Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landgericht
Berlin
Urteil
Leitsatz
Es besteht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Rechtsanwalt
aus Frankfurt am Main, der auf Familienrecht spezialisiert ist und
einem Anwalt aus Berlin ohne diese Spezialisierung..
2. Der Antragsgegner hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner die Unterlassung der
Werbung mit einem ihm nicht zustehenden Fachanwaltstitel.
Der Antragsgegner warb in den “Gelben Seiten
2005/2006”
für Frankfurt am Main unter der Rubrik
“Rechtsanwälte:
Familienrecht/Fachanwälte” wie aus der Anlage Ast 1
(Bl. 6
d. A.) ersichtlich. Die “Gelben Seiten” sind auch
im
Internet zugänglich, wo der Antragsgegner wiederum unter der
Rubrik “Rechtsanwälte: Familienrecht
(Fachanwälte)” warb (Anlage Ast 8, Bl. 42 ff. d. A.).
Der Antragsgegner ist kein Fachanwalt für Familienrecht.
Die Antragstellerin behauptet, dass sie erstmals am 24.7.2006 von der
vorstehend erwähnten Werbung des Antragsgegners Kenntnis
erhalten
habe.
Durch Beschlussverfügung vom 4.8.2006 hat es die Kammer dem
Antragsgegner bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel
untersagt,
in Branchenverzeichnissen, insbesondere den “Gelben
Seiten”, für seine anwaltliche Tätigkeit
als Fachanwalt
für Familienrecht, insbesondere unter der Rubrik
“Rechtsanwälte:
Familienrecht/Fachanwälte” wie in
der Anlage Ast 1 zu werben, ohne dass ihm zuvor eine
Rechtsanwaltskammer die Befugnis verliehen hat, die Bezeichnung
“Fachanwalt für Familienrecht” zu
führen.
Gegen die ihm am 17.8.2006 zugestellte Beschlussverfügung hat
der Antragsgegner Widerspruch eingelegt.
Der Antragsgegner beantragt unter Aufhebung der einstweiligen
Verfügung vom 4.8.2006,
den Antrag der Antragstellerin vom 2.8.2006 zurückzuweisen.
Der Antragsgegner rügt zunächst die örtliche
Zuständigkeit des Landgerichts Berlin.
Des weiteren ist der Antragsgegner der Ansicht, dass die Parteien nicht
Mitbewerber i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG seien; in diesem
Zusammenhang behauptet er, dass die Antragstellerin nicht auf dem
Gebiet des Familienrechts tätig sei. Zudem hält der
Antragsgegner die Geltendmachung des Anspruchs für
rechtsmissbräuchlich i. S. d. § 8 Abs. 4 UWG, da die
Antragstellerin offenbar gezielt nach Verstößen
gesucht
habe, um durch Abmahnungen Gebühren zu erzielen. Auch mangele
es
an einem Verfügungsgrund, da die Anzeige in den
“Gelben
Seiten” bereits im September 2005 geschaltet worden sei.
Der Antragsgegner beruft sich schließlich unter Hinweis auf
das vorgenannte Erscheinungsdatum auf Verjährung.
Gründe
Die einstweilige Verfügung
ist zu bestätigen, das sie zu Recht ergangen ist (§
936, 925 ZPO) .
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist
zulässig und begründet, da sowohl
Verfügungsanspruch als
auch Verfügungsgrund glaubhaft gemacht sind:
I. Die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin ergibt sich aus
§ 14 Abs. 2, S. 1 UWG. Denn die Handlung ist auch im Bezirk
des
erkennenden Gerichts begangen worden. Unter dem Begehungsort ist sowohl
der Handlungs- als auch der Erfolgsort zu verstehen. Bei
Wettbewerbsverstößen im Internet ist der Erfolgsort
überall dort zu sehen, wo sich der Internetauftritt
bestimmungsgemäß auswirken soll (BGH GRUR 2006, 513,
515 -
Arzneimittelwerbung im Internet). Das trifft hier zu, da die
“Gelben Seiten” für das Gebiet Frankfurt
am Main nicht
nur in diesem Bereich, sondern etwa auch für Personen von
Interesse sind, die von Berlin aus nach einem Gewerbetreibenden in
Frankfurt suchen.
Offen bleiben kann vorliegend, ob, wie der Antragsgegner meint, bereits
zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit
erforderlich
ist, dass die streitgegenständliche Handlung sich am
Erfolgsort in
wettbewerbsrechtlich (nicht wettbewerblich) relevanter Weise auswirkt
(dafür u.a. Celle, NJW 63, 2131; Köln, WRP 72, 590;
Karlsruhe, GR 85, 556; dagegen u.a. KG, WRP 82, 95; GR 89, 134; Hamburg
WRP 72, 389; 85, 351; Düss. NJW-RR 89, 233). Denn auch die
Vertreter der Auffassung, die eine wettbewerbsrechtlich relevante
Auswirkung verlangen, sehen diese als erfüllt an, wenn die
Verbreitungshandlung objektiv geeignet ist, den Wettbewerb im Bezirk
des angerufenen Gerichts zu beeinflussen . Dies ist aber stets dort zu
bejahen, wo die wettbewerblichen Interessen der Mitbewerber aufeinander
treffen. Wegen der grundsätzlichen Möglichkeit bei
der
Nachfrage nach anwaltlichen Leistungen, einen Rechtsanwalt am eigenen
Wohnort/Sitz oder am Ort des Rechtsstreits oder einem aus sonstigen
Gründen sachgerechten Ort zu beauftragen, ist vorliegend diese
Voraussetzung ohne weiteres erfüllt .
II. Der Antragstellerin steht der tenorierte Unterlassungsanspruch
gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1,
3, 5 Abs. 1, Abs.
2 Nr. 3 UWG zu.
1. Bei den Parteien handelt es sich um Mitbewerber. Nach § 2
Abs.
1 Nr. 3 UWG ist unter einem Mitbewerber jeder Unternehmer zu verstehen,
der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager
von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten
Wettbewerbsverhältnis steht. Das ist hier sowohl in sachlicher
als
auch in räumlicher Hinsicht zu bejahen:
a) Für die sachliche Marktabgrenzung kommt es nach dem sog.
Bedarfsmarktkonzept darauf an, ob sich die von den beteiligten
Unternehmen angebotenen Waren oder Dienstleistungen nach ihren
Eigenschaften, ihrem Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe
stehen, dass sie der verständiger Nachfrager als austauschbar
ansieht (s. nur Köhler in Hefermehl u. a., Wettbewerbsrecht,
24.
Aufl. 2006, § 2 Rdnr. 64 m. w. N.). Diese Voraussetzung ist
hinsichtlich der Tätigkeit der Parteien zu bejahen, da sich
ein
verständiger Mandant mit einem familienrechtlichen Problem
sowohl
an die Antragstellerin als auch an den Antragsgegner wenden
könnte. Unerheblich ist insoweit, ob und inwieweit die
Antragstellerin auf dem Gebiet des Familienrechts tätig ist.
Denn
es lässt sich entgegen den nicht näher
substantiierten
Andeutungen des Antragsgegners keineswegs feststellen, dass es
für
anwaltliche Leistungen im Bereich des Familienrechts einen auch nur
weitgehend geschlossenen, allein von Fachanwälten oder auf
dieses
Gebiet spezialisierten Anwälten besetzten Markt gibt. Dies
gilt
umso mehr, als sich die Wahl eines Anwalts gerichtsbekannt nicht nur
nach fachlichen Kompetenzen, die anhand eines Fachanwaltstitels ohnehin
nicht zweifelsfrei nachgewiesen wären, sondern auch etwa nach
persönlichen Empfehlungen richtet.
b) Hinsichtlich der räumlichen Marktabgrenzung kommt es darauf
an,
ob sich die Gebiete, in denen die Beteiligten Kunden haben oder zu
gewinnen suchen, decken oder überschneiden. Bei
mittelgroßen
Kanzleien mit Sitz in Berlin und Hamburg soll eine derartige
Überschneidung vorliegen (BGH GRUR 2005, 520 - optimale
Interessenvertretung). Auch wenn es sich bei der Kanzlei des
Antragsgegners und bei der Antragstellerin (ebenfalls fünf
Anwälte) nicht um mittelgroße, sondern eher um
kleine
Kanzleien (fünf Anwälte) handeln sollte, und auch
wenn die
Entfernung zwischen Berlin und Frankfurt größer ist
als die
zwischen Berlin und Hamburg, kann nach Ansicht der Kammer im
vorliegenden Fall aber nichts anderes gelten. Denn es ist
gerichtsbekannt, dass selbst in Gerichtsverfahren Parteien sich
zuweilen nicht durch einen an ihrem oder am Sitz des Gerichtes, sondern
an einem dritten Ort ansässigen Anwalt vertreten lassen. Dies
scheint angesichts der heutigen Kommunikationsmittel und
Reisemöglichkeiten auch ohne weiteres machbar zu sein.
Gründe
für ein solches Verhalten mag es viele geben, wobei die Kammer
in
der Begründung der Beschluss-Verfügung nur ein
Beispiel
genannt hat. An diesem Beispiel ist im übrigen auch angesichts
der
Einwendungen des Antragsgegners festzuhalten: Geht es um
familienrechtliche Fragen in Bezug auf ein Kind, das sich mittlerweile
in Berlin befindet, so wird sich für einen Rechtsuchenden aus
Frankfurt am Main durchaus die Frage stellen, ob er einen Anwalt in
Frankfurt oder Berlin beauftragt, wobei er bei seiner Suche nicht auf
die Gelben Seiten beschränkt ist, sondern etwa die
Beauftragung
der Antragstellerin nach Empfehlung durch einen Bekannten in
Erwägung ziehen könnte.
2. Dadurch, dass der Antragsgegner unter der Überschrift
“Familienrecht/ Fachanwälte” für
sich wirbt, ohne
über einen entsprechenden Fachanwaltstitel zu
verfügen, wirbt
er irreführend über seine geschäftlichen
Verhältnisse, nämlich seine Befähigung. Dies
hat der
Antragsgegner auch nicht in Zweifel gezogen.
3. Die Geltendmachung des Anspruchs ist auch nicht
rechtsmissbräuchlich gem. § 8 Abs. 4 UWG. Anzeichen
dafür, dass die Antragstellerin lediglich Gebühren
erzielen
will, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich diese nicht
daraus, dass die Antragstellerin offenbar gezielt nach derartigen
Rechtsverstößen gesucht hatte. Denn mangels einer
staatlichen Kontrolle der Lauterkeit des Wettbewerbs in Deutschland
kann sich der Gewerbetreibende nur so vor unlauteren
Maßnahmen
der Mitbewerber schützen. Dass dabei
Gebührenforderungen
entstehen, liegt in der Natur der Sache.
4. Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Denn die 6-monatige
Verjährungsfrist des § 11 Abs. 1 UWG kann im Fall von
Unterlassungsansprüchen auf Grund einer Dauerhandlung nicht
beginnen, solange der Eingriff noch fortdauert. Auch beginnt die Frist
gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 UWG erst, wenn der
Gläubiger von den den Anspruch begründenden
Umständen
und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe
Fahrlässigkeit erlangen musste. Durch die anwaltliche
Versicherung
ihres Prozessbevollmächtigten hat die Antragstellerin aber
hinreichend gem. § 294 ZPO glaubhaft gemacht, dass die
Kenntnisnahme erst am 24.7.2006 erfolgte, weshalb der Anspruch durch
Einreichen des Verfügungsantrags wenige Tage später
gem.
§ 204 Nr. 9 BGB gehemmt worden ist. Grobe
Fahrlässigkeit ist
der Antragstellerin insoweit auch nicht vorzuwerfen, da sie nach
ständiger Rechtsprechung nicht zur Marktbeobachtung
verpflichtet
ist (vgl. Köhler, a. a. O., § 12 Rdnr. 3.15 m. w. N.).
III. Die Dringlichkeit wird gemäß § 12 Abs.
2 UWG
vermutet. Sie wird insbesondere nicht dadurch widerlegt, dass die
Gelben Seiten 2005/2006 bereits im September 2005 erschienen waren, da
es auch insoweit allein auf die Kenntnis des Antragstellers ankommt und
keine Pflicht zur Marktbeobachtung besteht (s. nur Köhler, a.
a.
O.).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.