäftigen. Auch die Tatsache, dass es
gleichbedeutende
Begriffe für die Rechtsgebiete rund ums Internet wie
„Telekommunikationsrecht" oder „IT-Recht"
gibt,
berechtigt die
Klägerin nicht, einen beschreibenden Begriff für ein
erkennbar in der
Zukunft bedeutsames Rechtsgebiet für sich zu monopolisieren
und die
Mitbewerber auf andere gleichbedeutende Begriffe zu verweisen (BGH
„Bücher für eine bessere Welt" GRUR 2000,
882, 883).
Eben sowenig lässt sich eine Kennzeichnungskraft aufgrund von
Verkehrsgeltung der Titels annehmen. Dafür ist nicht
vorgetragen.
Vielmehr hat die zunehmende Anzahl von Publikationen zu diesem Thema
unter dem Begriff „Internetrecht" eher zu einer
Schwächung, als zu
einer Stärkung der Kennzeichnungskraft des Titels, wollte man
eine
solche überhaupt annehmen, geführt.
Angesichts der zahlreichen Werke zu diesem Thema, wird die Bezeichnung
„Internetrecht"
oder „Internet-Recht" bei Juristen
nur noch inhaltlich
begriffen werden und nicht mit dem bei der Klägerin zuerst
erschienenen Fachbuch von H. in Verbindung gebracht. Die
Unterscheidung erfolgt aufgrund der Art des Werkes
(„Lehrbuch" oder
„Fachbuch") oder aufgrund des Autors. Nichts anderes gilt
auch im
Buchhandel. Auch dort kann bei Nachfrage oder Bestellung eines Buches
mit dem Titel „Internetrecht", der angesprochene
Verkäufer nur darauf
hinweisen, dass es mehrere juristische Bücher zu diesem Thema
gibt und
den Kunden hinsichtlich der Rubrik „Lehrbuch" oder
„Kommentar" sowie
hinsichtlich des Verfassers wählen lassen.
Selbst wenn man jedoch davon ausgehen würde, dass der Titel
kennzeichnungskräftig wäre, so bestünde
zwischen Buch „Internetrecht"
von H. und dem „juris Praxiskommentar Internetrecht" keine
Verwechslungsgefahr.
Denn entgegen der Auffassung der Klägerin führt schon
die auf der
Buchvorderseite und dem Buchrücken etwas kleiner als der Titel
abgedruckte Zusatz-Bezeichnung „juris Praxiskommentar" zu
einer klaren
Unterscheidung zu dem von ihr verlegten Lehrbuch von H.. Auch wenn es
sich hierbei nur um einen Hinweis auf die Buchreihe „juris
Praxiskommentar" handelt, wird die Bezeichnung „Kommentar" in
Juristenkreisen doch oft in Zusammenhang mit dem Titel des Werkes
genannt und prägt sich damit als Bestandteil des Titels des
behandelten Rechtsgebietes ein. Eine Verwechslungsgefahr ist im
Übrigen deshalb ausgeschlossen, weil die Unterscheidung eines
unter
dem Begriff „Internetrecht" vertriebenen juristischen Werkes,
wie
bereits ausgeführt, bei den beteiligten Verkehrskreisen nach
dem
Verfasser des Werkes erfolgt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung
über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.