kammergericht
berlin beschluss zustellung einstweilige verfügung heilung 172
zpo 189 zpo
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Aktenzeichen:5 W 274/10
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31.01.2011
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KAMMERGERICHT BERLIN
BESCHLUSS
In
dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
...
-
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
g e
g e n
...
-
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch
.......................................................... beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss der
Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin vom 8.
September 2010 - 97 O 37/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegner haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 3. 000,00 EUR.
Gründe:
I. Die gemäß § 91a Abs. 2, § 569
ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat in
der Sache keinen Erfolg. Der Senat stimmt der angefochtenen
Entscheidung im Ergebnis zu. Denn die einstweilige Verfügung
wäre nach dem eingelegten Widerspruch voraussichtlich zu
bestätigen gewesen.
1. Hierbei ist davon auszugehen, dass die auf §§ 3, 5
UWG gestützte einstweilige Verfügung in der Sache mit
Recht ergangen ist, weil die Antragsgegner irreführend
geworben haben. Dies ist von den Antragsgegnern im Beschwerdeverfahren
auch nicht mehr eigens thematisiert worden. Durchgreifende Zweifel am
Irreführungspotential ihrer Werbung in der konkret
angegriffenen Form sind insoweit auch nicht ersichtlich (vgl. insoweit
auch OLG Köln, Beschl. v. 3.12.2010 - 6 W 193/10 [Bl. 93, 94
d.A.], Seite 2, in der ähnlich gelagerten Sache der
Antragstellerin gegen die - in der hier angefochtenen Entscheidung
angeführte - “andere Firma”).
2. Die Antragsgegner hätten sich voraussichtlich auch nicht
mit Erfolg auf eine fehlerhafte Vollziehung der einstweiligen
Verfügung berufen können.
a) Allerdings kann - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht
von einer ordnungsgemäßen Vollziehung der
einstweiligen Verfügung im Wege der Zustellung an die
Antragsgegner selbst (anstatt an deren
Verfahrensbevollmächtigten) ausgegangen werden. Denn im
Streitfall wäre voraussichtlich § 172 ZPO zur
Anwendung gelangt. Richtig ist zwar der Ausgangspunkt des Landgerichts,
dass im Falle der vorgerichtlichen anwaltlichen Antwort auf ein
Abmahnschreiben von einer Zustellungsvollmacht nur ausgegangen werden
kann, wenn der Anwalt dies in seinem Antwortschreiben
ausdrücklich erklärt oder eine Vollmacht
beifügt, aus der sich die Zustellungsvollmacht
ausdrücklich ergibt (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 355; Hess
in: Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 12 Rdn. 132). Diese
Voraussetzungen sind aber entgegen der Auffassung des Landgerichts (und
auch des OLG Köln a.a.O., S. 3, im auch insoweit
ähnlich gelagerten Fall) erfüllt gewesen. Dem
anwaltlichen Antwortschreiben vom 23. Februar 2010 (Anlage ASt 15 =
Anlage AG 1) lagen von den Antragsgegnern unterzeichnete
Anwaltsvollmachten bei (AG 2 und AG 3), und zwar “zur
Prozessführung (u.a. nach §§ 81 ff.
ZPO)” mit Erstreckung auf “Neben- und
Folgeverfahren aller Art (z.B. Arrest und einstweilige
Verfügung …)”. Die Vollmachten umfassten
“insbesondere die Befugnis, Zustellungen zu bewirken und
entgegenzunehmen …”. Mit Blick auf diesen -
eindeutigen - Wortlaut erscheint es dem Senat als
überinterpretiert, wenn der sowohl in den Vollmachten als auch
im Antwortschreiben selbst enthaltenen Überschrift
“wegen Abwehr Abmahnung UWG” die Aussage entnommen
wird, die Vollmacht beschränke sich nur auf die
vorgerichtliche Phase und nicht auf das gerichtliche Eilverfahren,
zumal auch im Antwortschreiben selbst das Bevorstehen eines
Eilverfahren ausdrücklich in Aussicht genommen worden ist, als
die Antragstellerin aufgefordert worden ist, einem Eilantrag auch eben
jenes anwaltliche Antwortschreiben beizufügen.
Vorstehender Auffassung war - vor Entscheidungsfindung - im
Übrigen zunächst auch das Landgericht, als es mit
Verfügung vom 25.05.2010 (Bl. 39 d.A.) noch
ausführte, aus den dem Antwortschreiben vom 23.02.2010
beiliegenden Vollmachten ergebe sich “eindeutig”,
dass die Antragsgegner ihren Bevollmächtigten auch mit der
Vertretung in etwaigen Folgeverfahren bereits beauftragt
hätten, weshalb die Zustellung wirksam nur an sie
hätte bewirkt werden können.
b) Der mithin gemäß § 172 ZPO bestehende
Mangel ist aber vor Ablauf der Vollziehungsfrist
gemäß § 189 ZPO geheilt worden. Nach der
zuletzt genannten Vorschrift gilt ein Dokument in dem Zeitpunkt als
zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz
gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte,
tatsächlich zugegangen ist. Ein solcher tatsächlicher
Zugang des Dokuments bei den Verfahrensbevollmächtigten der
Antragsgegner binnen der Vollziehungsfrist liegt vor.
aa) Die Antragsgegner haben - wie sich ihrem Vorbringen (Seite 3 der
Widerspruchsbegründung = Bl. 35 d.A.) entnehmen lässt
- die ihnen zugestellte einstweilige Verfügung ihren
Verfahrensbevollmächtigten per E-Mail
“übermittelt” (also als eingescannten
Anhang zugeleitet und die Bevollmächtigten nicht etwa
bloß über den Inhalt unterrichtet, anders
lässt sich das Vorbringen nicht deuten). Dies genügt
zur Annahme des Zugangs des Dokuments. Der - erstinstanzlich
geäußerten - Auffassung der Antragsgegner, den
Verfahrensbevollmächtigten hätte (zur Bejahung von
§ 189 ZPO) die Ausfertigung im Original zugegangen sein
müssen, wohingegen beispielsweise der Zugang einer Fotokopie
oder einer Telefaxkopie nicht genügt hätte, wird
nicht zugestimmt. Nach der Rechtsprechung des Kammergerichts, an der
(auch) der Senat festhält, reicht der Zugang einer Kopie einer
einstweiligen Verfügung beim
Verfahrensbevollmächtigten für eine Heilung
gemäß § 189 ZPO aus; der Zugang des
Original-Schriftstücks ist hierfür nicht erforderlich
(vgl. KG [12. ZS] KG-Rep 2006, 5, juris-Rdn. 7-12; Senat Magazindienst
2005, 278, juris Rdn. 9). Einer solchen - nach besagter Rechtsprechung
genügenden - Kopie oder Telefaxkopie ist die - hier erfolgte -
elektronische Übermittlung des Dokuments per E-Mail
gleichzustellen. Denn ausschlaggebend für die Annahme des
§ 189 ZPO ist der Umstand, dass das Schriftstück so
in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass er es behalten kann
und Gelegenheit zur Kenntnisnahme von dessen Inhalt hat (vgl. KG [12.
ZS] a.a.O., juris-Rdn. 12, unter Hinweis auf BGH NJW 2001, 1946, 1947).
Dies aber ist im Falle des Zugangs einer Kopie der Original-Urkunde
gewährleistet, sei es in Papierform, sei es - wie hier - in
elektronischer Form (Scan per E-Mail).
bb) Die Heilung erfolgte auch vor Vollziehungsfristablauf, welcher am
10.04.2010 eingetreten wäre (vgl. Bl. 15 d.A.). Denn der
Meldeschriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten zum hiesigen
Verfahren (mit Angabe des landgerichtlichen Aktenzeichens) datiert vom
08.04.2010 (Bl. 32 d.A.), sodass davon auszugehen ist, dass zu diesem
Zeitpunkt die Übermittlung der einstweiligen
Verfügung per E-Mail an die
Verfahrensbevollmächtigten bereits erfolgt war, jenen also vor
Fristablauf das Dokument i.S. von § 189 ZPO
tatsächlich zugegangen ist.
II. Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung
beruhen auf § 97 Abs. 1, § 3 ZPO.
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