URTEIL DES
GERICHTSHOFS (Große Kammer)
In den verbundenen Rechtssachen C‑236/08 bis C‑238/08
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von
der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidungen vom 20. Mai 2008,
beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juni 2008, in den Verfahren
Google France SARL,
Google Inc.
gegen
Louis Vuitton Malletier SA (C‑236/08)
und
Google France SARL
gegen
Viaticum SA,
Luteciel SARL (C‑237/08)
und
Google France SARL
gegen
Centre national de recherche en relations humaines (CNRRH) SARL,
Pierre-Alexis Thonet,
Bruno Raboin,
Tiger SARL (C‑238/08)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der
Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K.
Lenaerts und E. Levits sowie der Richter C. W. A. Timmermans, A. Rosas,
A. Borg Barthet, M. Ilešič (Berichterstatter), J.
Malenovský, U. Lõhmus, A. Ó Caoimh und
J.‑J. Kasel,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche
Verhandlung vom 17. März 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der
Google France SARL und der Google Inc., vertreten durch A.
Néri und S. Proust, avocats, sowie G. Hobbs, QC,
– der Louis
Vuitton Malletier SA, vertreten durch P. de Candé, avocat,
– der
Viaticum SA und der Luteciel SARL, vertreten durch C. Fabre, avocat,
– der
Centre national de recherche en relations humaines (CNRRH) SARL und von
Herrn Thonet, vertreten durch L. Boré und P. Buisson,
avocats,
– der Tiger
SARL, vertreten durch O. de Nervo, avocat,
– der
französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B.
Cabouat als Bevollmächtigte,
– der
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H.
Krämer als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts
in der Sitzung vom 22. September 2009
folgendes
Urteil
1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 5 Abs.
1 und 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember
1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1), Art. 9 Abs. 1 der
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über
die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) und Art. 14 der
Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der
Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen
Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie
über den elektronischen Geschäftsverkehr“)
(ABl. L 178, S. 1).
2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der
Google France SARL und der Google Inc. (im Folgenden einzeln oder
zusammen: Google) einerseits und der Louis Vuitton Malletier SA (im
Folgenden: Vuitton) andererseits (Rechtssache C‑236/08), zwischen
Google einerseits und der Viaticum SA (im Folgenden: Viaticum) sowie
der Luteciel SARL (im Folgenden: Luteciel) andererseits (Rechtssache
C‑337/08) und zwischen Google einerseits und der Centre national de
recherche en relations humaines (CNRRH) SARL (im Folgenden: CNRRH),
Herrn Thonet sowie Herrn Raboin andererseits (Rechtssache C‑238/08)
über die anhand von Schlüsselwörtern, die
Marken entsprechen, erfolgende Anzeige von Werbelinks im Internet.
I – Rechtlicher Rahmen
A – Richtlinie 89/104
3
Art. 5 („Rechte aus der Marke“) der Richtlinie
89/104 bestimmt:
„(1) Die
eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein
ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem
Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im
geschäftlichen Verkehr
a) ein mit der Marke
identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu
benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie
eingetragen ist;
b) ein Zeichen zu
benutzen, wenn wegen der Identität oder der
Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der
Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und
das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das
Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr
einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in
Verbindung gebracht wird.
(2) Die
Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber
gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im
geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr
ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu
benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die
Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat
bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft
oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund
in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
(3) Sind die
Voraussetzungen der Absätze l und 2 erfüllt, so kann
insbesondere verboten werden:
a) das Zeichen auf
Waren oder deren Aufmachung anzubringen;
b) unter dem Zeichen
Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten
Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten
oder zu erbringen;
c) Waren unter dem
Zeichen einzuführen oder auszuführen;
d) das Zeichen in den
Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.
…“
4
Art. 6 („Beschränkung der Wirkungen der
Marke“) der Richtlinie 89/104 bestimmt:
„(1) Die
Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu
verbieten,
a) seinen Namen oder
seine Anschrift,
b) Angaben
über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung,
den Wert, die geografische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der
Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder über andere
Merkmale der Ware oder Dienstleistung,
c) die Marke, falls
dies notwendig ist, die Hinweise auf die Bestimmung einer Ware,
insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer
Dienstleistung
im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung
den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel
entspricht.
…“
5
Art. 7 („Erschöpfung des Rechts aus der
Marke“) der Richtlinie 89/104 lautete in deren
ursprünglicher Fassung:
„(1) Die
Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu
verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser
Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den
Verkehr gebracht worden sind.
(2) Absatz l findet
keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen,
dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt,
insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen
verändert oder verschlechtert ist.“
6
Gemäß Art. 65 Abs. 2 des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994,
L 1, S. 3) in Verbindung mit Anhang XVII Nr. 4 dieses Abkommens wurde
die ursprüngliche Fassung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie
für die Zwecke des Abkommens in der Weise geändert,
dass der Ausdruck „in der Gemeinschaft“ durch die
Worte „in einem Vertragsstaat“ ersetzt wurde.
7
Die Richtlinie 89/104 wurde durch die am 28. November 2008 in Kraft
getretene Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken
(kodifizierte Fassung) (ABl. L 299, S. 25) aufgehoben. Für die
Sachverhalte der Ausgangsrechtsstreitigkeiten gilt jedoch aufgrund des
zeitlichen Rahmens weiterhin die Richtlinie 89/104.
B – Verordnung Nr. 40/94
8
Art. 9 („Recht aus der Gemeinschaftsmarke“) der
Verordnung Nr. 40/94 bestimmt:
„(1) Die
eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein
ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem
Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im
geschäftlichen Verkehr
a) ein mit der
Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren oder
Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind,
für die sie eingetragen ist;
b) ein Zeichen zu
benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit
des Zeichens mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder
Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen
erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die
Gefahr von Verwechslungen besteht; dabei schließt die Gefahr
von Verwechslungen die Gefahr ein, dass das Zeichen mit der Marke
gedanklich in Verbindung gebracht wird;
c) ein mit der
Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen
für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen
ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke
eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die
Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die
Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden
Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
(2) Sind die
Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt, so kann insbesondere
verboten werden:
a) das Zeichen auf
Waren oder deren Aufmachung anzubringen;
b) unter dem Zeichen
Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten
Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten
oder zu erbringen;
c) Waren unter dem
Zeichen einzuführen oder auszuführen;
d) das Zeichen in den
Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.
…“
9
Art. 12 („Beschränkung der Wirkungen der
Gemeinschaftsmarke“) der Verordnung Nr. 40/94 bestimmt:
„Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber nicht
das Recht, einem Dritten zu verbieten,
a) seinen Namen oder
seine Anschrift,
b) Angaben
über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung,
den Wert, die geografische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der
Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder über andere
Merkmale der Ware oder Dienstleistung,
c) die Marke, falls
dies notwendig ist, als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware,
insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer
Dienstleistung
im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung
den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel
entspricht.“
10 Art. 13
(„Erschöpfung des Rechts aus der
Gemeinschaftsmarke“) der Verordnung Nr. 40/94 bestimmt:
„(1) Die
Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht,
einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen,
die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der
Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind.
(2) Absatz l findet
keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen,
dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt,
insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen
verändert oder verschlechtert ist.“
11 Die Verordnung Nr.
40/94 wurde durch die am 13. April 2009 in Kraft getretene Verordnung
(EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die
Gemeinschaftsmarke (kodifizierte Fassung) (ABl. L 78, S. 1) aufgehoben.
Für die Sachverhalte der Ausgangsrechtsstreitigkeiten gilt
jedoch aufgrund des zeitlichen Rahmens weiterhin die Verordnung Nr.
40/94.
C – Richtlinie 2000/31
12 Der 29.
Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31 lautet:
„Kommerzielle Kommunikationen sind von entscheidender
Bedeutung für die Finanzierung der Dienste der
Informationsgesellschaft und die Entwicklung vielfältiger
neuer und unentgeltlicher Dienste. Im Interesse des Verbraucherschutzes
und der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs müssen die
verschiedenen Formen kommerzieller Kommunikation …
bestimmten Transparenzerfordernissen genügen.
…“
13 Die
Erwägungsgründe 40 bis 46 der Richtlinie 2000/31
lauten:
„(40) Bestehende und sich entwickelnde Unterschiede in den
Rechtsvorschriften und der Rechtsprechung der Mitgliedstaaten
hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Diensteanbietern, die als
Vermittler handeln, behindern das reibungslose Funktionieren des
Binnenmarktes, indem sie insbesondere die Entwicklung
grenzüberschreitender Dienste erschweren … Die
Diensteanbieter sind unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet,
tätig zu werden, um rechtswidrige Tätigkeiten zu
verhindern oder abzustellen. Die Bestimmungen dieser Richtlinie sollten
eine geeignete Grundlage für die Entwicklung rasch und
zuverlässig wirkender Verfahren zur Entfernung unerlaubter
Informationen und zur Sperrung des Zugangs zu ihnen bilden. …
(41) Diese Richtlinie schafft ein Gleichgewicht zwischen den
verschiedenen Interessen und legt die Grundsätze fest, auf
denen Übereinkommen und Standards in dieser Branche basieren
können.
(42) Die in dieser
Richtlinie hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen
decken nur Fälle ab, in denen die Tätigkeit des
Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft auf den technischen
Vorgang beschränkt ist, ein Kommunikationsnetz zu betreiben
und den Zugang zu diesem zu vermitteln, über das von Dritten
zur Verfügung gestellte Informationen übermittelt
oder zum alleinigen Zweck vorübergehend gespeichert werden,
die Übermittlung effizienter zu gestalten. Diese
Tätigkeit ist rein technischer, automatischer und passiver
Art, was bedeutet, dass der Anbieter eines Dienstes der
Informationsgesellschaft weder Kenntnis noch Kontrolle über
die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt.
(43) Ein Diensteanbieter kann die Ausnahmeregelungen
für die ‚reine Durchleitung‘ und das
‚Caching‘ in Anspruch nehmen, wenn er in keiner
Weise mit der übermittelten Information in Verbindung steht.
…
(44) Ein Diensteanbieter, der absichtlich mit einem der
Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu
begehen, leistet mehr als ‚reine Durchleitung‘ und
‚Caching‘ und kann daher den hierfür
festgelegten Haftungsausschluss nicht in Anspruch nehmen.
(45) Die in dieser
Richtlinie festgelegten Beschränkungen der Verantwortlichkeit
von Vermittlern lassen die Möglichkeit von Anordnungen
unterschiedlicher Art unberührt. …
(46) Um eine Beschränkung der Verantwortlichkeit in
Anspruch nehmen zu können, muss der Anbieter eines Dienstes
der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von Information
besteht, unverzüglich tätig werden, sobald ihm
rechtswidrige Tätigkeiten bekannt oder bewusst werden, um die
betreffende Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.
…“
14 Art. 2 Buchst. a
der Richtlinie 2000/31 definiert „Dienste der
Informationsgesellschaft“ unter Verweisung auf Art. 1 Abs. 2
der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem
Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften
für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204, S.
37) in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. L 217, S. 18) als
„jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz
und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte
Dienstleistung“.
15 Art. 1 Abs. 2 der
Richtlinie 98/34 in der Fassung der Richtlinie 98/48 bestimmt ferner:
„…
Im Sinne dieser Definition bezeichnet der Ausdruck
–
‚im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung‘ eine
Dienstleistung, die ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der
Vertragsparteien erbracht wird;
–
‚elektronisch erbrachte Dienstleistung‘ eine
Dienstleistung, die mittels Geräten für die
elektronische Verarbeitung … und Speicherung von Daten am
Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und die
vollständig über Draht, über Funk, auf
optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet,
weitergeleitet und empfangen wird;
–
‚auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte
Dienstleistung‘ eine Dienstleistung, die durch die
Übertragung von Daten auf individuelle Anforderung erbracht
wird.“
…“
16 In Art. 6 der
Richtlinie 2000/31 heißt es:
„Zusätzlich zu den sonstigen
Informationsanforderungen nach dem Gemeinschaftsrecht stellen die
Mitgliedstaaten sicher, dass kommerzielle Kommunikationen, die
Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft sind
…, zumindest folgende Bedingungen erfüllen:
…
b) die
natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag
kommerzielle Kommunikationen erfolgen, muss klar identifizierbar sein;
…“
17 Kapitel II der
Richtlinie 2000/31 enthält einen Abschnitt 4
„Verantwortlichkeit der Vermittler“, der aus den
Art. 12 bis 15 besteht.
18 Art. 12
(„Reine Durchleitung“) der Richtlinie 2000/31
bestimmt:
„(1) Die
Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der
Informationsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer
eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz zu
übermitteln oder Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu
vermitteln, der Diensteanbieter nicht für die
übermittelten Informationen verantwortlich ist, sofern er
a) die
Übermittlung nicht veranlasst,
b) den
Adressaten der übermittelten Informationen nicht
auswählt und
c) die
übermittelten Informationen nicht auswählt oder
verändert.
(2) Die
Übermittlung von Informationen und die Vermittlung des Zugangs
im Sinne von Absatz 1 umfassen auch die automatische kurzzeitige
Zwischenspeicherung der übermittelten Informationen, soweit
dies nur zur Durchführung der Übermittlung im
Kommunikationsnetz geschieht und die Information nicht länger
gespeichert wird, als es für die Übermittlung
üblicherweise erforderlich ist.
(3) Dieser Artikel
lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein
Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen
der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung
abzustellen oder zu verhindern.“
19 In Art. 13
(„Caching“) der Richtlinie 2000/31 heißt
es:
„(1) Die
Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der
Informationsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer
eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz zu
übermitteln, der Diensteanbieter nicht für die
automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung verantwortlich
ist, die dem alleinigen Zweck dient, die Übermittlung der
Information an andere Nutzer auf deren Anfrage effizienter zu
gestalten, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Der
Diensteanbieter verändert die Information nicht;
b) der
Diensteanbieter beachtet die Bedingungen für den Zugang zu der
Information;
c) der
Diensteanbieter beachtet die Regeln für die Aktualisierung der
Information, die in weithin anerkannten und verwendeten
Industriestandards festgelegt sind;
d) der
Diensteanbieter beeinträchtigt nicht die erlaubte Anwendung
von Technologien zur Sammlung von Daten über die Nutzung der
Information, die in weithin anerkannten und verwendeten
Industriestandards festgelegt sind;
und
e) der
Diensteanbieter handelt zügig, um eine von ihm gespeicherte
Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald er
tatsächliche Kenntnis davon erhält, dass die
Information am ursprünglichen Ausgangsort der
Übertragung aus dem Netz entfernt wurde oder der Zugang zu ihr
gesperrt wurde oder ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde
die Entfernung oder Sperrung angeordnet hat.
(2) Dieser Artikel
lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein
Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen
der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung
abzustellen oder zu verhindern.“
20 Art. 14
(„Hosting“) der Richtlinie 2000/31 bestimmt:
„(1) Die
Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der
Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer
eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht
für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen
verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt
sind:
a) Der Anbieter hat
keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen
Tätigkeit oder Information, und, in Bezug auf
Schadenersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder
Umstände bewusst, aus denen die rechtswidrige
Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder
b) der Anbieter wird,
sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt,
unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen
oder den Zugang zu ihr zu sperren.
(2) Absatz 1 findet
keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder
von ihm beaufsichtigt wird.
(3) Dieser Artikel
lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein
Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen
der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung
abzustellen oder zu verhindern, oder dass die Mitgliedstaaten Verfahren
für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des
Zugangs zu ihr festlegen.“
21 Art. 15
(„Keine allgemeine Überwachungspflicht“)
der Richtlinie 2000/31 sieht vor:
„(1) Die
Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12,
13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen
übermittelten oder gespeicherten Informationen zu
überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die
auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
(2) Die
Mitgliedstaaten können Anbieter von Diensten der
Informationsgesellschaft dazu verpflichten, die zuständigen
Behörden unverzüglich über
mutmaßliche rechtswidrige Tätigkeiten oder
Informationen der Nutzer ihres Dienstes zu unterrichten, oder dazu
verpflichten, den zuständigen Behörden auf Verlangen
Informationen zu übermitteln, anhand deren die Nutzer ihres
Dienstes, mit denen sie Vereinbarungen über die Speicherung
geschlossen haben, ermittelt werden können.“
II – Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
A – Der Referenzierungsdienst
„AdWords“
22 Google betreibt
eine Internetsuchmaschine. Führt ein Internetnutzer eine Suche
anhand eines oder mehrerer Wörter durch, zeigt die
Suchmaschine die Internetseiten, die diesen Wörtern am ehesten
zu entsprechen scheinen, nach abnehmender Relevanz an. Dies sind die
sogenannten „natürlichen“ Suchergebnisse.
23 Daneben bietet
Google gegen Entgelt einen „AdWords“ genannten
Referenzierungsdienst an. Dieser ermöglicht es einem
Wirtschaftsteilnehmer mittels Auswahl eines oder mehrerer
Schlüsselwörter, für den Fall der
Übereinstimmung zwischen diesen und den Wörtern, die
in der von einem Internetnutzer an die Suchmaschine gerichteten
Suchanfrage enthalten sind, einen Werbelink zu seiner Internetseite
erscheinen zu lassen. Dieser Werbelink erscheint in der Rubrik
„liens commerciaux“ („Gewerbliche
Links“, deutsche Google-Fassung:
„Anzeigen“), die am rechten Bildschirmrand, rechts
von den natürlichen Ergebnissen, oder im oberen Teil des
Bildschirms oberhalb dieser Ergebnisse angezeigt wird.
24 Dem genannten
Werbelink wird eine kurze Werbebotschaft beigefügt. Dieser
Link und diese Botschaft bilden zusammen die Anzeige, die in der oben
genannten Rubrik erscheint.
25 Für den
Referenzierungsdienst hat der Werbende pro Klick auf den Werbelink eine
Vergütung zu zahlen. Diese Vergütung bestimmt sich u.
a. nach dem „maximalen Preis-pro-Klick“, zu dessen
Zahlung sich der Werbende bei Abschluss des Vertrags über den
Referenzierungsdienst bereit erklärt hat, und nach der Zahl
der Klicks der Internetnutzer auf diesen Link.
26 Mehrere Werbende
können dasselbe Schlüsselwort auswählen. In
welcher Reihenfolge ihre Werbelinks gezeigt werden, hängt dann
insbesondere ab vom jeweiligen maximalen Preis-pro-Klick, von der Zahl
der Klicks, die diese Links erhalten haben, und von der
Qualität der Anzeige, wie Google sie bewertet. Der Werbende
kann die Position seiner Anzeige in der Reihenfolge jederzeit
verbessern, indem er den maximalen Preis-pro-Klick erhöht oder
versucht, die Qualität seiner Anzeige zu steigern.
27 Google hat ein
automatisches Verfahren für die Auswahl von
Schlüsselwörtern und die Erstellung von Anzeigen
eingerichtet: Die Werbenden wählen die
Schlüsselwörter aus, verfassen die Werbebotschaft und
setzen einen Link auf ihre Website.
B –Rechtssache C‑236/08
28 Vuitton, die u. a.
Luxustaschen und andere Lederwaren anbietet, ist Inhaberin der
Gemeinschaftsmarke „Vuitton“ und der
französischen nationalen Marken „Louis
Vuitton“ und „LV“. Es ist unstreitig,
dass diese Marken bekannt sind.
29 Anfang 2003
ließ Vuitton feststellen, dass die Suchmaschine von Google
bei der Eingabe von Wörtern, aus denen ihre Marken bestehen,
in der Rubrik „Anzeigen“ Links zu Websites gezeigt
habe, auf denen Nachahmungen von Waren von Vuitton dargeboten worden
seien. Ferner wurde festgestellt, dass Google den Werbenden nicht nur
die Möglichkeit geboten habe, den Marken von Vuitton
entsprechende Schlüsselwörter auszuwählen,
sondern auch, diese Schlüsselwörter mit
Ausdrücken zu kombinieren, die auf die Nachahmung hinwiesen,
wie „Imitat“ und „Kopie“.
30 Vuitton verklagte
Google, um u. a. feststellen zu lassen, dass dieses Unternehmen ihre
französischen Marken und ihre Gemeinschaftsmarke verletzt habe.
31 Google wurde mit
Urteil des Tribunal de grande instance de Paris vom 4. Februar 2005 und
in zweiter Instanz mit Urteil der Cour d’appel de Paris vom
28. Juni 2006 wegen Verletzung der Marken von Vuitton verurteilt.
Google legte gegen das letztgenannte Urteil Kassationsbeschwerde ein.
32 Unter diesen
Umständen hat die Cour de cassation das Verfahren ausgesetzt
und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Sind die Art. 5
Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/104 sowie Art. 9 Abs. 1
Buchst. a und b der Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen, dass darin,
dass der Anbieter eines entgeltlichen Referenzierungsdienstes Werbenden
Schlüsselwörter zur Verfügung stellt, die
eingetragene Marken wiedergeben oder nachahmen, und nach dem
Referenzierungsvertrag dafür sorgt, dass auf der Grundlage
dieser Schlüsselwörter Werbelinks zu Websites, auf
denen nachgeahmte Waren angeboten werden, gebildet und an
herausgehobener Stelle angezeigt werden, eine Benutzung dieser Marken
liegt, die deren Inhaber verbieten darf?
2. Für den
Fall, dass es sich hierbei um bekannte Marken handelt: Kann sich der
Markeninhaber einer solchen Benutzung nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie
89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 40/94 widersetzen?
3. Für den
Fall, dass eine solche Benutzung keine Benutzung darstellt, die der
Inhaber der Marke nach der Richtlinie 89/104 oder der Verordnung Nr.
40/94 verbieten darf: Ist davon auszugehen, dass der Anbieter eines
entgeltlichen Referenzierungsdienstes einen Dienst der
Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer
eingegebenen Informationen besteht, im Sinne des Art. 14 der Richtlinie
2000/31 erbringt, so dass seine Verantwortlichkeit nicht geltend
gemacht werden kann, solange er nicht vom Inhaber der Marke
über die rechtswidrige Benutzung des Zeichens durch den
Werbenden unterrichtet worden ist?
C –Rechtssache C‑237/08
33 Viaticum ist
Inhaberin der französischen Marken „Bourse des
Vols“ (Flugbörse), „Bourse des
Voyages“ (Reisebörse) und „BDV“,
die für Dienstleistungen der Veranstaltung von Reisen
eingetragen sind.
34 Luteciel erbringt
EDV-Dienstleistungen für Rechnung von Reisebüros. Sie
gestaltet und betreut den Internetauftritt von Viaticum.
35 Viaticum und
Luteciel ließen feststellen, dass die Suchmaschine von Google
bei der Eingabe von Wörtern, aus denen die genannten Marken
bestehen, in der Rubrik „Anzeigen“ Links zu
Websites von Mitbewerbern von Viaticum angezeigt habe. Ferner wurde
festgestellt, dass Google den Werbenden die Möglichkeit
geboten habe, den genannten Marken entsprechende
Schlüsselwörter auszuwählen.
36 Viaticum und
Luteciel verklagten Google. Mit Urteil vom 13. Oktober 2003 befand das
Tribunal de grande instance de Nanterre, dass Google Markenverletzungen
begangen habe, und verurteilte Google zum Ersatz des Viaticum und
Luteciel entstandenen Schadens. Google legte bei der Cour
d’appel de Versailles Berufung ein. Diese stellte mit Urteil
vom 10. März 2005 fest, dass Google an Markenverletzungen
teilgenommen habe, und bestätigte das Urteil vom 13. Oktober
2003. Google legte gegen das letztgenannte Urteil Kassationsbeschwerde
ein.
37 Unter diesen
Umständen hat die Cour de cassation das Verfahren ausgesetzt
und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 5 Abs. 1
Buchst. a und b der Richtlinie 89/104 dahin auszulegen, dass darin,
dass der Anbieter eines entgeltlichen Referenzierungsdienstes Werbenden
Schlüsselwörter zur Verfügung stellt, die
eingetragene Marken wiedergeben oder nachahmen, und nach dem
Referenzierungsvertrag dafür sorgt, dass auf der Grundlage
dieser Schlüsselwörter verkaufsfördernde
Links zu Websites, auf denen Waren angeboten werden, die mit den von
der Eintragung dieser Marken erfassten identisch oder ihnen
ähnlich sind, gebildet und an herausgehobener Stelle angezeigt
werden, eine Benutzung dieser Marken liegt, die ihr Inhaber verbieten
darf?
2. Für den
Fall, dass eine solche Benutzung keine Benutzung darstellt, die der
Inhaber der Marke nach der Richtlinie 89/104 oder der Verordnung Nr.
40/94 verbieten darf: Ist davon auszugehen, dass der Anbieter eines
entgeltlichen Referenzierungsdienstes einen Dienst der
Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer
eingegebenen Informationen besteht, im Sinne des Art. 14 der Richtlinie
2000/31 erbringt, so dass seine Verantwortlichkeit nicht geltend
gemacht werden kann, solange er nicht vom Inhaber der Marke
über die rechtswidrige Benutzung des Zeichens durch den
Werbenden unterrichtet worden ist?
D –Rechtssache C‑238/08
38 Herr Thonet ist
Inhaber der französischen Marke
„Eurochallenges“, die u. a. für
Dienstleistungen der Ehevermittlung eingetragen ist. CNRRH ist als
Ehevermittlungsinstitut tätig. Ihr wurde von Herrn Thonet eine
Lizenz an der genannten Marke erteilt.
39 Anfang 2003
ließen Herr Thonet und CNRRH feststellen, dass die
Suchmaschine von Google bei der Eingabe des der genannten Marke
entsprechenden Wortes in der Rubrik „Anzeigen“
Links zu konkurrierenden Websites von CNRRH gezeigt habe, die von Herrn
Raboin und Tiger betrieben worden seien. Ferner wurde festgestellt,
dass Google den Werbenden die Möglichkeit geboten habe, dieses
Wort als Schlüsselwort auszuwählen.
40 Herr Raboin, Tiger
und Google wurden auf Antrag von Herrn Thonet und CNRRH mit Urteil des
Tribunal de grande instance de Nanterre vom 14. Dezember 2004 und in
zweiter Instanz mit Urteil der Cour d’appel de Versailles vom
23. März 2006 wegen Markenverletzung verurteilt. Google legte
gegen das letztgenannte Urteil Kassationsbeschwerde ein.
41 Unter diesen
Umständen hat die Cour de cassation das Verfahren ausgesetzt
und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Stellt die von
einem Wirtschaftsteilnehmer aufgrund eines Vertrags über die
entgeltliche Internetreferenzierung vorgenommene Reservierung eines
Schlüsselworts, aufgrund dessen im Fall einer dieses Wort
verwendenden Suchanfrage die Bildschirmanzeige eines Links
ausgelöst wird, der das Angebot enthält, sich mit
einer Website in Verbindung zu setzen, die von diesem
Wirtschaftsteilnehmer betrieben wird, um Waren oder Dienstleistungen
anzubieten, und der eine Marke wiedergibt oder nachahmt, die ein
Dritter zur Kennzeichnung identischer oder ähnlicher Waren hat
eintragen lassen, dann, wenn der Inhaber dieser Marke seine Genehmigung
hierzu nicht erteilt hat, als solche einen Eingriff in das dem Inhaber
der Marke durch Art. 5 der Richtlinie 89/104 garantierte
Ausschließlichkeitsrecht dar?
2. Ist Art. 5 Abs. 1
Buchst. a und b der Richtlinie 89/104 dahin auszulegen, dass darin,
dass der Anbieter eines entgeltlichen Referenzierungsdienstes Werbenden
Schlüsselwörter zur Verfügung stellt, die
eingetragene Marken wiedergeben oder nachahmen, und nach dem
Referenzierungsvertrag dafür sorgt, dass auf der Grundlage
dieser Schlüsselwörter verkaufsfördernde
Links zu Websites, auf denen Waren angeboten werden, die mit den von
der Eintragung dieser Marken erfassten identisch oder ihnen
ähnlich sind, gebildet und an herausgehobener Stelle angezeigt
werden, eine Benutzung dieser Marken liegt, die ihr Inhaber verbieten
darf?
3. Für den
Fall, dass eine solche Benutzung keine Benutzung darstellt, die der
Inhaber der Marke nach der Richtlinie 89/104 oder der Verordnung Nr.
40/94 verbieten darf: Ist davon auszugehen, dass der Anbieter eines
entgeltlichen Referenzierungsdienstes einen Dienst der
Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer
eingegebenen Informationen besteht, im Sinne des Art. 14 der Richtlinie
2000/31 erbringt, so dass seine Verantwortlichkeit nicht geltend
gemacht werden kann, solange er nicht vom Inhaber der Marke
über die rechtswidrige Benutzung des Zeichens durch den
Werbenden unterrichtet worden ist?
III – Zu den Vorlagefragen
A – Zur Verwendung von
Schlüsselwörtern, die Marken eines anderen
entsprechen, im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes
1. Vorbemerkungen
42 Es steht
außer Zweifel, dass die Ausgangsverfahren ihren Ursprung
darin haben, dass im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes als
Schlüsselwörter Zeichen verwendet werden, die Marken
entsprechen, deren Inhaber dieser Verwendung nicht zugestimmt haben.
Diese Schlüsselwörter wurden von den Kunden des
Anbieters des Referenzierungsdienstes ausgewählt, und dieser
hat sie akzeptiert und gespeichert. Die in Rede stehenden Kunden
vertreiben Nachahmungen von Waren des Markeninhabers (C‑236/08) bzw.
stehen einfach mit ihm in Wettbewerb (C‑237/08 und C‑238/08).
43 Mit seiner ersten
Frage in der Rechtssache C‑236/08, der ersten Frage in der Rechtssache
C‑237/08 sowie der ersten und zweiten Frage in der Rechtssache
C‑238/08, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das
vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der
Richtlinie 89/104 sowie Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung
Nr. 40/94 dahin auszulegen sind, dass der Inhaber einer Marke es einem
Dritten verbieten darf, auf ein mit der Marke identisches oder ihr
ähnliches Schlüsselwort, das von diesem Dritten ohne
Zustimmung des Markeninhabers im Rahmen eines
Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt oder gespeichert
wurde, eine Anzeige für Waren oder Dienstleistungen, die mit
den von der Marke erfassten identisch oder ihnen ähnlich sind,
zu zeigen bzw. zeigen zu lassen.
44 In der ersten
Frage in der Rechtssache C‑236/08, der ersten Frage in der Rechtssache
C‑237/08 und der zweiten Frage in der Rechtssache C‑238/08 wird
insoweit darauf abgestellt, dass der Anbieter des
Referenzierungsdienstes ein solches Schlüsselwort speichert
und dafür sorgt, dass auf dieses Schlüsselwort die
Anzeige seines Kunden erscheint, während in der ersten Frage
in der Rechtssache C‑238/08 die Auswahl des Zeichens als
Schlüsselwort durch den Werbenden und das mittels des
Referenzierungsmechanismus durch diese Auswahl bewirkte Erscheinen der
Anzeige im Vordergrund steht.
45 Nach Art. 5 Abs. 1
Buchst. a und b der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b
der Verordnung Nr. 40/94 ist ein Markeninhaber unter bestimmten
Voraussetzungen berechtigt, Dritten zu verbieten, ein mit seiner Marke
identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder
Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch oder ihnen
ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist.
46 In den
Fällen der Ausgangsverfahren wird mit der Nutzung von Marken
entsprechenden Zeichen als Schlüsselwörter bezweckt
und bewirkt, dass Werbelinks zu Websites gezeigt werden, auf denen
Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, die mit denjenigen
identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, d. h.
Lederwaren, Dienstleistungen der Veranstaltung von Reisen und
Dienstleistungen der Ehevermittlung.
47 Der Gerichtshof
wird daher die in Randnr. 43 des vorliegenden Urteils genannte Frage im
Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9
Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 prüfen und nur
inzidenter im Hinblick auf den jeweiligen Abs. 1 Buchst. b dieser
Artikel, wo bei Identität des Zeichens mit der Marke der Fall
geregelt ist, dass die Waren oder Dienstleistungen des Dritten den von
den genannten Marken erfassten lediglich ähnlich sind.
48 Nach dieser
Prüfung wird die zweite Frage in der Rechtssache C‑236/08 zu
beantworten sein, bei der im Wesentlichen dieselbe Problematik unter
dem Blickwinkel von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs.
1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94, die die Rechte aus bekannten
Marken betreffen, zu prüfen ist. Vorbehaltlich der
Überprüfung durch das vorlegende Gericht geht aus der
Vorlageentscheidung hervor, dass das in Frankreich anwendbare Recht die
in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 enthaltene Regelung umfasst. Im
Übrigen hat der Gerichtshof klargestellt, dass bei der
Auslegung dieses Art. 5 Abs. 2 nicht ausschließlich dessen
Wortlaut, sondern auch die Systematik und die Ziele der Regelung, zu
der er gehört, zu berücksichtigen sind. Somit
betrifft die in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 enthaltene Regelung
nicht nur die Fälle, in denen ein Dritter ein mit einer
bekannten Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen
für Waren oder Dienstleistungen benutzt, die denjenigen nicht
ähnlich sind, für die diese Marke eingetragen ist,
sondern auch die Fälle, in denen ein solches Zeichen
für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit
denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die
diese Marke eingetragen ist (Urteile vom 9. Januar 2003, Davidoff,
C‑292/00, Slg. 2003, I‑389, Randnrn. 24 bis 30, und vom 10. April 2008,
adidas und adidas Benelux, C‑102/07, Slg. 2008, I‑2439, Randnr. 37).
2. Zur Auslegung von Art. 5
Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der
Verordnung Nr. 40/94
49 Nach Art. 5 Abs. 1
Buchst. a der Richtlinie 89/104 bzw. im Fall der Gemeinschaftsmarke
Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 ist der Markeninhaber
berechtigt, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung ein mit der
Marke identisches Zeichen zu benutzen, wenn diese Benutzung im
geschäftlichen Verkehr erfolgt, für Waren oder
Dienstleistungen geschieht, die mit denjenigen identisch sind,
für die die Marke eingetragen ist, und die Funktionen der
Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen
könnte (vgl. insbesondere Urteil vom 11. September 2007,
Céline, C‑17/06, Slg. 2007, I‑7041, Randnr. 16, Beschluss
vom 19. Februar 2009, UDV North America, C‑62/08, Slg. 2009, I‑1279,
Randnr. 42, und Urteil vom 18. Juni 2009, L’Oréal
u. a., C‑487/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 58).
a) Benutzung im
geschäftlichen Verkehr
50 Ein mit der Marke
identisches Zeichen wird im geschäftlichen Verkehr benutzt,
wenn die Benutzung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen
Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im
privaten Bereich erfolgt (Urteile vom 12. November 2002, Arsenal
Football Club, C‑206/01, Slg. 2002, I‑10273, Randnr. 40, und
Céline, Randnr. 17, sowie Beschluss UDV North America,
Randnr. 44).
51 Was
zunächst den Werbenden angeht, der die
Referenzierungsdienstleistung kauft und als Schlüsselwort ein
mit einer Marke eines anderen identisches Zeichen auswählt,
ist festzustellen, dass er dieses Zeichen im Sinne dieser
Rechtsprechung benutzt.
52 Aus der Sicht des
Werbenden wird nämlich mit der Auswahl des mit der Marke
identischen Schlüsselworts bezweckt und bewirkt, dass ein
Werbelink zu der Website gezeigt wird, auf der er seine Waren und
Dienstleistungen anbietet. Da das als Schlüsselwort
ausgewählte Zeichen der Auslöser für das
Erscheinen dieser Werbung ist, ist unbestreitbar, dass der Werbende es
im Zusammenhang mit seiner kommerziellen Tätigkeit und nicht
im privaten Bereich benutzt.
53 Sodann steht fest,
dass der Anbieter des Referenzierungsdienstes eine kommerzielle
Tätigkeit ausübt und einen wirtschaftlichen Vorteil
anstrebt, wenn er für bestimmte seiner Kunden mit Marken
identische Zeichen als Schlüsselwörter speichert und
dafür sorgt, dass anhand dieser
Schlüsselwörter Werbeanzeigen erscheinen.
54 Fest steht auch,
dass dieser Dienst nicht nur für Inhaber der fraglichen Marken
oder für Wirtschaftsteilnehmer, die zur Vermarktung der Waren
oder Dienstleistungen dieser Marken berechtigt sind, sondern zumindest
in den Fällen der vorliegenden Rechtssachen ohne Zustimmung
der Markeninhaber für deren Mitbewerber oder für
Nachahmer erbracht wird.
55 Auch wenn sich aus
diesen Gesichtspunkten ergibt, dass der Anbieter des
Referenzierungsdienstes „im
Geschäftsverkehr“ handelt, wenn er die Werbenden mit
Marken identische Zeichen als Schlüsselwörter
aussuchen lässt, diese Zeichen speichert und anhand dieser
Zeichen die Werbeanzeigen seiner Kunden einblendet, folgt daraus jedoch
noch nicht, dass dieser Anbieter diese Zeichen selbst
„benutzt“ im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 89/104
und Art. 9 der Verordnung Nr. 40/94.
56 Insoweit
genügt der Hinweis, dass Benutzung eines mit einer Marke
identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten
jedenfalls bedeutet, dass der Dritte das Zeichen im Rahmen seiner
eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt. Im Fall eines
Referenzierungsdienstes lässt dessen Anbieter zu, dass seine
Kunden Zeichen benutzen, die mit Marken identisch oder ihnen
ähnlich sind, benutzt diese Zeichen jedoch nicht selbst.
57 Diese
Schlussfolgerung kann nicht durch den Umstand entkräftet
werden, dass dieser Erbringer für die Benutzung der genannten
Zeichen durch seine Kunden eine Vergütung erhält. Die
technischen Voraussetzungen für die Benutzung eines Zeichens
zu schaffen und sich diese Dienstleistung vergüten zu lassen,
bedeutet nicht, dass deren Erbringer dieses Zeichen selbst benutzt.
Soweit er seinem Kunden eine solche Benutzung ermöglicht hat,
ist seine Rolle gegebenenfalls nach anderen Rechtsvorschriften als Art.
5 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 der Verordnung Nr. 40/94, etwa den
in Randnr. 107 des vorliegenden Urteils genannten, zu beurteilen.
58 Aus den
vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass seitens des
Erbringers des Referenzierungsdienstes keine Benutzung im
Geschäftsverkehr im Sinne der Richtlinie 89/104 und der
Verordnung Nr. 40/94 vorliegt.
59 Folglich sind die
Voraussetzungen betreffend die Benutzung „für Waren
oder Dienstleistungen“ und die Beeinträchtigung der
Funktionen der Marke nur im Hinblick auf die Benutzung des mit der
Marke identischen Zeichens durch den Werbenden zu prüfen.
b) Benutzung
„für Waren oder Dienstleistungen“
60 Die in Art. 5 Abs.
1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der
Verordnung Nr. 40/94 enthaltene Wendung „für Waren
oder Dienstleistungen“, die mit denjenigen identisch sind,
für die die Marke eingetragen ist, bezieht sich im Grundsatz
auf die Waren oder Dienstleistungen des Dritten, der das mit der Marke
identische Zeichen benutzt (Urteile vom 25. Januar 2007, Adam Opel,
C‑48/05, Slg. 2007, I‑1017, Randnrn. 28 und 29, sowie vom 12. Juni
2008, O2 Holdings und O2 [UK], C‑533/06, Slg. 2008, I‑4231, Randnr.
34). Sie kann sich gegebenenfalls auch auf die Waren oder
Dienstleistungen einer anderen Person beziehen, für deren
Rechnung der Dritte handelt (vgl. Beschluss UDV North America, Randnrn.
43 bis 51).
61 Wie der
Gerichtshof bereits festgestellt hat, stellen die in Art. 5 Abs. 3 der
Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94
aufgezählten Handlungen, nämlich das Zeichen auf
Waren oder deren Aufmachung anzubringen, unter dem Zeichen Waren oder
Dienstleistungen anzubieten, unter dem Zeichen Waren oder
Dienstleistungen einzuführen oder auszuführen und das
Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu
benutzen, Benutzungen für Waren oder Dienstleistungen dar
(vgl. Urteile Arsenal Football Club, Randnr. 41, und Adam Opel, Randnr.
20).
62 Der
Ausgangssachverhalt in der Rechtssache C‑236/08 kommt den in den
genannten Bestimmungen der Richtlinie 89/104 und der Verordnung Nr.
40/94 beschriebenen Situationen nahe, nämlich dem Anbieten von
Waren Dritter unter dem mit der Marke identischen Zeichen und dessen
Benutzung in der Werbung. Aus den Akten geht nämlich hervor,
dass in Anzeigen, die in der Rubrik „Anzeigen“
erschienen, Zeichen vorkamen, die mit den Marken von Vuitton identisch
waren.
63 Dagegen kommt in
den Fällen der Rechtssachen C‑237/08 und C‑238/08 in der
Anzeige des Dritten kein mit der Marke identisches Zeichen vor.
64 Google macht
geltend, wenn das Zeichen in der Anzeige selbst nicht vorkomme,
könne in seiner Benutzung als Schlüsselwort keine
Benutzung für Waren oder Dienstleistungen gesehen werden. Die
Inhaber der Google entgegengehaltenen Marken und die
französische Regierung sind gegenteiliger Ansicht.
65 Hierzu ist
festzustellen, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs.
2 der Verordnung Nr. 40/94 nur eine nicht erschöpfende
Aufzählung von Benutzungsformen, die der Markeninhaber
verbieten kann, enthalten (vgl. Urteile Arsenal Football Club, Randnr.
38, vom 17. März 2005, Gillette Company und Gillette Group
Finland, C‑228/03, Slg. 2005, I‑2337, Randnr. 28, sowie Adam Opel,
Randnr. 16). Daher kann der Umstand, dass das von dem Dritten zu
Werbezwecken benutzte Zeichen nicht in der Werbung selbst vorkommt,
für sich allein noch nicht bedeuten, dass diese Benutzung
nicht von dem Begriff „Benutzung für Waren oder
Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 89/104
erfasst wird.
66 Im
Übrigen würde bei einer Auslegung, wonach nur die
aufgezählten Benutzungen in Betracht kämen,
übersehen, dass diese Aufzählung erstellt wurde, als
der elektronische Geschäftsverkehr und die Werbung in diesem
Rahmen noch nicht richtig zur Entfaltung gekommen waren. Diese
elektronischen Formen des Geschäftsverkehrs und der Werbung
können jedoch durch die Anwendung der Informationstechnik
typischerweise zu anderen als den in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie
89/104 und Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 aufgezählten
Benutzungsformen führen.
67 Im Fall des
Referenzierungsdienstes ist unstreitig, dass der Werbende durch die
Auswahl des mit einer Marke identischen Zeichens als
Schlüsselwort darauf abzielt, dass die Internetnutzer, die
dieses Wort als Suchbegriff eingeben, nicht nur auf die vom Inhaber
dieser Marke herrührenden angezeigten Links klicken, sondern
auch auf den Werbelink des Werbenden.
68 Zudem ist klar,
dass der Internetnutzer, der einen Markennamen als Suchbegriff eingibt,
in den meisten Fällen Informationen oder Angebote
über die Waren oder Dienstleistungen dieser Marke finden will.
Wenn nun neben oder über den natürlichen
Suchergebnissen Werbelinks zu Websites gezeigt werden, auf denen Waren
oder Dienstleistungen von Mitbewerbern des Inhabers dieser Marken
vorgeschlagen werden, kann der Internetnutzer diese Werbelinks somit,
sofern er sie nicht von vornherein als irrelevant außer Acht
lässt und sie nicht mit denen des Inhabers der Marke
verwechselt, als Vorschlag einer Alternative zu den Waren oder
Dienstleistungen des Markeninhabers betrachten.
69 In dieser
Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Mitbewerber eines
Markeninhabers ein mit der Marke identisches Zeichen als
Schlüsselwort ausgewählt hat, um den Internetnutzern
eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen dieses
Markeninhabers vorzuschlagen, wird das Zeichen für Waren oder
Dienstleistungen benutzt.
70 Insoweit hat der
Gerichtshof bereits entschieden, dass ein Werbender, der in einer
vergleichenden Werbung ein mit der Marke eines Mitbewerbers identisches
oder ihr ähnliches Zeichen zu dem Zweck benutzt, die von
diesem angebotenen Waren oder Dienstleistungen explizit oder implizit
zu identifizieren und seine eigenen Waren oder Dienstleistungen mit
ihnen zu vergleichen, dieses Zeichen „für Waren oder
Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie
89/104 benutzt (vgl. Urteile O2 Holdings und O2 [UK], Randnrn. 35, 36
und 42, sowie L’Oréal u. a., Randnrn. 52 und 53).
71 Ohne dass
geprüft zu werden braucht, ob die Internetwerbung mit
Schlüsselwörtern, die mit Marken von Mitbewerbern
identisch sind, eine Form der vergleichenden Werbung darstellt, handelt
es sich jedenfalls, ebenso wie in der in der vorstehenden Randnummer
angeführten Rechtsprechung, um eine Benutzung für
Waren oder Dienstleistungen des Werbenden, wenn dieser ein mit der
Marke eines Mitbewerbers identisches Zeichen benutzt, um zu erreichen,
dass der Internetnutzer nicht nur die von diesem Mitbewerber
angebotenen Waren oder Dienstleistungen, sondern auch die seinen
wahrnimmt.
72 Im
Übrigen handelt es sich selbst dann um eine Benutzung
„für Waren oder Dienstleistungen“, wenn
der Werbende durch die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens
als Schlüsselwort nicht seine Waren oder Dienstleistungen den
Internetnutzern als Alternative zu denen des Markeninhabers
präsentieren will, sondern das Ziel verfolgt, die
Internetnutzer über die Herkunft seiner Waren oder
Dienstleistungen in die Irre zu führen, indem er sie zu der
Annahme verleitet, dass sie vom Markeninhaber oder einem wirtschaftlich
mit ihm verbundenen Unternehmen stammen. Wie der Gerichtshof bereits
entschieden hat, liegt nämlich eine solche Benutzung
jedenfalls dann vor, wenn der Dritte das mit der Marke identische
Zeichen in der Weise benutzt, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen
und den vertriebenen Waren oder erbrachten Dienstleistungen hergestellt
wird (Urteil Céline, Randnr. 23, und Beschluss UDV North
America, Randnr. 47).
73 Aus alledem ergibt
sich, dass die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens durch
den Werbenden als Schlüsselwort im Rahmen eines
Internetreferenzierungsdienstes unter den Begriff der Benutzung
„für Waren oder Dienstleistungen“ im Sinne
von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 fällt.
74 Desgleichen
handelt es sich um eine Benutzung „für Waren oder
Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der
Verordnung Nr. 40/94, wenn das benutzte Zeichen mit einer
Gemeinschaftsmarke identisch ist.
c) Benutzung, die die
Funktionen der Marke beeinträchtigen könnte
75 Das in Art. 5 Abs.
1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der
Verordnung Nr. 40/94 niedergelegte ausschließliche Recht
wurde gewährt, um dem Inhaber einer Marke den Schutz seiner
spezifischen Interessen als deren Inhaber zu ermöglichen, d.
h. um sicherzustellen, dass die Marke ihre Funktionen erfüllen
kann. Die Ausübung dieses Rechts muss daher auf Fälle
beschränkt bleiben, in denen die Benutzung des Zeichens durch
einen Dritten die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder
beeinträchtigen könnte (vgl. u. a. Urteile Arsenal
Football Club, Randnr. 51, Adam Opel, Randnrn. 21 und 22, sowie
L’Oréal u. a., Randnr. 58).
76 Aus dieser
Rechtsprechung geht hervor, dass der Inhaber einer Marke der Benutzung
eines mit dieser Marke identischen Zeichens nicht widersprechen kann,
wenn diese Benutzung keine der Funktionen der Marke
beeinträchtigen kann (Urteile Arsenal Football Club, Randnr.
54, und L’Oréal u. a., Randnr. 60).
77 Zu diesen
Funktionen gehört nicht nur die Hauptfunktion der Marke, die
Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung
gegenüber den Verbrauchern (im Folgenden: herkunftshinweisende
Funktion), sondern es gehören dazu auch ihre anderen
Funktionen wie u. a. die Gewährleistung der Qualität
dieser Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions-
oder Werbefunktionen (Urteil L’Oréal u. a.,
Randnr. 58).
78 Der durch Art. 5
Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der
Verordnung Nr. 40/94 gewährte Schutz ist somit weiter als der
nach Abs. 1 Buchst. b dieser beiden Artikel, dessen Anwendung das
Vorliegen einer Verwechslungsgefahr voraussetzt (vgl. in diesem Sinne
Urteile Davidoff, Randnr. 28, und L’Oréal u. a.,
Randnr. 59).
79 Aus der vorstehend
angeführten Rechtsprechung geht hervor, dass in dem in Art. 5
Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der
Verordnung Nr. 40/94 geregelten Fall, in dem ein Dritter ein mit der
Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen
benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke
eingetragen ist, der Markeninhaber diese Benutzung verbieten darf, wenn
sie eine der Funktionen der Marke, sei es die herkunftshinweisende
Funktion oder eine der anderen Funktionen, beeinträchtigen
könnte.
80 Der Markeninhaber
darf zwar eine solche Benutzung nicht verbieten, wenn einer der in den
Art. 6 und 7 der Richtlinie 89/104 und den Art. 12 und 13 der
Verordnung Nr. 40/94 angeführten Ausnahmefälle
vorliegt. Es ist jedoch nicht geltend gemacht worden, dass hier einer
dieser Fälle gegeben sei.
81 Vorliegend sind
die herkunftshinweisende Funktion und die Werbefunktion zu
prüfen.
i) Beeinträchtigung
der herkunftshinweisenden Funktion
82 Die Hauptfunktion
der Marke besteht darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die
Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder
Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht,
diese Ware oder Dienstleistung von denjenigen anderer Herkunft zu
unterscheiden (vgl. u. a. Urteile vom 29. September 1998, Canon,
C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 28, und vom 6. Oktober 2005,
Medion, C‑120/04, Slg. 2005, I‑8551, Randnr. 23).
83 Ob es diese
Funktion der Marke beeinträchtigt, wenn Internetnutzern anhand
eines mit der Marke identischen Schlüsselworts eine Anzeige
eines Dritten, z. B. eines Mitbewerbers des Inhabers der Marke, gezeigt
wird, hängt insbesondere davon ab, wie diese Anzeige gestaltet
ist.
84 Die
herkunftshinweisende Funktion der Marke ist beeinträchtigt,
wenn aus der Anzeige für einen normal informierten und
angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu
erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder
Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm
wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten
stammen (vgl. in diesem Sinne Urteil Céline, Randnr. 27 und
die dort angeführte Rechtsprechung).
85 In einer solchen
Situation, die im Übrigen dadurch gekennzeichnet ist, dass die
fragliche Anzeige sofort erscheint, sobald ein Internetnutzer die Marke
als Suchwort eingegeben hat, und zu einem Zeitpunkt gezeigt wird, zu
dem die Marke auf dem Bildschirm auch in ihrer Eigenschaft als Suchwort
sichtbar ist, kann sich der Internetnutzer hinsichtlich des Ursprungs
der betroffenen Waren oder Dienstleistungen irren. Unter diesen
Umständen kann die Benutzung des mit der Marke identischen
Zeichens durch den Dritten als Schlüsselwort, das das
Erscheinen der Anzeige auslöst, den Eindruck entstehen lassen,
dass im geschäftlichen Verkehr eine konkrete Verbindung
zwischen den betroffenen Waren oder Dienstleistungen und dem
Markeninhaber besteht (vgl. entsprechend Urteile Arsenal Football Club,
Randnr. 56, und vom 16. November 2004, Anheuser-Busch, C‑245/02, Slg.
2004, I‑10989, Randnr. 60).
86 Zur
Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion ist ferner
hervorzuheben, dass das Bedürfnis nach Transparenz bei
Anzeigen im Internet in den Rechtsvorschriften der Union über
den elektronischen Geschäftsverkehr hervorgehoben wird. In
Anbetracht des im 29. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31
genannten Interesses der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs und
des Verbraucherschutzes wird in Art. 6 dieser Richtlinie die Regel
aufgestellt, dass die natürliche oder juristische Person, in
deren Auftrag eine zu einem Dienst der Informationsgesellschaft
gehörende kommerzielle Kommunikation erfolgt, klar
identifizierbar sein muss.
87 Somit kann zwar,
wer Anzeigen ins Internet stellt, gegebenenfalls nach den Bestimmungen
aus anderen Rechtsgebieten, wie etwa dem des unlauteren Wettbewerbs,
zur Verantwortung gezogen werden, doch kann der Vorwurf, dass mit
Marken identische oder ihnen ähnliche Zeichen im Internet
rechtswidrig benutzt worden seien, anhand des Markenrechts
geprüft werden. Angesichts der Hauptfunktion der Marke, die
auf dem Gebiet des elektronischen Geschäftsverkehrs u. a.
darin besteht, es einem Internetnutzer bei der Durchsicht der Anzeigen,
die auf eine Suche nach einer bestimmten Marke hin gezeigt werden, zu
ermöglichen, die Waren oder Dienstleistungen des Inhabers
dieser Marke von denen anderer Herkunft zu unterscheiden, muss dieser
Markeninhaber befugt sein, zu verbieten, dass Anzeigen von Dritten
gezeigt werden, die von den Internetnutzern fälschlich als von
ihm stammend aufgefasst werden könnten.
88 Es ist Sache des nationalen Gerichts,
im Einzelfall zu würdigen, ob nach dem Sachverhalt des bei ihm
anhängigen Rechtsstreits eine Beeinträchtigung der
herkunftshinweisenden Funktion, wie sie in Randnr. 84 dieses Urteils
beschrieben ist, vorliegt oder vorliegen könnte.
89 Wird in der
Anzeige des Dritten suggeriert, dass zwischen diesem Dritten und dem
Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht, wird auf eine
Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion zu
schließen sein.
90 Wird in der
Anzeige das Bestehen einer wirtschaftlichen Verbindung zwar nicht
suggeriert, ist sie aber hinsichtlich der Herkunft der fraglichen Waren
oder Dienstleistungen so vage gehalten, dass ein normal informierter
und angemessen aufmerksamer Internetnutzer auf der Grundlage des
Werbelinks und der ihn begleitenden Werbebotschaft nicht erkennen kann,
ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder
vielmehr mit diesem wirtschaftlich verbunden ist, wird ebenfalls auf
eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion zu
schließen sein.
ii) Beeinträchtigung der Werbefunktion
91 Angesichts der im
geschäftlichen Verkehr angebotenen Vielfalt an Waren und
Dienstleistungen mag der Inhaber einer Marke mit dieser nicht nur auf
die Herkunft seiner Waren oder Dienstleistungen hinweisen, sondern sie
auch für Zwecke der Werbung einsetzen wollen, um den
Verbraucher zu informieren und zu überzeugen.
92 Der Inhaber einer
Marke darf es daher verbieten, dass ohne seine Zustimmung ein mit
seiner Marke identisches Zeichen für Waren oder
Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind,
für die die Marke eingetragen ist, wenn durch diese Benutzung
seine Möglichkeit, die Marke als Element der
Verkaufsförderung oder Instrument der Handelsstrategie
einzusetzen, beeinträchtigt wird.
93 Benutzen Werbende
im Internet ein mit einer Marke eines anderen identisches Zeichen als
Schlüsselwort für die Anzeige von Werbebotschaften,
ist es offensichtlich, dass diese Benutzung geeignet ist, auf die
Möglichkeit für den Inhaber der Marke, sie
für Werbung einzusetzen, und auf seine Handelsstrategie
Auswirkungen zu entfalten.
94 Angesichts des
hohen Stellenwerts der Internetwerbung im geschäftlichen
Verkehr ist es nämlich plausibel, dass der Markeninhaber bei
dem Anbieter des Referenzierungsdienstes seine eigene Marke als
Schlüsselwort registriert, um in der Rubrik
„Anzeigen“ eine Anzeige erscheinen zu lassen. Tut
er dies, wird er möglicherweise einen höheren
Preis-pro-Klick als andere Wirtschaftsteilnehmer zahlen
müssen, wenn er will, dass seine Anzeige vor den Anzeigen
dieser Wirtschaftsteilnehmer erscheint, die ebenfalls seine Marke als
Schlüsselwort ausgewählt haben. Zudem hat der
Markeninhaber, selbst wenn er bereit ist, einen höheren
Preis-pro-Klick als jene Dritten zu zahlen, die seine Marke ebenfalls
als Schlüsselwort ausgewählt haben, keine Gewissheit,
dass seine Anzeige vor den Anzeigen dieser Dritten erscheint, da sich
die Reihenfolge der Anzeigen auch nach anderen Gesichtspunkten bestimmt.
95 Diese Auswirkungen
der Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens durch Dritte
stellen jedoch für sich allein keine Beeinträchtigung
der Werbefunktion der Marke dar.
96 Wie
nämlich das vorlegende Gericht selbst festgestellt hat,
betreffen die Vorlagefragen die Situation, in der die Werbelinks
gezeigt werden, nachdem der Internetnutzer ein Suchwort eingegeben hat,
das der als Schlüsselwort ausgewählten Marke
entspricht. Ferner steht in diesen Rechtssachen fest, dass diese
Werbelinks an der Seite oder oberhalb der Liste der
natürlichen Suchergebnisse gezeigt werden.
Schließlich ist unstreitig, dass sich die Reihenfolge der
natürlichen Suchergebnisse nach der Relevanz der jeweiligen
Websites in Bezug auf das vom Internetnutzer eingegebene Suchwort
bestimmt und dass der Betreiber der Suchmaschine für die
Anzeige dieser Ergebnisse keine Vergütung verlangt.
97 Hieraus ergibt
sich, dass, wenn der Internetnutzer den Namen einer Marke als Suchwort
eingibt, die Homepage und Werbe-Website des Inhabers dieser Marke in
der Liste der natürlichen Ergebnisse erscheint, und zwar
normalerweise an einer der vordersten Stellen dieser Liste. Infolge
dieser Anzeige, die im Übrigen unentgeltlich ist, ist die
Sichtbarkeit der Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers
für den Internetnutzer gewährleistet,
unabhängig davon, ob es dem Markeninhaber gelingt, eine
Anzeige auch in der Rubrik „Anzeigen“ unter den
Ersten zu platzieren.
98 Folglich ist die
Benutzung eines mit einer Marke eines anderen identischen Zeichens im
Rahmen eines Referenzierungsdienstes wie dem in den Ausgangsverfahren
fraglichen nicht geeignet, die Werbefunktion der Marke zu
beeinträchtigen.
d) Ergebnis
99 Nach alledem ist
auf die erste Frage in der Rechtssache C‑236/08, die erste Frage in der
Rechtssache C‑237/08 sowie die erste und zweite Frage in der
Rechtssache C‑238/08 zu antworten:
– Art. 5
Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der
Verordnung Nr. 40/94 sind dahin auszulegen, dass der Inhaber einer
Marke es einem Werbenden verbieten darf, auf ein mit dieser Marke
identisches Schlüsselwort, das von diesem Werbenden ohne seine
Zustimmung im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes
ausgewählt wurde, für Waren oder Dienstleistungen,
die mit den von der Marke erfassten identisch sind, zu werben, wenn aus
dieser Werbung für einen Durchschnittsinternetnutzer nicht
oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren
oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm
wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten
stammen;
– der
Anbieter eines Internetreferenzierungsdienstes, der ein mit einer Marke
identisches Zeichen als Schlüsselwort speichert und
dafür sorgt, dass auf dieses Schlüsselwort Anzeigen
gezeigt werden, benutzt dieses Zeichen nicht im Sinne von Art. 5 Abs. 1
der Richtlinie 89/104 bzw. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung
Nr. 40/94.
3. Zur Auslegung von Art. 5
Abs. 2 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung
Nr. 40/94
100 Mit seiner zweiten Frage in der
Rechtssache C‑236/08 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob
darin, dass der Anbieter eines Internetreferenzierungsdienstes ein
Zeichen, das einer bekannten Marke entspricht, als
Schlüsselwort speichert und dafür sorgt, dass anhand
dieses Schlüsselworts Anzeigen gezeigt werden, eine Benutzung
dieses Zeichens liegt, die der Inhaber der genannten Marke nach Art. 5
Abs. 2 der Richtlinie 89/104 bzw. – wenn das Zeichen mit
einer bekannten Gemeinschaftsmarke identisch ist – nach Art.
9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 verbieten darf.
101 Nach den Ausführungen des
vorlegenden Gerichts steht in dieser Rechtssache fest, dass Google es
Werbenden, die den Internetnutzern Nachahmungen von Vuitton-Waren
vorschlugen, ermöglichte, den Marken von Vuitton entsprechende
Schlüsselwörter auszuwählen und mit
Schlüsselwörtern wie „Imitat“ und
„Kopie“ zu kombinieren.
102 Der Gerichtshof hat zum Fall des
Angebots von Nachahmungen zum Verkauf bereits entschieden, dass, wenn
ein Dritter versucht, sich durch die Benutzung eines Zeichens, das mit
einer bekannten Marke identisch oder ihr ähnlich ist, in den
Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer
Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, und ohne
jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene
Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen
Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung
des Images dieser Marke auszunutzen, der sich aus dieser Benutzung
ergebende Vorteil als unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft
oder der Wertschätzung der Marke anzusehen ist (Urteil
L’Oréal u. a., Randnr. 49).
103 Diese Rechtsprechung ist für
Fälle relevant, in denen Werbende im Internet mittels
Benutzung von Zeichen, die mit bekannten Marken wie „Louis
Vuitton“ oder „Vuitton“ identisch sind,
Waren zum Verkauf anbieten, die Nachahmungen von Waren des Inhabers
dieser Marken sind.
104 Was jedoch die Frage angeht, ob
darin, dass der Erbringer eines Referenzierungsdienstes, wenn er diese
Zeichen kombiniert mit Ausdrücken wie
„Imitat“ und „Kopie“ als
Schlüsselwörter speichert und anhand dieser
Schlüsselwörter Anzeigen erscheinen lässt,
eine eigene Benutzung liegt, die der Inhaber dieser Marken verbieten
darf, so stellen, wie in den Randnrn. 55 bis 57 des vorliegenden
Urteils ausgeführt, diese Handlungen des Dienstanbieters keine
Benutzung im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 der
Verordnung Nr. 40/94 dar.
105 Daher ist auf die zweite Frage in der
Rechtssache C‑236/08 zu antworten, dass der Anbieter eines
Internetreferenzierungsdienstes, der ein mit einer bekannten Marke
identisches Zeichen als Schlüsselwort speichert und
dafür sorgt, dass anhand dieses Schlüsselworts
Anzeigen gezeigt werden, dieses Zeichen nicht im Sinne von Art. 5 Abs.
2 der Richtlinie 89/104 bzw. Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr.
40/94 benutzt.
B –Zur Verantwortlichkeit des Anbieters des
Referenzierungsdienstes
106 Mit seiner dritten Frage in der
Rechtssache C‑236/08, der zweiten Frage in der Rechtssache C‑237/08 und
der dritten Frage in der Rechtssache C‑238/08 möchte das
vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 der Richtlinie 2000/31 dahin
auszulegen ist, dass ein Internetreferenzierungsdienst einen Dienst der
Informationsgesellschaft darstellt, der in der Speicherung von durch
den Werbenden eingegebenen Informationen besteht, so dass diese Daten
Gegenstand von „Hosting“ im Sinne dieses Artikels
sind und die Verantwortlichkeit des Anbieters des
Referenzierungsdienstes nicht geltend gemacht werden kann, solange er
von dem rechtswidrigen Verhalten dieses Werbenden keine Kenntnis hat.
107 Abschnitt 4
(„Verantwortlichkeit der Vermittler“) der
Richtlinie 2000/31, der die Art. 12 bis 15 umfasst, soll die
Fälle beschränken, in denen nach dem
einschlägigen nationalen Recht die Vermittler zur
Verantwortung gezogen werden können. Die Voraussetzungen
für die Feststellung einer solchen Verantwortlichkeit sind
daher im nationalen Recht zu suchen, wobei jedoch nach Abschnitt 4
dieser Richtlinie in bestimmten Fällen keine
Verantwortlichkeit der Vermittler festgestellt werden darf. Seit dem
Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie müssen die
nationalen Rechtsvorschriften über die Verantwortlichkeit der
Vermittler die Beschränkungen nach diesen Artikeln enthalten.
108 Vuitton, Viaticum und CNRRH machen
jedoch geltend, ein Referenzierungsdienst wie AdWords sei kein Dienst
der Informationsgesellschaft, wie er in der Richtlinie 2000/31
definiert sei, so dass der Anbieter eines solchen Dienstes nicht in den
Genuss dieser Beschränkungen der Verantwortlichkeit kommen
könne. Google und die Kommission der Europäischen
Gemeinschaften sind gegenteiliger Ansicht.
109 Die in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie
2000/31 vorgesehene Beschränkung der Verantwortlichkeit gilt
im Fall eines „Dienstes der Informationsgesellschaft, der in
der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen
besteht“, und bedeutet, dass der Anbieter eines solchen
Dienstes nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten
Informationen zur Verantwortung gezogen werden kann, es sei denn, er
hat die Informationen nicht unverzüglich entfernt oder den
Zugang zu ihnen gesperrt, nachdem er durch eine Information einer
geschädigten Person oder auf andere Weise von der
Rechtswidrigkeit dieser Informationen oder Tätigkeiten des
Nutzers Kenntnis erlangt hat.
110 Wie in den Randnrn. 14 und 15 des
vorliegenden Urteils ausgeführt, hat der Gesetzgeber in die
Definition des Begriffs „Dienst der
Informationsgesellschaft“ Dienstleistungen einbezogen, die im
Fernabsatz mittels Geräten für die elektronische
Verarbeitung und Speicherung von Daten auf individuellen Abruf eines
Empfängers und in der Regel gegen Entgelt erbracht werden.
Angesichts der Merkmale des in den Ausgangsverfahren in Frage stehenden
Referenzierungsdienstes, wie sie in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils
zusammengefasst worden sind, ist zu folgern, dass dieser Dienst in
sämtlichen Punkten dieser Definition entspricht.
111 Zudem lässt sich nicht
bestreiten, dass der Anbieter eines Referenzierungsdienstes
Informationen des Nutzers dieses Dienstes, nämlich des
Werbenden, in einem Kommunikationsnetz übermittelt, das den
Internetnutzern zugänglich ist, und bestimmte Daten, wie z. B.
die vom Werbenden ausgewählten
Schlüsselwörter, den Werbelink und die diesen
begleitende Werbebotschaft sowie die Adresse der Website des Werbenden,
speichert, d. h., sie in den Speicher seines Servers schreibt.
112 Die Speicherung durch den Anbieter
eines Referenzierungsdienstes fällt jedoch nur dann unter Art.
14 der Richtlinie 2000/31, wenn das Verhalten dieses Anbieters auf das
eines „Vermittlers“ in dem vom Gesetzgeber im
Rahmen des Abschnitts 4 der Richtlinie 2000/31 gewollten Sinn
beschränkt bleibt.
113 In diesem Zusammenhang ergibt sich
aus dem 42. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31, dass die in
dieser Richtlinie hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten
Ausnahmen nur die Fälle erfassen, in denen die
Tätigkeit des Anbieters von Diensten der
Informationsgesellschaft „rein technischer, automatischer und
passiver Art“ ist, was bedeutet, dass der Anbieter
„weder Kenntnis noch Kontrolle über die
weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt“.
114 Daher ist zur Feststellung, ob die
Verantwortlichkeit des Anbieters des Referenzierungsdienstes nach Art.
14 der Richtlinie 2000/31 beschränkt sein könnte, zu
prüfen, ob die Rolle dieses Anbieters insofern neutral ist,
als sein Verhalten rein technischer, automatischer und passiver Art ist
und er weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete
oder gespeicherte Information besitzt.
115 Zu dem in den Ausgangsverfahren
fraglichen Referenzierungsdienst geht aus den Akten und aus der
Beschreibung in den Randnrn. 23 ff. des vorliegenden Urteils hervor,
dass Google mittels der von ihm entwickelten Programme die von den
Werbenden eingegebenen Daten verarbeitet und dass als Ergebnis unter
Voraussetzungen, die Google kontrolliert, Anzeigen gezeigt werden. So
bestimmt Google die Reihenfolge der Anzeigen u. a. nach der von den
Werbenden gezahlten Vergütung.
116 Der bloße Umstand, dass der
Referenzierungsdienst entgeltlich ist, dass die
Vergütungsmodalitäten von Google festgelegt werden
und dass Google seinen Kunden Auskünfte allgemeiner Art
erteilt, kann nicht dazu führen, dass die in der Richtlinie
2000/31 hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen auf
Google keine Anwendung finden.
117 Ebenso wenig reicht die
Übereinstimmung zwischen dem ausgewählten
Schlüsselwort und dem von dem Internetnutzer eingegebenen
Suchbegriff aus für die Annahme, dass Google die Daten kennt
oder kontrolliert, die von den Werbenden in sein System eingegeben und
auf seinem Server gespeichert werden.
118 Dagegen ist im Rahmen der in Randnr.
114 des vorliegenden Urteils genannten Prüfung von Bedeutung,
welche Rolle Google bei der Abfassung der den Werbelink begleitenden
Werbebotschaft oder bei der Festlegung oder der Auswahl der
Schlüsselwörter gespielt hat.
119 Es ist Sache des nationalen Gerichts,
das am besten in der Lage ist, die konkreten Modalitäten
festzustellen, unter denen die Dienstleistung in den Ausgangsverfahren
erbracht wurde, zu beurteilen, ob die Rolle von Google der in Randnr.
114 des vorliegenden Urteils entspricht.
120 Folglich ist auf die dritte Frage in
der Rechtssache C‑236/08, die zweite Frage in der Rechtssache C‑237/08
und die dritte Frage in der Rechtssache C‑238/08 zu antworten, dass
Art. 14 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass die darin
aufgestellte Regel auf den Anbieter eines
Internetreferenzierungsdienstes Anwendung findet, wenn dieser keine
aktive Rolle gespielt hat, die ihm eine Kenntnis der gespeicherten
Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte. Hat
dieser Anbieter keine derartige Rolle gespielt, kann er für
die Daten, die er auf Anfrage eines Werbenden gespeichert hat, nicht
zur Verantwortung gezogen werden, es sei denn, er hat die Informationen
nicht unverzüglich entfernt oder den Zugang zu ihnen gesperrt,
nachdem er von der Rechtswidrigkeit dieser Informationen oder
Tätigkeiten des Werbenden Kenntnis erlangt hat.
IV – Kosten
121 Für die Parteien der
Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die
Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen
anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen
vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große
Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates
vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Marken und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a
der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993
über die Gemeinschaftsmarke sind dahin auszulegen, dass der
Inhaber einer Marke es einem Werbenden verbieten darf, auf ein mit
dieser Marke identisches Schlüsselwort, das von diesem
Werbenden ohne seine Zustimmung im Rahmen eines
Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt wurde, für
Waren oder Dienstleistungen, die mit den von der Marke erfassten
identisch sind, zu werben, wenn aus dieser Werbung für einen
Durchschnittsinternetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob
die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem
Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen
Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen.
2. Der Anbieter eines Internetreferenzierungsdienstes, der ein mit
einer Marke identisches Zeichen als Schlüsselwort speichert
und dafür sorgt, dass auf dieses Schlüsselwort
Anzeigen gezeigt werden, benutzt dieses Zeichen nicht im Sinne von Art.
5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 89/104 bzw. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung
Nr. 40/94.
3. Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte
rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft,
insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im
Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen
Geschäftsverkehr“) ist dahin auszulegen, dass die
darin aufgestellte Regel auf den Anbieter eines
Internetreferenzierungsdienstes Anwendung findet, wenn dieser keine
aktive Rolle gespielt hat, die ihm eine Kenntnis der gespeicherten
Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte. Hat
dieser Anbieter keine derartige Rolle gespielt, kann er für
die Daten, die er auf Anfrage eines Werbenden gespeichert hat, nicht
zur Verantwortung gezogen werden, es sei denn, er hat die Informationen
nicht unverzüglich entfernt oder den Zugang zu ihnen gesperrt,
nachdem er von der Rechtswidrigkeit dieser Informationen oder
Tätigkeiten des Werbenden Kenntnis erlangt hat.
Unterschriften