kammergericht
berlin beschluss aufhebungsverfahren 93 zpo
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Aktenzeichen: 9 W 150/09
(27 O 367/08 Landgericht Berlin)
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15.01.2010
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KAMMERGERICHT BERLIN
BESCHLUSS
In
dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
...
-
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
g e
g e n
...
-
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter
am Kammergericht Nippe, die Richterin am Kammergericht Bähr
sowie
den Richter am Kammergericht Damaske beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin
vom 4. August
2009 wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 23. Juli 2009 wie
folgt abgeändert:
Die Kosten des Verfahrens hat die
Antragstellerin zu tragen.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten
des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird
auf bis zu 3.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Verfügung auf Unterlassung der Veröffentlichung von
Fotos der
Antragstellerin in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die
einstweilige Verfügung antragsgemäß
erlassen.
Die Antragsgegnerin hat gegen die ihr unverzüglich zugestellte
einstweilige Verfügung keinen Widerspruch eingelegt, sondern
die
Antragstellerin gemäß § 926 Absatz 1 ZPO
zur
Hauptsacheklage auffordern lassen. In der Berufungsverhandlung des
Hauptsacheverfahrens vor dem Senat hat die Antragstellerin
schließlich auf ihren Unterlassungsanspruch verzichtet,
woraufhin
Verzichtsurteil ergangen ist. Am Nachmittag desselben Tages hat die
Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren betreffend die Einstweilige
Verfügung Widerspruch eingelegt.
Die Antragstellerin hat daraufhin auf die Rechte aus der einstweiligen
Verfügung verzichtet, ohne sich allerdings zugleich bereit zu
erklären, der Antragsgegnerin die Kosten des
Anordnungsverfahrens
zu erstatten.
Die Parteien haben das Verfahren schließlich in der
Hauptsache
für erledigt erklärt und das Landgericht hat die
Kosten des
Verfahrens gegeneinander aufgehoben.
Die Antragsgegnerin sei zur anteiligen Kostentragung verpflichtet, weil
nicht nachvollziehbar sei, warum die Antragsgegnerin nicht
zunächst versucht habe außergerichtlich und damit
auf
einfacherem und schnellerem Weg die Gegenseite zu kontaktieren; auch
wenn sie hierzu nicht rechtlich verpflichtet gewesen sei, so habe doch
eine unter Zeit- und Kostengesichtspunkten allgemein übliche
Gepflogenheit bestanden. In der Nichtabhilfeentscheidung hat das
Landgericht schließlich noch ausgeführt, in
Parallele zum
Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO gelte auch für das
Widerspruchsverfahren in Fällen der vorliegenden Art, dass der
Widerspruch vorher anzudrohen sei, damit der Antragsteller den Verzicht
auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung
einschließlich der Kostenentscheidung erklären oder
den
Antrag zurücknehmen könne.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die meint,
die Voraussetzungen des § 93 ZPO seien nicht gegeben. Zudem
sie
ihr Interesse auch darauf gerichtet, eine Abänderung der
Kostenentscheidung aus der einstweiligen Verfügung
durchzusetzen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist
begründet.
Der Antragsgegnerin können die Kosten des Verfahrens nicht
gemäß § 91 a ZPO auferlegt werden.
Nachdem die Parteien das Verfahren betreffend die erlassene
einstweilige Verfügung nach Widerspruch der Antragsgegnerin in
der
Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt haben,
war gemäß § 91 a ZPO über die
Kosten des
Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hierbei ist
grundsätzlich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zu
entscheiden, d.h. die Partei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen,
die im Zeitpunkt der Erledigung in dem Verfahren unterlegen
wäre.
Danach trifft allein die Antragstellerin vorliegend die Verpflichtung
die Kosten des Verfahrens zu tragen (1.). Von der sich hiernach
ergebenden Kostenlast kann schließlich aus
Billigkeitserwägungen, zu denen der Rechtsgedanke des
§ 93
ZPO gehört, abgewichen werden. Insoweit liegen jedoch die
Voraussetzungen, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens
(teilweise) aufzuerlegen nicht vor (2.).
1.
Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand wäre die
Antragstellerin
im vorliegenden Verfahren unterlegen und ihr wären hiernach
gemäß § 91 a ZPO die Kosten des Verfahrens
aufzuerlegen
gewesen.
Maßgeblich ist insoweit der Sach- und Streitstand im
Zeitpunkt
der Erledigung des Widerspruchsverfahrens. Erledigung tritt ein, wenn
das Begehren der Partei gegenstandslos geworden ist, wenn also ein
Interesse der Partei an einer Sachentscheidung entfallen ist.
Erledigendes Ereignis war in Bezug auf das Begehren der das
Widerspruchsverfahren betreibende Antragsgegnerin der Verzicht der
Antragstellerin auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung
mit
deren Schreiben vom 29. Mai 2009. Erledigendes Ereignis war dagegen
nicht bereits der Verzicht der Antragstellerin auf den geltend
gemachten Unterlassungsanspruch in der mündlichen
Berufungsverhandlung zum Hauptsacheverfahren 9 U 177/08 am 19. Mai
2009, weil dadurch die einstweilige Verfügung noch nicht
aufgehoben oder wirkungslos geworden ist.
Als die Antragstellerin mit Schreiben vom 29. Mai 2009 auf die Rechte
aus der einstweiligen Verfügung verzichtete, war der Antrag
auf
Erlass der einstweiligen Verfügung wegen des zuvor erfolgten
Verzichts auf den Unterlassungsanspruch unbegründet. Die
einstweilige Verfügung wäre ohne die
Hauptsachenerledigung
auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin aufzuheben gewesen, die
Antragstellerin wäre in dem Verfahren unterlegen, ihr
wären
die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen gewesen.
Dem Widerspruch fehlte bis zum Verzicht der Antragstellerin auf die
Rechte aus der einstweiligen Verfügung auch nicht das
Rechtsschutzbedürfnis, da weder der Verzicht auf den
Unterlassungsanspruch noch das im Hauptsacheverfahren ergangene
Verzichtsurteil die einstweilige Verfügung ohne weiteres
wirkungslos werden ließen. Wird ein Anspruch im
Hauptsacheverfahren rechtskräftig verneint, so verliert eine
auf
diesem Anspruch beruhende einstweilige Verfügung nicht schon
dadurch jede Wirkung. Sie bedarf vielmehr der Aufhebung (BGH NJW 1987,
1084; NJW 1993, 2685).
Hinzu kommt im vorliegenden Fall das Interesse der Antragsgegnerin, die
sie nach dem Tenor der einstweiligen Verfügung treffende und
von
ihr bereits erfüllte Kostentragungspflicht abzuwenden und
angefallene eigene Kosten erstattet zu bekommen. Auch insoweit kann der
Antragsgegnerin ein Rechtsschutzinteresse für das
Widerspruchsverfahren nicht abgesprochen werden. Dies gilt selbst
nachdem die Antragstellerin bereits auf die Rechte aus der
einstweiligen Verfügung verzichtet hat, weil die
Antragsgegnerin
noch ein Interesse an der Erstattung der Kosten des Verfahrens auf
Erlass der einstweiligen Verfügung geltend machen konnte (BGH
NJW
1993, 2685; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Auflage, Kap. 60, Rn. 41
f.).
2.
Vorliegend führt auch eine Anwendung des Rechtsgedankens des
§ 93 ZPO nicht zu einer (anteiligen) Kostenlast der
Antragsgegnerin.
a) Insoweit ist anerkannt, dass vor Stellung eines Aufhebungsantrags
gemäß § 927 ZPO der Antragsgegner mit Blick
auf §
93 ZPO im Kosteninteresse grundsätzlich gehalten ist, den
Antragsteller zunächst auf den Aufhebungsgrund hinzuweisen und
ihm
Gelegenheit zu geben, auf die Rechte aus der einstweiligen
Verfügung zu verzichten, sowie, soweit der Antragsgegner
darüber hinaus die Voraussetzungen als gegeben ansieht, unter
denen dem Antragsteller mit der Aufhebungsentscheidung ausnahmsweise
auch die Kosten des Anordnungsverfahrens aufzuerlegen wären,
die
Übernahme der Kosten des Anordnungsverfahrens zu
erklären
(OLG Frankfurt NJW-RR 1999, 1742; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche
Ansprüche, 9. Aufl., Kap. 56 Rn. 37 m. w. N.).
Demgegenüber kommt eine Anwendung des Rechtsgedankens des
§
93 ZPO bei der Geltendmachung von Aufhebungsgründen in einem
bereits anhängigen Widerspruchsverfahren nicht in Betracht.
Ist
das Widerspruchsverfahren ohnehin anhängig und noch nicht
abgeschlossen, muss der Antragsgegner bereits in diesem Verfahren
(nachträglich) entstandene Aufhebungsgründe
einwenden.
Für ein Aufhebungsverfahren gemäß
§ 927 ZPO fehlt
das Rechtsschutzinteresse, wenn das Widerspruchsverfahren bereits
anhängig ist und deshalb die Gründe in diesem
Verfahren ohne
weiteres geltend gemacht werden können (Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 9. Aufl. Kap. 56 Rn. 42; s.a.
Zöller/Vollkommer, 27. Auflage, § 927, Rn. 2). Da das
Verfahren ohnehin anhängig ist, besteht keine Veranlassung,
von
dem Antragsgegner im Hinblick auf § 93 ZPO zu verlangen, dem
Antragsteller die Geltendmachung der sonst im Wege eines Antrages nach
§ 927 ZPO zu verfolgenden Aufhebungsgründe vorher
anzudrohen,
um es diesem zu ermöglichen, auf seine Rechte aus der
einstweiligen Verfügung zu verzichten und ggf. seine
Kostentragungspflicht anzuerkennen (OLG Koblenz GRUR 1989, 373).
Anders kann dies jedoch sein, wenn ein Widerspruchsverfahren noch nicht
anhängig ist und allein zum Zwecke der Geltendmachung von
sonst im
Wege eines Antrages nach § 927 ZPO zu verfolgenden
Aufhebungsgründen Widerspruch eingelegt wird, der
Antragsgegner
also von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, derartige Gründe
nicht
im Aufhebungsverfahren gemäß § 927 ZPO,
sondern im
Widerspruchsverfahren geltend zu machen. Diese Situation ist nicht
anders zu behandeln, als wenn sich der Antragsgegner von vorn herein
für die Durchführung des Aufhebungsverfahrens
gemäß § 927 ZPO entscheidet. In beiden
Konstellationen
soll ein (Kosten verursachendes) Verfahren zur Geltendmachung von
Aufhebungsgründen durch den Antragsgegner erst eingeleitet
werden.
Deshalb erscheint es - der Auffassung des Landgerichts im
Nichtabhilfebeschluss folgend - gerechtfertigt, dem Antragsgegner auch
vor Erhebung des Widerspruches zur Geltendmachung von
Aufhebungsgründen im Kosteninteresse im Hinblick auf den
Rechtsgedanken des § 93 ZPO grundsätzlich
abzuverlangen, den
Antragsteller zunächst auf den Aufhebungsgrund hinzuweisen und
ihm
Gelegenheit zu geben, auf die Rechte aus der einstweiligen
Verfügung zu verzichten sowie ggf. die Übernahme der
Kosten
des Anordnungsverfahrens zu erklären oder auch den Antrag auf
Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzunehmen.
Grundsätzlich ist zwar vor der Einlegung eines Widerspruchs
keine
Abmahnung durch den Antragsgegner erforderlich, die erörterten
besonderen Umständen rechtfertigen hier jedoch eine
abweichende
Behandlung (s.a. OLGR Hamburg 2003, 124).
b) Zwar hätte die Antragstellerin hiernach nicht durch ihr
Verhalten zur Erhebung des Widerspruchs Veranlassung im Sinne des
Rechtsgedankens des § 93 ZPO gegeben, weil die Antragsgegnerin
die
Antragstellerin vor Erhebung des Widerspruchs nicht Gelegenheit gegeben
hatte, auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu
verzichten sowie die Übernahme der Kosten des
Anordnungsverfahrens
zu erklären bzw. den Antrag auf Erlass der einstweiligen
Verfügung zurückzunehmen. Allerdings können
der
Antragsgegnerin dennoch Kosten des Verfahrens in Anwendung des
Rechtsgedankens des § 93 ZPO nicht auferlegt werden, weil die
Antragstellerin es versäumt hat, die Antragsgegnerin sofort
klaglos zu stellen.
Sollen dem Kläger gemäß § 93 ZPO
die Prozesskosten
zur Last fallen, so setzt dies neben dem Umstand, dass der Beklagte
nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben
hat, gleichermaßen voraus, dass der Beklagte den Anspruch
sofort
anerkennt. In entsprechender Anwendung dieses Rechtsgedankens auf den
vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Antragstellerin, da die
einstweilige Verfügung - was unstreitig ist - von Anfang an zu
Unrecht ergangen war, auch die Kostenlast bezüglich des
Anordnungsverfahrens, also die Verpflichtung zur Erstattung der von der
Antragsgegnerin bereits an die Antragstellerin gezahlten
Verfahrenskosten als auch der bei der Antragsgegnerin entstandenen
Kosten, anerkennen müssen. Dies hat die Antragstellerin bis
heute
nicht getan. Insoweit reichte es - wie oben ausgeführt -
vorliegend nicht aus, auf die Rechte aus der einstweiligen
Verfügung zu verzichten.
Die Kostenentscheidung bezüglich der Kosten des
Beschwerdeverfahrens folgt aus § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO.
Die Wertfestsetzung folgt aus § 48 Absatz 1 GKG in Verbindung
mit § 3 ZPO.
Nippe
Bähr
Damaske